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Medieneinsatz in der überbetrieblichen Ausbildung der Bau-Berufe

Der Einsatz von geeigneten Medien in der Ausbildung kann zur Umsetzung notwendiger Innovationen in der überbetrieblichen Bau-Ausbildung beitragen. Worin liegt die Mitwirkung des Bundesinstituts für Berufsbildung? Welche Funktionen haben Medien bei der Gestaltung von handlungsorientierten Lernprozessen und der Kooperation der Lernorte? Warum ist die Akzeptanz durch die Ausbilder entscheidend?

Veröffentlicht: 05.10.2004 URN: urn:nbn:de:0035-0096-5

Netzpublikation von Dr. Klaus Hahne, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich "Bildungstechnologie, Bildungspersonal, Lernkooperation" im BIBB.

1. Zur qualitätsstiftenden Funktion von Medien

Auch für den Medieneinsatz in der überbetrieblichen Berufsbildung hat Bedeutung, was für den Medieneinsatz im Lehrgang grundsätzlich gilt. Die qualitätsstiftende Wirkung von Medien liegt zunächst darin, dass sie mit ihrer genauen Angabe über Ziele, Inhalte, Arbeitsmittel, Werkstoffe, Übungsanleitung etc. den Lehrenden und Lernenden Lehr-, Lern- und Prüfungssicherheit und den Abnehmern der Lehrgangsabsolventen eine gewisse Sicherheit über die im Lehrgang erworbenen Qualifikationen geben. Hinzu kommen allgemein qualitätsstiftende Merkmale von Lehr-/Lernmedien wie z.B. Standardisierungsfunktionen, Veranschaulichungsfunktionen, Strukturierungsfunktionen, Erklärungsfunktionen etc. Diese qualitätsstiftenden Medienmerkmale kommen nicht nur bei geschlossenen Medien im Lehrgangskonzept, sondern auch bei modernen offenen Medien für Handlungslernen nach dem Leittextkonzept zum Tragen, die nach dem Konzept der vollständigen selbständigen Handlung ausgerichtet sind und die nicht nur Medium, sondern gleichzeitig auch Arbeits-, Hilfs- und Strukturierungsmittel im stärker selbstgesteuerten Lernprozess der Lernenden darstellen (vgl. Hahne 1998). Medien können im Lehr- und Lernprozess eine sehr unterschiedliche Intensität annehmen. Dies wird am Beispiel der Medienentwicklung für die Bauberufe aufgezeigt.

2. Curriculare Lehr- und Lernmittel benötigen die Akzeptanz der Ausbilder

Seit seiner Gründung 1970 hat das Bundesinstitut für Berufsbildung für die überbetriebliche Ausbildung (ÜBL) in verschiedenen Branchen vollständige curriculare Lehr- und Lernmaterialien entwickelt, die sich zunächst an dem bewährten Konzept des Grundlehrgangs Metall ausrichteten. Solche Lehrgänge wurden auch für den Bereich der Stufenausbildung Bau in der Grundstufe und für die Bauhauptberufe in der Fachstufe in dem zweiten und dritten Ausbildungsjahr entwickelt. Die von der Bauwirtschaft zunächst selbst erstellten Übungsreihen, die dann vom BIBB übernommen und überarbeitet wurden (sog. weiße Reihe), zeigten in knapper Form z.B. die Bauübungen, die zu verwendenden Werkzeuge, Hilfsmittel und Werkstoffe. Die Ausbilder in den Überbetrieblichen Berufsbildungsstätten verwendeten diese Vorlagen teilweise als Arbeitsblätter, die auch dem Auszubildenden ausgehändigt wurden, teilweise zur Instruktion der Auszubildenden und zur Prüfung der von diesen im Lehrgang abgeleisteten Übungen. Erklärende Hinweise zu den Tätigkeiten, den Werkzeugen und den Werkstoffen enthielten diese Vorlagen nicht. In den Bauberufen hat der Verordnungsgeber die Verwendung dieser BIBB Übungsreihen zu einer Bedingung der Förderung der überbetrieblichen Ausbildung gemacht.

Im Zuge des Aufwertens subjektorientierter Lernprozesse entwickelte das BIBB Mitte der siebziger Jahre eine sogenannte "graue Reihe", in der Theorie und Praxis verbunden, Sinn und Zweck einer Aufgabe ausführlicher beschrieben und die Funktion der Werkzeuge, der Werkstoffe und der Hilfsstoffe im Arbeitsvollzug verdeutlicht wurde. Das BIBB steckte viel Mühe und viel Steuermittel in diese neuen Medienkonzepte für die überbetriebliche Ausbildung, um das Selbstlernen der Lehrlinge zu fördern, musste jedoch nach einigen Jahren erkennen, dass diese "graue Reihe" von den überbetrieblichen Ausbildern nicht gut angenommen wurde, das heißt der Einsatz dieser neuen Medien in den überbetrieblichen Ausbildung fand in breitem Maßstabe nicht statt.

