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Aus der Theorie in die Praxis

Attraktive Berufsbildung beginnt bei einer gut aufgestellten Forschung

20.01.2021 | Behördenspiegel/Prof. Dr. Hubert Ertl

Der Forschungsdirektor des Bundesinstituts für Berufsbildung berichtet: Die Aufgaben des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) werden in Paragraf 90 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) beschrieben. Forschung nimmt dort eine prominente Stellung ein und wird separat definiert. Die Forschungsarbeiten des Instituts stellen die Grundlage für die Gestaltung der Berufsbildung und für die Politikberatung dar. Dies war ein wesentlicher Anlass zur Gründung des Instituts vor 50 Jahren.

Die Erkenntnisse unserer Forschung fließen in die Berufsbildungspraxis in Betrieben und Schulen ein und natürlich in die Gestaltung von Aus- und Fortbildungsberufen – also in die sogenannte Ordnungsarbeit. Auch leiten wir daraus Handlungsempfehlungen für die Politik ab. Womit beschäftigt sich Forschung im BIBB? Ein zentrales Forschungsfeld bildet die duale Berufsausbildung. Kennzeichnend für die duale Berufsausbildung ist, dass sie an zwei Lernorten durchgeführt wird, nämlich in beruflichen Schulen und im Ausbildungsbetrieb, wobei das BIBB als Bundeseinrichtung vor allem für die betriebliche Ausbildung zuständig ist. Hierbei betrachten wir folgende Bereiche:

  • die Übergänge in Ausbildung und Beruf: Warum entscheiden sich junge Menschen für eine Ausbildung? Welche Voraussetzungen bringen sie für einen bestimmten Beruf mit? Welche Berufe sind zukünftig gefragt? Was sind Vorund Nachteile von beruflichen im Vergleich zu akademischen Berufsabschlüssen?
  • die Ausgestaltung der betrieblichen Ausbildung: Was muss in der Ausbildung gelernt werden, damit die angehenden Fachkräfte für zukünftige Anforderungen im Berufsleben gut gerüstet sind? Über welche Kompetenzen müssen Ausbilderinnen und Ausbilder verfügen? Wie viel kostet eine Berufsausbildung?
  • die Berufe selbst: Wie ändern sich die Anforderungen in den Berufen, zum Beispiel im Zuge der Digitalisierung der Arbeitswelt? Wie sieht das Weiterbildungsverhalten in Deutschland aus? Sind die Berufsabschlüsse verschiedener Länder vergleichbar?

Um Antworten auf diese und viele weitere Fragen geben zu können, haben wir Erhebungsinstrumente etabliert, die uns die Dauerbeobachtung relevanter Entwicklungen ermöglichen. Gleichzeitig können auch neue Fragestellungen aufgenommen werden, um auf aktuelle Gegebenheiten schnell reagieren zu können. So haben wir Fragen zu den akuten Auswirkungen der Corona-Pandemie beispielsweise in unserem BIBB-Qualifizierungspanel ergänzt.

Um diese und andere Daten langfristig zu sichern und weiterer Nutzung zuzuführen, haben wir ein Forschungsdatenzentrum etabliert.

Das Forschungsdatenzentrum im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB-FDZ)

Als Teil der deutschen Forschungsdateninfrastruktur stellt das BIBBFDZ seit 2008 der nichtkommerziellen Forschung anonymisierte Forschungsdaten für Auswertungen zur Verfügung. Das Datenangebot umfasst aktuell rund 80 Datensätze. Diese decken thematisch alle Stationen eines idealtypischen (beruflichen) Bildungsverlaufs ab.

Sie reichen von der Schule über die “1. Schwelle” (Übergang in die Berufsausbildung), die Berufsausbildung und die “2. Schwelle” (Übergang in den Arbeitsmarkt) bis hin zur Berufstätigkeit und Weiterbildung. Dieses breite thematische Spektrum wird durch verschiedene Erhebungsdesigns (Quer- und Längsschnitt) sowie Befragungseinheiten (Personen und Betriebe) komplettiert. Damit steht Forschenden eine Vielzahl an Analysemöglichkeiten zur Verfügung. Der Zugang zu den Forschungsdaten des BIBBFDZ ist standardisiert und transparent. Bisher haben mehr als 900 externe Forschungsprojekte aus dem In- und Ausland die Daten genutzt.

Anschauliche Beispiele

Gemeinsam mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) schauen wir mit unseren “Modellrechnungen der Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen” in die Zukunft. Mit ihnen können wir verschiedene Szenarien modellieren, um Auswirkungen auf die berufliche Bildung besser abschätzen zu können. So können wir beobachten, wie sich der Fachkräftebedarf in einzelnen Berufen unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen – wie die zunehmender Digitalisierungen oder Elektromobilität – entwickelt. Daraus können wir dann Empfehlungen für die Weiterentwicklung der beruflichen Bildung ableiten. Ein wichtiges Themenfeld unserer Forschung stellt auch die Untersuchung von Kosten und Nutzen der Berufsbildung dar. Ein Thema, das vor allem international auf große Nachfrage stößt. In Ländern, in denen die duale Berufsbildung der Politik als Vorbild dient, braucht es Argumente für Unternehmen, sich mehr in der Berufsausbildung zu engagieren. Die Berechnung von Kosten und Nutzen zeigt, in welchem Maß Unternehmen finanzielle Vorteile aus ihrem Engagement schöpfen können und inwieweit Ausbildung für Unternehmen eine lohnende Investition darstellt. Hieraus ergeben sich wichtige Grundlagen für die Ausbildungsentscheidungen von Unternehmen.

