BP:
 

Im Rahmen der Dauerbeobachtungen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) werden auch berufsstrukturelle Analysen vorgenommen. Sie geben Aufschluss über Entwicklungsperspektiven im dualen System und ermöglichen u. a. die Abschätzung von Chancen für unterschiedliche Gruppen von Jugendlichen (vgl. Uhly 2010; Uhly/Troltsch 2009).

Betrachtet werden im Folgenden Produktions- und Dienstleistungsberufe, technische Ausbildungsberufe, neue Ausbildungsberufe, zweijährige Ausbildungsberufe und Berufe nach Ausbildungsregelungen für Menschen mit Behinderung. Die Analysen erfolgen auf Basis der Berufsbildungsstatistik (Erhebung zum 31. Dezember vgl. Erläuterung in Kapitel A4.2.1), die sich besonders für langfristige Entwicklungen eignet. Die Statistik erfasst zudem weitere Merkmale wie die allgemeinbildenden Schulabschlüsse unter den Auszubildenden, die mit den Daten verknüpft werden können. Als Grundlage der Analysen dienen die neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge (vgl. Erläuterung in Kapitel A4.3).72

Tertiarisierung der dualen Berufsausbildung

Wie im Beschäftigungssystem nimmt auch in der dualen Berufsausbildung die Bedeutung der Dienstleistungsberufe zu (Walden 2007). Der Anteil der Dienstleistungsberufe ist im dualen System jedoch etwas niedriger. Denn die Berufsausbildung im Bereich der mittleren Qualifikationsebene erfolgt gerade im Bereich von Dienstleistungsberufen häufig nicht nach BBiG/HwO, sondern („vollzeitschulisch“) an Berufsfachschulen, v. a. an Schulen des Gesundheitswesens. Im Berichtsjahr 2012 wurden im dualen System rund 325.878 neue Verträge in den Dienstleistungsberufen abgeschlossen. Gemessen an allen Neuabschlüssen machte dies einen Anteil von 59,4 % aus. Der Rückgang gegenüber dem Vorjahr (-2,7 %) entsprach damit der Entwicklung im dualen System insgesamt (-3,0 %) Tabelle A4.4-1.

Gegenüber 1993 (52,2 %) ist der Anteil der Dienstleistungsberufe aber deutlich gestiegen. Diese Entwicklung ging fast ausschließlich auf die Zunahme der Verträge in den primären Dienstleistungsberufen zurück. Ihre Zahl wuchs in diesem Zeitraum um 28.053 (+14,2 %). Seit 2010 schwächt sich die Entwicklung der primären Dienstleistungsberufe allerdings ab; im Berichtsjahr 2011 sank die Zahl der Verträge um 0,6 %, im Berichtsjahr 2012 um 4,3 %. In den sekundären Dienstleistungsberufen wurden im Berichtsjahr 2012 100.611 Verträge abgeschlossen. Dies machte 18,3 % an allen neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen aus (zu Entwicklungen einzelner Berufe und Branchen innerhalb dieser Gruppe siehe BIBB-Datenreport 2012, Kapitel A4.4). Mit der Modernisierung der Berufsausbildung durch Neuordnung von Ausbildungsberufen konnte sich der Anteil der Auszubildenden in den sekundären Dienstleistungsberufen insgesamt stabilisieren.

Langfristig zurückgegangen ist die Zahl der Neuabschlüsse in den Produktionsberufen. 1993 machte diese Berufsgruppe mit 272.907 Verträgen noch fast die Hälfte aller Neuabschlüsse im dualen System aus (47,8 %). Im Berichtsjahr 2012 waren es fast ein Fünftel weniger (18,2 %). Es wurden nur noch 223.125 Verträge abgeschlossen, was einem Anteil von 40,6 % an allen Neuabschlüssen entsprach. Gegenüber dem Vorjahr betrug der Rückgang 3,3 % Tabelle A4.4-1.

