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Berufsbildungsexperten blicken zunehmend optimistischer in die Zukunft

Arbeiten und Lernen im Jahr 2020

Bettina Ehrenthal, Elisabeth M. Krekel, Joachim Gerd Ulrich

Die gegenwärtigen Probleme auf dem Lehrstellenmarkt sind groß. Doch hat darunter das Vertrauen der Fachleute in die langfristige Zukunftsfähigkeit der beruflichen Bildung nicht gelitten. Die meisten sind davon überzeugt, dass sich die Erfolgsgeschichte der Verbindung von Arbeit und Lernen fortsetzen wird. Und ihr Optimismus hat in den letzten Jahren sogar noch zugenommen. Dies zeigt ein Vergleich ihrer Ansichten von 1997 und 2004. Die Experten wurden gefragt, wie sich die berufliche Bildung bis zum Jahr 2020 entwickeln wird. (zum Hintergrund der Expertenbefragungen)

Zu den Ergebnissen im Einzelnen: 63 % (1997: 47 %) der Fachleute glauben, im Jahr 2020 werde die Arbeit in der Regel so organisiert sein, dass sie unmittelbar Impulse zur Kompetenzerweiterung gibt (siehe Grafik 1).

Veröffentlicht: 13.08.2004 URN: urn:nbn:de:0035-0039-4

Die Sorge um eine mögliche Erosion beruflicher Bildung nimmt deshalb ab. Dass Simulationen zunehmend das Lernen in der Praxis verdrängen, befürchten nur noch 27 % (1997: 47 %). Und dass sich das duale System der Berufsausbildung bis zum Jahr 2020 auf den Handwerkssektor zurückgezogen hat, ist nur die Ansicht einer - weiter schrumpfenden - Minderheit von 30 % (1997: 37 %).
Dagegen wächst die Überzeugung, im Jahr 2020 ermögliche die betriebliche Aus- und Weiterbildung gleichwertig mit anderen Bildungsgängen Karrierewege in Führungspositionen. 63 % der Experten denken inzwischen so. 1997 waren es lediglich 45 %.

Nach der Einschätzung von 55 % der Experten (1997: 44 %) wird die Trennung zwischen Arbeiten und Lernen bis 2020 weitgehend verschwunden sein (siehe Grafik 2), und da ist es nur folgerichtig, dass im Prozess der Arbeit erworbene Kompetenzen zertifiziert werden können. 75 % schätzen, dass dies in Zukunft der Fall sein wird (1997: 66 %).
Allerdings bedeutet das wachsende Gewicht von informell erworbenen Kompetenzen nicht, dass mehrheitlich mit einem Bedeutungsverlust von formellen Bildungsabschlüssen gerechnet wird: Daran glauben wie auch schon 1997 nur 38 %. Vielmehr wächst die Überzeugung dass 2020 berufliche Abschlüsse auch international erworben werden können. 83 % (1997: 60 %) rechnen damit, dass es dann eine wechselseitige Anerkennungspraxis im Sinne eines Credit-Point-Systems gebe.
Parallel zu dieser Entwicklung gehen die Fachleute von einem tiefgreifenden Aufgabenwandel des Bildungspersonals und der Bildungsträger aus (vgl. Grafik 3):

So meinen 88 % (1997: 71 %), dass die Bildungsberatung im Jahr 2020 eine der zentralen Aufgaben der Bildungsträger sein wird. 73 % (1997: 62 %) sehen die zukünftige Rolle beruflicher Ausbilder und Trainer vor allem darin, offene Lernarrangements zu organisieren und zu moderieren. Und immerhin 68 % (1997: 53 %) vermuten, dass spätestens 2020 der klassische Berufsschulunterricht durch Projektunterricht und andere praxisbezogene Lernformen abgelöst worden ist.

Besonders fest sind von diesen Entwicklungen diejenigen Experten überzeugt, die in Betrieben, Kammern, überbetrieblichen Bildungseinrichtungen, Schulen und staatlichen Forschungseinrichtungen arbeiten. Die Fachleute aus den Universitäten, Fachhochschulen und Berufsakademien zeigen sich, was die Aufhebung der Trennung von Arbeiten und Lernen angeht, pessimistischer. Auch glauben sie weniger an die Ablösung des klassischen Berufsschulunterrichts durch praxisbezogene Lernformen und an die vollzogene Gleichwertigkeit von betrieblicher Bildung mit anderen Bildungsgängen (vgl. Tabelle 1 ). Alles in allem aber sind die Unterschiede zwischen den Fachleuten relativ gering. Dies betrifft insbesondere auch die deutlich positivere Einschätzung gegenüber 1997. Sie ist bei allen hier unterscheidbaren Gruppen zu beobachten (vgl. Tabelle 2 ).

