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Zur Kontroverse um das Berufsausbildungssicherungsgesetz (BerASichG)

Eine Diskussion des ersten Entwurfs vom 30.03.2004

Seit Mitte März 2004 liegt den Regierungsfraktionen ein erster Entwurf vor, wie das umstrittene Gesetz zur Ausbildungsplatzumlage (genannt "Berufsausbildungssicherungsgesetz" - BerASichG) formuliert und umgesetzt werden könnte. 01 Demnach können Ausbildungsbetriebe, deren Ausbildungsquote weniger als 7 % beträgt, zu einer Abgabe verpflichtet werden, sofern eine ausreichende Versorgung der Ausbildungsplatzbewerber nicht gelingt. Die Versorgungslage gilt als unzureichend, wenn am 30. September eines Jahres die Zahl der noch offenen Ausbildungsplätze nicht mindestens um 15 % höher liegt als die Zahl der noch nicht vermittelten Bewerber. 02

In diesem Fall sieht der Gesetzentwurf zwei Formen der Förderung vor:

  1. Die Bereitstellung zusätzlicher Plätze. Sie dient der nachträglichen Versorgung der noch nicht vermittelten Bewerber. Prioritär sollen durch die Förderung zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze gewonnen werden. Nur im Notfall kann auch auf außerbetriebliche Lehrstellen 03 zurückgegriffen werden.
  2. Die Förderung durch Leistungsausgleich, von der Betriebe profitieren sollen, deren Ausbildungsquote 7 % übersteigt. Sie erhalten für ihre Ausbildung oberhalb der avisierten Zielmarke auf Antrag eine finanzielle Kompensation.

Veröffentlicht: 22.04.2004 URN: urn:nbn:de:0035-0038-7

Betriebe, die nicht ausbilden, würden pro Jahr für jeden sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bezahlen müssen; beschäftigt der Betrieb also beispielsweise 20 Mitarbeiter und läge der Abgabebetrag pro Beschäftigten bei 237 € (berechnet für einen Bedarf an rund 30.000 zusätzlichen Ausbildungsplätzen), wären dies 4.740 €. Völlig befreit von einer Abgabepflicht werden Betriebe mit zehn und weniger Beschäftigten sowie Branchen, die tarifvertragliche Regelungen zur Ausbildungsplatzsicherung getroffen haben, die gleichwertig zur Zielsetzung des Gesetzes sind.

Das Gesetz beinhaltet auch eine Härtefallklausel für Betriebe mit geringer wirtschaftlicher Leistungskraft, die aber restriktiv ausgelegt werden soll. Erhoben, verwaltet und ausgezahlt werden soll der Berufsausbildungssicherungsfonds vom Bundesverwaltungsamt.

Nachfolgend werden Vor- und Nachteile des Gesetzentwurfes vom 30.03.2004 aus Sicht der Forschung diskutiert.

Positiv am bisherigen Gesetzentwurf anzumerken ist:

  • Das Gesetz stärkt den ordnungspolitischen Grundpfeiler des dualen Systems. Es betont die Verantwortung von Wirtschaft und Verwaltung, im eigenen Interesse junge Menschen auszubilden. Dabei setzt es nicht auf staatliche Subventionierung, sondern auf eine systemimmanente (über-)betriebliche Ausbildungsfinanzierung.
  • Das Gesetz bietet Anreize für die Tarifparteien, selbst aktiv zu werden. Tarifvertragliche Lösungen zur Verbesserung der Ausbildungssituation haben Vorrang, sofern sie gleichwertig sind. Dies stärkt die Eigenverantwortung der Wirtschaft (Arbeitgeber, Gewerkschaften) für die Durchführung der betrieblichen Ausbildung und ermöglicht es, branchenspezifische Rahmenbedingungen besonders zu berücksichtigen.
  • Das Gesetz stärkt im Auslösefall ausbildungsintensive Unternehmen. Vor allem Betriebe mit einer Ausbildungsquote von über 7 % werden dann profitieren. Sie sind nicht nur von der Ausbildungsplatzabgabe befreit, sondern können sogar ihre Ausbildungsleistung von über 7 % in Rechnung stellen und für jeden überschüssigen Ausbildungsplatz einen Förderbetrag erhalten. Dies gilt allerdings nur dann, wenn das Gesetz Anwendung findet - also nur in Zeiten, in denen die Zahl der am Ende des Vermittlungsjahres noch offenen Lehrstellen die Zahl der noch nicht vermittelten Bewerber nicht substantiell übersteigt.
  • Der Gesetzentwurf vermeidet Attentismus. 04 Denn sofern der Auslösefall eintritt und das Gesetz Anwendung findet, werden ausbildungsintensive Betriebe auf jeden Fall belohnt, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt sie ihre Auszubildenden eingestellt haben.
  • Das Gesetz behandelt Betriebe und staatliche Verwaltung gleich. Denn auch der öffentliche Dienst wird zahlen müssen, sofern er die abverlangte Ausbildungsquote von 7 % nicht erreicht.
  • Teilzeitbeschäftigung in den Betrieben wird berücksichtigt: Bei der Berechnung der Ausbildungsquote auf der Basis des Gesetzes wird Teilzeitbeschäftigung berück-sichtigt. Damit werden Betriebe mit einem hohen Anteil an Teilzeitbeschäftigten nicht benachteiligt.
  • Das Gesetz bezieht neben den Vermittlungsergebnissen der Bundesagentur für Arbeit (BA) weitere Entscheidungskriterien mit ein. So kann die Regierung selbst dann auf eine Abgabe verzichten, wenn statistisch der Auslösefall gegeben ist - nämlich dann, wenn das Verhältnis zwischen Nutzen der Abgabe und Verwaltungsaufwand ungünstig erscheint. Ein Verzicht ist auch möglich, wenn die Regierung eine positive Ausbildungsmarktentwicklung feststellt und mit einer raschen Besserung der Lage zu rechnen ist.

