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Verwirrung um den Lehrstellenzuwachs 2004

Simone Flemming, Alexandra Uhly, Joachim Gerd Ulrich

Ende 2004 teilte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Ergebnisse der BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum Vermittlungsjahr 2004 mit. Demzufolge hat sich die Zahl der neuen Ausbildungsverträge bundesweit gegenüber 2003 um über 15.300 erhöht, der erste Zuwachs seit 1999. Im Westen gab es rund 14.100 Neuverträge mehr und im Osten immerhin ein Plus um rund 1.200.

Veröffentlicht: 09.05.2005 URN: urn:nbn:de:0035-0135-9

Anfang April 2005 veröffentlichte das Statistische Bundesamt (StBA) in einer Pressemitteilung Daten, die von den Aussagen der BIBB-Erhebung abweichen. 2004 habe die Zahl der neuen Ausbildungsverträge nur um rund 8.400 zugenommen. Im Westen habe die Steigerung 9.600 betragen, und im Osten sei es sogar zu einem Rückgang gekommen. Dort sei die Zahl der Neuabschlüsse um rund 1.200 gesunken.

Wer hat nun Recht? Das BIBB oder das Statistische Bundesamt?

Diese Frage stellte sich für viele nicht nur in diesem Jahr. Unterschiede in den Berechnungsergebnissen der beiden Institutionen gab es auch früher schon und führten immer wieder zur Verwirrung. Deshalb sollen nachfolgend einige kurze Erläuterungen zu den Berechnungen des BIBB und des Statistischen Bundesamtes folgen. Allerdings ist die Sache nicht ganz einfach. Denn so paradox es zunächst auch klingen mag: Recht haben letztlich beide Institutionen, auch wenn die Zahlen voneinander abweichen.

Wichtig ist zu wissen, dass die Vertragszählungen des BIBB und des Statistischen Bundesamtes auf zwei verschiedenen, gesondert durchgeführten Erhebungen beruhen, die jeweils verschiedene Erfassungszeiträume abdecken. Zwischen den beiden Erhebungen gibt es zwar viele Gemeinsamkeiten, aber auch einige bedeutsame Unterschiede. Die beiden Erhebungen, ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede sollen nachfolgend kurz vorgestellt und diskutiert werden.

Die Erhebung des Bundesinstituts für Berufsbildung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum 30. September

  • Gesetzliche Grundlage der BIBB-Erhebung war bisher § 3 des Berufsbildungsförderungsgesetzes (BerBiFG) und ist seit dem 01. April 2005 der § 86 des novellierten Berufsbildungsgesetzes (BBiG). Darin heißt es: Die Bundesregierung hat jährlich einen Berufsbildungsbericht vorzulegen. Und der soll unter anderem die Zahl der am 30. September des jeweiligen Vorjahres "in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse eingetragenen Berufsausbildungsverträge" enthalten, "die in den vorangegangenen zwölf Monaten abgeschlossen worden sind."
    Mit anderen Worten: Aus dem Berufsbildungsbericht 2005 muss z.B. hervorgehen, wie viele Ausbildungsverträge zum 30. September 2004 bestanden, die zwischen dem 01.10.2003 und dem 30.09.2004 abgeschlossen wurden. Dazu führte das BIBB im Herbst 2004 wie jedes Jahr eine eigene Erhebung bei den für die Berufsausbildung zuständigen Stellen durch. 01
  • Wichtigster Vorteil der BIBB-Erhebung mit Stichtag 30. September: Der Berichtszeitraum ist mit dem Geschäfts- und Vermittlungsjahr der Bundesagentur für Arbeit (BA) identisch. Die Zahl der Neuverträge, die das BIBB ermittelt, kann so zusammen mit den amtlichen BA-Statistiken zu den am 30.09. noch unbesetzten Ausbildungsstellen (UBA) und den noch nicht vermittelten Bewerbern (UVB) verknüpft werden. Auf diese Weise werden auch das offiziell ausgewiesene Ausbildungsplatzangebot (neue Verträge plus am 30.09. noch unbesetzte Lehrstellen) und die offiziell ausgewiesene Lehrstellennachfrage (neue Verträge plus am 30.09. noch nicht vermittelte Bewerber) berechnet.
  • Bei der BIBB-Erhebung werden nur ausgewählte Merkmale erfasst (Schnellerhebung): die Anzahl der neu abgeschlossene Ausbildungsverträge nach Geschlecht 02 der Auszubildenden und eine Verkürzung des Ausbildungsvertrages 03. Diese Angaben werden differenziert für Einzelberufe 04 auf der Ebene der Arbeitsagenturbezirke erhoben. Anschlussverträge werden hierbei gesondert erfasst und im Gegensatz zur Bundesstatistik des StBA nicht zu der Gesamtsumme der Neuabschlüsse hinzugerechnet, da diese in der Regel eine Ausbildungsdauer von 24 Monaten unterschreiten.
  • Die Beschränkung auf wenige Erhebungsmerkmale ermöglicht eine sehr frühzeitige Erfassung von Informationen zu den Ergebnissen des zu Ende gegangenen Vermittlungsjahres. Die Meldungen über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge für den Zählzeitraum 01.10. Vorjahr bis zum 30.09. des Erhebungsjahres werden bis Ende November von den zuständigen Stellen an das BIBB übermittelt - erste Auswertungsergebnisse liegen dann bereits Anfang Dezember vor und finden für den Berufsbildungsbericht der Bundesregierung Verwendung. Die Ergebnisse werden für die regionalen Gliederungen Bundesweit, Ost, West, Bundesländer, Arbeitsagenturbezirke aufbereitet.

