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BIBB REPORT 1/2015

Ausbildung in Deutschland weiterhin investitionsorientiert – Ergebnisse der
BIBB-Kosten-Nutzen-Erhebung 2012/13

Anika Jansen | Harald Pfeifer | Gudrun Schönfeld | Felix Wenzelmann

Was kostet die duale Ausbildung die Betriebe und welchen Nutzen liefert sie ihnen? Dieser Frage wird im Folgenden anhand der repräsentativen Befragung zu Kosten und Nutzen der betrieblichen Ausbildung 2012/13 (BIBB-CBS 2012/13) nachgegangen. Dabei zeigt sich, dass die betriebliche Ausbildung für einen Großteil der Betriebe zunächst mit Kosten verbunden ist, also eine Investition darstellt. Durch die Übernahme der Ausgebildeten können erhebliche Personalgewinnungskosten eingespart werden, die entstünden, wenn Betriebe Fachkräfte über den Arbeitsmarkt rekrutieren würden. Sie kompensieren einen großen Teil der gesamten Ausbildungskosten. Außerdem ergeben sich durch eine Übernahme der Ausgebildeten auch langfristige Vorteile. Die Betriebe können durch die Ausbildung ihren Fachkräftebedarf ganz oder teilweise decken und so ihre Abhängigkeit von den Entwicklungen auf dem externen Arbeitsmarkt reduzieren. Zudem können Betriebe während der Ausbildung auch betriebsspezifische Kenntnisse vermitteln und Fachkräftestellen mit den besten Ausbildungsabsolventen und -absolventinnen besetzen. Insgesamt geht aus der Studie hervor, dass sich die Ausbildung für die Betriebe im Normalfall lohnt.

In Zeiten zunehmender Schwierigkeiten bei der Rekrutierung ausgebildeter Fachkräfte oder geeigneter Auszubildender (vgl. z. B. BMBF 2014) sollte die betriebliche Ausbildung für die Betriebe in Deutschland weiterhin eine wichtige Rolle zur Gewinnung von Fachkräften spielen. Die Sicherung des Fachkräftenachwuchses ist nicht nur für den einzelnen Betrieb, sondern auch für die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft von hoher Bedeutung. Dennoch ist seit dem Jahr 2009 ein Rückgang der Ausbildungsbeteiligung der Betriebe zu beobachten (vgl. HUCKER 2014). Könnte ein Grund hierfür in einer Verschlechterung des Verhältnisses von Kosten und Nutzen der Ausbildung liegen?

Um insbesondere dieses Kosten-Nutzen-Verhältnis untersuchen zu können, führte das BIBB für das Ausbildungsjahr 2012 /13 eine Betriebsbefragung durch. 3.032 Ausbildungsbetriebe und 913 nicht-ausbildende Betriebe wurden zur Ausbildung und zur Rekrutierung von Fachkräften befragt.

Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse der repräsentativen BIBB-Kosten-Nutzen-Befragung 2012/13 (BIBB-Cost-Benefit-Survey / CBS 2012/13) dargestellt. Nach einer kurzen Einführung in die Thematik werden zunächst die Ausbildungskosten und -erträge für die Gesamtzahl der Auszubildenden, für West- und Ostdeutschland sowie nach Betriebsgrößenklassen, Berufsgruppen und Ausbildungsbereichen präsentiert. In einem zweiten Schritt werden die deskriptiv festgestellten Befunde mit multivariaten Modellen geprüft. Danach werden mit den Personalgewinnungskosten und dem Übernahmeverhalten der Betriebe zwei Aspekte längerfristigen Nutzens der Ausbildung betrachtet. Zudem wird auf die Entwicklung der Ausbildungskosten und -erträge seit der letzten Erhebung des Jahres 2007 eingegangen. Abschließend werden die Gründe, die aus Sicht der Betriebe für oder gegen eigene Ausbildung sprechen, dargestellt und ein kurzes Fazit gezogen.

Kosten- und Nutzenermittlung der betrieblichen Ausbildung

In Deutschland beteiligen sich Betriebe freiwillig an der dualen Ausbildung, es gibt keine gesetzliche Verpflichtung und es müssen (bei wenigen Ausnahmen) auch keine Abgaben gezahlt werden, wenn ein Betrieb auf die eigene Ausbildung verzichtet. Unterstellt man den Betrieben ein (ökonomisch) rationales Verhalten, so muss bei den ausbildenden Betrieben der Gesamtnutzen der Ausbildung die Kosten übersteigen. Bei den nicht-ausbildenden Betrieben wird hingegen angenommen, dass die potenziellen Kosten einer Ausbildung höher als der Nutzen sind.

Kosten entstehen den Betrieben vor allem im Verlauf der Ausbildung, während Nutzen auf verschiedenen Ebenen und zu verschiedenen Zeitpunkten erzielt werden kann. Das BIBB berechnet seit den 1980er-Jahren in seinen Kosten-Nutzen-Erhebungen die Brutto- und Nettokosten der Ausbildung auf Basis eines Kostenmodells, das auf den Arbeiten der SACHVERSTÄNDIGENKOMMISSION KOSTEN UND FINANZIERUNG DER BERUFLICHEN BILDUNG (1974) aufbaut (vgl. z. B. SCHÖNFELD u. a. 2010; BEICHT u. a. 2004). Als Bruttokosten werden alle Sach- und Personalkosten bezeichnet, die ein Betrieb für die Ausbildung aufbringt. Sie setzen sich aus den Personalkosten für die Auszubildenden und das ausbildende Personal, den Anlage- und Sachkosten und den sonstigen Kosten zusammen. Auszubildende erwirtschaften durch ihren produktiven Einsatz auch Erträge während der Ausbildung. Zur Ermittlung der tatsächlichen Kostenbelastung der Betriebe werden diese Erträge von den Bruttokosten abgezogen. Der so ermittelte Wert ergibt die Nettokosten der Ausbildung.

Neben den Erträgen durch den Arbeitseinsatz der Auszubildenden kann für die Betriebe ein weiterer Nutzen entstehen, wenn die Auszubildenden nach erfolgreicher Ausbildung als Fachkräfte weiterbeschäftigt werden. Dieser Nutzen besteht zum einen in den eingesparten Kosten für die alternative Gewinnung von Fachkräften über den externen Arbeitsmarkt. Zum anderen kann der jungen Fachkraft ein Lohn unterhalb der tatsächlichen Produktivität gezahlt werden. Dies ist möglich, wenn in Teilen der Ausbildung betriebsspezifisches, also nicht transferierbares Humankapital generiert wird oder Marktunvollkommenheiten (z. B. Mobilitätskosten, unvollständige Information) dazu führen, dass die Ausgebildeten nicht so leicht den Betrieb wechseln können und so einen Lohn unterhalb der Produktivität akzeptieren. ACEMOGLU / PISCHKE (1999) sprechen in diesem Zusammenhang von einer komprimierten Lohnstruktur, die dazu führt, dass Betriebe bei besser qualifizierten Mitarbeitenden höhere Renditen abschöpfen können. Außerdem können die Betriebe die Abhängigkeit vom externen Markt für Fachkräfte reduzieren und leistungsfähige Talente frühzeitig an sich binden. Sie können so die Gefahr eines Fachkräftemangels und damit Einschränkungen der Leistungsfähigkeit in ihrem Betrieb verringern. Die Möglichkeit, auf unterschiedlichen Wegen einen Nutzen durch die Ausbildung erzielen zu können, spiegelt sich in den Ausbildungsmotiven der Betriebe wider. In Deutschland wird die Ausbildung häufig als Investition in zukünftige Fachkräfte gesehen (Investitionsmotiv, vgl. MERRILEES 1983), aber auch das sogenannte Produktionsmotiv (vgl. LINDLEY 1975), bei dem die Ausbildungskosten vollständig durch die Erträge abgedeckt werden, ist vertreten. In diesem Fall sollten die Nettokosten negativ sein, also Nettoerträge erwirtschaftet werden.