Kritisch anzumerken ist:

  • Das Auslösekriterium korreliert nur unzureichend mit der tatsächlichen Entwicklung auf dem Lehrstellenmarkt: Das Gesetz soll Anwendung finden, wenn am Ende des Jahres die Zahl der noch offenen Plätze nicht mindestens um 15 % die Zahl der noch nicht vermittelten Bewerber übersteigt. Beide Größen - noch offene Plätze, noch nicht vermittelte Bewerber - sind aber nur sehr kleine Teile des Gesamtangebots und der Gesamtnachfrage und besonders anfällig für Einflüsse außerhalb des eigentlichen Marktgeschehens. So wird die Zahl der noch nicht vermittelten Bewerber unmittelbar durch die Entscheidungen der Bundesagentur für Arbeit beeinflusst, wie viele Alternativplätze in berufsvorbereitenden Maßnahmen für erfolglose Lehrstellenbewerber sie einrichtet. Erfolglose Lehrstellenbewerber, die in diese Maßnahmen einmünden, gelten nicht mehr als "noch nicht vermittelt". Die Zahl der offenen Plätze kann zudem rechnerisch leicht nach oben getrieben werden: Was sollte einen Betrieb, der eine Lehrstelle nicht besetzen kann, daran hindern, gleich zwei oder drei Lehrstellen zu melden, für die er keine Bewerber findet? Immerhin trägt er damit dazu bei, die Wahrscheinlichkeit des Auslösefalls zu verringern und damit eigene Abgaben zu verhindern.
    Denkbar ist also, dass sich die Relation zwischen noch offenen Plätzen und noch nicht vermittelten Bewerbern verbessert, obwohl das Ausbildungsplatzangebot insgesamt sogar sinkt und die Ausbildungsquote faktisch abnimmt. Damit gilt aber:
  • Die Regelungen des Gesetzes entsprechen nicht seinen Begründungen: Denn es wird damit begründet, der Wirtschaft müsse notfalls Hilfe zur Selbsthilfe geleistet werden, um ihren Fachkräftenachwuchs sicherzustellen. Dies erfordere eine substantiell höhere Ausbildungsquote. Das statistische Auslösekriterium ist aber, wie wir eben gesehen haben, nicht entsprechend angelegt. Denn es lässt eine Vielzahl von Fällen zu, in denen die Abgabe nicht aktiviert wird, obwohl die angestrebte Quote nicht erreicht wurde. Wäre das Gesetz beispielsweise bereits 2002 in Kraft gewesen, hätte bereits ein zusätzliches Ausbildungsvolumen von 8.885 offenen Plätzen ausgereicht, um den Anwendungsfall zu verhindern. Die bundesweite Ausbildungsquote wäre damit gerade einmal um 0,03 Prozentpunkte höher ausgefallen und hätte anstatt 6,35 % nunmehr 6,38 % betragen. 05 Die Widersprüchlichkeit besteht also darin, dass das Gesetz zwar ökonomisch vom Fachkräftebedarf der Wirtschaft her begründet wird, das Auslösekriterium aber vor allem sozialpolitischen Charakter hat: Es geht hier eigentlich nur um die Erweiterung der Chancen von noch nicht vermittelten Bewerbern. Somit verwundert auch der folgende Sachverhalt nicht:
  • Das Auslösekriterium ist weit von der vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandeten Richtgröße entfernt. Danach sollte die Angebots-Nachfrage-Relation 06 mindestens 112,5 betragen, das Gesamtangebot also um 12,5 % die Nachfrage übersteigen.
    Für 2003 hätte dies beispielsweise bedeutet, dass das Angebot mindestens 666.705 Plätze hätte umfassen müssen. Es hätte damit um mehr als 94.200 Plätze höher liegen müssen, als es tatsächlich betrug (572.452).
    Nach dem im jetzigen Gesetzentwurf vorgesehenen Auslösekriterium hätte das Angebot dagegen lediglich bei 597.879 Plätzen liegen müssen (rd. 25.400 Plätze mehr), um die Anwendung des Gesetzes zu verhindern. Damit hätte bereits eine Angebots-Nachfrage-Relation von unter 101,0 (!) gereicht, um die Ausbildungsplatzabgabe zu verhindern.
