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Zwiespältige Vermittlungsbilanz der Bundesagentur für Arbeit

Einerseits mehr Ausbildungsanfänger, andererseits mehr erfolglose Lehrstellenbewerber als im Vorjahr

Joachim Gerd Ulrich, Simone Flemming, Elisabeth M. Krekel

Veröffentlicht: 23.10.2006 URN: urn:nbn:de:0035-0183-9

Von den bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeldeten Lehrstellenwerbern mündeten zum Stichtag 30.09.2006 rund 3.700 Jugendliche mehr in eine Ausbildung ein als im Vorjahr. Doch zugleich wuchs die Zahl der "noch nicht vermittelten Bewerber" um 9.000 und erreichte mit 49.500 einen Höchststand seit der Wiedervereinigung. Die rechnerische Lücke zwischen den noch offenen Ausbildungsplätzen und den unvermittelten Bewerbern fiel mit 34.100 ebenfalls so hoch wie noch nie seit Anfang der neunziger Jahre aus.

Die Geschäftsstatistik der BA deutet somit auf einen weiterhin sehr angespannten Ausbildungsmarkt hin. Dass trotz der leicht gestiegenen Zahl der Lehrstellen-Einmünder letztlich mehr Jugendliche bis zum 30.09.2006 "noch nicht vermittelt" werden konnten, ist unmittelbare Folge eines erneut sehr kräftigen Anstiegs bei den so genannten "Altbewerbern".

Hierunter versteht man bei der BA gemeldete Lehrstellenbewerber, die die Schule nicht im aktuellen Vermittlungsjahr, sondern bereits im Jahr zuvor oder noch früher verließen. Ihre Zahl nahm 2006 um 43.200 (+13 %) auf nunmehr 385.200 zu. Die Zahl der registrierten Bewerber, die aktuell die Schule verließen, sank dagegen um 26.400 (-7%) auf 372.500. Dies bedeutet, dass es in Deutschland inzwischen mehr "Altbewerber" als aktuell Schulentlassene unter den bei der BA registrierten Bewerbern gibt.

Gemeldete Berufsausbildungsstellen

Die Zahl der Berufsausbildungsstellen, die der Bundesagentur für Arbeit zur Vermittlung angeboten wurden, sank im Jahr 2006 um 12.000 bzw. knapp 3 % auf nunmehr 459.500. Die gemeldeten Ausbildungsstellen haben in Westdeutschland (-3 %) stärker abgenommen als in Ostdeutschland (-1 %). In Ostdeutschland gab es sogar ein leichtes Plus bei den betrieblichen Stellen (+2 %), das jedoch durch den Rückgang bei den außerbetrieblichen Plätzen (-7 %) übertroffen wurde. Dagegen nahm in Westdeutschland sowohl die Zahl der betrieblichen (knapp -3 %) als auch der außerbetrieblichen Lehrstellen (-14 %) ab.

Weniger betriebliche Stellen als im Vorjahr wurden in insgesamt drei Fünfteln der bundesweit 176 Arbeitsagenturbezirke registriert (Berlin ist hierbei zu einer Region zusammengefasst), während es in zwei Fünfteln der Regionen zu einem Zuwachs kam. Bezieht man die Zahl der gemeldeten betrieblichen Stellen auf die Zahl der gemeldeten Bewerber, wird deutlich, wie stark sich die regionalen Ausgangsbedingungen für das Vermittlungsgeschäft der Bundesagentur für Arbeit unterscheiden.

In 16 der 176 Regionen standen noch nicht einmal 30 betriebliche Stellen 100 Bewerbern gegenüber. In weiteren 58 Regionen waren es nur 30 bis unter 50 Stellen. Andererseits gibt es Regionen, in denen mehr betriebliche Lehrstellen als Bewerber registriert sind. Bei diesen Regionen mit einem rechnerischen Stellenüberhang handelt sich jedoch ausschließlich um Großstädte wie München, Stuttgart, Frankfurt/Main, Düsseldorf und Münster. Zudem stehen diese Städte teilweise unter einen besonders großen Einwanderungsdruck auswärtiger Ausbildungsplatzsuchender. Mit diesen müssen die eigenen "Stadtkinder" konkurrieren, und damit sind ihre Bewerbungschancen nicht so gut, wie die Statistik zunächst vermuten lässt.