Methodische Erläuterungen zur Erhebung 2012/13
Die BIBB-Kosten-Nutzen-Erhebung 2012/13 wurde von September 2013 bis April 2014 von infas – Institut für angewandte Sozialforschung – durchgeführt. Aus der Betriebsdatei der Bundesagentur für Arbeit (Stichtag 31.03.2012) wurde eine Stichprobe gezogen, in der ausbildende Betriebe deutlich überrepräsentiert sind. In der Bruttostichprobe waren 45.481 Betriebe enthalten. Davon wurden 24.000 Adressen für die Akquise der Betriebe eingesetzt. Es wurde nach Ausbildungsbetrieb (ja/nein), Region (Gemeinden) und Betriebsgrößenklassen geschichtet.

Infas führte persönliche computergestützte Interviews (CAPI) in 3.032 ausbildenden und 913 nicht-ausbildenden Betrieben durch. Befragt wurden jeweils die für die Ausbildung oder Personalverwaltung verantwortlichen Mitarbeitenden, in kleineren Betrieben sind dies häufig die Betriebsinhaber/-innen. Die Interviews dauerten bei den ausbildenden Betrieben im Durchschnitt 77, bei den nicht-ausbildenden Betrieben 43 Minuten.

Die Fragen zu Kosten und Nutzen der betrieblichen Ausbildung beziehungsweise den Kosten der Rekrutierung von Fachkräften wurden jeweils für einen bestimmten Ausbildungsberuf im dualen System, der nach den Regeln des Berufsbildungsgesetzes bzw. der Handwerksordnung ausgebildet wird, gestellt. Bildete ein Ausbildungsbetrieb in mehreren Berufen aus, wurde der Beruf aus den bis zu sechs am stärksten besetzten Ausbildungsberufen – bei gleicher Ziehungswahrscheinlichkeit – zufällig ausgewählt. Bei den Nichtausbildungsbetrieben bezogen sich die Fragen auf den Ausbildungsberuf der zuletzt eingestellten Fachkraft.

Mittels iterativ bestimmter, stichprobenneutraler Gewichte werden für Deutschland repräsentative Ergebnisse berechnet. Kosten und Erträge der Ausbildung werden auf Auszubildendenbasis gewichtet. Das heißt, dass jeder Auszubildende eines Betriebs (max. jedoch zehn Auszubildende pro Betrieb und Ausbildungsjahr) ein Gewicht entsprechend der Randverteilung der Auszubildenden nach Ausbildungsjahr, Betriebsgrößenklasse und Ausbildungsbereich erhält. Insgesamt werden 11.206 Auszubildende aus den 3.032 Ausbildungsbetrieben einbezogen. Die präsentierten Ergebnisse geben somit die Bruttokosten, Erträge und Nettokosten an, die in einem Betrieb pro Auszubildendem im Durchschnitt in Deutschland im Ausbildungsjahr 2012/13 anfallen.

Die Ergebnisse zur Fachkräfterekrutierung und Übernahme sowie die multivariaten Regressionen werden mit Betriebsdaten berechnet. Die verwendeten Gewichte werden ebenfalls iterativ über die Randverteilungen der Betriebsgrößenklasse, der Region, des Wirtschaftszweiges und der Ausbildungstätigkeit ermittelt.

Personalkosten der Auszubildenden machen mehr als die Hälfte der Bruttokosten aus

Für das Ausbildungsjahr 2012 /13 belaufen sich die Bruttokosten pro Auszubildendem auf durchschnittlich 17.933 Euro. Aus den produktiven Beiträgen der Auszubildenden erwirtschaften die Betriebe Erträge in Höhe von durchschnittlich 12.535 Euro pro Auszubildendem. Es ergeben sich dementsprechend Nettokosten von 5.398 Euro für einen Auszubildenden im Ausbildungsjahr 2012/13 (Abb. 1).

Der Berechnung dieser Kosten liegt ein differenziertes Berechnungsmodell zugrunde, das eine Weiterentwicklung eines Modells der SACHVERSTÄNDIGENKOMMISSION KOSTEN UND FINANZIERUNG DER BERUFLICHEN BILDUNG (1974) ist. Die Bruttokosten und Erträge aus Abbildung 1 setzen sich aus verschiedenen Komponenten des Modells zusammen. Abbildung 2 zeigt die Aufteilung der Bruttokosten auf die Kostenarten „Personalkosten der Auszubildenden“ bzw. der „Ausbilder /-innen“, „Anlage- und Sachkosten“ sowie „sonstige Kosten“, die z. B. Verwaltungskosten und Kosten für die Rekrutierung der Auszubildenden enthalten.

Die Personalkosten der Auszubildenden machen mit durchschnittlich etwa 11.000 Euro (62 Prozent) den größten Anteil der Ausbildungskosten aus. Sie setzen sich aus den Bruttoausbildungsvergütungen der Auszubildenden und den freiwilligen und gesetzlichen Sozialleistungen zusammen. Die Kosten für das ausbildende Personal betragen pro Auszubildendem 4.125 Euro, dies entspricht 23 Prozent der Bruttokosten. Dabei werden ebenfalls die gesamten Lohnkosten zugrunde gelegt. Einbezogen werden diese Kosten aber nur in dem Umfang, der dem Aufwand für Ausbildungsleistungen entspricht. Unterschieden wird bei der Berechnung zwischen haupt- und nebenberuflichen und externen Ausbildern und Ausbilderinnen. Nebenberufliche Ausbilder/-innen erfüllen ihre Ausbildungsaufgaben neben ihrer eigentlichen Tätigkeit im Betrieb. Für die Berechnung der Ausbildungskosten relevant wird ihre Ausbildungstätigkeit nur, wenn diese die Produktivität der eigentlichen Tätigkeiten mindert. In den durchgeführten Interviews wurden daher sowohl die Ausbildungszeiten als auch die Minderung der Produktivität während dieser Zeiten erfasst. Für externes Ausbildungspersonal werden die Kosten für Honorare, Reisen und Übernachtungen berücksichtigt.