    Die Macher des Gesetzentwurfs standen allerdings auch in einer Zwickmühle. Würden sie das tatsächliche Gesamtangebot und die Gesamtnachfrage als Auslösekriterium heranziehen, könnte jedes Jahr erst im Dezember über die Anwendung des Gesetzes entschieden werden. Denn erst dann liegen die Daten zur Angebotsentwicklung vor. Dieser Termin lässt sich auch nicht weiter nach vorne verlagern. Und hätten sie sich am vom Verfassungsgericht vorgeschlagenen Kriterium orientiert, würde die Ausbildungsplatzabgabe unter den gegebenen Verhältnissen zur Dauereinrichtung.
  • Regionale Unterschiede werden nicht berücksichtigt: Das Auslösekriterium orientiert sich ausschließlich an den bundesweiten Verhältnissen zum 30. September. Unternehmen aus Regionen, in denen die Verhältnisse günstig sind, müssen dennoch zahlen, wenn bundesweit das angestrebte Ziel nicht erreicht wird. Würde man das Auslösekriterium regionalisieren, dann hätte Baden-Württemberg bisher von einer Abgabe ausgeschlossen werden müssen, da der Anteil unbesetzter Ausbildungsstellen immer noch deutlich über dem Auslösekriterium liegt (siehe Grafik mit Daten zu 2003). Allerdings ist dies vom Gesetz durchaus so gewollt, denn es hat sich den Ausgleich der regionalen Lebensverhältnisse zum Ziel gesetzt.
  • Insbesondere Länder mit besonders schwieriger Lehrstellensituation, die eigene Programme zur Versorgung erfolgloser Lehrstellenbewerber in außerbetrieblichen Maßnahmen durchführen, könnten versucht sein, diese zurückzufahren und ihre Kosten damit auf die Wirtschaft zurückzuverlagern: Wenn etwa die ostdeutschen Länder ihre eigenen Programme zur Versorgung erfolgloser Lehrstellenbewerber einstellen bzw. reduzieren würden, gäbe es deutlich mehr noch nicht vermittelte Bewerber und der Auslösefall würde mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten.

2003 beispielsweise fanden rund 14.000 ostdeutsche Jugendliche eine Lehrstelle über das Bund-Länder-Programm Ost bzw. über ergänzende Maßnahmen der ostdeutschen Länder. Hinzu zu rechnen sind mehrere Tausend Jugendliche, die in rein schulischen Maßnahmen versorgt wurden, die ebenfalls von den ostdeutschen Ländern finanziert werden. Die ostdeutschen Länder haben es somit zu großen Teilen in der Hand, ob das Ausbildungsplatzsicherungsgesetz Anwendung findet oder nicht.
Wenn es aber zur Anwendung käme, weil die ostdeutschen Länder ihre Programme zurückfahren, müsste nun die Wirtschaft die Kosten für die nachträgliche Versorgung der unversorgten Bewerber übernehmen - und zwar vollständig. Dies könnte letztlich dazu führen, dass der bayrische Handwerksbetrieb, der seine Lehrstellen zum Bäcker oder Fleischer nicht besetzen kann, die fehlenden Lehrstellen in Mecklenburg-Vorpommern mitfinanzieren muss.
Allerdings gilt auch hier: Der Rückzug des Staates ist durchaus vom Gesetz gewollt. Das Bundesverfassungsgericht stellte 1980 eine "spezifische Verantwortung" der Arbeitgeber "für ein ausreichendes Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen" fest. Wenn es durch das Gesetz also tatsächlich gelänge, die staatlich geförderten Ausbildungsplätze zurück zu fahren und sie sukzessive in betriebliche zu überführen, wäre dies eine Entwicklung, die auf der Positivseite des Gesetzes zu vermerken ist.