Das BIBB kann auf der Grundlage seiner Dauerbeobachtungsinstrumente kurzfristig auf Bedarfe der Politik reagieren. Als eines der aktuelleren Beispiele sei die Diskussion um die Mindestausbildungsvergütung genannt. Hier hat das BIBB wesentlich dazu beigetragen, das Delta zwischen den Fragen a) wie hoch die Mindestvergütung mindestens sein sollte, damit möglichst viele Auszubildende davon profitieren, aber auch b) wie hoch sie höchstens sein sollte, damit Betriebe sich nicht aus der Ausbildung zurückziehen, zu bestimmen und einzugrenzen.

Zentrale Forschungsfelder

Für die nächsten Jahre haben wir unsere Forschungsarbeiten in fünf zentrale Fragenbereiche gebündelt, sogenannte Themencluster, damit sie mit einem gezielten Ressourceneinsatz bearbeitet werden können.

Im Themencluster “Digitale Transformationen – Zukunft beruflicher Bildung und Arbeit” führen wir unsere Forschung zu den Auswirkungen der Digitalisierung fort. Dabei interessiert uns, wie sich Berufe verändern und was wir daraus für die Aus- und Weiterbildung ableiten können.

Im Themencluster “Betriebliches Entscheiden und Handeln” analysieren wir die Einflussfaktoren betrieblicher Qualifizierung und die Entscheidungsprozesse rund um die Rekrutierung von Personal, um Aus- und Weiterbildung auch in Zukunft für Betriebe attraktiv gestalten zu können.

Im Themencluster “Berufliches Lernen” untersuchen wir Bildungsbedingungen, Lernformen und Konzepte des Lernens im Prozess der Arbeit. Daraus werden Empfehlungen für förderliche Lernumgebungen und Lernsituationen in der beruflichen Bildung abgeleitet.

Im Themencluster “Berufsorientierung und Übergänge – Integration in Ausbildung und Beruf” werden Berufswahlprozesse und berufliche Entscheidungen junger Menschen vor dem Hintergrund regionaler und beruflicher Charakteristika erforscht. Die erzielten Ergebnisse tragen dazu bei, Chancenunterschiede bei Zugängen zu beruflicher Bildung zum Beispiel aufgrund von sozialen Ungleichheiten auszugleichen.

Mit unserem Themencluster “Berufliche Segmentierung in der Ausbildung” beschreiten wir neue Wege. Ziel des Clusters ist es, ein differenziertes Bild der Berufslandschaft zu entwickeln, um Zugänge zu verschiedenen Berufssektoren und deren längerfristige Konsequenzen für Lernende identifizieren und beeinflussen zu können.

Eine evidenzbasierte Politikberatung ist auf Daten und Fakten angewiesen. Hierzu hat das BIBB 2009 mit dem Datenreport eine zentrale Grundlage geschaffen. Er ist eine Ergänzung des im Berufsbildungsgesetz verankerten und seit 1977 jährlich erscheinenden Berufsbildungsberichtes der Bundesregierung. Die Indikatoren und Analysen zur beruflichen Aus- und Weiterbildung beschreiben die aktuelle Lage und Entwicklungen und machen Herausforderungen und Handlungsbedarfe sichtbar. Sie bilden die Basis der jährlichen Debatten über die aktuelle Ausbildungsmarktlage. Als ein wichtiges Instrument der Berufsbildungsberichterstattung fließen in den Datenreport nicht nur Erkenntnisse aus der Berufsbildungsforschung ein, sondern es werden auch neue Forschungsbedarfe aufgezeigt. Gerade die Verzahnung von Forschung und Monitoring gilt es in Zukunft weiter auszubauen.

Zum Datenreport

Struktur des Geschäftsfeldes

Neben der Forschungsarbeit im engeren Sinne werden in unserer Forschungsabteilung statistische Daten erhoben und ausgewertet. Diese Arbeiten bilden u.a. die Grundlage für den Datenreport zum Berufsbildungsbericht der Bundesregierung. Zudem gibt es in allen anderen Abteilungen des BIBB – wenn auch zu einem kleineren Anteil – Forschung. Insgesamt ist die Forschung im BIBB dem Prinzip der Interdisziplinarität verpflichtet. Neben Berufs- und Wirtschaftspädagogen forschen Psychologen, Soziologen, Politologen und andere  Geisteswissenschaftler. Mit der Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bauen wir derzeit unsere Nachwuchsförderung weiter aus. In unserem Graduiertenförderungsprogramm werden über 20 Promovenden finanziell unterstützt und durch ein breites Qualifizierungsprogramm ausgebildet. Ziel ist es, sie sowohl auf eine akademische Karriere als auch auf das Aufgabenfeld in einer Ressortforschungseinrichtung vorzubereiten. Zudem sind wir mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Hochschulen eng vernetzt. Unsere Kolleginnen und Kollegen engagieren sich in der Lehre. Meine eigene Position wurde in gemeinsamer Berufung mit der Universität Paderborn besetzt. Derzeit befinden wir uns in zwei Ausschreibungsverfahren für gemeinsame Berufungen zu Juniorprofessuren an der TU Kaiserslautern und mit der Universität zu Köln. Zudem arbeiten wir eng mit unseren internationalen Partnerinstitutionen zusammen. Nicht zuletzt durch diese Vernetzung erhoffen wir uns, auch in Zukunft einen wesentlichen Beitrag zur Forschungslandschaft und zur Weiterentwicklung einer attraktiven Berufsbildung zu leisten.