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Unternehmerische Selbstständigkeit in die Berufsbildung integrieren!

Hannelore Paulini-Schlottau

Unternehmerqualifikationen müssen langfristig aufgebaut werden, um nachhaltige Wirkungen zu erzielen. Hier kann bereits die Berufsbildung, weit vor der Gründung oder Übernahme eines Unternehmens, ihren Beitrag leisten.
Im Rahmen eines Forschungsprojekts des Bundesinstituts für Berufsbildung wurde untersucht, wie sich die Berufsbildung, insbesondere im kaufmännischen Bereich, an der Qualifizierung zur unternehmerischen Selbstständigkeit beteiligen und wie ein entsprechendes Angebot in die Berufsbildung integriert werden kann.

Veröffentlicht: 10.01.2005 URN: urn:nbn:de:0035-0104-5

Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen

Die Untersuchung erstreckte sich auf unterschiedliche Bereiche und führte zu folgenden Ergebnissen:

Analyse von Existenzgründerkursen

Bei der Analyse von Existenzgründermaßnahmen ist herausgekommen, dass bei diesen Kursen vorwiegend generelles Gründungswissen im Überblick vermittelt wird. Dieses Gründungswissen enthält hauptsächlich betriebswirtschaftliche und juristische Inhalte, die für den Prozess der Gründung erforderlich sind, insbesondere Fördermöglichkeiten und Finanzierungsfahrpläne, gefolgt von Rechtsformen, Unternehmenskonzepten sowie Fragestellungen des Absatzes, des Marketings und der Werbung. Es wird dabei deutlich, dass die angebotenen Existenzgründermaßnahmen vorwiegend zu kurz greifen: sie vermitteln in kurzer Zeit sämtliche Inhalte ohne Anwendungsbezug und Darstellung ihres Zusammenhangs und bieten dadurch keine Handlungsunterstützung für den konkreten Gründungsprozess.

Analyse der Literatur zur Gründungsforschung

Existenzgründer(innen) und Unternehmer(innen) benötigen kaufmännische, managementbezogene, branchenbezogene und persönlichkeitsbezogene Faktoren bzw. Qualifikationen für das erfolgreiche Führen eines Unternehmens - so die Analyse der Gründerliteratur. Die fachlich-betriebswirtschaftlichen Qualifikationen nehmen dabei einen großen Umfang ein. Es handelt sich um Qualifikationen in den Bereichen kaufmännische Steuerung und Kontrolle, Personalwirtschaft, Recht, Marketing, Kommunikation und Kooperation sowie Arbeitstechniken und Selbstmanagement.

Befragung von Unternehmern/Unternehmerinnen und Experten/Expertinnen

Auch die Unternehmerbefragung in den ausgewählten Bereichen Einzelhandel und Tourismus zeigte, dass Finanzierung, Marketing und Kostenrechnung/Controlling den Kern der Unternehmerqualifikation bilden, ergänzt um die Fähigkeit der Kommunikation mit Kunden, Lieferanten und Kapitalgebern sowie das Anwenden von Instrumenten des Marketings, die Preisgestaltung sowie der Umgang mit Controlling- und Kostenrechnungsinstrumenten. Zusätzlich betonen die befragten Experten die Notwendigkeit von Kenntnissen über Standortwahl und das Realisieren einer strategisch ausgerichteten Unternehmensführung. Die wichtigsten methodischen und sozialen Qualifikationen sind Entscheidungsfähigkeit und Flexibilität, gefolgt von der Fähigkeit zu planen, zu organisieren und sich Ziele zu setzen.

Die Unternehmerbefragung weist auch darauf hin, dass in der Berufsausbildung genereller auf das Thema unternehmerische Selbstständigkeit eingegangen werden soll, indem unternehmerisches Denken und Handeln eingeübt, Existenzgründung als berufliche Perspektive eröffnet und erste Erprobungsformen geschaffen werden, ohne Auszubildende in Richtung Selbstständigkeit zu drängen. In der beruflichen Aufstiegsfortbildung dagegen sollte konkret und detaillierter auf die Gründung und Übernahme eines Unternehmens ebenso wie auf die Unternehmensführung eingegangen werden.