Für Anlage- und Sachkosten fallen durchschnittlich 925 Euro (5 Prozent) an. Hierzu gehören Anschaffungskosten für die Werkzeug- und Geräteausstattung der Auszubildenden und Kosten für etwaige Lehrwerkstätten oder innerbetrieblichen Unterricht, außerdem Kosten für Verbrauchsmaterialien, die für Unterrichtszwecke benötigt werden. Die sonstigen Kosten betragen 1.866 Euro (10 Prozent) pro Auszubildendem im Ausbildungsjahr 2012/13. Darin enthalten sind u. a. Kammergebühren, Kosten für Lehr- und Lernmaterialien und für externe Kurse sowie die Kosten der betrieblichen Ausbildungsverwaltung.


Zwei Drittel der Bruttokosten werden durch die produktiven Leistungen der Auszubildenden ausgeglichen

Durch den Arbeitseinsatz der Auszubildenden entsteht den Betrieben in der Regel neben den Kosten ein Nutzen, der im Folgenden als Ertrag bezeichnet wird. Erträge können am Arbeitsplatz, aber auch in einer Lehrwerkstatt entstehen. Außerdem erhalten einige Betriebe Zuschüsse aus Förderprogrammen von Bund, Ländern, dem Europäischen Sozialfonds (ESF), der Bundesagentur für Arbeit oder Berufs- oder Branchenverbänden, die ebenfalls unter den Erträgen subsumiert werden.

Am Arbeitsplatz werden die Erträge mittels des Äquivalenzprinzips berechnet, d. h., die Erträge entsprechen den Kosten, die der Betrieb hätte, wenn die Tätigkeiten der Auszubildenden von normalen Beschäftigten durchgeführt worden wären. In den BIBB-CBS wird dabei zwischen einfachen Tätigkeiten, die normalerweise von An- oder Ungelernten durchgeführt werden, und Fachkräftetätigkeiten, die normalerweise von ausgebildeten Fachkräften durchgeführt werden, unterschieden. Beide Tätigkeiten werden mit den Lohnkosten der entsprechenden Beschäftigtengruppe bewertet. Zusätzlich wird bei den Fachkräftetätigkeiten erfragt, welchen Leistungsgrad die Auszubildenden bei der Ausführung dieser Tätigkeiten im Vergleich zu einer durchschnittlichen Fachkraft im Betrieb aufweisen. Beträgt der Leistungsgrad z. B. 50 Prozent, werden von jeder Stunde nur 30 Minuten mit den Lohnkosten einer Fachkraft als Ertrag bewertet.

Die Hälfte der so berechneten Erträge (6.210 Euro) wird durchschnittlich durch einfache Tätigkeiten erwirtschaftet, 47 Prozent (5.875 Euro) durch Fachkräftetätigkeiten, 2 Prozent (209 Euro) in der Lehrwerkstatt und 2 Prozent (241 Euro) durch Zuschüsse der verschiedenen Stellen.

Hohe Varianz bei Kosten und Erträgen

In den bisherigen Abschnitten wurden ausschließlich die durchschnittlichen Kosten und Erträge pro Auszubildendem und Jahr betrachtet. Alle dargestellten Größen weisen jedoch eine hohe Varianz auf, die sich teilweise durch regionale, berufliche oder betriebliche Faktoren erklären lässt. Im Folgenden werden die Kosten und Erträge nach verschiedenen betrieblichen Merkmalen analysiert, um diese Varianz aufzuklären.

Abbildung 3 zeigt die Verteilung der Nettokosten pro Auszubildendem und Jahr. Man erkennt deutlich die breite Streuung von Nettoerträgen über 30.000 Euro bis zu Nettokosten von knapp 40.000 Euro. Einzelne Extremfälle gehen sogar darüber hinaus. Die Verteilung ist leicht rechtsschief, aber insgesamt annähernd normalverteilt. Für knapp 30 Prozent der Auszubildenden fallen keine Nettokosten, sondern Nettoerträge an; die Erträge aus den produktiven Leistungen übersteigen bei diesen Auszubildenden also die Bruttokosten.

In Tabelle 1 werden Bruttokosten, Erträge und Nettokosten nach verschiedenen Merkmalen deskriptiv dargestellt. Hier zeigen sich deutliche Unterschiede. So fallen in Ostdeutschland sowohl die Bruttokosten als auch die Erträge im Durchschnitt deutlich geringer aus als im Westen. Die Bruttokosten sind mit 15.726 Euro etwa 14 Prozent, die Erträge mit 9.412 Euro etwa 28 Prozent niedriger. Ursächlich für die Unterschiede sind u. a. die nach wie vor niedrigeren Löhne und Ausbildungsvergütungen. Da der Unterschied bei den Bruttokosten geringer ausfällt als der bei den Erträgen, sind die Nettokosten in Ostdeutschland im Durchschnitt etwa 1.100 Euro höher als in Westdeutschland.

Mit der Betriebsgröße steigen sowohl die Bruttokosten als auch die Erträge an. Betriebe mit weniger als zehn Beschäftigten haben mit 15.911 Euro pro Jahr und Auszubildendem die geringsten Bruttokosten und mit 10.807 Euro auch die geringsten Erträge. Bei Großbetrieben liegen die Bruttokosten bei durchschnittlich 21.757 Euro und die Erträge bei 14.403 Euro. Auch hier erklären Lohnunterschiede zumindest einen Teil der Differenzen. Die geringsten durchschnittlichen Nettokosten haben die Betriebe mit zehn bis 49 Beschäftigten mit 4.254 Euro, während Großbetriebe die höchsten Nettokosten haben (7.354 Euro).

Bei den Ausbildungsbereichen sind die Bruttokosten im Durchschnitt in Industrie und Handel und im öffentlichen Dienst mit jeweils über 19.500 Euro am höchsten. Die niedrigsten Bruttokosten hat mit etwa 14.000 Euro die Landwirtschaft. Hohe Erträge werden in Industrie und Handel, der Landwirtschaft und den freien Berufen mit fast 13.400 Euro bzw. 12.750 Euro erzielt, im Ausbildungsbereich Hauswirtschaft sind es nur knapp 9.000 Euro und damit im Vergleich zu Industrie und Handel ein Drittel weniger. Für die Nettokosten ergibt sich das folgende Bild: Der öffentliche Dienst (8.032 Euro) hat die höchsten Nettokosten, gefolgt von Hauswirtschaft (6.385 Euro) sowie Industrie und Handel (6.146 Euro). Deutlich geringere Nettokosten pro Auszubildendem und Jahr fallen im Durchschnitt im Handwerk (4.390 Euro) und den freien Berufen (3.705 Euro) an. Die niedrigsten Nettokosten haben die Betriebe im Bereich Landwirtschaft mit 1.293 Euro.