Aus der jährlichen Entwicklung bei den gemeldeten Stellen lässt sich nicht unmittelbar ableiten, wie sich die Zahl aller neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge verändern wird. Denn die Betriebe sind ebenso wenig wie die Jugendlichen dazu verpflichtet, ihre Ausbildungswünsche der Bundesagentur für Arbeit mitzuteilen. So wurden beispielsweise im Jahr 2004 der BA bundesweit 26.800 Stellen weniger gemeldet, während die tatsächliche Zahl der neuen Lehrverträge um 15.300 zunahm.

In diesem Jahr zeichnet sich ein ähnliches Phänomen ab: Die zuständigen Stellen von Industrie, Handel und Handwerk konnten bei ihrer Zwischenzählung der bis Ende September neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ein Plus von insgesamt 14.000 zusätzlichen Vertragsabschlüssen melden. Der vermeintliche Widerspruch zwischen den Ergebnissen der BA und den für die Berufsausbildung zuständigen Stellen löst sich jedoch auf, wenn man die Ergebnisse der BA-Berufsberatungsstatistik genauer analysiert. So vermeldete auch die Berufsberatungsstatistik bei den Lehrstelleneinmündungen in diesem Jahr ein leichtes Plus von 3.700. Auffallend ist zudem, dass die Zahl der gemeldeten betrieblichen Stellen allein in der ersten Hälfte des Vermittlungsjahres 2005/06 abnahm (um -17.000), während es in der zweiten Hälfte zu einem deutlichen Anstieg kam (+9.300). Dies korrespondiert recht gut mit der Trendwende bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Im Mai 2006 kam es hier erstmalig seit langer Zeit wieder zu einem Zuwachs gegenüber dem Vorjahresmonat. Diese positive Entwicklung hielt auch in den nachfolgenden Monaten an.

Die Daten zu den (freiwilligen) Ausbildungsplatz- und Bewerbermeldungen dürfen zwar nicht eins zu eins auf die Ausbildungsmarktverhältnisse insgesamt übertragen werden.

Dennoch lässt sich aus den Daten der Berufsberatungsstatistik ein einfacher Algorithmus ableiten, mit dem sich die tatsächliche Entwicklung der neu abgeschlossenen Lehrverträge recht gut nachzeichnen lässt. Demnach deuten die jüngeren Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt im Zusammenspiel mit Veränderungsraten der bei der BA gemeldeten Berufsausbildungsstellen und Bewerber ebenfalls auf einen diesjährigen Zuwachs bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen hin.

Dieser könnte sogar noch etwas höher ausfallen, als das positive Zwischenergebnis der für die Berufsausbildung zuständigen Stellen (+14.000) vermuten lässt. Im Moment sind jedoch noch nicht alle neuen Ausbildungsverträge bei den für die Berufsausbildung zuständigen Stellen eingegangen. Die Zwischenergebnisse von Industrie, Handel und Handwerk beziehen sich nur auf die ersten drei Quartale des Jahres 2006, während bei der Analyse des Ausbildungsmarktes auch das vierte Quartal des Vorjahres 2005 berücksichtigt werden wird. In die abschließende Zählung gehen dann natürlich auch die Vertragsentwicklungen der übrigen Ausbildungsbereiche Freie Berufe, Landwirtschaft, Öffentlicher Dienst, Hauswirtschaft und Seeschifffahrt ein, für die zurzeit noch keine Zwischenergebnisse vorliegen

Endgültige Klarheit, wie viele neue Ausbildungsverträge im Zeitraum vom 01. Oktober 2005 bis zum 30. September 2006 abgeschlossen wurden, gibt es erst im Dezember. Dann wird das BIBB turnusgemäß seine Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge bei den für die Berufsausbildung zuständigen Stellen abgeschlossen haben. Eine frühzeitigere Bilanz ist nicht möglich, da viele Ausbildungsverträge, die im oben genannten Erfassungszeitraum abgeschlossen wurden, erst zwischen Anfang Oktober und Ende November bei den zuständigen Stellen eingetragen und auch erst dann gezählt werden können. In der Bilanz für den Ausbildungsmarkt wird regelmäßig der Zeitraum vom 01. Oktober des Vorjahres bis zum 30. September des Erhebungsjahres berücksichtigt.

