BP:

Schlagworte A-Z. Bitte wählen Sie einen Anfangsbuchstaben:

 

Im Zeichen von Wirtschaftskrise und demografischem Einbruch: Die Entwicklung des Ausbildungsmarktes im Jahr 2009

BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum 30. September

Joachim Gerd Ulrich, Simone Flemming, Ralf-Olaf Granath, Elisabeth M. Krekel

Die Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt im Überblick

Im Zeitraum vom 01.10.2008 bis 30.09.2009 wurden bundesweit 566.004 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen, 50.338 bzw. 8,2% weniger als im Jahr zuvor. Im Westen sank die Zahl um 35.598 bzw. -7,1% auf nunmehr 467.006, im Osten um 14.740 bzw. -13,0% auf 98.998 (vgl. Übersicht 1).

Übersicht 1: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in den Berichtsjahren 2008 und 2009

Das ist das Ergebnis der BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum 30. September 2009.

Die BIBB-Erhebung zum 30. September wird jährlich auf der Grundlage des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) in direkter Zusammenarbeit mit den für die Berufsausbildung zuständigen Stellen durchgeführt. Berücksichtigt werden alle Ausbildungsverträge, die zwischen dem 1. Oktober des Vorjahres und dem 30. September des laufenden Jahres neu abgeschlossen und nicht vorzeitig wieder gelöst wurden. Die Meldungen über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge werden bis Ende November von den zuständigen Stellen an das BIBB übermittelt. Erste Auswertungsergebnisse liegen bereits Mitte Dezember vor. Die Daten sind in tabellarischer Form auf den Internetseiten des BIBB abrufbar und finden für den Berufsbildungsbericht der Bundesregierung sowie für den BIBB-Datenreport zum Berufsbildungsbericht Verwendung. Die Vertragszahlen werden differenziert für Einzelberufe auf der Ebene der Arbeitsagenturbezirke erhoben. Anschlussverträge werden hierbei gesondert erfasst.01 SprungmarkeSie werden im Gegensatz zur Berufsbildungsstatistik des Statistischen Bundesamtes (StBA) nicht zu der Gesamtsumme der Neuabschlüsse hinzugerechnet, da die Anschlussverträge in der Regel eine Ausbildungsdauer von 24 Monaten unterschreiten.02 SprungmarkeDie Daten der BIBB-Erhebung zum 30. September können mit den Ende September von der Bundesagentur für Arbeit (BA) bilanzierten Ergebnissen ihrer Vermittlungsstatistik verbunden werden. Damit lassen sich zeitnah wichtige Informationen zum Marktgeschehen und zur Entwicklung von Ausbildungsplatzangebot und -nachfrage gewinnen.

Als Ursachen für den starken Rückgang der Ausbildungsvertragszahl im Berichtsjahr 200903Sprungmarke sind im Wesentlichen die Finanz- und Wirtschaftskrise sowie der starke demografische Einbruch zu nennen. Die ökonomische Krise trug dazu bei, dass bundesweit 52.590 Ausbildungsplätze weniger als im Vorjahr angeboten wurden. Gleichzeitig sanken aber auch die Zahl der Schulabgänger aus allgemeinbildenden bzw. teilqualifizierenden beruflichen Schulen sowie die Zahl der bei der Bundesagentur für Arbeit registrierten „Altbewerber“ (Ausbildungsstellenbewerber aus früheren Schulentlassjahrgängen) deutlich (vgl. Übersicht 2). Von den Rückgängen war wie bereits in den Vorjahren vor allem der Osten Deutschlands betroffen. Die Zahl der nichtstudienberechtigten Abgänger und Absolventen aus allgemeinbildenden Schulen – die Hauptklientel der dualen Berufsausbildung – verminderte sich um 13,1% bzw. 12.034 auf nur noch 79.802. Acht Jahre zuvor, im Jahr 2001, waren es noch 175.163 gewesen. Verschärft wurde die Entwicklung im Osten zudem dadurch, dass der demografische Einbruch nach der Wende 1990 nun auch bei den Abiturienten ankam. Die Zahl der studienberechtigten Absolventen sank um -11.270 bzw. -17,3% auf nur noch 54.030.

