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Privatpersonen übernehmen hohe Verantwortung für ihre berufliche Weiterbildung

Dem lebenslangen Lernen wird ein zentraler Stellenwert im Hinblick auf die Bewältigung der technischen, wirtschaftlichen, demographischen und gesellschaftlichen Veränderungen zugeschrieben. Berufliche Weiterbildung stellt einen wesentlichen Bestandteil des lebenslangen Lernens dar.

Veröffentlicht: 05.04.2004 URN: urn:nbn:de:0035-0033-9

An der Finanzierung beruflicher Weiterbildung sind die Betriebe, der Staat, die Bundesagentur für Arbeit und die Privatpersonen beteiligt. Forderungen nach größerer Eigenverantwortung des Einzelnen, womit oft auch eine stärkere finanzielle Beteiligung gemeint ist, richten sich seit einiger Zeit auf fast alle Lebensbereiche. Der Weiterbildungsbereich ist von solchen Forderungen nicht ausgenommen. In diesem Zusammenhang interessiert, in welchem Umfang Privatpersonen derzeit an beruflicher Weiterbildung teilnehmen, in welcher Höhe sie bereits Kosten übernehmen und welchen Nutzen sie hiervon haben. Diesen Fragen ging das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in seinem Forschungsprojekt "Kosten und Nutzen beruflicher Weiterbildung für Individuen" nach und legt nun erste wichtige Ergebnisse vor. In dem BIBB-Projekt erfolgte eine enge Kooperation mit der Expertenkommission "Finanzierung Lebenslangen Lernens". Dieses unabhängige Expertengremium wurde im Jahr 2001 von der Bundesregierung auf Beschluss des Bundestages eingesetzt und legt in Kürze seinen Abschlussbericht vor. Auftrag der Expertenkommission war es, neue Strategien für die Finanzierung Lebenslangen Lernens zu entwickeln, die zu umsetzbaren Finanzierungskonzepten führen sollten. Die Vorschläge sollen sowohl den zu erwartenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung tragen als auch die individuellen Chancen zur Teilhabe an Bildung - insbesondere der bildungsfernen und benachteiligten Gruppen - erhöhen. Die Expertenkommission hielt es für erforderlich, die Hintergründe und Motive für Nicht-Teilnahme an beruflicher Weiterbildung näher zu erforschen. Da es im Hinblick auf die individuelle Entscheidungssituation und die Einschätzung des Nutzens beruflicher Weiterbildung um ähnliche Fragestellungen wie im BIBB-Projekt ging, wurde eine enge Zusammenarbeit vereinbart. Es wurden gemeinsame repräsentative Erhebungen bei Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern an beruflicher Weiterbildung durchgeführt.

Hinsichtlich der Teilnahme an beruflicher Weiterbildung kamen BIBB und Expertenkommission zu folgenden zentralen Ergebnissen:

Umfang der Weiterbildungsbeteiligung: Im Jahr 2002 nahmen 68 % der deutschsprachigen erwerbsnahen Personen im Alter von 19 bis 64 Jahren an beruflicher Weiterbildung teil. Einbezogen waren dabei erwerbstätige, arbeitslose, arbeitssuchende sowie demnächst eine Erwerbstätigkeit planende Personen. Befragt wurden insgesamt 5.058 repräsentativ ausgewählte Personen. 39 % dieser Personengruppe nahmen an Lehrgängen insbesondere im eigenen Betrieb oder in Weiterbildungseinrichtungen teil, also an "klassischer" formalisierter Weiterbildung. Über ein Viertel (26 %) besuchte Kongresse, Tagungen oder Fachmessen, um sich beruflich weiterzubilden. 23 % der erwerbsnahen Personen bildeten sich in selbstorganisierten Lernprozessen weiter, vor allem mittels Lehrbüchern oder Fachliteratur, aber auch computerunterstützt mit Lernsoftware oder über Internet. 17 % nahmen arbeitsnahe Lernformen wahr, insbesondere organisierte Einarbeitung bzw. Unterweisung am Arbeitsplatz oder betriebliche Qualifikationsförderung. Viele Personen nahmen an mehreren unterschiedlichen Weiterbildungen teil. Im Durchschnitt waren es 1,4 Weiterbildungen pro Person. 32 % der erwerbsnahen Personen bildeten sich nicht beruflich weiter.