Gemeldete Ausbildungsplatzbewerber

Die Zahl der bei der BA gemeldeten Bewerber stieg im Vergleich zum Vorjahr um 22.100 auf 763.100. Welche Jugendlichen sind es, die die BA um Unterstützung bei der Berufswahl und Lehrstellensuche bitten? Die Merkmalsstruktur der gemeldeten Bewerber kann nicht einfach mit der Struktur aller Ausbildungsplatzinteressierten gleichgesetzt werden. Denn auch im Jahr 2006 fanden rund 200.000 Jugendliche einen Ausbildungsplatz, ohne bei der BA als Bewerber gemeldet gewesen zu sein. Unter ihnen sind gehäuft leistungsstarke Jugendliche anzutreffen. In der Gruppe der bei der BA gemeldeten Bewerber sind aber nicht nur die besonders Leistungsstarken leicht unterrepräsentiert. Unterdurchschnittlich stark vertreten sind auch die Jugendlichen mit besonders schwachen Ausbildungsvoraussetzungen. Denn die BA ist gehalten, nur diejenigen Ratsuchenden als Ausbildungsstellenbewerber zu führen, deren Ausbildungsreife und berufsspezifische Eignung für die anvisierten Ausbildungsgänge grundsätzlich abgeklärt ist. Ist dies nicht der Fall, so werden sie zwar auch von der BA unterstützt (und z.B. in Maßnahmen mit besonderer pädagogischer Betreuung vermittelt), erhalten aber nicht den offiziellen Status eines "Ausbildungsplatzbewerbers".

So erklärt sich, dass nur 5 % der in diesem Jahr bei der BA gemeldeten Bewerber über keinen Schulabschluss verfügten (unter den Entlassenen aus allgemein bildenden Schulen sind es mehr als 8 %). Der Anteil der Bewerber mit Hauptschulabschluss liegt bei 35 %. 46 % der gemeldeten Bewerber ereichten einen mittleren Abschluss, und 13 % besitzen eine Studienberechtigung.

Zum Teil wird darüber spekuliert, ob die Einführung von Studiengebühren in einzelnen Ländern verstärkt Jugendliche mit allgemeiner Hochschulreife dazu motiviert haben könnte, auf ein Studium zu verzichten und sich stattdessen um eine Lehrstelle zu bewerben. Die Zahl der Studienberechtigten unter den gemeldeten Bewerbern hat sich tatsächlich stark erhöht; die relative Zuwachsrate von +9,3 % übertrifft den Zuwachs bei den übrigen Bewerbern (+1,4 %) deutlich. Insbesondere Nordrhein-Westfalen meldet eine besonders große Steigerung bei den studienberechtigten Bewerbern (+30,4 %), der allerdings wie in vielen anderen Ländern primär auf einen sehr kräftigen Anstieg bei den Studienberechtigten speziell mit Fachhochschulreife zurückzuführen ist.

Auch wenn es nahe liegt, dass Studiengebühren eine Rolle spielen könnten, so lässt sich dennoch aus den Bewerberzahlen allein noch keine eindeutige Aussage ableiten. Zwischen der Einführung von Studiengebühren und der Veränderungsrate bei den Bewerbern mit Studienberechtigung lässt sich über alle 16 Länder hinweg betrachtet keine substantielle Korrelation feststellen. Allerdings gibt es viele Studienberechtigte, die eine Lehrstelle ohne Unterstützung der BA suchen, und wie sich deren Zahl entwickelt hat, ist zurzeit noch unklar. Insofern verdient dieses Thema in naher Zukunft weiter eine erhöhte Aufmerksamkeit.

"Altbewerber"

Bereits weiter oben wurde über den stark gestiegenen Anteil der "Altbewerber" berichtet: Etwa jeder zweite Bewerber des Jahres 2006 hatte die Schule bereits im Jahr 2005 oder sogar noch früher verlassen.