Die technischen Berufe weisen die höchsten Bruttokosten, die niedrigsten Erträge und damit die höchsten Nettokosten auf. Die kaufmännischen Berufe haben zwar auch hohe Bruttokosten, aber die Erträge fallen mit 14.684 Euro wesentlich höher aus als in den beiden anderen Berufsgruppen. Die Nettokosten sind daher für diese Berufe im Durchschnitt am niedrigsten.

Findet die Ausbildung auch in einer Lehrwerkstatt statt, erhöhen sich die Nettokosten deutlich: zum einen durch die unmittelbaren Kosten, die diese verursacht, und zum anderen dadurch, dass mehr Ausbildungspersonal benötigt wird und die Auszubildenden weniger Zeit mit produktiven Tätigkeiten verbringen. Die Nettokosten in Betrieben mit Lehrwerkstatt sind fast viermal so hoch wie in Betrieben ohne Lehrwerkstatt. Dieser Unterschied von etwa 9.500 Euro ergibt sich zu fast gleichen Teilen aus höheren Bruttokosten und niedrigeren Erträgen.

Auszubildende in dreijährigen Berufen erwirtschaften die höchsten Erträge

Auch die Ausbildungsdauer des jeweiligen Ausbildungsberufs hat einen Einfluss auf Kosten und Erträge. Die jährlichen Bruttokosten sind in den dreieinhalbjährigen Berufen (18.636 Euro) am höchsten und in den zweijährigen (16.970 Euro) am niedrigsten (Tab. 1). In den dreijährigen Berufen sind die Auszubildenden am produktivsten, sie erwirtschaften durchschnittlich Erträge in Höhe von fast 14.000 Euro pro Jahr. Abbildung 4 zeigt die durchschnittlichen Bruttokosten, Erträge und Nettokosten nach Ausbildungsdauer für die einzelnen Ausbildungsjahre. Deutlich zu erkennen ist, dass bei den dreieinhalbjährigen Berufen die Nettokosten in allen Jahren am höchsten sind. Insgesamt belaufen sich die Nettokosten für eine dreieinhalbjährige Ausbildung im Durchschnitt auf über 35.000 Euro, bei den zwei- und dreijährigen Berufen sind es nur 10.600 Euro bzw. 11.300 Euro. Unter den dreieinhalbjährigen Berufen sind viele technische Berufe zu finden, die zum einen einen hohen Materialeinsatz erfordern und zum anderen nur zu geringen Teilen im Arbeitsprozess ausgebildet werden können (z. B. wenn die Ausbildung teilweise auch in einer Lehrwerkstatt erfolgt). Beides erhöht die Nettokosten. Bei den zweijährigen Berufen fällt auf, dass es keinen Rückgang der Nettokosten vom ersten zum zweiten Jahr gibt. Bei den anderen Berufen ist ein Rückgang im Verlauf der Ausbildung zu beobachten, da die Erträge steigen. Bei den zweijährigen Berufen steigen die Erträge nur im selben Umfang wie die Bruttokosten an, die Nettokosten liegen demnach in beiden Jahren in etwa auf demselben Niveau.

Multivariate Analyse

Im Folgenden soll geprüft werden, ob die Ergebnisse der deskriptiven Analyse sich auch unter Kontrolle von weiteren relevanten Variablen zeigen. Es werden drei OLS-Regressionen 2 mit den Bruttokosten, Erträgen und Nettokosten als abhängigen Variablen durchgeführt. Die Kontrollvariablen in der folgenden Analyse sind die Betriebsgrößenklasse, der Ausbildungsbereich, die Region, die Ausbildungsdauer, die Existenz einer betrieblichen Lehrwerkstatt, die Berufsgruppe und die Anzahl der Auszubildenden im Ausbildungsberuf im Betrieb. Der Koeffizient für jede Variable gibt dabei an, wie stark sich die Ausbildungskosten ändern unter der Annahme, dass alle anderen Kontrollvariablen konstant bleiben. Die Werte der Koeffizienten können jeweils als Euro-Beträge interpretiert werden. Die meisten Variablen sind kategoriale Variablen, die als Dummy-Variablen in das Modell einbezogen werden. Die Koeffizienten dieser kategorialen Variablen sind immer im Vergleich zur Referenzkategorie (Tab. 2) zu interpretieren.

Tabelle 2 zeigt die Ergebnisse der multivariaten Analyse, die auf Betriebsebene durchgeführt wurde. Die Regressionen basieren somit auf den 3.032 befragten Ausbildungsbetrieben. Sie zeigen, dass die Betriebsgrößenklasse einen signifikanten Einfluss auf die Bruttokosten und auf die Erträge hat. Je größer ein Betrieb ist, desto höher sind sowohl seine Bruttokosten als auch seine Erträge. Der Einfluss der Betriebsgrößenklasse auf die Nettokosten ist dagegen nicht so eindeutig. In der kleinsten Betriebsgrößenklasse sind sowohl die Erträge als auch die Bruttokosten am geringsten. Der negative Effekt auf die Erträge ist jedoch deutlich stärker als der Effekt auf die Bruttokosten, deshalb sind die Nettokosten höher als in der nächstgrößeren Betriebsgrößenklasse. Die mittlere Betriebsgrößenklasse von 50 bis 499 Beschäftigten weist ebenfalls höhere Nettokosten als die Referenzklasse (zehn bis 49 Beschäftigte) auf. Betriebe mit 500 und mehr Beschäftigten haben im Vergleich zur Referenzklasse keine signifikant veränderten Nettokosten.

Unter Kontrolle der anderen Variablen unterscheiden sich die Ausbildungskosten stark nach den Ausbildungsbereichen. Im Vergleich zur Referenzkategorie Industrie und Handel haben alle anderen Ausbildungsbereiche signifikant niedrigere Bruttokosten. Eine Ausnahme stellt der öffentliche Dienst dar, dessen Bruttokosten sich nicht von denen im Bereich Industrie und Handel unterscheiden. Im Vergleich zu Industrie und Handel signifikant geringere Nettokosten weisen allerdings nur die Bereiche Handwerk und Landwirtschaft auf. 

In Westdeutschland fallen Bruttokosten und Erträge signifikant höher aus als in Ostdeutschland. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass das Lohnniveau in Westdeutschland höher als in Ostdeutschland ist. Im Schnitt gleicht sich aber der Einfluss auf die Erträge und auf die Bruttokosten wieder aus, sodass die hier verwendete Regionalvariable keinen Einfluss auf die Nettokosten hat.

Die Ausbildungsdauer hat zumeist keinen signifikanten Einfluss auf die Kosten- und Nutzenstruktur der Betriebe. Lediglich bei den Erträgen ist ein Unterschied zwischen den dreieinhalbjährigen und den dreijährigen Berufen festzustellen. Die Erträge in den dreijährigen Berufen sind signifikant höher als in den dreieinhalbjährigen Berufen. Das kann daran liegen, dass Berufe, die in dreieinhalb Jahren ausgebildet werden, schwieriger zu erlernen sind und der Auszubildende erst später produktiv eingesetzt werden kann. Für die Nettokosten ist die Ausbildungsdauer allerdings von geringerer Bedeutung. Dies zeigt, dass nicht die Ausbildungsdauer maßgeblich für die deskriptiv festgestellten Kostenunterschiede (Abb. 4) ist, sondern die Berufsgruppe und die Ausbildungsorganisation (z. B. Nutzung einer Lehrwerkstatt) entscheidend sind.