Unter den 10 am stärksten besetzten Ausbildungsberufen des dualen Systems im Berichtsjahr 2012 finden sich 6 primäre Dienstleistungsberufe, 2 sekundäre Dienstleistungsberufe und 2 Produktionsberufe.73

Männer waren 2012 mit einem Anteil von 87,7 % in den Produktionsberufen überrepräsentiert, Frauen machten 2012 einen Anteil von 60,0 % in den Dienstleistungsberufen aus. Die Tertiarisierung verlief dennoch nicht zuungunsten der Männer. Zwischen 1993 und 2012 stieg der Männeranteil in den Dienstleistungsberufen von 28,3 % auf 40,0 %. Die steigenden Tendenzen fanden sich in den sekundären Dienstleistungsberufen (+38,3 %), vor allem aber in den primären (+62,4 %) Schaubild A4.4-1. Der Gesamtanstieg in den Dienstleistungsberufen in den vergangenen 20 Jahren um 46.071 Verträge (1993: 84.402; 2012: 130.473) hat den Rückgang in den Produktionsberufen (-45.453) mehr als kompensiert. So haben sich die Frauen- und Männeranteile im dualen System seit 1993 trotz der Tertiarisierung kaum verändert (vgl. Kapitel A4.2.1). Unter den Frauen ging die Zahl der Neuabschlüsse in den primären (-4,9 %) und sekundären Dienstleistungsberufen (-15,9 %) eher zurück Tabelle A4.4-1.

Tabelle A4.4-1: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in Produktions- und Dienstleistungsberufen(1), Bundesgebiet 1980(2) und 1993 bis 2012(3)

Schaubild A4.4-1: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in Produktions- und Dienstleistungsberufen(1) nach Geschlecht, Bundesgebiet 1993 bis 2012

Klassifizierung der Produktions- und Dienstleistungsberufe

Im Berichtsjahr 2012 wurde die Berufsbildungsstatistik auf die Klassifikation der Berufe (KldB) 2010 der Bundesagentur für Arbeit umgestellt. Die Erhebungsberufe werden seither mit einer Berufskennziffer nach der „Klassifikation der Berufe 2010 (KldB 2010) der Bundesagentur für Arbeit (BA)“ gemeldet, die die bislang verwendete KldB 1992 des Statistischen Bundesamtes ablöst http://statistik.arbeitsagentur.de/Navigation/Statistik/Grundlagen/Klassifikation-der-Berufe/KldB2010/KldB2010-Nav.html.

Zum Zwecke der Fortführung der berufsstrukturellen Analysen in diesem Kapitel wurde die Gliederung nach Produktions- und Dienstleistungsberufen weiterhin auf Basis der Klassifikation der Berufe (KldB) des Jahres 1992 (Statistisches Bundesamt 1992) vorgenommen. Die oberste Gliederungseinheit unterscheidet neben der Kategorie „sonstige Arbeitskräfte“ 5 „Berufsbereiche“. Entsprechend der Konzeption des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)74 werden in Anlehnung an Bells Konzept eines quartären Sektors (Informationsgesellschaft) nicht die 3 Bereiche Landwirtschaft, Produktion und Dienstleistung unterschieden, sondern die Produktionsberufe (Landwirtschaft, Bergbau und Fertigungsberufe) von den primären und sekundären Dienstleistungsberufen abgegrenzt (vgl. Wolff 1990, S. 64).

Auf der Basis der Berufskennziffern (KldB 1992) werden Produktions- von primären und sekundären Dienstleistungsberufen in diesem Kapitel wie folgt unterschieden:

Produktionsberufe

  • I Berufe in der Land-, Tier-, Forstwirtschaft und im Gartenbau
  • II Bergleute, Mineralgewinner
  • III Fertigungsberufe ohne Berufsgruppe 52 „Warenprüfer/Versandfertigmacher“

Primäre Dienstleistungsberufe

  • Berufsgruppe 52 „Warenprüfer/Versandfertigmacher“
  • aus V Dienstleistungsberufe: Berufsgruppen 66–68 (Warenkaufleute), 71–74 (Verkehrsberufe), 771–773 (Buchhalter; Kassenfachleute), 78–81 (Büroberufe; Ordnungs- und Sicherheitsberufe), 90–93 (Berufe der Körperpflege; Hotel- und Gaststättenberufe; Haus- und ernährungswirtschaftliche Berufe; Reinigungs- und Entsorgungsberufe)