Besonders hohe Anteile an (in diesem Sinne definierten) "Altbewerbern" wurden aus den Stadtstaaten Berlin und Hamburg vermeldet, wo die Quoten an die 70 %-Marke heranreichen. Die niedrigsten Anteile gab es in Baden-Württemberg (46 %) und Bayern (43 %). Wie die Grafik zeigt, sind es dabei insbesondere die Anteile der Schulentlassenen aus dem Vorvorjahr und noch früheren Jahren, in denen sich die 16 Länder unterschieden.

Die relativen Anteile der Schulentlassenen aus dem unmittelbaren Vorjahr variieren dagegen kaum und liegen in den meisten Ländern zwischen 20 und 25 %.

Wie Sonderauswertungen der BA außerdem ergaben, ist der Anteil der "Altwerber" besonders erhöht unter Personen ohne (85 %) bzw. mit Hauptschulabschluss (58 %). Auch unter den Bewerber ausländischer Staatsangehörigkeit (56 %) und unter den Bewerbern mit Behinderungen (84 %) werden überdurchschnittlich hohe Quoten berichtet. Diese besonders hohen Werte bedeuten jedoch nicht, dass in den übrigen Gruppen nur relativ wenig Altbewerber zu finden sind. Auch unter den leistungsstärkeren Schulabgängern mit mittlerem Abschluss fällt der Anteil der "Altbewerber" mit 41 % bereits recht hoch aus, ebenso bei den Bewerbern mit Studienberechtigung (49 %). Allerdings ist gerade bei den Studienberechtigten in Rechnung zu stellen, dass sie oft erst ihren Wehr- und Zivildienst ableisten, bevor sie sich bewerben, und damit zwangsläufig nicht mehr zu den aktuell Schulentlassenen dazugerechnet werden können.

Allerdings weiß man von Jugendlichen aus früheren Schulentlassjahrgängen nicht, ob sie sich tatsächlich bereits früher einmal für eine Lehrstelle interessierten. Denn dies ist bislang kein Merkmal, das in der Berufsberatungsstatistik miterhoben wurde. Im Rahmen der in unregelmäßigen Abständen durchgeführten BA/BIBB-Bewerberbefragungen lassen sich jedoch die "Altbewerber" genauer bestimmen und auf diejenigen beschränken, die sich tatsächlich schon einmal für einen früheren Ausbildungsbeginn beworben haben. Die zuletzt durchgeführte Bewerberbefragung Ende 2004 ergab Folgendes:

  • Altbewerber haben im Vergleich zu den sonstigen Bewerbern eher schlechtere Karten. Und je länger der Zeitpunkt des ersten Anlaufs zurück liegt, desto schlechter fallen auch ihre aktuellen Erfolgschancen im laufenden Jahr aus. Im Einzelnen: Während von den Jugendlichen, die sich erstmalig für das aktuell Ausbildungsjahr beworben hatten, 42 % in eine betriebliche Lehre einmündeten, waren es unter den Altbewerbern aus dem Vorjahr 34 %, aus dem Vorvorjahr 28 % und aus noch früheren Jahren nur 24 %. Die Altbewerber waren aber nicht immer erfolglos geblieben. Insgesamt 18 % von ihnen hatten schon einmal eine schulische oder betriebliche Berufsausbildung begonnen.
  • Unter den Altbewerbern sind verstärkt Hauptschüler und etwas seltener Jugendliche mit höheren Abschlüssen zu finden. Ihre letzten Schulnoten in Deutsch unterscheiden sich nicht von den sonstigen Bewerbern; ihre Noten in Mathematik fallen dagegen ein wenig schlechter aus. Erhöht ist auch der Anteil der Jugendliche mit Migrationshintergrund unter den Altbewerbern; er liegt hier bei 23 %. In der Gruppe der sonstigen Bewerbern (die keine Altbewerber sind) sind es 16 %.
  • Angesichts des fortgeschrittenen Alters und der geringern Erfolgsquote schätzen Altbewerber ihre berufliche Situation deutlich kritischer ein: 35 % bezeichnen diese als Sackgasse oder allenfalls als Notlösung; unter den sonstigen Bewerbern sind es nur 12 %. Weitere Ergebnisse können der hier abrufbaren Tabelle entnommen werden.