Eindeutig ist der Einfluss der Lehrwerkstatt auf das Kosten- und Nutzenverhältnis. Betriebe, die eine Lehrwerkstatt zur Ausbildung nutzen, haben signifikant höhere Bruttokosten, niedrigere Erträge und damit signifikant höhere Nettokosten (über 6.000 Euro im Vergleich zu Betrieben ohne Lehrwerkstatt). Allerdings ist der Einfluss der Lehrwerkstatt geringer als in der deskriptiven Analyse sichtbar wurde, was daran liegen kann, dass insbesondere größere Betriebe eine Lehrwerkstatt in der Ausbildung einsetzen.

Eine Unterscheidung zwischen Berufsgruppen zeigt, dass die Betriebe, die in einem technischen Beruf ausbilden, wesentlich höhere Brutto- und Nettokosten haben als Betriebe, die in gewerblichen oder kaufmännischen Berufen ausbilden. Bei den kaufmännischen Berufen sind die Erträge signifikant höher als in den beiden anderen Berufsgruppen.

Die Regressionsanalyse zeigt weiterhin, dass die Brutto- und Nettokosten negativ mit der Anzahl der Auszubildenden zusammenhängen. Mit jedem weiteren Auszubildenden, den ein Betrieb im angegebenen Ausbildungsberuf ausbildet, sinken die Nettokosten um durchschnittlich 47 Euro.

Das Bestimmtheitsmaß ist ein Indikator dafür, wie gut die dargestellten Kontrollvariablen die Varianz in den Kosten erklären können. Während die einbezogenen erklärenden Variablen 15 Prozent der Varianz der Erträge erklären, können sie lediglich 9 Prozent der Brutto- und Nettokosten erklären. Das bedeutet, dass es, zusätzlich zu den hier vorgestellten Variablen, noch weitere Faktoren, z. B. Unterschiede zwischen einzelnen Berufen, geben muss, die die Kostenstruktur der Betriebe beeinflussen.

Leichter Anstieg der Nettokosten im Vergleich zum Jahr 2007

2008 wurde die letzte Kosten-Nutzen-Erhebung durchgeführt, die Ergebnisse für das Jahr 2007 ermittelte (vgl. SCHÖNFELD u. a. 2010). Um die Entwicklung der Ausbildungskosten und -erträge zu analysieren, werden im folgenden Abschnitt die Ergebnisse aus dem Jahr 2007 und dem Ausbildungsjahr 2012/13 verglichen. Zunächst werden die Ergebnisse der beiden Erhebungen deskriptiv gegenübergestellt. In einem zweiten Schritt wird in einer Regressionsanalyse für die unterschiedliche Betriebsstruktur in beiden Jahren kontrolliert.

Methodische Erläuterungen zum Vergleich BIBB-CBS 2007 und 2012/13
Die Abfrage der Kosten und Erträge im Interview und die Berechnung der verschiedenen Kostenwerte blieb in den Erhebungen 2007 und 2012/13 weitgehend unverändert. Die Methode der Stichprobenziehung im Erhebungsjahr 2012/13 wurde jedoch umgestellt. Für die Erhebung 2012/13 wurde aus allen Ausbildungsbetrieben, die einen Ausbildungsberuf gemäß des Berufsbildungsgesetzes oder der Handwerksordnung ausbilden, eine Zufallsstichprobe gezogen. Da Kosten und der Nutzen sich immer auf einen bestimmten Beruf beziehen, wurden Informationen zu 211 4 verschiedenen Berufen erfragt. Im Jahr 2007 wurden stattdessen nur solche Betriebe gezogen, die in einem der 51 am stärksten besetzten Berufe ausbildeten. Für den Vergleich werden aus der aktuellen Erhebung nur Betriebe berücksichtigt, die zu einem der im Jahr 2007 ausgewählten 51 Berufe befragt wurden. Da für das Jahr 2007 die am stärksten besetzten Berufe gezogen wurden, waren alle 51 Berufe auch im CBS 2012/13 enthalten und es gab eine relativ große Überschneidung. So ergibt sich für das Ausbildungsjahr 2012/13 eine Fallzahl von 2.044 Betrieben, die in diesen 51 Berufen ausgebildet haben. Im Jahr 2007 wurden 2.986 Betriebe befragt.

Da das allgemeine Preisniveau von Waren und Dienstleistungen zwischen 2007 und 2012 angestiegen ist, sollte dies bei Vergleichen berücksichtigt werden. Hierfür wird der Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes verwendet.5 Daraus ergibt sich für den Zeitraum von 2007 bis 2012 ein Korrekturfaktor von 1,08, mit dem alle Werte aus dem Jahr 2007 multipliziert werden.

 

Tabelle 3 zeigt in Preisen von 2012 die Bruttokosten, Erträge und Nettokosten aus den Jahren 2007 und 2012 /13.6 Die Resultate machen deutlich, dass die durchschnittlichen Nettokosten real nur leicht gestiegen sind. Im Jahr 2007 investierte ein Betrieb pro Jahr im Durchschnitt 4.647 Euro pro Auszubildendem. Im Ausbildungsjahr 2012 /13 stieg dieser Betrag auf 5.241 Euro. Real ist die durchschnittliche Investition also lediglich um 594 Euro angestiegen. Der Anstieg geht hauptsächlich auf die Erhöhung der Bruttokosten um 500 Euro zurück. Die Erträge sind dagegen im Durchschnitt leicht um 95 Euro gesunken.

Da in beiden Erhebungen eine repräsentative Zufallsstichprobe gezogen wurde, basieren die Ergebnisse der Befragungen auf unterschiedlichen Betrieben. Wenn sich die Betriebsstruktur in Deutschland verändert, kann demnach auch die Zusammensetzung der Betriebe in beiden Stichproben anders sein. Das bedeutet, eine Erhöhung der Durchschnittskosten müsste nicht zwangsläufig am Anstieg der Kosten für den individuellen Betrieb liegen, sondern könnte auch darauf zurückzuführen sein, dass Betriebe mit tendenziell geringeren Nettokosten seltener ausbilden.