Sekundäre Dienstleistungsberufe

  • IV Technische Berufe
  • aus V Dienstleistungsberufe: Berufsgruppen 69 und 70 (Dienstleistungskaufleute), 75 und 76 (Berufe in der Unternehmensleitung, -beratung und -prüfung), 774–776 (Fachinformatiker/-in und Mathematisch-technischer Softwareentwickler/Mathematisch-technische Softwareentwicklerin), 7791 (IT-Kaufleute), 82–89 (Schriftwerkschaffende, -ordnende und künstlerische Berufe; Gesundheitsdienstberufe; Sozial- und Erziehungsberufe)75

Eine vollständige Liste der Produktions- und Dienstleistungsberufe findet sich unter https://www.bibb.de/dokumente/pdf/a21_dazubi_berufsliste-p-dl_2012.pdf.

Als sekundäre Dienstleistungstätigkeiten werden Tätigkeiten zusammengefasst, die auch als „Kopf-“ oder „Wissensarbeit“ bezeichnet werden; es handelt sich um Berufe mit den Tätigkeitsschwerpunkten Forschen, Entwickeln, Organisieren, Managen, Betreuen, Pflegen, Beraten, Lehren und Publizieren (vgl. Kupka/Biersack 2005). Unter die primären Dienstleistungsberufe fallen Berufe mit den Tätigkeitsschwerpunkten: Handels- und Bürotätigkeiten sowie allgemeine Dienste wie Reinigen, Bewirten, Lagern, Transportieren. Aufgrund von Plausibilitätsüberlegungen, Analysen auf Basis der Berufsbildungsstatistik (Uhly 2007a) und Analysen der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2006 (Hall 2007), die eine Modifikation der Berufszuordnung ergeben haben, weicht die Abgrenzung teilweise von der IAB-Einteilung76 ab (vgl. Uhly/Troltsch 2009). Diese Berufsgruppe entspricht nicht der Berufsgruppe der wissensintensiven Berufe nach Tiemann (2010), der sowohl unter den Dienstleistungsberufen als auch den Produktionsberufen wissensintensive Berufe abgrenzt.

Duale Berufsausbildung in technischen Ausbildungsberufen

Im Berichtsjahr 2012 wurden in den Technikberufen 144.861 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge gemeldet. Damit ging die Zahl gegenüber dem Vorjahr um 0,6 % zurück. Der prozentuale Anteil der Technikberufe an den Neuabschlüssen bewegt sich seit Ende der 1990er-Jahre zwischen 24 % und 26 %. Mit 26,4 % wird 2012 ein Höchstwert erreicht Tabelle A4.4-2. Unverändert blieb in den technischen Ausbildungsberufen die Geschlechterverteilung. So schwankte der Frauenanteil in den technischen Berufen seit 1993 zwischen 10 % und 12 %. Im Berichtsjahr 2012 erreichte er 11,8 %. Hierbei scheinen individuelle, aber auch betriebliche Gründe eine Rolle zu spielen (Beicht/Walden 2012); Frauen, die eine betriebliche Ausbildung in Fertigungs- oder technischen Berufen anstreben, weisen auch bei gleichen Schulqualifikationen geringere Realisierungschancen gegenüber ihren männlichen Bewerbern auf.

Tabelle A4.4-2: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in technischen Ausbildungsberufen(1), Bundesgebiet 1980(2) und 1993 bis 2012(3)