Übersicht: BIBB-Erhebung und Berufsbildungsstatistik des Statistischen Bundesamtes im Vergleich

  BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum 30.09. Berufsbildungsstatistik des StBA zum 31.12.
Gesetzliche Grundlage § 86 BBiG (vor April 2005: § 3 BerBiFG) § 88 BBiG (vor April 2005: § 5 BerBiFG)
Meldeweg von den zuständigen Stellen (Kammern) direkt an das BIBB, in NRW über das LDS NRW an das BIBB von den zuständigen Stellen (Kammern) über die Statistischen Landesämter an das Statistische Bundesamt
Erfassungs-zeitraum 12 Monate, und zwar:01.10. Vorjahr bis 30.09. aktuelles Erhebungsjahr 12 Monate, und zwar:01.01. bis 31.12. jeden Jahres
Erhebungs-merkmale

neu abgeschlossene Ausbildungsverträge im Erfassungszeitraum - nach Geschlecht, Ausbildungsdauer und Einzelberufen* -

neu abgeschlossene Ausbildungsverträge im Erfassungszeitraum - nach Geschlecht, schulischer Vorbildung, Alter  und Einzelberufen -

  die am 30.09. noch bestanden haben. die am 31.12. noch bestanden haben.
 

Anschlussverträge werden nicht zu den Neuabschlüssen gezählt

Anschlussverträge werden zu den Neuabschlüssen gezählt

Weitere Merkmale zu den Auszubildenden: Zahl der Auszubildenden (Bestände) nach Geschlecht und Staatszugehörigkeit, Prüfungen (Teilnahme, bestanden Wiederholungen) nach Geschlecht, Vertragslösungen (nach Ausbildungsjahr)

Tiefste regionale Differenzierung Arbeitsagenturbezirke Bundesländer
* Detaillierte Einzelberufserfassung seit 2004, zuvor Berufsgruppen und ausgewählte Einzelberufe

Zur Zählung des Statistischen Bundesamtes zum 31. Dezember

  • Gesetzliche Grundlage dieser Bundesstatistik war bisher § 5 des Berufsbildungsförderungsgesetzes (BerBiFG) und ist seit dem 01. April 2005 § 88 des novellierten Berufsbildungsgesetzes (BBiG). Durchgeführt wird die Zählung von den Statistischen Landesämtern, die die Daten Anfang des Jahres bei den für die Berufsausbildung zuständigen Stellen erheben und dann an das Statistische Bundesamt weiterleiten.
  • Erfasst werden (neben verschiedenen Merkmalen der Auszubildenden und Prüfungsdaten differenziert nach Einzelberufen und Bundesländern) alle neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge, die im selben Kalenderjahr abgeschlossen wurden und am 31.12. noch bestanden. Vorläufige Daten (nicht nach Einzelberufen differenziert) hierzu liegen i.d.R. Ende März/Anfang April vor; die endgültigen und differenzierten Daten werden im Spätsommer veröffentlicht.
  • Die Statistik orientiert sich am Kalenderjahr (01.01.-31.12.) und nicht, wie die BIBB-Erhebung, am Geschäftsjahr der Bundesagentur für Arbeit (01.10.-30.09.).
  • Vorteile der Statistik: Es sind differenzierte Auswertungen nach Geschlecht, Alter, schulischer Vorbildung auf einzelberuflicher Ebene möglich. Allerdings liegen die Ergebnisse vergleichsweise spät vor. Für die Analyse der aktuellen Situation am Ausbildungsstellenmarkt im Berufsbildungsbericht ist dies zu spät. Zudem können die Zahlen nicht mit den BA-Daten verknüpft werden, um dadurch Näheres zum Lehrstellenangebot und zur Lehrstellennachfrage zu erfahren 05.