Unterschiede in der Weiterbildungsbeteiligung: Die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung unterscheidet sich deutlich nach Personengruppen: Männer nehmen häufiger als Frauen an beruflicher Weiterbildung teil, Abiturienten öfter als Hauptschulabsolventen, Personen mit Hochschulabschluss mehr als Personen ohne Berufsausbildung, Erwerbstätige öfter als nicht erwerbstätige Personen und Selbständige häufiger als Arbeiter. Bedeutenden Einfluss auf das Weiterbildungsverhalten erwerbsnaher Personen haben demnach das Geschlecht, der Schul- und Berufsbildungsabschluss, der Erwerbsstatus und die berufliche Stellung. Ein Alterseffekt ist nicht zu erkennen, d.h. ältere Personen nehmen nicht weniger an beruflicher Weiterbildung teil als jüngere, sofern sie noch erwerbstätig sind bzw. noch eine Erwerbstätigkeit anstreben.

Im Hinblick auf die individuellen Kosten beruflicher Weiterbildung ermittelte das BIBB folgende Ergebnisse:

  • Kostenhöhe: Die individuelle Kostenbelastung durch berufliche Weiterbildung erreicht eine durchschnittliche Höhe von 502 € pro Teilnehmer und Jahr. Dieser Wert basiert auf der Befragung von 2.000 repräsentativ ausgewählten Teilnehmern an beruflicher Weiterbildung. Hierbei waren wiederum erwerbsnahe, deutschsprachige Personen im Alter von 19 bis 64 Jahren einbezogen.
  • Hochrechnung: Auf Grundlage des Durchschnittswerts lassen sich die Gesamtkosten der Privatpersonen für berufliche Weiterbildung in Deutschland im Jahr 2002 schätzen. Die 27,78 Mio. Teilnehmer wendeten demnach insgesamt 13,9 Mrd. € für ihre eigene Weiterbildung auf.
  • Kostenstruktur: Für einen Teilnehmer an beruflicher Weiterbildung fallen im Durchschnitt direkte Kosten in Höhe von 375 € an. Diese setzen sich im Einzelnen wie folgt zusammen: Die Teilnahmegebühren betragen 116 €, die Kosten für computergestütztes Lernen 67 € und für klassische Lern- und Arbeitsmittel 57 €. Es entstehen Fahrtkosten von 75 €, Kosten für auswärtige Unterkunft von 28 € und für auswärtige Mahlzeiten von 19 €. Hinzu kommen sonstige Kosten (z.B. Prüfungsgebühren) von 14 €. Kostenerstattungen, die die Teilnehmer in Anspruch nehmen konnten, sind bei den genannten Beträgen bereits abgezogen.
    Darüber hinaus gibt es für die Teilnehmer häufiger einen Einkommensverlust durch die Weiterbildung. Dieser tritt z.B. auf, wenn wegen der Teilnahme unbezahlter Urlaub genommen, die regelmäßige Arbeitszeit reduziert oder die Erwerbstätigkeit zeitweise ganz ausgesetzt wird. Dieser als indirekte Kosten bezeichnete Einkommensverlust beträgt im Durchschnitt 127 € pro Teilnehmer. Auch hierbei sind mögliche Refinanzierungen schon berücksichtigt. Die direkten und indirekten Kosten zusammengenommen drücken die Kostenbelastung der Teilnehmer aus.
  • Kostenverteilung: Die Kostenbelastung der einzelnen Teilnehmer unterscheidet sich allerdings stark. 45 % der Teilnehmer müssen keinerlei Kosten selbst tragen. Für 14 % der Teilnehmer liegen die Kosten mit bis zu 99 € relativ niedrig. 28 % der Teilnehmer haben spürbare Kosten von 100 € bis 999 €. Hohe Kosten von mindestens 1.000 € entstehen 13 % der Teilnehmer, wobei 2 % auf extrem hohe Kosten von 5.000 € und mehr kommen.
  • Zeitaufwand: Im Durchschnitt nehmen die Teilnehmer pro Jahr 138 Stunden an beruflicher Weiterbildung teil. Über die Hälfte der Weiterbildungsstunden (74 Stunden) fällt nicht in betriebliche Arbeitszeiten, sondern in die Freizeit. Ein vom Betrieb ggf. gewährter Zeitausgleich ist dabei bereits berücksichtigt. Hinzu kommen weitere 59 Freizeitstunden, die auf unbezahlte Überstunden wegen der Weiterbildung, vorhe-rige Information, Vor- und Nachbereitung sowie Fahrtzeiten entfallen. Insgesamt be-trägt damit der Freizeitverlust wegen beruflicher Weiterbildung 133 Stunden pro Teilnehmer und Jahr. Die investierten Freizeitstunden sind zwar ebenfalls als indirekte Weiterbildungskosten anzusehen, wurden in der Studie aber nicht monetär bewertet und nicht den Kosten hinzugerechnet.
  • Kostenunterschiede: Die individuellen Weiterbildungskosten variieren relativ stark nach Geschlecht, schulischem und beruflichem Abschluss, Erwerbsstatus und beruflicher Stellung, aber auch nach Alter der Teilnehmer. Zum einen gibt es deutliche Unterschiede im Anteil der Personen, die bei ihrer Weiterbildung keine Kosten tragen müssen: Relativ häufig erhalten Personen unter 25 Jahren, Hauptschulabsolventen, Absolventen mit betrieblicher Berufsausbildung oder ohne beruflichem Abschluss, abhängig Beschäftigte sowie Arbeiter ihre Weiterbildung kostenfrei. Zum anderen ist die Kostenhöhe bei den Personen, die Kosten übernehmen, teilweise sehr unterschiedlich: Vergleichsweise hohe Kosten haben Männer, Personen zwischen 25 und 35 Jahren sowie ab 55 Jahren, Personen mit Hochschulreife, Hochschulabsolventen und Selbständige.