Technische Ausbildungsberufe

Hier wird eine breiter gefasste Abgrenzung von technischen Ausbildungsberufen als die des Berufsbereichs IV der Klassifikation der Berufe des Statistischen Bundesamtes (KldB 1992) herangezogen, denn diese ist eng begrenzt auf Ingenieure, Chemiker, Physiker, Mathematiker sowie Techniker und technische Sonderfachkräfte. Technische Berufe des Berufsbereichs der Fertigungsberufe sind dort nicht enthalten. Auch in der Fachliteratur findet sich keine konkrete Definition der technischen Berufe des gewerblich-technischen Bereichs. Die hier verwendete Berufsauswahl basiert auf der im Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit des Jahres 2002 (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2003, S. 12 ff.) zugrunde gelegten Abgrenzung (vgl. auch Troltsch 2004), die in 2 Einzelstudien (Uhly 2005 und 2007b) fortgeführt wurde. Technische Ausbildungsberufe sind demnach solche, deren Tätigkeits- und Kenntnisprofile hohe Technikanteile (z. B. hohe Anteile von Überwachen, Steuern von Maschinen, Anlagen, technischen Prozessen etc.) ergeben haben.
Eine vollständige Liste der technischen Ausbildungsberufe findet sich unter https://www.bibb.de/dokumente/pdf/a21_dazubi_berufsliste-t_2010.pdf.

Neue Berufe in der dualen Berufsausbildung

Durch die Neuordnung von Ausbildungsberufen wurde seit 1996 die Modernisierung der dualen Berufsausbildung intensiviert. Diese Entwicklung ging aus von einer „Diskussion um die qualifikatorischen Konsequenzen aus den Entwicklungen in strategisch bedeutsamen Technologien, dem Sprung von der Industrie- zur Informations- und Wissensgesellschaft, der Globalisierung des Wirtschaftens und der damit verbundenen Umgestaltung der Arbeitsorganisation“ (Bundesinstitut für Berufsbildung 1998, S. 1). 1999 einigten sich die Sozialpartner auf eine Fortführung dieser Modernisierungsoffensive.

Seit 1996 wurden 82 Ausbildungsberufe neu geschaffen. In diesen Berufen wurden 2012 65.451 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen Tabelle A4.4-3 Internet. Dies entsprach einem prozentualen Anteil von 11,9 % an allen Neuabschlüssen. Am stärksten besetzt war darunter der 1997 neu eingeführte Beruf Fachinformatiker/-in mit 10.398 Neuabschlüssen, gefolgt von dem aus 1998 stammenden Beruf Mechatroniker/-in mit 7.947 Neuabschlüssen. Mit etwas Abstand schlossen sich die Ausbildungsberufe Automobilkaufmann/-kauffrau aus 1998 (4.263 Neuabschlüsse), Maschinen- und Anlagenführer/-in aus 2004 (3.729 Neuabschlüsse), Mediengestalter/-in für Digital- und Printmedien aus 1998 (3.561 Neuabschlüsse) sowie Technischer Produktdesigner/Technische Produktdesignerin aus 2005 (2.838 Neuabschlüsse) an. Hohe Vertragszahlen hatten weiterhin die Berufe Fahrzeuglackierer/-in aus 2003 (2.523 Neuabschlüsse), Fachmann/Fachfrau für Systemgastronomie aus 1998 (2.124 Neuabschlüsse), Veranstaltungskaufmann/-kauffrau aus 2001 (1.974 Neuabschlüsse) und Informations- und Telekommunikationssystem-Elektroniker/-in aus 1997 (1.767 Neuabschlüsse).

