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Erstes virtuelles Kontaktseminar deutschsprachiger Berufsbildungsinstitute

Expertinnen und Experten der Berufsbildung diskutieren die Herausforderung der Fachkräftesicherung und neue Ansätze der Berufsbildungsforschung

27.04.2021

Der Fachkräftebedarf und seine Sicherung sowie neue Ansätze der Berufsbildungsforschung waren die Themen des Kontaktseminars 2021 mit den BIBB-Partnerinstituten aus Österreich und der Schweiz. Corona-bedingt fand die Veranstaltung diesmal virtuell statt.

Erstes virtuelles Kontaktseminar deutschsprachiger Berufsbildungsinstitute

Nachdem das für 2020 geplante Kontaktseminar wegen der Corona-Pandemie verschoben wurde, trafen sich die Vertreterinnen und Vertreter der deutschsprachigen Berufsbildungsinstitute aus Österreich, der Schweiz und Deutschland erstmalig virtuell zu ihrem alle zwei Jahre stattfindenden Fachaustausch.

Das erste virtuelle Kontaktseminar stand ganz im Zeichen des Themas Fachkräftebedarf und Fachkräftesicherung. In allen drei Ländern ist das eine der zentralen bildungspolitischen Herausforderungen. Das Kontaktseminar war eine ideale Plattform für den Austausch über unterschiedliche, aber auch ähnliche Maßnahmen und Initiativen zur Sicherung eines ausreichenden Fachkräfteangebots für den Arbeitsmarkt.

Mit 14 Vorträgen zu diesem Thema nahmen am 22. und 23. April 2021 Vertreterinnen und Vertreter des Eidgenössischen Hochschulinstituts für Berufsbildung (EHB, Schweiz), des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw, Österreich), des Österreichischen Instituts für Berufsbildungsforschung (öibf) und der 3s Unternehmensberatung GmbH teil. Das BIBB hatte diese Veranstaltung Corona-bedingt als Onlineformat ausgerichtet. Dank des virtuellen Formats konnten weitere interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den drei Ländern ebenfalls teilnehmen.

„Mit unseren schweizerischen und den österreichischen Partnern verbindet uns eine langjährige und produktive Zusammenarbeit", betonte BIBB-Präsident Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser zur Begrüßung. „Gerade die Kontaktseminare sind ein etabliertes und erfolgreiches Format für den gegenseitigen Fachaustausch bei ähnlich strukturierten Berufsbildungssystemen. Sie liefern uns immer wieder interessante Ansatzpunkte für unsere Arbeit. Dieses Mal zwang uns die Pandemie, unseren Austausch in einem reinen Online-Format durchzuführen. Ich bin aber zuversichtlich, dass diese gemeinsame Anstrengung unsere weitere Vernetzung und Kooperation weiter stärken wird."

Länderaustausch: Aktuelle Entwicklungen in den Berufsbildungssystemen und Instituten

Dr. Barbara Fontanellaz (EHB) referiert zu den aktuellen Entwicklungen in der Berufsbildung in der Schweiz.

Als Einstieg informierten Vertreterinnen und Vertreter aus den drei Ländern über die aktuellen Themen und Entwicklungen in ihren Berufsbildungssystemen und über Neuigkeiten aus ihren Instituten. In der Schweiz positioniert das neue EHB-Gesetz das Eidgenössische Hochschulinstitut ab August 2021 als gleichberechtigten Partner in der Hochschullandschaft. Damit einher gehe eine Neuausrichtung der strategischen Leitlinien 2021-2028, so Frau Dr. Fontanellaz, Direktorin des EHB. Ergänzend gab Frau Prof. Dr. Baumeler, Leiterin des Bereichs Forschung und Entwicklung des EHB, einen Überblick über aktuelle Forschungsprojekte und Studienvorhaben.

Aktuelles aus der Berufsbildungsforschung

In einem Block, der sich neuen theoretischen Ansätzen der Berufsbildungsforschung widmete, gaben u. a. Vertreterinnen und Vertreter des BIBB Einblicke in ihre theoretischen Ansätze. Frau Dr. Dietzen, Herr Dr. Gerhards und Herr Schlieker thematisierten den Einfluss des betrieblichen Kompetenzmanagements auf die betriebliche Qualifikationsbedarfsdeckung. Den Einfluss europäischer Berufsbildungspolitik auf nationale Systeme und Steuerungsmechanismen beleuchtete Frau Dr. Mottweiler unter dem Stichwort „Governance von Berufsbildungssystemen“.

Herr Dr. Humpl von der österreichischen Unternehmensberatung 3s fokussierte in seinem Vortrag über das Projekt „Future of VET“ auf die europäische Dimension der beruflichen Bildung. Das laufende CEDEFOP-Projekt (2019 bis 2022) untersucht die Einflussfaktoren auf Chancen und Herausforderungen der Berufsbildung Europas. Hier ist der Arbeitsbereich „Berufsbildung im internationalen Vergleich, Forschung und Monitoring“ der internationalen Abteilung des BIBB mit seiner Expertise an der Projektdurchführung beteiligt.