Übersicht 2: Entwicklung der Zahl der Abgänger und Entlassenen aus allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sowie der registrierten Ausbildungsstellenbewerber aus früheren Schul­entlassjahrgängen

Im Westen stieg die Zahl der studienberechtigten Absolventen aus den allgemeinbildenden Schulen zwar noch einmal an (um +9.916 bzw. +4,8% auf 217.090), doch wurde dieser Anstieg durch den Rückgang bei den nichtstudienberechtigten Abgängern und Absolventen (-20.591 bzw. -3,8% auf 522.182) deutlich übertroffen. Stark entlastet wurde die Ausbildungsmarktlage im Westen zudem durch eine wesentlich niedrigere Zahl an bei den Arbeitsagenturen und ARGEn04 Sprungmarkeregistrierten Ausbildungsstellenbewerbern, welche ihre Schulzeit bereits im Vorjahr oder in den Vorvorjahren beendet hatten (so genannte „Altbewerber“).

Die Gründe für die (in diesem Ausmaß) unerwartet niedrige Zahl an Altbewerbern sind derzeit nicht genau auszumachen. Denn laut Bundesagentur für Arbeit ist ein eindeutiger Vorjahresvergleich in Folge einer geänderten Datenermittlung bei der Identifizierung der Bewerber mit früherem Schulentlassjahr nicht möglich (vgl. BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT 2009a). Neben den statistischen Ursachen dürfte die Altbewerberzahl aber auch aufgrund einer besseren Ausbildungsmarktlage in den Vorjahren sowie aufgrund eines tendenziell veränderten Bewerbungs- und Suchverhaltens auf Seiten der Jugendlichen gesunken sein. Womöglich auch infolge des inzwischen sehr professionellen Netzangebots zur Unterstützung der Berufswahl und Ausbildungsplatzsuche nahm der Anteil der Jugendlichen, der sich bei der Bundesagentur für Arbeit als Ausbildungsstellenbewerber registrieren lässt, in den letzten Jahren ab.05 SprungmarkeDies betraf selbst jene Jugendlichen, die letztlich bei ihrer Ausbildungsplatzsuche erfolglos blieben (vgl. Abschnitt 3).

Stellt man nun der Zahl der 2009 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge die Zahl der Schulabgänger und -absolventen sowie der „Altbewerber“ gegenüber und berücksichtigt man dabei das aus diesen Gruppen resultierende Nachfragepotenzial, dürften die Ausbildungschancen für die Jugendlichen in Deutschland insgesamt trotz des starken Vertragsrückgangs zumindest wieder auf dem Vorjahresniveau gelegen haben. Dabei hat sich die Versorgungslage in Ostdeutschland sogar weiter verbessert, während sie im Westen Deutschlands wahrscheinlich etwas ungünstiger als 2008 ausfiel. Somit konnten insgesamt die negativen Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf den Ausbildungsmarkt durch die demografische Entwicklung kompensiert werden.06 Sprungmarke

Ungeachtet dessen blieb es im Jahr 2009 für viele Jugendliche weiterhin schwierig, einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu finden. Zum Ende des Berichtsjahres (Ende September 2009) registrierten die Arbeitsagenturen und ARGEn bundesweit noch 83.059 Ausbildungsstellenbewerber, für die die Vermittlungsbemühungen weiterliefen (2008: 96.325). Ihnen standen 17.255 noch unbesetzte betriebliche Ausbildungsplatzangebote gegenüber (2008: 19.507). Hinzu kamen noch rund 10.000 weitere Jugendliche, die bei den zugelassenen kommunalen Trägern als Ausbildungsstellenbewerber gemeldet waren und für die Ende September die Vermittlungsbemühungen ebenfalls noch nicht abgeschlossen waren.07 SprungmarkeInsgesamt waren zum Abschluss des Berichtsjahres somit weiterhin deutlich mehr Ausbildungsstellenbewerber noch auf Ausbildungsplatzsuche, als noch offene Ausbildungsstellen registriert waren (vgl. Übersicht 3).