Unmittelbar nach Inkrafttreten der neuen Ausbildungsordnungen sind die Vertragszahlen in der Regel relativ niedrig. Danach entwickeln sie sich in den einzelnen Berufen z. T. sehr unterschiedlich Tabelle A4.4-3 Internet. So wurden im Beruf Fachinformatiker/-in bei der Einführung 1997 zunächst 1.779 Verträge abgeschlossen, im Berichtsjahr 2001 waren es jedoch bereits 10.506 Verträge. Darauf folgte ein zeitweise ebenso rasanter Rückgang auf 7.461 (2005), der jedoch insgesamt wieder in einen Aufwärtstrend mündete. Die Vertragszahlen in dem 1998 eingeführten Beruf Mechatroniker/-in sind demgegenüber relativ gleichmäßig von 1.311 auf 7.947 Verträge im Berichtsjahr 2012 gestiegen. Einflüsse der wirtschaftlichen Krisensituation um die Jahre 2009 und 2010 sind aber in beiden Berufen erkennbar. Eine andere Entwicklung weist der Beruf Technischer Produktdesigner/Technische Produktdesignerin auf. Hier vollzog sich mit 27 Neuabschlüssen im Berichtsjahr 2005 zunächst ein sehr verhaltener Start. Auch in den darauffolgenden 5 Jahren umfasste der Beruf nur wenige Hundert Verträge (2010: 384 Verträge). Im Berichtsjahr 2011 stieg die Zahl jedoch sprunghaft auf 2.130 Verträge an, 2012 folgte ein weiterer deutlicher Zuwachs auf 2.838 Verträge. Andere Berufe wie die 1998 eingeführten Berufe Mediengestalter/-in für Digital- und Printmedien und Fachmann/Fachfrau für Systemgastronomie oder die 1997 eingeführten Berufe Informations- und Telekommunikationssystem-Elektroniker/-in und Informations- und Telekommunikationssystem-Kaufmann/Kauffrau wiesen nach einer ersten Phase des Vertragszuwachses über viele Jahre wieder sinkende Tendenzen auf. Insgesamt bleibt ein Großteil der neuen Ausbildungsberufe aber nach einigen Jahren vergleichsweise gering besetzt. Eine Konzentration auf wenige Ausbildungsberufe ist jedoch im gesamten System der dualen Berufsausbildung zu beobachten. So finden sich in den 20 am stärksten besetzten Berufen mehr als die Hälfte aller Jugendlichen mit neu abgeschlossenem Ausbildungsvertrag. In ca. zwei Drittel aller staatlich anerkannten Ausbildungsberufe bzw. dualen Ausbildungsberufe in Erprobung werden jeweils weniger als 500 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen.

Die Entwicklung zweijähriger Ausbildungsberufe

In den letzten 10 Jahren wurde verstärkt das Ziel verfolgt, zweijährige77 („theoriegeminderte“) Ausbildungsberufe speziell für Jugendliche mit schlechten Startchancen zu schaffen (Kath 2005; Bundesministerium für Bildung und Forschung 2005). Das Potenzial dieser Berufe zur Verbesserung der Chancen der Jugendlichen wird allerdings kontrovers diskutiert (vgl. Uhly/Kroll/Krekel 2011, S. 5 f.). Seit 2003 traten 12 neue Ausbildungsordnungen für zweijährige Ausbildungsberufe in Kraft, 6 weitere wurden modernisiert. Im Berichtsjahr 2012 wurden in den staatlich anerkannten Ausbildungsberufen oder Ausbildungsberufen in Erprobung, deren Ausbildungsordnung eine zweijährige Ausbildungsdauer vorsieht, 49.650 Neuabschlüsse gemeldet. Sie bildeten damit einen Anteil von 9,2 % an allen Neuabschlüssen Tabelle A4.4-4.78 Die Neuabschlüsse entfielen zu 90,6 % auf den Zuständigkeitsbereich Industrie und Handel und zu 9,4 % auf das Handwerk. Der am stärksten besetzte zweijährige Ausbildungsberuf war 2012 der Beruf Verkäufer/-in (26.124 Neuabschlüsse). Es folgten mit großem Abstand die Berufe Fachlagerist/-in (5.961 Neuabschlüsse), Maschinen- und Anlagenführer/-in (3.729 Neuabschlüsse), Fachkraft im Gastgewerbe (2.712 Neuabschlüsse), Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen (2.100 Neuabschlüsse), Kraftfahrzeugservicemechaniker/-in (1.323 Neuabschlüsse), Hochbaufacharbeiter/-in (1.218 Neuabschlüsse), Tiefbaufacharbeiter/-in (1.146 Neuabschlüsse), Teilezurichter/-in (1.041 Neuabschlüsse) und Bauten- und Objektbeschichter/-in (1.035 Neuabschlüsse).