  • Der Gesetzentwurf sieht vor, dass auch Betriebe zahlen müssen, die zwar Lehrstellen anbieten, diese aber nicht besetzen können: Damit soll wohl verhindert werden, dass Betriebe sich dadurch aus der Affäre ziehen, indem sie "Phantomplätze" anbieten und behaupten, sie fänden einfach keine geeigneten Bewerber. Gleichwohl führt dieser Passus für Betriebe, die erfolglos suchen, zu großen Härten. Sie werden letztlich dafür bestraft, dass sie Ausbildungsplätze in Berufen anbieten, die für die Jugendlichen offenbar nicht attraktiv genug sind.
  • Besondere Probleme dürfte das Gesetz auch jenen Betrieben bereiten, deren Personalbedarf sich nicht oder kaum aus dem Reservoir der Fachangestellten, Facharbeiter oder Gesellen rekrutiert (z. B. Betriebe mit einem hohen Anteil an Hochschulabsolventen). Sie werden dennoch zahlen müssen.
  • Das Gesetz könnte zu einer Verlagerung von bisher großbetrieblicher Ausbildung in eine Ausbildung in Kleinbetrieben führen: Das Gesetz sieht vor, dass jeder Betrieb mindestens einen Anteil von 7 % Auszubildenden an der Gesamtzahl aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten erreicht haben muss, um von der Ausgleichszahlung befreit zu sein. Relevant ist also lediglich die relative Zahl der Auszubildenden; die Kosten der Ausbildung spielen keine Rolle.
    Die Großbetriebe in Deutschland weisen nun in der Regel niedrigere Ausbildungsquoten auf als Kleinbetriebe 07 ; ihre Ausbildung ist aber auch deutlich teurer. Manche Kleinbetriebe erzielen bereits während der Ausbildung Nettoerträge; dies macht es ihnen leicht, die Ausbildungsquote von 7 % zu erreichen. Für die Großbetriebe bedeutet dies: Vor allem sie werden zahlen müssen, obwohl sie bereits jetzt besonders hohe Ausbildungskosten zu tragen haben. Die Großbetriebe können die zusätzliche finanzielle Belastung aber vermeiden, wenn sie die Zahl ihrer Ausbildungsplätze (insbesondere die der Überbedarfsausbildung) zurückfahren und stattdessen die Umlage zahlen. Denn die Höhe der zu leistenden Abgabe für einen nicht realisierten Ausbildungsplatz könnte deutlich niedriger liegen als die tatsächlichen Ausbildungsnettokosten. 08
    Dies würde zu erheblichen Verschiebungen zwischen groß- und kleinbetrieblicher Ausbildung führen; zugleich wird Ausbildung dort abgebaut, wo sie aus Sicht der Jugendlichen, aber auch vieler Arbeitgeber qualitativ besonders hochwertig ist. Für die Kleinbetriebe dürfte es sich dagegen lohnen, ihre Ausbildungsangebote auszuweiten. Dies gilt umso mehr, je stärker sie bereits während der Ausbildung Gewinne einfahren. Letztlich würde dies in diesen Fällen bedeuten, dass über die von Großbetrieben zu leistende Ausbildungsplatzumlage die Ausbildung in kleineren Betrieben finanziert wird. Diese Betriebe könnten sogar versucht sein, einen Teil ihrer Beschäftigten (zum Beispiel 400 €-Kräfte) durch Auszubildende zu ersetzen.
    Großbetriebe dagegen würden ihre Fachkräfte vielleicht verstärkt aus Berufsfachschulen rekrutieren, insbesondere dann, wenn der Bildungsgang - wie in der Novellierung der Berufsbildungsgesetzes vorgesehen - in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit Kammerprüfung abschließt.
  • Ausbildungsintensive Betriebe, die auf eine Vergütung ihrer zusätzlichen Ausbildungsleistung setzen, haben keine Planungssicherheit: Denn jedes Jahr wird darüber neu entschieden, ob der Auslösefall eintritt. Sind deutlich mehr offene Lehrstellen als noch nicht vermittelte Bewerber vorhanden, gibt es nichts. Außerdem gilt: Selbst wenn sie Geld erhalten, werden sie einige Monate darauf warten müssen. Denn der Staat soll möglichst nicht in Vorleistung treten und das Geld erst dann verteilen, wenn er es eingezogen hat. Das heißt aber auch, dass Betriebe, die ihre Ausbildungsleistung rein von betrieblichen Überlegungen abhängig machen, für eine Ausbildungs-leistung, die sie ohnehin erbringen würden, zusätzliche finanzielle Unterstützung erhalten würden.