Bewerber, die in eine Lehrstelle einmünden

365.600 der insgesamt 763.100 Bewerber, die bei der BA zum Stichtag 30.09.2006 gemeldet waren, mündeten in eine Berufsausbildungsstelle ein; das sind 48 %. Überdurchschnittlich hohe Einmündungsquoten wurden insbesondere aus Bayern, aber auch verstärkt aus dem Osten Deutschlands gemeldet.

Dass in Ostdeutschland trotz des besonders gravierenden Mangels an betrieblichen Lehrstellen letztlich mehr Bewerber (51 %) als in Westdeutschland (47 %) in eine Berufsausbildungsstelle einmündeten, ist vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen. Zum einen ist die hohe Zahl von außerbetrieblichen Plätzen zu nennen: Mit insgesamt 33.700 außerbetrieblichen Lehrstellen wurden in Ostdeutschland dreimal mehr solcher Plätze zur Verfügung gestellt als in Westdeutschland (11.500).

Zum anderen zeigen sich ostdeutsche Jugendliche traditionell besonders mobil und nehmen oft eine Berufsausbildung im Westen auf. Genauere Daten zum Umfang der Ausbildungsauspendler aus Ostdeutschland gibt es aber zurzeit noch nicht.

Noch nicht vermittelte Bewerber

49.500 bzw. 6,5 % der 763.100 gemeldeten Bewerber des Berichtsjahres 2005/2006 konnten bis zum 30. September nicht vermittelt werden: weder in eine Berufsausbildungsstelle noch in einen alternativen Verbleib (z.B. berufsvorbereitende Maßnahme).

Überdurchschnittlich oft zählten Bewerber mit Hauptschulabschluss, "Altbewerber", Bewerber türkischer Staatsangehörigkeit, Menschen mit Behinderungen und ostdeutsche Bewerber über 20 Jahren zu den noch nicht Vermittelten. Ganz besonders schwierig war die Lage für Bewerber türkischer Staatsangehörigkeit aus Ostdeutschland (die sich vor allem auf die Stadt Berlin konzentrieren).
Dagegen fanden sich unter Bewerbern mit Hochschulreife, unter Bewerbern aus dem aktuellen Schulentlassjahrgang und unter jüngeren Bewerbern aus Westdeutschland nur relativ wenig Unvermittelte.

Ab dem 1. Oktober läuft das Nachvermittlungsgeschäft für die 49.500 noch nicht vermittelten Bewerber. Dieses stützt sich nicht nur auf die 15.400 noch offenen Stellen. So weitete die Bundesregierung das Programm zur betrieblichen Einstiegsqualifizierung auf nunmehr 40.000 Plätze aus. Die BA wird in den nächsten Monaten 7.500 außerbetrieblichen Lehrstellen vornehmlich für Jugendliche mit Migrationshintergrund zur Verfügung stellen. Und auch die Länder haben Sonderprogramme zur Versorgung unvermittelter Bewerber beschlossen.

Bewerber, die in Alternativen einmünden

Trotz der besonders schwierigen Lage auf dem Ausbildungsmarkt blieb der Anteil der noch nicht vermittelten Bewerber im Berichtsjahr 2005/2006 mit 49.500 (6,5%) relativ klein, weil 348.000 bzw. 46 % der gemeldeten Bewerber in Alternativen eingemündet sind. Zu solchen Alternativen zählen unter anderem berufsvorbereitende Maßnahmen, betriebliche Einstiegsqualifizierungen, erneuter Besuch einer Schule, Vorziehen des Wehr- oder Zivildienstes, ein freiwilliges soziales Jahr, Praktika, die Aufnahme einer Arbeit oder eines 400 €-Jobs.