Die überwiegende Mehrheit (ca. 97 %) der Jugendlichen, die im Jahr 2012 in einem zweijährigen Ausbildungsberuf einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen haben, befand sich in einem Beruf, dessen Ausbildungsordnung die Möglichkeit der Anrechnung der Ausbildung in einem i. d. R. drei- bzw. dreieinhalbjährigen Ausbildungsberuf vorsieht.79 Allerdings erfasst die Berufsbildungsstatistik nicht, ob die Ausbildung nach Abschluss der zweijährigen Berufsausbildung auch wirklich fortgeführt wird. Um echte Ausbildungsverläufe zu ermitteln, wäre eine feste Personennummer notwendig. Seit dem Berichtsjahr 2008 wird aber die Zahl der Anschlussverträge ermittelt.80 Eine exakte Zahl lässt sich auf Basis der Berufsbildungsstatistik allerdings nicht berechnen. Der ermittelte Wert kann lediglich als Höchstwert betrachtet werden und dabei eine Überschätzung darstellen (vgl. Uhly 2011). Von allen Neuabschlüssen des Jahres 2012 ließen sich maximal 9.25581 Verträge als Anschlussverträge ausmachen. 2012 waren es demnach maximal 26 % der Absolventinnen und Absolventen zweijähriger Ausbildungsberufe mit Fortführungsmöglichkeit, die ihre Ausbildung fortführten. Dieser Anteil fiel relativ gering aus. Vertiefende Analysen der zweijährigen Berufe auf Basis der Berufsbildungsstatistik sowie der BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum 30. September für das Berichtsjahr 2009 ergaben, dass der Fortführungsanteil innerhalb der einzelnen zweijährigen Berufe deutlich variiert, jedoch in keinem Beruf über 50 % liegt (vgl. Uhly/Kroll/Krekel 2011).

Tabelle A4.4-4: Anteil der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in zweijährigen Ausbildungsberufen(1) an allen Neuabschlüssen, Westdeutschland, Ostdeutschland und Bundesgebiet 1993 bis 2012(2)

Die Entwicklung der Ausbildungsberufe für Menschen mit Behinderung

Im Berichtsjahr 2012 wurden in Berufen für Menschen mit Behinderung (§ 66 BBiG und § 42m HwO) 10.380 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen (Bestand am 31. Dezember 2012: 28.581 Auszubildende). Gegenüber dem Vorjahr waren es 1.245 Verträge (-10,7 %) weniger. Der Anteil an den Neuabschlüssen insgesamt lag bei 1,9 %. Bis 2004 hatte es zunächst lange eine Zunahme der Vertragszahlen gegeben (2007: 15.762). Spätestens 2007 waren jedoch eine Trendwende und ein deutlicher Rückgang zu beobachten, der sich auch 2012 fortsetzte Tabelle A4.4-5.

Duale Ausbildungsberufe für Menschen mit Behinderung

Im Regelfall sollen „behinderte Menschen … in anerkannten Ausbildungsberufen ausgebildet werden“ (§ 64 BBiG). Nur wenn aufgrund der Behinderung eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf nicht infrage kommt, sollen Menschen mit Behinderung nach besonderen Regelungen ausgebildet werden. Bei diesen Ausbildungsberufen handelt es sich um Berufe mit speziellen Ausbildungsregelungen der zuständigen Stellen (§ 66 BBiG bzw. § 42m HwO) (vgl. Kapitel A7.1).

Bei den Daten der Berufsbildungsstatistik ist zu beachten, dass kein personenbezogenes Merkmal zur Behinderung erhoben wird. Erfasst wird lediglich, ob es sich bei den jeweiligen Meldungen der Ausbildungsverträge um staatlich anerkannte Ausbildungsberufe (bzw. duale Ausbildungsberufe in Erprobung) oder um Ausbildungsgänge gemäß einer Regelung der zuständigen Stellen für Menschen mit Behinderung handelt.

In Ostdeutschland lag der Anteil der Neuabschlüsse in den Berufen für Menschen mit Behinderung seit 1993 durchgehend mehr als doppelt so hoch wie in Westdeutschland. Er stieg insbesondere seit Ende der 1990er-Jahre auf Höchstwerte von bis zu 5,5 %. Seit 2006 ging der Anteil dieser Berufe wieder leicht zurück, 2012 betrug er 4,0 %. In Westdeutschland stieg der Anteil bis 2004 auf 2,0 % an und war seither mit Ausnahme des Jahres 2009 rückläufig (2012: 1,5 %).