Die Versorgung der 93.179 zum Ende des Berichtsjahres noch suchenden Ausbildungsstellenbewerber08 erfolgte weit überwiegend über Ersatzangebote. Für 76.740 konnte bereits bis Ende September 2009 eine Alternative zu einer voll qualifizierenden Berufsausbildung gefunden werden. In 36,7% der Fälle waren dies ein erneuter Schulbesuch oder ein Praktikum, in 37,7% Fördermaßnahmen (z.B, berufsvorbereitende Maßnahme, Einstiegsqualifizierung), in 10,9% eine Erwerbstätigkeit, in ebenfalls 10,9% der Fälle die Fortsetzung einer bereits begonnenen Berufsausbildung09 und in 3,8% der Fälle gemeinnützige oder soziale Dienste (vgl. dazu auch Abschnitt 4.2.1).

Für die 16.439 Bewerber, für die am Ende des Berichtsjahres noch keine Berufsausbildung oder Alternative gefunden worden war (so genannte „unversorgte Bewerber“), standen im Nachvermittlungsgeschäft neben den noch offenen Ausbildungsplätzen auch betriebliche Einstiegsqualifizierungsplätze zur Verfügung: Zwischen Anfang Oktober 2009 und Ende November 2009 wurden 15.781 solcher Plätze bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet, von denen Ende November noch 11.409 nicht besetzt waren (vgl. BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT 2009c). Zu diesem Zeitpunkt waren von den ehemals 16.439 „unversorgten Bewerbern“ 926 bzw. 5,6% in eine Berufsausbildungsstelle eingemündet. Für weitere 2.642 bzw. 19,3% konnten die Vermittlungsbemühungen eingestellt werden, weil sie entweder eine Alternative gefunden hatten und an keiner weiteren Vermittlung interessiert waren oder weil sie unbekannt verblieben waren. Bei 12.339 bzw. 75,1% liefen die Vermittlungsbemühungen weiter, wobei sich für 2.060 Bewerber bereits eine alternative Verbleibsmöglichkeit abgezeichnet hatte (vgl. BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT 2009d).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich 2009 ungeachtet der Wirtschaftskrise und trotz des beträchtlichen Vertragsrückgangs die Lage auf dem Ausbildungsmarkt nicht verschlechtert hat. In relativer Hinsicht gab es nicht weniger Angebote für die Jugendlichen als im Vorjahreszeitraum, und die Zahl der Ausbildungsstellenbewerber, für die auch noch am Ende des Berichtsjahres die Vermittlungsbemühungen weiterliefen, verringerte sich. Gleichwohl bedeutete dies nicht, dass die Lage auf dem Ausbildungsmarkt als entspannt gelten konnte. Noch immer suchten am Ende des Berichtsjahres weitaus mehr Ausbildungsstellenbewerber einen Ausbildungsplatz, als noch offene Ausbildungsstellen zur Verfügung standen. Eine „Versorgung“ der Jugendlichen gelang weiterhin nur dadurch, dass viele Jugendliche zunächst auf Ersatzangebote wie ein erneuter Schulbesuch, der Beginn einer Einstiegsqualifizierung oder die Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Maßnahme ausweichen mussten.

Inhaltsverzeichnis der pdf-Datei

 

Abschnitt  Titel  Seite 
 1  Die Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt im Überblick  4
 2  Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum 30. September  8
 2.1  Entwicklung in den Ländern  8
 2.2  Entwicklung in den einzelnen Zuständigkeitsbereichen  10
 2.3  Strukturelle Merkmale  12
 2.3.1  Geschlechtsspezifische Differenzierungen  12
 2.3.2  Ausbildungsverträge mit einer Verkürzung der Ausbildungsdauer  12
 2.3.3  Ausbildungsverträge in Berufen mit regulär zweijähriger Ausbildungsdauer  15
 2.3.4  Ausbildungsverträge, die mit Personen mit Behinderungen abgeschlossen wurden  15
 2.3.5  Überwiegend öffentlich finanzierte („außerbetriebliche“) Ausbildungsverträge  15
 3  Entwicklung von Ausbildungsplatzangebot und –nachfrage  16
 4  Chancen der Akteure auf dem Ausbildungsmarkt  22
 4.1  Chancen der Betriebe, ihre angebotenen Ausbildungsplätze besetzen zu können  22
 4.2  Ausbildungschancen von Jugendlichen  27
 4.2.1  Ausbildungschancen der bei den Agenturen für Arbeit und bei den Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) registrierten Ausbildungsstellenbewerber  27
 4.2.2 "Rechnerische Einmündungsquoten“  29
 5  Ausblick auf die Entwicklung im Jahr 2010  32
 6  Literaturverzeichnis  34

 

  • 1

    Als „Anschlussverträge“ werden Ausbildungsverträge bezeichnet, die im Anschluss an eine vorausgegangene und abgeschlossene Berufsausbildung neu abgeschlossen werden und zu einem weiteren Abschluss führen. Dabei sind jedoch nur die Verträge für Berufsausbildungen zu berücksichtigen, die in den Ausbildungsordnungen als aufbauende Ausbildungsberufe definiert wurden (i.d.R. Einstieg in das dritte Ausbildungsjahr) oder die unter „Fortführung der Berufsausbildung“ genannt werden.