Um eventuelle strukturelle Veränderungen zu berücksichtigen, führen wir OLS-Regressionsanalysen mit den Bruttokosten, Erträgen und Nettokosten als abhängige Variablen durch. Hierdurch wird für eine unterschiedliche Betriebszusammensetzung in den jeweiligen Jahren kontrolliert. Als Kontrollvariablen verwenden wir solche, die erfahrungsgemäß einen großen Anteil der Varianz in den Ausbildungskosten erklären. Dies sind der Ausbildungsberuf, die Betriebsgrößenklasse, die Region (West- oder Ostdeutschland) und ob der Betrieb eine Lehrwerkstatt hat oder nicht. Die hauptsächlich interessierende Variable ist der Jahreskoeffizient, der angibt, in welchem Jahr der Betrieb befragt worden ist. Er nimmt den Wert von 1 an, wenn der Betrieb aus dem BIBB-CBS 2012/13 stammt, und 0, wenn der Betrieb am BIBB-CBS 2007 teilgenommen hat. Der Jahreskoeffizient stellt so die durchschnittliche Entwicklung der Kosten dar unter der Annahme, dass sich der Einfluss der Kontrollvariablen in beiden Erhebungen nicht geändert hat.

 

Tabelle 4 zeigt, dass unter Kontrolle der beschriebenen Strukturmerkmale die Kosten sogar etwas weniger angestiegen sind als bei rein deskriptiver Betrachtung wie in Tabelle 3. Im Ausbildungsjahr 2012 /13 investierte ein in Bezug auf die Kontrollvariablen vergleichbarer Betrieb im Durchschnitt 464 Euro mehr in die Ausbildung als im Jahr 2007. Dieser Wert ist signifikant auf dem 10-Prozent-Niveau. Genau wie bei den deskriptiven Ergebnissen zeigt sich bei der Regression vor allem ein Anstieg der Bruttokosten, während sich die Erträge nicht signifikant verändert haben. Die Betriebe konnten die steigenden Bruttokosten also nicht durch höhere Erträge ausgleichen. Der Unterschied zwischen den Kosten der beiden Jahre lässt sich also nicht durch die einbezogenen Strukturmerkmale erklären. Es ist also davon auszugehen, dass es einen leichten generellen Anstieg der Kosten gegeben hat. Der hier dargestellte Vergleich soll lediglich einen ersten Eindruck der Entwicklung der Kosten der betrieblichen Ausbildung darstellen. Die Datenbasis soll Gegenstand von weiteren vertiefenden Analysen werden.

Übernahme von Ausbildungsabsolventen und -absolventinnen spart Personalgewinnungskosten

Die bisher dargestellten Ergebnisse zeigen, dass der Großteil der Betriebe in Deutschland eine Nettoinvestition in die Ausbildung tätigt. Nimmt man an, dass Betriebe ökonomisch handeln, so müssen insbesondere die investierenden Betriebe einen Nutzen durch die Ausbildung, der über den Arbeitsbeitrag der Auszubildenden in der Ausbildungszeit hinausgeht, erwarten. Ein zusätzlicher Nutzen kann vor allem dann entstehen, wenn Betriebe ihre Auszubildenden nach der Ausbildung als Fachkräfte übernehmen. Ausbildende Betriebe müssen im Falle der Übernahme nicht mehr auf dem Arbeitsmarkt nach Fachkräften suchen und zusätzliche Weiterbildungs- und Einarbeitungsmaßnahmen durchführen, um extern rekrutierte Fachkräfte zu integrieren. Durch die Übernahme von Ausgebildeten kann ein Betrieb also Such- und Anpassungskosten von Fachkräften einsparen. Zusätzlich macht er sich unabhängig vom Arbeitsmarkt und kann eventuelle Ausfallkosten verhindern.

Im BIBB-CBS 2012 /13 werden die Personalgewinnungskosten für ausbildende und nicht-ausbildende Betriebe erhoben. Im Unterschied zu bisherigen Erhebungen werden dabei nicht nur die Kosten für das Bewerbungsverfahren, die Weiterbildung und anfängliche Produktivitätsunterschiede neuer Fachkräfte berücksichtigt, sondern erstmals auch der Aufwand, der für die anderen Mitarbeitenden im Betrieb bei der Einarbeitung der neuen Kolleginnen und Kollegen entsteht. Die Berechnung der Personalgewinnungskosten von Betrieben greift auf Informationen von 2.011 Betrieben (1.605 ausbildende und 406 nicht-ausbildende Betriebe) zurück, die in den letzten drei Jahren Fachkräfte vom externen Arbeitsmarkt rekrutiert haben.7

Betrachtet man zunächst die Gesamtkosten der Personalgewinnung, so fallen diese mit durchschnittlich 8.715 Euro pro eingestellte Fachkraft relativ hoch aus (Tab. 5). Damit zeigt sich ein weiterer Nutzenaspekt der Ausbildung. Denn: Bei Übernahme von Auszubildenden kann ein Betrieb die Personalgewinnungskosten einsparen, die bei einer durchschnittlichen dreijährigen Ausbildung mehr als drei Viertel der gesamten Nettoausbildungskosten entsprechen. Die Analyse der einzelnen Bestandteile der Personalgewinnungskosten zeigt, dass insbesondere die Einarbeitungskosten, und dabei vor allem der zeitliche Aufwand der an der Einarbeitung beteiligten Mitarbeitenden, ins Gewicht fallen. Diese Personalkosten der Einarbeitung machen knapp die Hälfte der gesamten Personalgewinnungskosten aus (4.097 Euro). Aber auch die Produktivitätsdefizite neuer Fachkräfte während der Einarbeitung sind mit 2.966 Euro ein wichtiger Kostenfaktor. Im Vergleich hierzu ist das eigentliche Bewerbungsverfahren zur Gewinnung von Fachkräften, das die Inserierungs- und die Personalkosten für das Auswahlverfahren sowie die Kosten für externe Berater/-innen und Vermittler/-innen berücksichtigt, weniger aufwendig. Mit insgesamt 928 Euro machen die Kosten für das Bewerbungsverfahren etwa 10 Prozent der gesamten Personalgewinnungskosten aus.

Ebenfalls deutlich geringer als die Einarbeitungskosten sind die durchschnittlichen Kosten für Weiterbildung, die durch direkte Weiterbildungskosten (z. B. Gebühren, Beiträge) und Kosten der Abwesenheit vom Arbeitsplatz ermittelt werden.


Betrachtet man die Personalgewinnungskosten nach verschiedenen Strukturmerkmalen, so zeigen sich, wie im Falle der Ausbildungskosten, auch hier deutliche Unterschiede u. a. nach Region und Betriebsgröße (rechte Spalten von Tab. 5 und Tab. 6). Personalgewinnungskosten fallen in Ostdeutschland deutlich geringer aus als in Westdeutschland, wobei die Unterschiede insbesondere bei den Kosten für das Bewerbungsverfahren und der Einarbeitung auftreten. Hinsichtlich der Kosten für die Weiterbildung liegen beide Regionen in etwa auf gleichem Niveau.

Die regionalen Unterschiede erscheinen jedoch, verglichen mit den beobachtbaren Unterschieden nach Betriebsgrößenklassen, relativ moderat. Im Vergleich zu kleinen Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten fällt bei großen Betrieben mit 500 und mehr Beschäftigten deutlich mehr als das Doppelte an Personalgewinnungskosten an. Der durchschnittliche Wert für große Betriebe liegt dabei bei etwa 16.500 Euro je rekrutierter Fachkraft.