Betrachtet man die Berufe für Menschen mit Behinderung, so verfügten 2012 die meisten Auszubildenden über einen Hauptschulabschluss (57,4 %), ein großer Teil hatte keinen Hauptschulabschluss (39,5 %), und höhere Schulabschlüsse waren nur in geringem Maße vertreten. So besaßen 2,8 % der Auszubildenden einen Realschulabschluss und 0,3 % eine Studienberechtigung.

Die tatsächliche Ausbildungssituation von Menschen mit Behinderung im dualen System kann auf Basis der Berufsbildungsstatistik allerdings nicht abgebildet werden, denn ein personenbezogenes Merkmal zu einer vorliegenden Behinderung von Auszubildenden ist in dieser Erhebung nicht vorhanden. Es können lediglich – wie oben dargestellt – berufsbezogene Betrachtungen erfolgen oder Ausbildungsverhältnisse ausgewertet werden, die im ersten Jahr der Ausbildung eine spezielle Art der Förderung erfahren. Will man diese Angaben als Einschätzung für den Personenkreis der Auszubildenden mit Behinderung verwenden, stellen sich 2 Probleme (vgl. Gericke/Flemming 2013). Die Angaben zu Verträgen, die nach Kammerregelungen der zuständigen Stellen für Menschen mit Behinderung abgeschlossen wurden, decken nicht alle Verträge behinderter Menschen im dualen System ab. Denn Menschen mit Behinderung schließen auch Verträge in staatlich anerkannten Ausbildungsberufen ab, das BBiG sieht dies sogar als Regelfall vor (§ 64 BBiG). Hinweis hierauf gibt die Tatsache, dass im Berichtsjahr 2012 rund 2.655 Ausbildungsverhältnisse in staatlich anerkannten Berufen außerbetrieblich „nach §§ 100 Nr. 3, 235a und 236 SGB III (außerbetriebliche Ausbildung für Menschen mit Behinderung – Reha)“ (vgl. Kapitel A7.2) gefördert wurden Tabelle A4.4-6. Hierunter fanden sich als am stärksten besetzte Berufe Verkäufer/-in, Bürokaufmann/-kauffrau, Fachlagerist/-in, Kaufmann/Kauffrau für Bürokommunikation, Maler/-in und Lackierer/-in, Fachkraft im Gastgewerbe, Tischler/-in, Friseur/-in, Bauten- und Objektbeschichter/-in oder Hauswirtschafter/-in.

Andererseits sind auch die statistischen Angaben zur Art der Förderung nicht ausreichend, um den Personenkreis der Menschen mit Behinderung abzubilden. Denn nicht alle Ausbildungsverhältnisse mit Auszubildenden mit Behinderung werden öffentlich gefördert. So war unter den Verträgen, die nach Kammerregelung der zuständigen Stellen erfolgten, über ein Drittel (36,2 %) überwiegend „betrieblich“ finanziert. Um wirklich belastbare Aussagen zur Situation von Auszubildenden mit Behinderung im dualen System treffen zu können, erscheint die Durchführung gesonderter Stichprobenerhebungen notwendig.

(Naomi Gericke)

Tabelle A4.4-5: Anteil der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Berufen für Menschen mit Behinderung(1), Bundesgebiet, Westdeutschland und Ostdeutschland 1993 bis 2012(2), in % der Neuabschlüsse

Tabelle A4.4-6: Staatlich anerkannte Ausbildungsberufe und Ausbildungsregelungen der zuständigen Stellen für Menschen mit Behinderung (§ 66 BBiG/§ 42m HwO) nach Art der Förderung, Berichtsjahr 2012

  • 72

    Aktuelle Entwicklungen schlagen sich hierin deutlicher nieder als in den Bestandszahlen. Bestandszahlen haben zudem den Nachteil, dass in ihnen Berufe je nach Ausbildungsdauer unterschiedlich stark vertreten sind und damit die quantitative Bedeutung verzerrt wird (zweijährige Ausbildungsberufe sind i. d. R. unterrepräsentiert, dreieinhalbjährige sind eher überrepräsentiert). 