  • 2

    Zu den Unterschieden zwischen der Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum 30. September und der Berufsbildungsstatistik zum 31.12. vgl. auch ausführlich UHLY u.a. (2009), abrufbar unter http://www.bibb.de/dokumente/pdf/a21_ausweitstat_methodenpapier-vergleich-BIBB-StBA-2009.pdf

  • 3

    Wenn im Folgenden von „Berichtsjahr“ oder „Jahr“ die Rede ist, ist – sofern nicht explizit anders vermerkt - stets der Zeitraum vom 01. Oktober des Vorjahres bis zum 30. September des genannten Jahres gemeint.

  • 4

    ARGEn = Arbeitsgemeinschaften zwischen den Agenturen für Arbeit und den Trägern der Grundsicherung (vgl. auch ausführlich Fußnote 4).

  • 5

    Hier sei beispielsweise auf das Portal www.planet-beruf.de verwiesen, das im ersten Jahr seit dem Start im Herbst 2008 mehr als 37 Millionen Zugriffe und 3,7 Millionen Nutzer/innen verzeichnete.

  • 6

    Dazu mögen auch die wieder steigenden Studienanfängerzahlen beigetragen haben. 2009 begannen nach ersten vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes 423.298 junge Erwachsene ein Studium; 2008 waren es noch 396.800 gewesen.

  • 7

    Nach § 35 SGB III haben sowohl „die Agenturen für Arbeit (AA) als auch die Träger der Grundsicherung (…) Ausbildungsvermittlung (…) durchzuführen. Träger der Grundsicherung können diese Aufgabe durch die AA wahrnehmen lassen (§ 16 Abs. 4 SGB II). Bisher konnten Statistiken hierüber nur aus Daten der AA sowie der Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) aus dem BA-eigenen Fachverfahren veröffentlicht werden. Von den zugelassenen kommunalen Trägern (zkT) liegen jetzt erstmals auswertbare Ergebnisse zu Bewerbern für Berufsausbildungsstellen ab Oktober 2008 vor“ (BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT 2009b). In der Gesamtsumme aller 555.650 von den Agenturen, ARGEn und zkTn registrierten Ausbildungsstellenbewerbern des Berichtsjahres 2009 sind allerdings 1.807 (0,3%) Doppelnennungen enthalten, das heißt Bewerber, die sowohl von den Agenturen als auch von den zkTn registriert und in den beiden IT-Verfahren nachgewiesen wurden. Solche „Doppelnennungen entstehen etwa in Folge des Eintretens von Hilfebedürftigkeit i. S. des SGB II, nachdem der Bewerber über eine AA Ausbildung suchte, bzw. umgekehrt bei Wegfall der Bedürftigkeit“ (BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT 2009b). Sie lassen sich zurzeit noch nicht eindeutig beseitigen, doch können sie angesichts ihres begrenzten Umfangs vernachlässigt werden.

  • 8

    In dieser Zahl sind 713 Doppelungen (0,8%) enthalten. 87 dieser Doppelfälle wurden sowohl von den Agenturen als auch von den zugelassenen kommunalen Trägern (zkT) als Personen mit weiter laufendem Vermittlungsauftrag ausgewiesen, 525 lediglich von den zkTn und 101 allein von den Agenturen für Arbeit (vgl. BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT 2009b).

  • 9

    Hierbei handelt es sich um Jugendliche, die sich bereits in einer vollqualifizierenden Berufsausbildung befinden und von dort aus weiter nach einem neuen Ausbildungsplatz suchten. Ihre Zahl bezifferte sich 2009 auf 8.393. Von ihnen befanden sich 83,2% in einer geförderten („außerbetrieblichen“) Ausbildung.