Bei den ausbildenden Betrieben sind die Personalgewinnungskosten im Durchschnitt gut 1.200 Euro höher als bei den nicht-ausbildenden Betrieben (Tab. 7). Ausbildende Betriebe können somit stärker von der Übernahme ihrer Auszubildenden profitieren als nicht-ausbildende Betriebe es könnten. Im Westen ist der Unterschied zwischen ausbildenden und nicht-ausbildenden Betrieben mit 729 Euro kleiner als im Osten. Nach Betriebsgrößenklassen variiert die Differenz zwischen Ausbildungs- und Nichtausbildungsbetrieben. Nichtausbildungsbetriebe mit weniger als zehn Beschäftigten müssen mit deutlich höheren Personalgewinnungskosten kalkulieren als Ausbildungsbetriebe der gleichen Betriebsgrößenklasse. In größeren Betrieben haben jedoch stets die Ausbildungsbetriebe höhere Personalgewinnungskosten, insbesondere bei Betrieben mit 50 bis 499 Beschäftigten sind sie mit über 1.600 Euro deutlich höher. Insgesamt steigen bei beiden Betriebsgruppen die Personalgewinnungskosten mit der Betriebsgröße an.

Im Durchschnitt können also die Ausbildungsbetriebe durch die Ausbildung mehr Personalgewinnungskosten einsparen als es die Nichtausbildungsbetriebe könnten. Das kann z. B. an den spezifischen Bedürfnissen der Ausbildungsbetriebe liegen. Die eingesparten Personalgewinnungskosten können also einen Teil der Ausbildungsentscheidung erklären.

Die in diesem Abschnitt dargestellten Erhebungsergebnisse lassen den Schluss zu, dass die Einsparung von Personalgewinnungskosten zumindest einen großen Teil der Ausbildungskosten ausgleicht, sofern der Betrieb die selbst ausgebildete Fachkraft übernimmt. Die Übernahme von Ausgebildeten wird im folgenden Abschnitt diskutiert.

Ausbildungsbetriebe übernehmen im Durchschnitt fast 60 Prozent ihrer Ausgebildeten

Durch die Übernahme der Auszubildenden entsteht dem Betrieb, wie zuvor beschrieben, ein zusätzlicher Nutzen. Außerdem kann er bei der Übernahme aufgrund seiner Kenntnisse über die Ausbildungsabsolventen und -absolventinnen die Besten auswählen. Die Übernahmeentscheidung des Betriebs bzw. die tatsächliche Weiterbeschäftigung im Betrieb hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab. Zunächst muss beim Betrieb ein generelles Übernahmeinteresse oder die Verpflichtung zur (befristeten) Übernahme aufgrund von tarifvertraglichen Regelungen bestehen. Bei den Betrieben, die generell an einer Übernahme interessiert sind, können Veränderungen der Rahmenbedingungen dazu führen, dass weniger oder keine Ausbildungsabsolventen und -absolventinnen nach der Ausbildung im Betrieb verbleiben. Dies kann eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage sein, die dazu führt, dass weniger Fachkräfte benötigt werden. Oder es zeigt sich im Verlauf der Ausbildung, dass die Ausgebildeten nicht den betrieblichen Anforderungen entsprechen. Zuletzt kann es auch sein, dass die Absolventen und Absolventinnen ihre berufliche Zukunft nicht im Ausbildungsbetrieb sehen, da sie z. B. ein Studium anschließen oder ein besseres Angebot eines anderen Betriebs erhalten.


Im Durchschnitt hat jeder Betrieb im Zeitraum von 2011 bis 2013 59 Prozent 8 seiner erfolgreichen Auszubildenden übernommen (Abb. 5). Nach Region unterscheidet sich der Anteil kaum. Bei den Ausbildungsbereichen 9 stechen der öffentliche Dienst mit einem sehr hohen Anteil von durchschnittlich 83 Prozent und die Landwirtschaft mit nur 35 Prozent übernommenen Absolventen und Absolventinnen hervor. In Industrie und Handel werden im Schnitt zwei von drei Ausgebildete übernommen, im Handwerk 57 Prozent und in den freien Berufen 53 Prozent.

In Großbetrieben mit 500 und mehr Beschäftigten ist der Anteil mit 82 Prozent übernommenen Ausbildungsabsolventen und -absolventinnen deutlich höher als in Kleinstbetrieben mit knapp 50 Prozent. Etwas überraschend ist der relativ hohe Anteil Übernommener in den zweijährigen Berufen, während insbesondere bei den dreieinhalbjährigen Berufen aufgrund der hohen Nettokosten eine höhere Übernahmequote zu erwarten gewesen wäre.10

Fachkräftebedarf wichtigster Grund für oder gegen eigene Ausbildung

Fragt man die Betriebe nach den Gründen, die für (Abb. 6) oder gegen (Abb. 7) eine eigene Ausbildung sprechen, so wird dem zukünftigen Einsatz als Fachkraft bzw. dem fehlenden Fachkräftebedarf die größte Wichtigkeit zugesprochen.

So ist für 83 Prozent der ausbildenden Betriebe die Qualifizierung von Fachkräften, die langfristig im Betrieb eingesetzt werden sollen, ein wichtiger bzw. sehr wichtiger Grund für die Ausbildung. Diese Betriebe sehen Ausbildung als eine Investition in die Sicherung des zukünftigen Fachkräftebedarfs, um z. B. Vakanzen zu vermeiden. Viele Betriebe geben aber auch an, dass die Ausbildung eine Gemeinschaftsaufgabe und damit eine Leistung für die Gesellschaft ist. Bei der Ausbildungsentscheidung berücksichtigen diese Betriebe also nicht allein betriebliche Kosten- und Nutzenüberlegungen.

Bei den nicht-ausbildenden Betrieben ist für fast 40 Prozent der fehlende Fachkräftebedarf ein (sehr) wichtiger Grund nicht auszubilden. 37 Prozent der Betriebe geben an, dass es keine qualifizierten Bewerber/-innen für Ausbildungsplätze gibt und sie daher nicht ausbilden. Schlechte Erfahrungen oder die Angst, dass die Auszubildenden den Betrieb nach der Ausbildung verlassen, ist für weniger als jeden fünften nicht-ausbildenden Betrieb ein Grund, auf Ausbildung zu verzichten.

Fazit

Die hier präsentierten Ergebnisse der BIBB-Kosten-Nutzen-Studie 2012/13 zeigen zum einen, dass ein Großteil der ausbildenden Betriebe bereit ist, Investitionen in ihre Auszubildenden zu tätigen. Zum anderen wurde deutlich, dass durch die Übernahme von Auszubildenden hohe Kosten eingespart werden können, die andernfalls für die Rekrutierung und Einarbeitung von neu eingestellten Fachkräften angefallen wären. Im Durchschnitt übernehmen die Betriebe 60 Prozent ihrer Auszubildenden in ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis.