Ausgewählte Good-Practice-Beispiele

Die Auswertung ausgewählter Good-Practice-Beispiele zur unternehmerischen Selbstständigkeit ergibt, dass diese bisher betriebswirtschaftliche, methodische und soziale Qualifikationen sowie Zusammenhangsdenken im wirtschaftlichen Umfeld enthalten, die systematisch eingeübt werden müssen. Es stellt sich heraus, dass Qualifizierungsangebote mit praktischen Aufgaben verbunden sein müssen und dass methodisch-didaktisch bewährte Methoden und Lernorte eingesetzt werden müssen, wie Schülerfirmen, Juniorenfirmen, Planspiele und das zeitweise selbstständige Führen einer Filiale oder einer Abteilung durch Auszubildende. Die universitären Angebote sind am weitesten entwickelt, bezogen auf die Inhalte sowie auf die Vernetzung der Angebote. Good-Practice-Beispiele sollten stärker als Standardangebote in der Berufsbildung eingerichtet, verbreitert und vernetzt werden.

Internationale Konzepte

Die Erziehung zum Unternehmertum hat in anderen Ländern bereits zu einer Bewusstseinsänderung für die Förderung einer Kultur unternehmerischer Selbstständigkeit geführt - so die Analyse ausgewählter internationaler Qualifizierungskonzepte. Besonders hervorzuheben ist der systematische, vernetzte und sich ergänzende Qualifizierungsansatz auf mehreren Bildungsebenen zum Thema Entrepreneurship in Kanada. Kennzeichen dieses Ansatzes ist die intensive Zusammenarbeit von Schule, Handelskammer, Universität, regionale und bundesstaatliche Angebote. Hier ist besonders die Zusammenarbeit von privaten Stiftungen, staatlichen Stellen und Wirtschaft zu erwähnen.

Entwicklung eines Qualifizierungskonzeptes

Aus den Ergebnissen der Erhebungen und Analysen kann geschlossen werden, dass das Qualifikationskonzept für unternehmerische Selbstständigkeit in der Berufsbildung nach Ausbildung, Zusatzqualifikation, Aufstiegsfortbildung und Existenzgründerkursen differenziert werden muss. Die Angebote müssen gründungsspezifische Inhalte, geeignete Lernorte sowie geeignete methodisch-didaktische Instrumente enthalten. Ferner muss das Angebot in den unterschiedlichen Bildungsbereichen transparenter sein und miteinander vernetzt werden. Die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Landes-, Bundeseinrichtungen, Industrie- und Handelskammern, Betrieben und Berufsschulen sowie privaten Stiftungen spielt dabei eine große Rolle.

Als Konsequenz der Forschungsergebnisse konnten bereits erste Veränderungen in der Berufsausbildung vorgenommen werden: bei der Modernisierung von Lehrplänen für die Einzelhandelsberufe wurde eine Wahlqualifikationseinheit "Grundlagen unternehmerischer Selbstständigkeit", die die Funktion einer Zusatzqualifikation hat, aufgenommen. Darüber hinaus wird in die Aufstiegsfortbildung "Geprüfter Handelsfachwirt/Geprüfte Handelsfachwirtin", die gerade neu geordnet und strukturiert wird, ebenfalls eine optionale Qualifikation "Grundlagen unternehmerischer Selbstständigkeit" integriert, die weitgehend identisch ist mit der Zusatzqualifikation der Erstausbildung im Einzelhandel.
Wer Interesse hat, sich ausführlicher mit dem Thema zu beschäftigen, kann weiterführende Informationen der aktuellen, unten aufgeführten Veröffentlichung entnehmen. Sie kann beim W. Bertelsmann-Verlag bestellt werden.

Literaturhinweise und Informationen

  • Paulini-Schlottau, Hannelore
    Unternehmerische Selbständigkeit fördern
    Eine Aufgabe für die Berufsbildung, Bielefeld 2004
  • Paulini-Schlottau, Hannelore
    Handel ist Wandel: Die modernisierte Einzelhandelsausbildung
    in: Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): BWP 4/2004
  • Paulini-Schlottau, Hannelore
  • Qualifizierung zur unternehmerischen Selbstständigkeit. Eine Innovation in der Berufsbildung
    in: Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): BIBBforschung 4/2004 
  • Forschungsprojekt 3.2007
    Beitrag der kaufmännischen Berufsbildung zur unternehmerischen Selbstständigkeit
  • Garnhost, Petra; Paulini-Schlottau, Hannelore
    Förderung von Unternehmerqualifikationen in der Berufsbildung
    in: Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): BWP 2/2003
  • Modellversuch D0963.00 (Otto Versand GmbH & Co. KG)
    Junior Enterprise Network - Jeenet - Kompetenzentwicklung in vernetzten Juniorfirmen am Beispiel von E-Commerce-Kompetenzen und unternehmerischem Handeln
  • Modellversuche zu Zusatzqualifikationen

Erscheinungsdatum, Hinweis Deutsche Nationalbibliothek

Veröffentlichung im Internet: 10.01.2005

URN: urn:nbn:de:0035-0104-5

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