Für beide Erhebungen gilt:

  • Der Erfassungszeitraum beträgt jeweils zwölf Monate.
  • Praktikanten, Volontäre und Umschüler werden nicht mitgezählt.
  • Einbezogen werden Ausbildungsverträge, die nach abgeschlossener erster Stufe für die zweite Stufe einer Stufenausbildung (Bauwirtschaft, Textilbranche) neu abgeschlossen wurden. Beispiel: Nach Abschluss der zweijährigen Ausbildung zum "Tiefbaufacharbeiter" (1. Stufe) wird ein weiterer Vertrag für eine einjährige Aufbaulehre zum "Gleisbauer" (2. Stufe) unterschrieben.
    Bei der BIBB-Erhebung werden solche Verträge allerdings gesondert ermittelt und ausgewiesen, sie sind im Gegensatz zur Bundesstatistik nicht in die Gesamtzahl der Neuabschlüsse einbezogen.
  • Gezählt werden Ausbildungsverträge, so dass auch Verträge von Auszubildenden, die ein bereits bestehendes Ausbildungsverhältnis lösten, um zum Beispiel ihre Ausbildung im selben Beruf, aber in einem anderen Betrieb (und mit "neuem" Vertrag) fortzusetzen, erfasst werden. Verträge, die nur kurzzeitig bestanden (d.h. innerhalb der letzten zwölf Monate abgeschlossen und noch im selben Zeitraum wieder gelöst wurden), werden in beiden Erhebungen jedoch nicht zu den Neuabschlüssen gezählt.
  • Beide Erhebungen differenzieren nicht zwischen betrieblichen und außerbetrieblichen (d.h. überwiegend öffentlich finanzierten) Ausbildungsverträgen.

Zu den Auswirkungen der beiden Zählweisen

Schaut man sich die Gesamtzahlen der 2004 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge an, die das BIBB und das Statistische Bundesamt errechneten, so stellt man fest, dass die Ergebnisse in diesem Jahr nahezu identisch waren. Das BIBB kam bundesweit auf knapp 573.000 Neuabschlüsse, das Statistische Bundesamt auf gut 572.900 neue Ausbildungsverträge. Einen größeren Unterschied gab es dagegen im Jahr zuvor: Das BIBB errechnete 2003 mit 557.600 Neuabschlüssen eine deutlich geringere Zahl als das Statistische Bundesamt mit 564.500. Aufgrund des mit Abstand geringeren Ausgangswertes fiel deshalb der Zuwachs im Jahr 2004 bei den BIBB-Zahlen so kräftig aus. Offenbar schwanken die Zahlen, die das BIBB und das Statistische Bundesamt von Jahr zu Jahr ermitteln, beträchtlich.
Dies wird durch den Zeitreihenvergleich bestätigt. Die beigefügte Tabelle enthält die Ergebnisse des BIBB und des Statistischen Bundesamtes für 1992 bis 2004, zunächst bezogen auf alle Ausbildungsbereiche und dann auf die beiden größten Bereiche "Industrie/Handel" und "Handwerk". Neben den bundesweiten Zahlen werden auch die Daten für West- und Ostdeutschland ausgewiesen.

Wie gut zu erkennen ist, gelangt für den Westen - bezogen auf alle Ausbildungsbereiche - mal das BIBB, mal das Statistische Bundesamt zu einer höheren Gesamtzahl; im Durchschnitt sind die BIBB-Zahlen aber etwas höher. Für die neuen Länder weist das BIBB im Jahr 1992 eine deutlich höhere Zahl aus, in den nachfolgenden Jahren kommt dann das Statistische Bundesamt fast immer zu höheren Ergebnissen. Die Veränderungsraten gegenüber dem Vorjahr fallen mal beim BIBB und dann wieder beim Statistischen Bundesamt günstiger aus. Dies gilt für Ost und West gleichermaßen.

