BP:
 

Entwicklung des Angebots- und Nachfragepotenzials

Beim Angebots- und Nachfragepotenzial handelt es sich um latente Größen innerhalb von PROSIMA, die das Gesamtpotenzial an Ausbildungsplätzen beinhalten, die Betriebe, Praxen und Verwaltungen neu einzurichten oder wieder zu besetzen gedenken, und das Gesamtpotenzial an Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die im Laufe des Berichtsjahres Interesse an einer Ausbildung gezeigt haben. Diese Größen werden jedes Jahr über Zustandsraummodelle geschätzt und aktualisiert. Vereinfacht gesagt kann durch diese Methode eine Variable, die faktisch nicht unmittelbar beobachtbar und empirisch zugänglich ist, vorausgeschätzt werden, indem die Veränderung von relevanten, beobachtbaren Indikatoren über den Zeitraum für ihre Schätzung herangezogen wird (Lösch/Kau/Walden 2008).18 Die Prognose der Potenzialgrößen erfolgt dann mithilfe einer Regressionsgleichung im rekursiven Gleichungssystem von PROSIMA. Alternativ kann die Vorhersage der Potenzialgrößen aber auch anhand der Zustandsraummodelle erfolgen und dann als exogene Größen an PROSIMA übergeben werden. Für die Vorausschätzung des Ausbildungsplatzangebots und der Ausbildungsplatznachfrage des Jahres 2014 wurden beide Varianten getestet (Lösch/Maier 2014).

Für das Nachfragepotenzial ergeben sich sowohl in der Vorhersage in PROSIMA als auch in der Vorhersage anhand des Zustandsraummodells ähnliche Werte. In beiden Fällen sinkt das Nachfragepotenzial im Jahr 2014 im Vergleich zu 2013. Die Ursache hierfür liegt in der demografischen Entwicklung begründet, die vor allem durch die recht deutlich zurückgehenden Schulabgängerzahlen aus den allgemeinbildenden Schulen sichtbar wird Tabelle A2.2-1. Da bis auf Hessen in keinem Bundesland mehr doppelte Abiturjahrgänge erwartet werden, spielen die hierdurch hervorgerufenen Sondereffekte auch nur in kleinem Maße, über die Zahl der Schulabgänger/-innen aus dem Vorjahr, eine Rolle.

Eine Herausforderung für das Jahr 2014 stellt die Schätzung des Angebotspotenzials dar. Nach vier Jahren zurückgehender Wachstumsdynamik (2010: +4,2 %; 2011: +3,0 %; 2012: +7,0 %; 2013: + 0,4 %) geht die Bundesregierung erstmals wieder von einem Anstieg des realen Bruttoinlandsproduktes um 1,8 Prozent aus (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2014) aus. Obwohl PROSIMA in seiner endogenen Prognose je nach Annahme des Auftragseingangs aus dem Ausland ein Wachstum von 2,0 % bis 2,5 % erreicht und somit nahe am vorhergesagten Wert der Bundesregierung liegt, wird für die Prognose ein Wachstum von 1,8 % angenommen und exogen gesetzt, um die Vergleichbarkeit zu anderen Analysen des Arbeitsmarktes zu gewährleisten.19

Fraglich bleibt indes, inwieweit sich das Wirtschaftswachstum auf die Bereitschaft der Betriebe, Praxen und Verwaltungen auswirkt, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Im Rahmen der Prognose mithilfe des Zustandsraummodells ergibt sich als Folge zweier gegenläufiger Entwicklungen ein Angebotspotenzial wie im Jahr 2013: Während der wirtschaftliche Aufschwung positiv auf das Angebotspotenzial wirkt, führt der demografiebedingte Nachfragerückgang zu einer sinkenden Erfolgswahrscheinlichkeit in der Stellenbesetzung – mit negativen Effekten auf das Angebotspotenzial. Dieser statistisch positive Zusammenhang zwischen Ausbildungsplatznachfrage und -angebot führt dazu, dass sich das Angebotspotenzial nicht wesentlich erhöht, sondern nahezu auf dem Stand des Vorjahres verweilt. In der endogenen Prognose von PROSIMA ist die Nachfrageabhängigkeit bzw. die Erfolgswahrscheinlichkeit bei vergangenen Stellenbesetzungen noch bedeutsamer, sodass hier, trotz positiver wirtschaftlicher Entwicklung, mit einem Rückgang des Angebotspotenzials um ca. 2 % für das Jahr 2014 zu rechnen ist.

Nachfolgend wird das Angebotspotenzial, das mithilfe des Zustandsraummodells prognostiziert wurde, als exogene Größe in PROSIMA gesetzt. Demnach ist ein ähnlich hohes Angebotspotenzial wie im Vorjahr 2013 zu erwarten. Daneben wird gleichwohl auch eine etwas pessimistischere Alternative berechnet, für den Fall, dass sich die Betriebe, Praxen und Verwaltungen aufgrund bereits erfolgter häufiger Nichtbesetzung ihrer Stellen gegen die Bereitstellung eines Ausbildungsplatzes entscheiden (Lösch/Maier 2013).