  • Privatisierte, ehemals staatliche Unternehmen mit einem hohen übernommenen Beamtenanteil werden vom Gesetz bevorzugt: Denn der Nenner der erforderlichen Ausbildungsquote errechnet sich ausschließlich über die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Beamte werden nicht mit eingerechnet. In der staatlichen Verwaltung ist das so auch in Ordnung, da den verbeamteten Staatsdienern dort Ausbildungsleistungen im Rahmen der Beamtenanwärter gegenüberstehen. Bei den privatisierten Unternehmen gib es aber keine Beamtenausbildung mehr.
  • Betriebe, die ihre Ausbildungsleistung im Verbund anbieten, werden nur einmal berücksichtigt: Nach dem Gesetz kann nur der Betrieb die Ausbildungsleistung berücksichtigen, der mit den Auszubildenden den Ausbildungsvertrag abgeschlossen hat. Die im Verbund erbrachten Leistungen anderer Betriebe würden danach nicht berücksichtigt. Die Gefahr bestünde, dass sich Betriebe aus der (bewährten) Form der Verbundausbildung mehr und mehr zurück ziehen.
  • Berufsstrukturelle Verschiebungen im Ausbildungsangebot sind zu erwarten: Wenn es zu einer Verlagerung von Ausbildungskapazitäten von Groß- zu Kleinbetrieben kommt, verändert dies auch zwangsläufig die Struktur der Ausbildungsberufe. Denn die großen Betriebe werden sich vermutlich nicht nur aus der Ausbildung über Bedarf zurückziehen, sondern auch bevorzugt aus jenen Berufen, in denen die Ausbildung besonders teuer ist.
  • Die Beschäftigungsperspektiven der Ausbildungsabsolventen drohen sich zu verschlechtern: Die Verschiebungen in der Struktur des Ausbildungsangebots dürften dem Bedarf der Wirtschaft an ausgebildeten Fachkräften weniger gerecht werden. Zu befürchten ist eine Erhöhung von Arbeitslosigkeit, unfreiwilligem Berufswechsel und nicht der Ausbildung entsprechender Beschäftigung nach Ende der Ausbildung.
  • Der Fixkostenanteil beim Verwaltungsaufwand des Ausbildungsplatzsicherungsfonds ist hoch: Denn die Ressourcen zum Erheben der Umlage müssen zu einem bestimmten Anteil auch in jenen Jahren aufrecht erhalten werden, in denen die Abgabe nicht erforderlich wird. Damit würde ein Verwaltungsapparat "vorrätig" gehalten werden müssen, ohne zu wissen, ob er auch tatsächlich tätig werden muss. Dies könnte auch dazu führen, dass eine politische Entscheidung für die Abgabe gefällt wird, damit der Verwaltungsapparat ausgelastet wird.
  • Erhöhung der betrieblichen Ausbildungsquote insgesamt fraglich: Zu einer Stärkung der betrieblichen Ausbildung wird es nur kommen, wenn der mögliche Rückzug aus der Ausbildung (Aufgabe der Ausbildung über Bedarf, "Freikaufen" von der Ausbildung) durch die "Androhung" der Abgabe (Beschluss des Gesetzes) geringer ausfällt als die Steigerung der betrieblichen Ausbildung durch Anreize an Unternehmen. Die negativen Effekte des Gesetzes könnten bereits bei seinem Beschluss auftreten, positive Anreize sind vor allem bei Auslösung der Abgabe zu erwarten. Gerade weil es unsicher ist, ob es zur Förderung der betrieblichen Ausbildung durch das Gesetz kommt, könnten die positiven Effekte ausbleiben.
  • Negative Beschäftigungseffekte durch das Gesetz sind nicht auszuschließen: Die Bemessung der Abgabe an der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten könnte in den Betrieben den Druck zur Einsparung von Beschäftigten erhöhen, und zwar schon vor dem Auslösefall. Einzelne Kommunen 09 haben bereits angekündigt, bei einer Verpflichtung zur Zahlung der Ausgleichsabgabe in entsprechendem Umfang Beschäftigung abzubauen, andere Arbeitgeber könnten dem folgen. Trotz der Härtefallregelung des Gesetzentwurfs könnten negative Effekte auf die Beschäftigung ausgelöst werden.