Was die beiden größten Ausbildungsbereiche "Industrie und Handel" sowie "Handwerk" betrifft, so sind hier systematische Unterschiede erkennbar. Das BIBB weist für das Handwerk in allen Jahren deutlich niedrigere Zahlen aus, im Schnitt Jahr für Jahr etwa 5.100 Neuabschlüsse weniger. Dass die Zahlen des BIBB im Handwerk niedriger ausfallen als für Industrie und Handel, gilt dabei für West und Ost gleichermaßen.

In Industrie und Handel verhält es sich tendenziell umgekehrt. Zumindest gilt dies für den Westen: Die BIBB-Zahlen liegen hier regelmäßig höher als die Werte des Statistischen Bundesamtes, im Schnitt um etwa 3.700. Im Osten ist diese Regelmäßigkeit allerdings nicht zu entdecken; mal sind die Zahlen des BIBB und mal die des Statistischen Bundesamtes höher. Im Mittel der Jahre ergibt sich in etwa ein gleich hohe Zahl.

Ursachen für die Differenzen und schwankenden Ergebnisse

Prinzipiell sind Unterschiede in den Ergebnissen der Datenquellen nicht verwunderlich, da sie sich hinsichtlich des Erfassungszeitraums und zum Teil auch der Zählweise unterschieden. Dennoch bleiben die Differenzen ein noch nicht vollständig geklärtes Rätsel.

Systematische Unterschiede in der Zählweise bestehen zunächst hinsichtlich der Zurechnung von Anschlussverträgen. Das Statistische Bundesamt rechnet sie zur Gesamtzahl der Neuabschlüsse, das BIBB jedoch nicht.

Der wichtigste Faktor dürfte aber der unterschiedliche Erfassungszeitraum sein (BIBB: 01.10. Vorjahr bis zum 30.09. des Erhebungsjahres, Statistische Bundesamt: 01.01. bis zum 31.12., also Kalenderjahr). Mindestens drei unterschiedliche Auswirkungen sind hier zu berücksichtigen:

  • In den neuen Ländern werden viele staatlich finanzierte Ausbildungsplätze, die dort zum Ausgleich fehlender betrieblicher Lehrstellen eingerichtet werden, erst von Oktober bis Dezember besetzt. Das BIBB, das die neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge bis zum 30. September zählt, kann diese Verträge erst in der nachfolgenden Erhebung erfassen, während sie das Statistische Bundesamt noch im laufenden Jahr registriert.

    Besonders schwierig wird die Interpretation der beiden Vertragsstatistiken, wenn sich die Zahl dieser staatlichen Zusatzangebote verändert, also zurückgeht oder wächst. Diese Veränderung beeinflusst noch im selben Jahr die Zahlen des Statistischen Bundesamtes, lässt aber zunächst noch die Erhebungsdaten des BIBB unberührt. Zusammen mit den außerbetrieblichen und betriebsnahen Angeboten aus dem Vorjahr, die das BIBB erst jetzt registrieren kann, würde das BIBB in einem solchen Jahr womöglich noch eine deutliche Steigerung (oder Verringerung) der Vertragszahlen feststellen, während das Statistische Bundesamt das Gegenteil, also eine spürbare Verringerung (oder Steigerung) der Auszubildenden mit neuem Lehrvertrag melden müsste.

    Vergleichbare Effekte entstehen, wenn sich innerhalb der Programmplätze, die nach dem 30. September umgesetzt werden, die relativen Anteile von außerbetrieblichen Lehrstellen, betriebsnahen Lehrstellen und schulischen Ausbildungsplätzen verschieben. Denn während außerbetriebliche oder betriebsnahe Lehrstellen zu einem Ausbildungsvertrag führen und somit mitgezählt werden, bleiben die schulischen Ausbildungsplätze in der Ausbildungsstellenstatistik des BIBB und des Statistischen Bundesamtes unberücksichtigt. Dies heißt wiederum: Die Verschiebung zu Gunsten oder zu Lasten der betriebsnahen und außerbetrieblichen Plätze wird noch im selben Jahr von der Zählung des Statistischen Bundesamtes registriert, aber erst ein Jahr später in der Erhebung des BIBB.
  • Von manchen Betrieben erfahren die Kammern relativ spät, dass ein neuer Ausbildungsvertrag abgeschlossen wurde. Dies kann damit zusammenhängen, dass auch der Vertrag relativ spät zustande kam und die Wege über die Innungen/Kreishandwerkerschaft Zeit brauchen. Oder die Betriebe wollten zunächst die Probezeit abwarten und die Ausbildungseignung ihrer Auszubildenden überprüfen, bevor sie den Ausbildungsvertrag bei der Kammer registrieren lassen. Das kann zur Folge haben, dass in einzelnen Jahren in der BIBB-Erhebung weniger Verträge ausgewiesen werden als in der Zählung des Statistischen Bundesamtes. Die ist, bezogen auf alle Ausbildungsbereiche, nicht zu erkennen, wohl aber im Handwerk.