Schwerpunkt: Fachkräftebedarf und Fachkräftesicherung

Mag. Thomas Mayr (ibw) gibt einen Überblick zur aktuellen Entwicklungen in der Berufsbildung in Österreich.

Am zweiten Tag stand das Spektrum an Herausforderungen für die Fachkräftesicherung im Mittelpunkt und die Referentinnen und Referenten beleuchteten verschiedene Stellschrauben, um diesen zu begegnen.

Herr Mag. Mayr und Herr Mag. Wallner vom ibw berichteten über die Auswirkungen auf Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung durch die Implementierung eines nationalen Qualifikationsrahmens (NQR) in Österreich. Das ibw und das öibf fungieren hierbei als NQR-Servicestellen für Anbieter non-formaler Qualifikationen, die ihr Bildungsangebot zuordnen lassen wollen. Mit den hieraus erwachsenden Zuordnungsersuchen für non-formale Qualifikationen hat der österreichische NQR einen höheren Grad an Verrechtlichung als dies für den DQR bislang der Fall ist.

Die Attraktivität der dualen Berufsbildung zeigt sich für Betriebe insbesondere in einem ausgewogenen Kosten-Nutzen-Verhältnis. Prof. Dr. Pfeifer (BIBB) und Prof. Dr. Schweri vom EHB stellten hierzu die Ergebnisse aus der Forschungskooperation BIBB-EHB vor. In dieser Kooperation werden die betrieblichen Kosten und der Nutzen der Ausbildung in Deutschland und der Schweiz vergleichend analysiert. Als ein Ergebnis zeigte sich der interessante Unterschied, dass in der Schweiz bereits in der Ausbildung für den Betrieb ein Nettonutzen entsteht, während sich dieser Nettonutzen in Deutschland erst mittelfristig nach Abschluss der Ausbildung und entsprechender Übernahme ergibt.

Prof. Dr. Ertl (BIBB) wies in diesem Zusammenhang auf die Wichtigkeit vergleichender Forschung hin. Mit der dualen Berufsbildung in Österreich, der Schweiz und Deutschland gäbe es verschiedene Spielarten von Dualität. Man müsse hier differenziert argumentieren und könne dann voneinander lernen.

Für die Auszubildenden zeigt sich die Attraktivität der dualen Berufsbildung insbesondere dann, wenn sich ihnen Beschäftigungsperspektiven erschließen. Herr Mag. Löffler vom öibf veranschaulichte hierzu das österreichische Übergangssystem.

Der schweizerische Abschluss Berufsmaturität setzt bei der Bildungsaspiration an und steht im Kontext der Akademisierungsdebatte. Frau Prof. Dr. Kriesi (EHB) stellte hierzu die Ergebnisse einer kurz vor dem Abschluss stehenden Längsschnittstudie vor, die die weiteren Bildungsverläufe von Schülerinnen und Schülern untersucht.

Herr Mag. Dornmayr (ibw) gab Einblicke in die erste repräsentative Befragung des betrieblichen Ausbildungspersonals Österreichs unter anderem zu den Themen Rollenverständnis, Herausforderungen und Wünsche. Herr Mag. Bliem stellte die New Skills Initiative des österreichischen Arbeitsmarktservice (AMS) vor.

Die Wichtigkeit der institutionellen Arbeit von Berufsverbänden, insbesondere wenn es um „kleine“ Berufe und den Erhalt einer kollektiven Berufsidentität geht, waren Gegenstand des Vortrags von Prof. Dr. Baumeler und Frau Dr. Engelage vom EHB. Sie erläuterten dies am Beispiel des Klavierbauers/der Klavierbauerin.

„Der regelmäßige Fachaustausch in den Kontaktseminaren hat mittlerweile Tradition und einen herausragenden Stellenwert in der internationalen Arbeit des BIBB“, so Frau Thomann, Leiterin der internationalen Abteilung im BIBB, die das Kontaktseminar konzipierte und federführend umsetzte. „Es gibt viele unterjährige Kontakte zwischen unseren Instituten, aber der zweijährige „Boxenstopp“ erweist sich immer als sehr gewinnbringend, um in einem institutionellen Rahmen zusammenzukommen und neue Anknüpfungspunkte zu finden.“

Die Zusammenarbeit der deutschsprachigen Berufsbildungsinstitute aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hat eine langjährige Tradition. Seit mehr als zehn Jahren treffen sich Vertreterinnen und Vertreter des EHB, des ibw, des öibf und des BIBB alle zwei Jahre zu einem Fachaustausch. Aktuelle Forschungsschwerpunkte und Entwicklungen der beruflichen Aus- und Weiterbildung im deutschsprachigen Teil Europas sind die Themen.

Das nächste Kontaktseminar ist für das Jahr 2023 in Österreich geplant.