Diese Alternativen werden von den Jugendlichen nur in einem Teil der Fälle freiwillig gewählt; zu einem großen Teil hängen sie mit einem bisher ausbleibenden Bewerbungserfolg zusammen. Deshalb wünschen diese Jugendlichen auch noch weiterhin eine Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit, und die Vermittlungsbemühungen werden für diese Jugendlichen auch dementsprechend weitergeführt.

Dass diese Jugendlichen nicht zu den noch nicht vermittelten Bewerbern gezählt wurden, ist also nur insofern gerechtfertigt, als sie trotz des fehlenden Bewerbungserfolgs nicht ohne jegliche Perspektive dastehen. Diese Perspektive kann aber auch ungünstigstenfalls eine ungeliebte Warteschleife oder aber die bloße Aussicht auf einen Überbrückungsjob auf 400 €-Basis sein. Der Anteil der alternativ verbliebenen Jugendlichen ist in den letzten Jahren stark gestiegen.

Mit ihrer Entscheidung, etwas anderes als eine Lehre anzufangen, tragen diese Jugendlichen erheblich zur Entlastung der angespannten Marktlage bei. Doch wie zufrieden sind diese Jugendlichen letztlich mit diesem Schritt?

Nach den Ergebnissen der letzten, Ende 2004 durchgeführten BA/BIBB-Bewerberbefragung kann allenfalls von einem knappen Drittel der alternativ verbliebenen Bewerber behauptet werden, ihr alternativer Verbleib entspreche weitgehend ihren Bildungswünschen. Der bei der BA gemeldete Bewerber mit Studienberechtigung, der sich dann doch freiwillig für ein Hochschulstudium entscheidet, ist also eher die Ausnahme. Ein weiteres Drittel hat den aktuellen Verbleib nicht angestrebt, sich aber mit der jetzigen Situation innerlich arrangiert. Dies gilt insbesondere bei einem Verbleib in berufsvorbereitenden Maßnahmen, Praktika, Wehr- und Zivildienst. Das restliche Drittel sieht sich dagegen eher in einer "Notsituation". Relativ viele davon befinden sich in eher prekären Situationen wie Arbeitslosigkeit (da ihre Jobsuche noch nicht erfolgreich war), Herumjobben oder anderen von ihnen nicht gewünschten Verbleibsformen "zweiter" oder "dritter Wahl".

Der Ausbildungsmarkt und die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt

Die diesjährigen Ergebnisse der Berufsberatungsstatistik der BA zeigen erneut, dass das duale Berufsausbildungssystem zwingend auf ein funktionierendes Beschäftigungssystem angewiesen ist. So korreliert die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplatzangebote in den Regionen stark mit der allgemeinen Beschäftigungslage vor Ort. In Arbeitsagenturbezirken mit hoher Arbeitslosigkeit muss dementsprechend auch ein substantieller Mangel an betrieblichen Lehrstellen hingenommen werden.

Bund, Länder und Bundesagentur für Arbeit reagieren auf diese Situation unter anderem damit, dass sie verstärkt außerbetriebliche Plätze (= überwiegend öffentlich finanziert) zur Verfügung stellen. Wie zielgenau sie dabei vorgehen, zeigt die oben abgebildete Tabelle: Fehlende betriebliche Lehrstellen werden stets so kompensiert, dass im Schnitt in allen Regionen etwa 50 Ausbildungsplätze je 100 Schulabgänger zur Verfügung stehen, sei es in betrieblicher oder in außerbetrieblicher Form. Damit gelingt es, die Zahl der noch nicht vermittelten Bewerber in allen Regionen relativ niedrig zu halten. Diese Ergebnisse dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gruppe der offiziell noch nicht vermittelten Bewerber vor allem auch deshalb immer noch relativ klein ausfällt, weil erfolglose Jugendliche verstärkt in Alternativen einmünden.

Hintergrundinformationen

Die BA hat ihre in den Geschäftsprozessen anfallenden Daten zum Ausbildungsstellenmarkt Zug um Zug mit einer neuen Informationstechnologie aufbereitet. Mit Einführung des SGB II änderten sich auch die Grundlagen der Statistik zur Ausbildungsvermittlung in Deutschland. Ausführliche Erläuterungen zu der Berufsberatungsstatistik der BA finden Sie hier.