  • 73

    Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel, Verkäufer/-in, Bürokaufmann/-kauffrau, Industriekaufmann/-kauffrau, Kaufmann/Kauffrau im Groß- und Außenhandel, Friseur/-in sind primäre Dienstleistungsberufe; Medizinischer Fachangestellter/Medizinische Fachangestellte und Bankkaufmann/-kauffrau sind den sekundären Dienstleistungsberufen zugeordnet; Industriemechaniker/-in und Kraftfahrzeugmechatroniker/-in zählen zu den Produktionsberufen.

  • 74

    Siehe Berufsgliederung des IAB: http://bisds.infosys.iab.de/bisds/erlaeuterungen.htm

  • 75

    3 Ausbildungsberufe für Menschen mit Behinderung werden trotz einer Berufskennziffer entsprechend den sekundären Dienstleistungsberufen aufgrund der Tätigkeitsbeschreibungen den primären Dienstleistungsberufen zugeordnet (Assistent/-in in sozialen Einrichtungen, Fachhelfer/-in für personale Dienstleistungen und Fachkraft für Medien- und Informationsdienste). 

  • 76

    Dienstleistungskaufleute werden dort den primären Dienstleistungsberufen zugerechnet. Außerdem werden in der Zuordnung des IAB die Berufe der Körperpflege (Friseur/-in und Kosmetiker/-in) unter den sekundären und Datenverarbeitungsfachleute/Informatiker unter den primären Dienstleistungsberufen erfasst. 

  • 77

    Innerhalb des dualen Systems machen die dreijährigen Ausbildungsberufe den größten Anteil aus. Neben den zweijährigen Ausbildungsberufen bestehen – insbesondere im Bereich der Metall- und Elektroberufe – auch Ausbildungsberufe, deren Ausbildungsordnung eine Ausbildungsdauer von 42 Monaten vorsehen (dreieinhalbjährige Ausbildungsberufe). Das BIBB hat auch zu den dreieinhalbjährigen Ausbildungsberufen Sonderanalysen auf Basis verschiedener Statistiken und Erhebungen durchgeführt (vgl. Frank/Walden 2012). 

  • 78

    Alle Werte zu den zweijährigen Ausbildungsberufen beziehen sich ausschließlich auf die staatlich anerkannten dualen Ausbildungsberufe und die dualen Ausbildungsberufe in Erprobung; die Berufe nach Ausbildungsregelungen für Menschen mit Behinderung (nach § 66 BBiG bzw. § 42m HwO) sind nicht einbezogen. 

  • 79

    Nicht einbezogen sind die dualen Berufe für Menschen mit Behinderung und die Neuabschlüsse des Ausbildungsberufs Teilezurichter/-in, obwohl für diesen in der Praxis auch Fortführungsregelungen bestehen, z. B. das 1999 entwickelte Projekt Südwestmetall gemeinsam mit der Arbeitsagentur, dem DGB, der Industrie- und Handelskammer und der Jugendhilfe Ortenau e.V. (siehe www.suedwestmetall.de/swm/web.nsf/id/pa_fb_ausbildung.html). Für den aus dem Jahr 1939 stammenden Beruf liegt jedoch keine bundeseinheitliche Ausbildungsordnung vor. Es handelt sich hierbei um einen Beruf nach § 104 Absatz 1 BBiG bzw. § 122 Absatz 4 HwO. 

  • 80

    Sie wird als Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in potenziellen Fortführungsberufen mit einer entsprechend kürzeren Vertragsdauer und dem Vorliegen einer vorherigen abgeschlossenen dualen Berufsausbildung der Auszubildenden berechnet (vgl. Kapitel A4.3). Somit kann der rechnerische Anteil der Anschlussverträge an den Ausbildungsabsolventen in zweijährigen Ausbildungsberufen als näherungsweise Berechnung des Anteils derer herangezogen werden, die eine zweijährige Ausbildung in einem dualen Ausbildungsberuf fortführen.

  • 81

    Im Rahmen der BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge werden deutlich weniger Anschlussverträge gemeldet; allerdings gibt es Hinweise darauf, dass dort die Anzahl der Anschlussverträge untererfasst ist (vgl. Kapitel A4.3 sowie Uhly 2011).