Zum individuellen Nutzen beruflicher Weiterbildung kam das BIBB zu folgenden ersten Ergebnissen:

  • Eine Gesamteinschätzung des Nutzens aller im Jahr 2002 wahrgenommenen Weiterbildungen durch die Teilnehmer ergab insgesamt eine sehr positive Beurteilung.
    Die Bewertung erfolgte anhand einer elfstufigen Skala. 77 % der Teilnehmer schätzten den Weiterbildungsnutzen für sich als groß ein, 15 % entschieden sich dabei sogar für den positivsten Wert. 19 % der Teilnehmer lagen mit ihrer Beurteilung im mittleren Bereich. Lediglich 4 % schätzten den Nutzen eher gering ein, wobei 1 % der Teilnehmer keinerlei Nutzen der Weiterbildung erkannte.
  • Die Bewertung des Weiterbildungsnutzen im Hinblick auf unterschiedliche Aspekte zeigt, dass am häufigsten ein hoher Nutzen für die persönliche Weiterentwicklung gesehen wird, und zwar von 69 % der Teilnehmer. Sehr oft wurden auch positive Wirkungen hinsichtlich einer Verbesserung der beruflichen Leistungsfähigkeit (67 %) und der Anpassung an neue Tätigkeitsanforderungen (62 %) angegeben. Bessere Aufstiegschancen (31 %) und bessere Verdienstmöglichkeiten (28 %) waren dagegen nach Einschätzung der Teilnehmer am seltensten mit der Weiterbildung verbunden.

Aus den vorgestellten Ergebnisse zur Beteiligung an beruflicher Weiterbildung und zu Kosten und Nutzen lässt sich folgendes erstes Fazit ziehen: Die Privatpersonen übernehmen bereits heute in hohem Maße eigene Verantwortung für ihre berufliche Weiterbildung und investieren in zum Teil beträchtlichem Umfang Zeit und Geld. Allerdings gibt es neben großen Unterschieden in der Beteiligung an beruflicher Weiterbildung nach Geschlecht, schulischem und beruflichem Abschluss, Erwerbsstatus und beruflicher Stellung auch beträchtliche Abweichungen der individuellen Weiterbildungskosten. Deutlich zeigt sich dabei, dass die Bereitschaft, in die eigene Weiterbildung zu investieren, mit der Qualifikation zunimmt. Dies hängt zum einen sicherlich damit zusammen, dass die Motivation zu ständigem Weiterlernen und die hiermit verbundenen Nutzenerwartungen unterschiedlich ausgeprägt sind. Zum anderen dürfte jedoch auch der verfügbare finanzielle Spielraum des Einzelnen eine entscheidende Rolle spielen. Wenn die Teilhabe an beruflicher Weiterbildung für alle Gruppen gewährleistet und Ausgrenzungen vermieden werden sollen, sind künftig gezielte, wirkungsvolle unterstützende Maßnahmen unumgänglich.

Autoren: Ursula Beicht, Dr. Elisabeth M. Krekel, Dr. Günter Walden,
Abteilung 2: Sozialwissenschaftliche und ökonomische Grundlagen

Veröffentlichungen aus dem BIBB-Projekt

  • Ursula Beicht, Elisabeth M. Krekel, Günter Walden:
    Berufliche Weiterbildung - welche Kosten tragen die Teilnehmer? In: BWP - Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, Heft 2/2004, S. 39-43 (7,90 €)
  • Ursula Beicht, Stefan Schiel, Dieter Timmermann: "Berufliche Weiterbildung - wie unterscheiden sich Teilnehmer und Nicht-Teilnehmer? In: BWP - Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, Heft 1/2004, S. 5-10 (7,90 €)

Bestelltanschrift: W. Bertelsmann Verlag, Postfach 100633, 33506 Bielefeld, Tel.: 0521/91101-11, Fax: 0521/91101-19, E-Mail: service@wbv.de

Erscheinungsdatum, Hinweis Deutsche Nationalbibliothek

Veröffentlichung im Internet: 05.04.2004

URN: urn:nbn:de:0035-0033-9

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