Die Debatte um das Gesetz wird zur Zeit sehr heftig geführt. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass es sich bei dem am 30.03.2004 vorgelegtem Gesetzentwurf um eine erste Fassung handelt. Die jetzige Diskussion wird sicherlich zu Modifikationen und Ergänzungen führen. Allerdings ist auch zu beobachten, dass manche Kritikpunkte lediglich auf Missverständnissen beruhen.

Autoren: Arbeitsgruppe der Abteilung 2 "Sozialwissenschaftliche und Ökonomische Grundlagen der Berufsbildung" 10

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Diskussionsbeiträge von Lesern

Leserbrief (27.04.2004)

  • 1

    Vgl. Gesetzentwurf vom 30.03.2004.

  • 2

    Am 30. September 2003 lag die Zahl der unbesetzten Berufsausbildungsstellen bei 14.840 und die Zahl der nicht vermittelten Bewerber bei 35.015. Bei mindestens 40.267 unbesetzte Berufsausbildungsstellen wäre das im Gesetz festgelegte Kriterium erfüllt gewesen.

  • 3

    Ausbildungsvertragspartner ist in diesem Fall einer außerbetriebliche Einrichtung, deren hautsächlicher Geschäftszweck die Qualifizierung ist. Außer- und überbetriebliche Ausbildung dürfen nicht miteinander verwechselt werden. Letztere ist Teil der betrieblichen Ausbildung und beschränkt sich auf Ausbildungsabschnitte, die vom Lehrbetrieb selbst nicht geleistet werden können oder sollen.

  • 4

    Hierunter versteht man eine abwartende Haltung der Betriebe, die durch die Hoffnung auf eventuelle Subventionszahlungen genährt wird.

  • 5

    Unter der Annahme, dass alle zusätzlichen Plätze wie vorgesehen bis Ende des Jahres mit noch nicht vermittelten Bewerbern besetzt wurden.

  • 6

    Rechnerische Zahl der Ausbildungsplatzangebote je 100 Nachfrager. Die Zahl der Angebote setzt sich zu-sammen aus den neu abgeschlossenen Verträgen plus den am 30.09. noch offenen Plätzen; die Nachfrage aus den Neuabschlüssen zuzüglich der zum selben Stichtag noch nicht vermittelten Bewerber.

  • 7

    Im Jahr 2000 betrug beispielsweise die Ausbildungsquote von ausbildenden Betrieben über 1.000 Beschäftigten 4,8 %, die von mittelgroßen ausbildenden Betrieben zwischen 200 und 499 Beschäftigten 6,4 %, die von ausbildenden Betrieben zwischen 20 und 49 Beschäftigten 11,4 %.

  • 8

    Im Jahr 2002 lagen die durchschnittlichen Nettokosten (Teilkostenrechnung) für Betriebe mit 10 bis 49 Beschäftigten bei 1.423 €, für Betriebe mit 50 bis 499 Beschäftigten bei 3.403 € und für Betriebe mit 500 und mehr Beschäftigten bei 8.176 €. Vgl. Beicht, U.; Walden, G.: Kosten der Ausbildung. In: Beicht, U., Walden, G., Herget, H.: Kosten und Nutzen der betrieblichen Berufsausbildung in Deutschland. Bielefeld: Bertelsmann 2004, S. 21-168.

  • 9

    Report Mainz vom 29.03.04: Ausbildungsplatz-Abgabe: Wie der Steuerzahler gemolken wird.

  • 10

    AL Dr. Günter Walden in Zusammenarbeit mit den Arbeitsbereichen 2.1 und 2.3 (Dr. Friederike Behringer, Ursula Beicht, Klaus Berger, Simone Flemming, Dr. Elisabeth M. Krekel, Klaus Troltsch, Dr. Joachim Gerd Ulrich, Dick Moraal)

Erscheinungsdatum, Hinweis Deutsche Nationalbibliothek

Veröffentlichung im Internet: 22.04.2004

URN: urn:nbn:de:0035-0038-7

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