    Beispiel: Der Vertrag wurde Ende September 2004 abgeschlossen, aber erst im Dezember 2004 der Kammer zur Eintragung vorgelegt. Das Statistische Bundesamt mit Stichtag 31.12. würde diesen Vertrag in der Erhebung für 2004 erfassen, dass BIBB dagegen nicht.
  • Im Rahmen der BIBB-Erhebung wird zu einem Stichtag (30. September) gezählt, zu dem für viele Ausbildungsanfänger die Probezeit noch nicht beendet ist. Wenn das Statistische Bundesamt dagegen für den Stichtag 31. Dezember die Zahl der Auszubildenden mit neuem Ausbildungsvertrag ermittelt, ist für die meisten die Probezeit vorbei. Nun ist bekannt, dass viele Verträge gerade in der Probezeit (bundesweit 2003: 32.502) und auch noch kurze Zeit später wieder gelöst werden. Dies bedeutet, dass das Statistische Bundesamt viele dieser in der Probezeit gelösten Verträge nicht mehr erfasst, die in der BIBB-Erhebung jedoch noch mitgezählt wurden 06.

    Dies sollte dazu führen, dass die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge nach der BIBB-Erhebung regelmäßig höher ausfällt als die der Erhebung des StBA. Dies ist allerdings nicht generell der Fall. Im größten Ausbildungsbereich, Industrie und Handel, sind die BIBB-Zahlen im Jahresdurchschnitt um rund 3.700 Neuabschlüsse höher aus, dagegen erfasste die BIBB-Erhebung im Handwerk von 1992 bis 2004 im Jahresdurchschnitt 5.100 Verträge weniger als das Statistische Bundesamt 07. Warum die BIBB-Daten für das Handwerk systematisch geringer ausfallen, bleibt ungeklärt. Offensichtlich werden die Effekte der Vertragslösungen nach dem 30.09 durch andere Einflüsse überlagert.

Fazit und Ausblick

Festzuhalten ist: Sowohl in der BIBB-Erhebung als auch in der Zählung des Statistischen Bundesamtes wird ein Teil der Neuabschlüsse in unterschiedlichem Ausmaß nicht erfasst. Beim BIBB sind es vor allem Ausbildungsverträge, die sehr spät abgeschlossen und/oder den zuständigen Stellen zeitverzögert gemeldet werden. Beim Statistischen Bundesamt bleiben dagegen verstärkt Ausbildungsverträge unberücksichtigt, die vor Ablauf des Kalenderjahres aufgelöst wurden. Darüber hinaus werden Anschlussverträge nicht einheitlich betrachtet: Bei der BIBB-Erhebung sind sie nicht Bestandteil der Gesamtanzahl der Neuabschlüsse, beim Statistischen Bundesamt werden sie als Neuabschlüsse erfasst.

Für die Unterschiede in den Ergebnissen des BIBB und des Statistischen Bundesamtes ist vor allem der um drei Monate versetzte Erfassungszeitraum verantwortlich. Dieser hat verschiedene, in komplexer Weise miteinander verwobene Auswirkungen auf die Erhebungsergebnisse und ihre jährlichen Veränderungsraten. Die jüngsten Unterschiede in den Ergebnissen für die neuen Länder (BIBB: Zuwachs um 1.200, Statistisches Bundesamt: Rückgang um 1.200) verdeutlichen, dass die Auswirkungen keineswegs unbedeutend sind. Wie sich die verschiedenen Einflüsse aber im einzelnen auf die Zählungen des BIBB und des Statistischen Bundesamtes niederschlagen, ist bis heute nicht klar erforscht. Dies liegt auch daran, dass weder in der BIBB-Erhebung noch in der Zählung der Statistischen Bundesamtes nach betrieblichen Ausbildungsverhältnissen und nach solchen Ausbildungsverträgen unterschieden wird, die aus staatlichen Zusatzangeboten stammen.