Die Ausbildungsbetriebe selbst schätzen das Verhältnis von Kosten und Nutzen der Ausbildung zumeist positiv ein. So geben 59 Prozent an, dass sie mit dem Kosten-Nutzen-Verhältnis zufrieden oder sehr zufrieden sind. Nur 11 Prozent sagen, dass sie unzufrieden oder völlig unzufrieden sind.

Ein erster Vergleich mit der Erhebung für das Jahr 2007 zeigt, dass es einen moderaten Anstieg der Bruttokosten gab, während die Erträge relativ konstant geblieben sind. Entsprechend sind auch die Nettokosten nur leicht gestiegen. Der Aufwand für die Betriebe hat sich also in den letzten Jahren insgesamt nicht wesentlich erhöht. Weitere Analysen der Entwicklung einzelner Kosten- und Nutzenparameter werden dazu beitragen, um die Gesamtentwicklung abschließend beurteilen zu können.

Insgesamt ergibt sich ein positives Bild für die derzeit ausbildenden Betriebe. Der festgestellte leichte Anstieg der Nettokosten könnte aber darauf hinweisen, dass der Rückgang der Ausbildungsbetriebsquote11 auch durch diese Entwicklung bedingt ist. Bei den Betrieben, die sich von der Ausbildung zurückgezogen haben, könnte es einen stärkeren Anstieg gegeben haben. Möglich wäre auch, dass der leichte Anstieg ausgereicht hat, um das Verhältnis von Kosten und Nutzen zu Ungunsten des Betriebs zu verändern.

Um einen weiteren Rückgang der Ausbildungsbeteiligung zu verhindern, ist es geboten, das Verhältnis von Kosten und Nutzen weiter zu beobachten und entsprechende Verbesserungen der Rahmenbedingungen anzustoßen, um so die Ausbildung für die Betriebe weiterhin attraktiv gestalten zu können.

  • 1

    Unterschieden wird zwischen kaufmännischen, gewerblichen und technischen Berufen. Für die Zuordnung zu den technischen Berufen wurde eine vom BIBB zusammengestellte Liste der technischen Ausbildungsberufe im dualen System (BBiG bzw. HwO) genutzt (https://www.bibb.de/dokumente/pdf/a21_dazubi_berufsliste-t_2012.pdf, Stand: 29.10.2014). Technische Ausbildungsberufe sind demnach solche, dere Tätigkeits- und Kenntnisprofile hohe Technikanteile (z. B. hohe Anteile von Überwachen, Steuern von Maschinen, Anlagen, technischen Prozessen etc.) enthalten.

  • 2 Ordinary Least Squares bzw. Kleinst-Quadrat-Regressionen.
  • 3 Dabei ist zu beachten, dass das 4. Ausbildungsjahr lediglich ein halbes Jahr dauert.
  • 4 Für einen Großteil der Berufe liegen allerdings nur geringe Fallzahlen vor, sodass keine Einzelauswertungen möglich sind.
  • 5

    Vgl. Verbraucherpreisindex für Deutschland: www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/Preise/Verbraucherpreisindizes/Tabellen_/VerbraucherpreiseKategorien.html?cms_gtp=145110_slot%253D2&https=1 (Stand 13.10.2014).

  • 6 Die Werte weichen jeweils leicht von den zuvor dargestellten Werten ab, da für die Berechnung nur die Berufe berücksichtigt wurden, die auch im Jahr 2007 Teil der Erhebung waren und die betriebliche Ebene betrachtet wird.
  • 7 Grund für diese Einschränkung ist, dass Betriebe, deren Rekrutierungsaktivität noch weiter zurückliegt, vermutlich weniger genaue Angaben über die vor langer Zeit entstandenen Kosten machen können.
  • 8 Statt des betrieblichen Durchschnitts kann auch die Summe aller übernommenen Auszubildenden durch die Summe der erfolgreich Ausgebildeten geteilt werden. So erhält man eine gesamtwirtschaftliche Quote von
    67 Prozent. Diese deckt sich mit der vom IAB auf Basis des IAB-Betriebspanels ermittelten Übernahmequote (vgl. Dummert u. a. 2014).
  • 9 Für den Ausbildungsbereich Hauswirtschaft liegen nicht ausreichend Fälle für eine Einzelauswertung vor.
  • 10 Oft können zweijährige Berufe auf dreijährige Berufe angerechnet werden, sodass Auszubildende nach Abschluss in einen dreijährigen Ausbildungsberuf übernommen werden können. Dies könnte zwar auch die höhere Übernahmequote der zweijährigen Berufe erklären, lässt sich aber mit den vorhandenen Daten nicht prüfen.
  • 11 Anteil der Betriebe mit Auszubildenden an allen Betrieben mit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.

Literatur

  • ACEMOGLU, Daron; PISCHKE, Jörn-Steffen; BEYOND Becker:
    Training in Imperfect Labour Markets. In: The Economic Journal, 109 (1999) 453, F112 - F142
  • BEICHT, Ursula; WALDEN, Günter; HERGET, Hermann:
    Kosten und Nutzen der betrieblichen Berufsausbildung in Deutschland.
    Bielefeld 2004
  • BMBF (Hrsg.):
    Berufsbildungsbericht 2014.
    Bonn/Berlin 2014
  • DUMMERT, Sandra; FREI, Marek; LEBER, Ute:
    Berufsausbildung in Deutschland – Betriebe und Bewerber finden schwerer zusammen, dafür sind Übernahmen häufiger denn je. In: IAB-Kurzbericht 20/2014. http://doku.iab.de/kurzber/2014/kb2014.pdf (Stand: 25.11.2014)
  • HUCKER, Tobias:
    Ergebnisse der Beschäftigtenstatistik zur Ausbildungsbeteiligung. In: Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2014. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung.
    Bielefeld 2014, S. 191 - 198
  • LINDLEY, Robert M.:
    The Demand for Apprentice Recruits by the Engineering Industry, 1951-71. In: Scottish Journal of Political Economy, 22 (1975) 1, S. 1 - 24
  • MERRILEES, William J.:
    Alternative Models of Apprentice Recruitment: With Special Reference to the British Engineering Industry. In: Applied Economics 15 (1983) 1, S. 1 - 21
  • SACHVERSTÄNDIGENKOMMISSION KOSTEN UND FINANZIERUNG DER BERUFLICHEN BILDUNG:
    Kosten und Finanzierung der außerschulischen beruflichen Bildung. Abschlussbericht.
    Bielefeld 1974
  • SCHÖNFELD, Gudrun; WENZELMANN, Felix; DIONISIUS, Regina; PFEIFER, Harald; WALDEN, Günter:
    Kosten und Nutzen der dualen Ausbildung aus Sicht der Betriebe. Ergebnisse der vierten BIBB-Kosten-Nutzen-Erhebung.
    Bielefeld 2010

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9. Jahrgang, Heft 1, März 2015
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