Entwicklung von Ausbildungsplatzangebot und -nachfrage

Tabelle A2.2-1 zeigt die Ergebnisse der Vorausschätzung für das Jahr 2014 unter der Annahme, dass das Angebotspotenzial auf dem Stand des Vorjahres verharrt bzw. sich nur leicht erhöht. Das tatsächlich bereitgestellte Ausbildungsangebot würde dann 567.100 Plätze betragen und läge damit leicht über dem Wert des Jahres 2013.20 Aufgrund der zurückgehenden Nachfrage nach Ausbildungsplätzen wird die Zahl der Neuabschlüsse von Ausbildungsverträgen aber um circa 4.000 Verträge fallen und einen Punktwert von 526.600 erreichen. Das Vertrauensintervall liegt bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % zwischen 513.900 und 539.300 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen.

Im Handwerk lässt sich beobachten, dass gerade hier Effekte aus dem demografischen Abschwung durch den konjunkturellen Aufschwung gemildert werden können. Hier spielt insbesondere der zu erwartende höhere Auftragseingang im Baugewerbe eine Rolle. Durch eine steigende Nachfrage nach Wohnraum sowie Immobilien als Kapitalanlagen wächst die Zahl neu genehmigter Bauvorhaben. Für 2014 prognostiziert die Bundesbank eine Steigerung der Wohnungsbauinvestitionen um 5,5 % (Deutsche Bundesbank 2013). PROSIMA geht deshalb davon aus, dass nach Jahren des Rückgangs die Anzahl der Neuabschlüsse von Ausbildungsverträgen im Handwerk vorerst stagnieren wird, während die Entwicklung im Bereich Industrie und Handel weiterhin leicht rückläufig (-1 % im Vergleich zu 2013) sein wird.

Das leicht gestiegene Ausbildungsplatzangebot und die um -11.000 Personen auf 603.300 Personen zurückgehende Ausbildungsplatznachfrage (erweiterte Definition) hat zur Folge, dass die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze im Vergleich zum Jahr 2013 um rund 7.000 Plätze (+17,3 %) auf 40.500 Plätze steigen könnte, wobei das Vertrauensintervall zwischen 28.700 und 52.300 Plätzen liegt. Angemerkt werden muss allerdings, dass sich die unbesetzten Ausbildungsstellen bereits in der Vergangenheit nur schwer vorausschätzen ließen, da sie zum einen stark von den beiden latenten Größen des Angebots- und Nachfragepotenzials abhängen und zum anderen aber auch von der Bereitschaft der Betriebe, ihre Ausbildungsstellen bei der Bundesagentur für Arbeit zu melden. So kann es sein, dass ein Betrieb bei wiederholten erfolglosen Ausschreibungen beschließt, nicht mehr auszuschreiben, obwohl eine Stelle zur Verfügung stünde. Ebenfalls kann sich eine Firma dazu entschließen, jemanden auszubilden, obwohl kein Ausbildungsplatzangebot gemeldet war. Die Meldebereitschaft ist somit eine unbekannte Größe, die sich in PROSIMA nur schwer handhaben lässt. Aus diesem Grund wurde neben der exogenen Setzung eines nahezu gleichbleibenden Ausbildungspotenzials auch wie bislang eine endogene Fortschreibung des Ausbildungspotenzials in PROSIMA vorgenommen. In diesem Fall würde das Ausbildungsplatzangebot wie erwähnt um 2 % gegenüber dem Jahr 2013 fallen, sodass sich hier ein leicht pessimistischeres Abbild des Ausbildungsmarktes zum 30. September 2014 ergibt.

Unter der Voraussetzung eines abnehmenden Angebotspotenzials beträgt die Zahl der tatsächlich registrierten Ausbildungsplatzangebote lediglich 555.100 Plätze, wovon ähnlich wie in 2013 nur rund 33.200 unbesetzt bleiben.21 Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge würde dann statt um 4.000 (wie in Tabelle A2.2-1 dargestellt) um knapp 9.000 Plätze auf 521.900 fallen.22 Auch die Angebots-Nachfrage-Relation würde sich aus Sicht der Bewerberinnen und Bewerber etwas verschlechtern. Anstelle von 94,0 (erweiterte Definition) bzw. 104,6 (alte Definition) Ausbildungsplatzangeboten auf 100 Ausbildungsplatznachfrager/-innen kämen dann lediglich 92,7 (erweiterte Definition)23 bzw. 103,3 (alte Definition)24 Angebote. In beiden Fällen verbessert sich aber die Situation aus Sicht der Bewerber/-innen im Vergleich zum Jahr 2013.

Das Nachfragepotenzial ist von einer alternativen Entwicklung des Angebotspotenzials bzw. der wirtschaftlichen Entwicklung für das Jahr 2014 relativ unberührt. Aufgrund des demografischen Rückgangs wird die Zahl der unversorgten Bewerber auf ca. 15.300 abnehmen, die Zahl der noch suchenden Bewerber mit Alternative zum 30. September bleibt mit 61.400 jedoch auf nahezu gleichem Niveau wie im Jahr 2013 (62.600 Personen).