Zum Hintergrund der Expertenbefragungen

Um die Auswirkungen der Wissensgesellschaft auf die Bildungsprozesse und -strukturen zu untersuchen, gab das damalige Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie 1997 eine Delphi-Studie in Auftrag. Im Rahmen dieses "Bildungs-Delphi" wurden 669 Fachleute danach gefragt, was die Bildungssysteme leisten sollten und wie sie sich ihrer Meinung nach bis 2020 entwickeln werden. Die Fragen bezogen sich auch auf den allgemein bildenden und auf den Hochschulbereich. An der Studie beteiligten sich 457 Experten bzw. 68 %.

Die Wiederholungsbefragung vom Frühjahr 2004 beschränkte sich auf elf Aspekte des beruflichen Bildungssystems. Bevorzugt wurden dabei jene Aspekte ausgewählt, welche die Fachleute im Jahr 1997 als zwar wünschenswert, aber als nicht sehr wahrscheinlich erachteten. Diesmal wurden 1.200 Expertinnen und Experten gebeten, die Fragen zu beantworten; 939 Fachleute bzw. 78 % kamen dieser Bitte nach.

Die 2004-er Erhebung wurde im Zusammenhang mit dem im Aufbau befindlichen Expertenmonitor Berufliche Bildung durchgeführt. Mit dem Expertenmonitor sollen Fachleute in Zukunft regelmäßig zu aktuellen Entwicklungen und Problemen befragt werden. Er ist in das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Kommunikations- und Informationssystem Berufliche Bildung für Expertinnen und Experten (KIBB) eingebunden und wird in Zusammenarbeit mit dem BIBB-Arbeitsbereich 2.1 "Qualifizierungsbedarf, Bildungsangebot und -nachfrage" realisiert.

Literaturhinweise zu Delphi-Studien im Bereich der beruflichen Bildung

BMBF-Bildungs-Delphi von 1996

  • Kuwan, Helmut; Ulrich, Joachim Gerd; Westkamp, Heinz (1998)
    Die Entwicklung des Berufsbildungssystems bis zum Jahr 2020.
    Ergebnisse des Bildungs-Delphi 1997/98. In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 27. Jg., Heft 6. S. 3-9.
  • Prognos AG/Infratest Burke Sozialforschung (1998): Delphi-Befragung 1996/1998. Potentiale und Dimensionen der Wissensgesellschaft - Auswirkungen auf Bildungsprozesse und Bildungsstrukturen. Integrierter Abschlußbericht. München, Basel.
  • Kuwan, Helmut; Waschbüsch, Eva (1999)
    Wissensgesellschaft und Bildungssystem - Ergebnisse aus dem "Bildungs-Delphi. In: Rosenbladt, Bernhard von (Hrsg.): Bildung in der Wissensgesellschaft. Ein Werkstattbericht zum Reformbedarf im Bildungssystem. Münster: Waxmann-Verlag. S. 19-35.

BIBB-internes Forschungsdelphi von 1999

  • Brosi, Walter; Krekel, Elisabeth M.; Ulrich, Joachim Gerd (1999)
    Delphi als ein Planungsinstrument der Bildungsforschung? Erste Ergebnisse einer BIBB-Studie.
    In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 28. Jg., Heft 6. S. 11-16.
  • Krekel, Elisabeth M.; Ulrich, Joachim Gerd (2000)
    Die Delphi-Methode: Welche Erkenntnisse ergeben sich aus der Anwendung der Delphi-Methode für die Berufsbildungsforschung? In: Sozialwissenschaften und Berufspraxis, 23. Jg., Heft 4. S. 357-367.

Bundesweites Forschungsdelphi von 2001/2002

  • Brosi, Walter; Krekel, Elisabeth M.; Ulrich, Joachim Gerd (2002)
    Sicherung der beruflichen Zukunft: Anforderungen an Forschung und Entwicklung.
    Ergebnisse einer Delphi-Studie. In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 31. Jg., Heft 1. S. 5-11.
  • Brosi, Walter; Krekel, Elisabeth M.; Ulrich, Joachim Gerd (Hrsg.)(2003)
    Sicherung der beruflichen Zukunft durch Forschung und Entwicklung
    Ergebnisse einer Delphi-Befragung. Bielefeld: W. Bertelsmann.
  • Krekel, Elisabeth M.; Ulrich, Joachim Gerd (2004)
    Bedarfsperspektiven der Berufsbildungsforschung aus der Sicht der Delphi-Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung. In: Czycholl, Reinhard; Zedler, Reinhard (Hrsg.): Stand und Perspektiven der Berufsbildungsforschung. Dokumentation des 5. Forums Berufsbildungsforschung 2003 an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg (BeitrAB 280). Nürnberg: Bundesagentur für Arbeit.

Erscheinungsdatum, Hinweis Deutsche Nationalbibliothek

Veröffentlichung im Internet: 13.08.2004

URN: urn:nbn:de:0035-0039-4

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