Literaturhinweise

An dieser Stelle sei insbesondere auf ein im Oktober 2006 erschienenes Buch hingewiesen, das sich detailliert mit der Situation der gemeldeten Ausbildungsplatzbewerber auseinandersetzt:

  • Eberhard, Verena; Krewerth, Andreas; Ulrich, Joachim Gerd (Hrsg.)
    Mangelware Lehrstelle. Zur aktuellen Lage der Ausbildungsplatzbewerber in Deutschland
    Bielefeld: W. Bertelsmann, 2006
    (Berichte zur beruflichen Bildung ; 279)
    Pressemitteilung des BIBB, 27/2006
  • Eberhard, Verena; Krewerth, Andreas; Ulrich, Joachim Gerd
    Wenn es mit der Lehrstelle nicht klappt: Welche Alternativen finden Jugendliche akzeptabel? In: BIBB-Forschung, (2006)4, S. 1-2
  • Ulrich, Joachim Gerd
    Wie groß ist die Lehrstellenlücke wirklich? Vorschlag für einen alternativen Berechnungsmodus
    In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis 35(2006)3, S. 12-16
  • Eberhard, Verena
    Das Konzept der Ausbildungsreife - ein ungeklärtes Konstrukt im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen: Ergebnisse aus dem BIBB
    Bonn, 2006. - 200 S.
    (Wissenschaftliche Diskussionspapiere / Bundesinstitut für Berufsbildung ; 83)
    ISBN 3-88555-795-9
  • Ulrich, Joachim Gerd; Granato, Mona
    "Also, was soll ich noch machen, damit die mich nehmen?" Jugendliche mit Migrationshintergrund und ihre Ausbildungschancen.
    In: Wirtschafts- und sozialpolitisches Forschungs- und Beratungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Arbeit und Sozialpolitik (Hrsg.): Kompetenzen stärken, Qualifikationen verbessern, Potenziale nutzen. Berufliche Bildung von Jugendlichen und Erwachsenen mit Migrationshintergrund. Bonn: FES, 2006, S. 30-50.
  • Ehrenthal, Bettina; Eberhard, Verena; Ulrich, Joachim Gerd
    Ausbildungsreife aus Sicht der Ausbilder und sonstiger Experten.
    In: Ausbilder-Handbuch, Kap. 3.1.11, S. 1-35 (83. Erg.-Lfg., März 2006)

Weiterführende Informationen im Internet

  • Ulrich, Joachim Gerd; Flemming, Simone; Granath, Ralf-Olaf; Krekel, Elisabeth M.
    Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge fällt auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung
  • Ulrich, Joachim Gerd; Krekel, Elisabeth M.; Flemming, Simone
    Lage auf dem Lehrstellenmarkt weiterhin sehr angespannt
  • Flemming, Simone; Uhly, Alexandra; Ulrich, Joachim Gerd
    Verwirrung um den Lehrstellenzuwachs 2004
  • Berger, Klaus; Schöngen, Klaus
    Beteiligte Träger äußern sich zu Ausbildungsplatzprogrammen Ost

Ausgewählte Publikationen des BIBB zum Thema

  • Eberhard, Verena; Krewerth, Andreas; Ulrich, Joachim Gerd (Hrsg.)
    Mangelware Lehrstelle. Zur aktuellen Lage der Ausbildungsplatzbewerber in Deutschland
    Bielefeld: W. Bertelsmann, 2006
    (Berichte zur beruflichen Bildung ; 279)
  • Brosi, Walter; Troltsch, Klaus; Ulrich, Joachim Gerd
    Nachfrage Jugendlicher nach Ausbildungsplätzen
    Analysen und Prognosen 2000 - 2015
    Forschung spezial ; Heft 2

Erscheinungsdatum, Hinweis Deutsche Nationalbibliothek

Veröffentlichung im Internet: 23.10.2006

URN: urn:nbn:de:0035-0183-9

Die Deutsche Nationalbibliothek hat die Netzpublikation "Zwiespältiges Vermittlungsbilanz der Bundesagentur für Arbeit" archiviert.
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