Im Ergebnis stellt sich die Frage, wie künftig die Datenlage verbessert werden kann, um die Entwicklungen auf dem Ausbildungsstellenmarkt transparent abbilden zu können und zuverlässige Interpretationen zu finden. Die Erfahrung zeigt, dass sowohl die BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum 30.09. als auch die Berufsbildungsstatistik zum 31.12. zur Beantwortung verschiedener Fragestellungen herangezogen werden. Für den Nutzer von Zeitreihen kann es kein Trost sein, zumindest "die Wahl" zu haben und sich Jahr für Jahr zwischen zwei unterschiedlichen Ergebnissen entscheiden zu können. Hoffnung besteht für 2007: Dann wird das neu gestaltete Erhebungskonzept, welches mit dem Berufsbildungsreformgesetz verabschiedet wurde, umgesetzt und heute noch bestehende Unklarheiten können dann vermutlich zumindest teilweise aufgelöst werden.

Anlagen:

Ausgewählte Publikationen des BIBB zum Thema

  • Brosi, Walter; Troltsch, Klaus
    Ausbildungsbeteiligung von Jugendlichen und Fachkräftebedarf der Wirtschaft
    Forschung spezial, Heft 8
  • Walter Brosi, Klaus Troltsch, Joachim Ulrich
    Nachfrage Jugendlicher nach Ausbildungsplätzen
    Analysen und Prognosen 2000 - 2015
    Forschung spezial ; Heft 2
  • Walter Brosi; Elisabeth M. Krekel; Joachim Gerd Ulrich (Hrsg)
    Sicherung der beruflichen Zukunft durch Forschung und Entwicklung
    Ergebnisse einer Delphi-Befragung
  • Schweikert, Klaus
    Aus einem Holz? Lehrlinge in Deutschland
    Eine Ost-West-Längsschnittuntersuchung
  • Krewerth, Andreas; Tschöpe, Tanja; Ulrich, Joachim Gerd; Witzki, Joachim (Hrsg.)
    Berufsbezeichnungen und ihr Einfluss auf die Berufswahl von Jugendlichen
    Theoretische Überlegungen u. empirische Ergebnisse
  • 1

    In NRW wird diese Erhebung durch das Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen (LDS NRW) durchgeführt. Das LDS übermittelt dann einen Gesamtdatensatz für NRW an das BIBB.

  • 2

    Die geschlechtsspezifische Differenzierung ist seit 2002 möglich.

  • 3

    Sofern die Verkürzung mindestens sechs Monate beträgt und bei Vertragsabschluss schon feststeht.

  • 4

    Die 2004 eingeführte komplette Einzelberufserfassung hat die Aggregation in sog. Sammel- und Restgruppen abgelöst. Bis 2003 wurden die meisten Neuabschlüsse in diesen Gruppen erhoben, gezählt und ausgewiesen.

  • 5

    Dies wäre zwar unter bestimmten Bedingungen möglich, doch würden die Ergebnisse, was das Verhältnis von Angebot und Nachfrage betrifft, zu weit entfernt vom Beginn des Ausbildungsjahres liegen. Unabhängig davon würden die Ergebnisse dann in den meisten Jahren deutlich schlechter ausfallen. Dies hängt damit zusammen, dass in den ersten Monaten viele Lehranfänger ihren Ausbildungsvertrag wieder lösen und dann als Nachfrager erneut auftreten, aber bis zum 31. Dezember dann nicht mehr "versorgt" werden können.

  • 6

    Zwar können in der Zählung des Statistischen Bundesamtes Verträge, die nach der Lösung des Ausbildungsverhältnisses zur unmittelbaren Fortsetzung der Ausbildung (in einem anderen Betrieb oder anderen Beruf) erneut abgeschlossen werden, für eine begrenzte Kompensation sorgen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass auch das BIBB diese Verträge erfasst, wenn auch erst im nachfolgenden Erhebungsjahr.

  • 7

    Die Hinweise des Handwerks, endgültige Ergebnisse zur Zahl seiner Neuabschlüsse könnten erst zum 31. Dezember ermittelt werden, sind insofern nicht unberechtigt.

Erscheinungsdatum, Hinweis Deutsche Nationalbibliothek

Veröffentlichung im Internet: 09.05.2005

URN: urn:nbn:de:0035-0135-9

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