Die Ergebnisse von PROSIMA für das Jahr 2014 zeigen, dass der zu erwartende konjunkturelle Aufschwung den jüngsten Abwärtstrend in der Entwicklung der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge stoppen könnte. Es bedarf aber auch der Bereitschaft der Betriebe, Praxen und Verwaltungen, selbst bei möglicherweise begrenzten Erfolgsaussichten Ausbildungsplätze anzubieten. Denn durch den kontinuierlichen Abbau der öffentlich finanzierten Ausbildungsplätze gewinnt das betriebliche Ausbildungsplatzangebot eine immer größere Bedeutung in der Versorgung der ausbildungsinteressierten Jugendlichen (Ulrich u. a. 2013).

Als hilfreich kann sich in diesem Zusammenhang erweisen, wenn der Stellenwert einer Fachkräftesicherung durch duale Ausbildung aus betrieblicher Sicht erhalten bleibt bzw. zunimmt. Zudem sollte darauf hingewirkt werden, dass sich das Stellenbesetzungsrisiko gleichmäßiger als bislang über die Regionen, Betriebe und vor allem auch Berufe verteilt. Ein mäßiges Risiko für alle Anbieter, Ausbildungsplätze nicht besetzen zu können, dürfte für das gesamte Angebotsvolumen geringere negative Folgen haben als eine stark ungleiche Risikoverteilung, bei der manche Anbieter zwar sogar deutliche Nachfrageüberschüsse aufweisen, viele andere aber kaum noch darauf hoffen können, ihre Plätze tatsächlich besetzen zu können. Eine gleichmäßigere Risikoverteilung kann jedoch nur gelingen, wenn die stark nach Berufen streuenden Attraktivitätsunterschiede dualer Berufsausbildung verringert werden (Schier/Ulrich 2014).

Zudem ist es für die Besetzbarkeit von betrieblichen Ausbildungsplatzangeboten wichtig, den ausbildungsinteressierten Jugendlichen ein betont nüchternes, realistisches Bild von der Lage auf dem Ausbildungsmarkt zu vermitteln. Ein zu positives Bild der Ausbildungsmarktlage birgt die Gefahr, dass Bewerber/-innen ihre Erfolgschancen überschätzen. Sie gelangen infolgedessen zur Überzeugung, sich nicht mehr für vermeintlich weniger attraktive Berufe mit faktisch guten Bewerbungsaussichten interessieren zu müssen, sondern konzentrieren ihre Bewerbungen auf attraktivere Berufe, in denen ihre Chancen tatsächlich aber oft nur unterdurchschnittlich ausfallen. Die Folge sind wachsende Passungsprobleme auf dem Ausbildungsmarkt – es gibt mehr erfolglos suchende Jugendliche –, und zugleich bleibt ein großer und wichtiger Teil des Angebots unbesetzt (Matthes/Ulrich 2014).

Sollten die Betriebe aufgrund vorheriger erfolgloser Rekrutierungsversuche ihr Interesse an einer Fachkräfterekrutierung mittels dualer Ausbildung zurückfahren, wird die Entwicklung der Neuverträge zwangsläufig sehr rasch dem demografischen Trend folgen. Unter Berücksichtigung einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % könnte die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge dann im schlimmsten Falle auf bis zu 508.800 Verträge im Jahr 2014 sinken.25

Tabelle A2.2-1: Einschätzung der Ausbildungsmarktentwicklung zum 30. September 2014 (Angaben in Tsd.)

  • 18

    Zwar lässt sich mit einem Zustandsraummodell die Güte der Schätzwerte zu den latenten Variablen nicht näher bestimmen, da diese nicht bekannt sind. Man kann aber die unbeobachteten Zustandsvariablen in einen Zusammenhang mit beobachtbaren Variablen bringen, indem versucht wird, diese beobachtbaren Größen mithilfe der Zustandsvariablen zu erklären. 

  • 19

    Die Ergebnisse der Prognose unter Berücksichtigung des endogen prognostizierten Wachstums des Bruttoinlandsproduktes entsprechen den in Tabelle A2.2-1 dargestellten Ergebnissen. 

  • 20

    Unter Berücksichtigung des üblichen Schätzfehlers ist der tatsächliche Wert des Ausbildungsplatzangebots mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % im Bereich zwischen 564.700 und 569.500 zu vermuten. 

  • 21

    Das Vertrauensintervall liegt mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % beim Ausbildungsplatzangebot zwischen 536.500 und 573.700 Plätzen, wovon 16.000 bis 50.400 unbesetzt bleiben könnten. 

  • 22

    Unter Berücksichtigung einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % liegt das Vertrauensintervall der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge zwischen 508.800 und 535.000 neuen Verträgen. 

  • 23

    Das Vertrauensintervall liegt mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % zwischen 89,0 und 96,4. 

  • 24

    Das Vertrauensintervall liegt mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % zwischen 99,6 und 107,0. 

  • 25

    Dieser Wert entspricht der unteren Grenze des Vertrauensintervalls (5 % Irrtumswahrscheinlichkeit) bei einer endogenen Vorhersage des Angebotspotenzials in PROSIMA.