Anfänglich erklärten die Ausbilder auf Befragen, warum sie diese neuen besseren Medien nicht einsetzten, dass die Medien fehlerhaft seien oder auch zu ausführlich für die knappe überbetriebliche Unterweisungszeit etc. Erst später stellten sich durch genaues Befragen in persönlichen Gesprächen die tatsächlichen Gründe heraus. Die überbetrieblichen Ausbilder befürchteten, dass sie ihre Rolle als "Besitzer" der richtigen Information, als Unterweiser, die diese richtige Information an die Lernenden weitergeben und als "Vormacher", dem man das richtige Arbeiten "abschauen" muss, verlieren könnten. Die Medien hätten ein so hohen Erklärungswert - meinten sie schließlich - ,dass sie ihre Rolle als Informationsvermittler verlieren würden. Das war aber gerade die Rolle, auf welche die überbetrieblichen Ausbilder im Baubereich sich gerne zurückgezogen hatten, nämlich die Rolle einer anerkannte Fachkraft ,von der man nur im persönlichen Kontakt etwas erlernen kann. Von dieser Vermittlungsfunktion darf nichts an Medien abgegeben werden, weil sonst Funktionsverlust droht. Erst eine Abkehr von der Rolle des "Besitzers" und Vermittlers des "richtigen Wissens" und die Annahme der Moderatorenrolle mit der Einsicht, dass richtiges Wissen an vielen Stellen vorhanden ist und abgerufen werden kann, hätte hier also einer Medieninnovation mit entsprechenden qualitätsverbessernden Wirkungen zum Durchbruch verholfen.

Das Beispiel mit der grauen Reihe verweist damit auf grundsätzliche Probleme der Medienverwendung und der Umsetzung neuer Lernkonzepte. Auch bei der Umsetzung des Konzeptes "Handelnd lernen in der Bauwirtschaft" (Uhe/Meyser 2001) wird die Bereitschaft und Fähigkeit der Ausbilder zur Annahme der Moderatorenrolle und zur Anregung selbstgesteuerter Lernprozesse eine zentrale Rolle spielen. Eine entsprechende handlungsorientierte Fortbildung des Ausbildungspersonals zur Umsetzung der Leitidee Handlungslernen in der ÜBL mit einer netzgestützten Verbreitung guter Beispiele kann den Wandel in der Praxis der ÜBL-Durchführung wesentlich befördern.

3. Handlungsorientierung in Schule und überbetrieblicher Ausbildung

In den Berufsbildenden Schulen wurde mit der Lernfeldempfehlung eine Hinwendung zu betrieblichen Arbeits- und Geschäftsprozessorientierung eingeleitet. Die KMK-Handreichungen für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen betonen die Wichtigkeit der Abstimmung mit den Ausbildungsordnungen des Bundes schon in ihrem Titel 01. Die Neuordnung der Bauberufe von 1999 brachte neben den ersten vollständig an Lernfeldern ausgerichteten schulischen Rahmenplänen für die Berufsschule auch wesentliche Veränderungen der Ausbildungsordnung mit sich. Hoch, der seitens des BIBB das Neuordnungsverfahren moderiert hat, fasste die damit angestrebte neue Auffassung folgendermaßen zusammen 02. "Berufsfähigkeit" in den Bauberufen heißt demnach vor allem:

  • Arbeitsauftrag prüfen und Arbeitsausführung planen
  • Arbeitsplatz auf der Baustelle einrichten
  • Arbeitsaufgabe selbständig durchführen
  • Arbeitszusammenhänge erkennen und damit zur Verbesserung des Arbeitsablaufes beitragen
  • Qualitätssichernde Maßnahmen ergreifen
  • Maßnahmen zur Sicherheit, zum Gesundheitsschutz und zum Umweltschutz ergreifen.

Solche Komponenten der beruflichen Handlungskompetenz können in Lehrgängen und Übungen natürlich weniger erworben werden als in handlungsorientierten Lernarrangements. Der Hauptausschuss des BIBB hat daher in seiner Empfehlung vom 28.6.2002 zur "Gestaltung und Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen in überbetrieblichen Berufsbildungsstätten (ÜBS)" formuliert, dass auch in diesen "berufliche Kompetenzen möglichst nach handlungsorientierten Ausbildungskonzepten erworben werden" sollen, dass "selbstgesteuertes Lernen gefördert wird" und dass die "didaktische Aufbereitung....( ) sich dabei an der Struktur ... des Kundenauftrages ausrichten (soll)".

4. Medien und Arbeitsaufgaben in handlungsorientierten Konzepten

Die gewandelte Bedeutung von Medien bei der Strukturierung von handlungsorientierten Lern- und Arbeitsaufgaben wird deutlich, wenn man sich rückblickend die traditionellen Übungsreihen des BIBB für die Bauwirtschaft anschaut. Mit technischen Zeichnungen werden das genaue Aufmaß und der Inhalt der Arbeitsaufgabe vorgestellt. Listen der benötigten Werk- und Hilfsstoffe sowie der Werkzeuge, Arbeitsablaufpläne und Hinweise zur Arbeitssicherheit sind in diesen Lehrgangsmedien vorgegeben. Als Quintessenz des medialen Wandels für einen handlungsorientierten Ansatz lässt sich herausstellen, dass diese "kognitiven Tools" der Arbeitsvorbereitung nunmehr von den Lernenden selbst erarbeitet werden müssen. Vorgegeben wird in modernen handlungsorientierten Medien daher ein Arbeitsauftrag, dessen Planung, Ausführung und Bewertung von Lernenden weitgehend selbst geleistet werden muss. Zeichnungen, Leitfragen, Checklisten und Kontrollbögen unterstützen die Lerngruppe bei der Durchführung der vollständigen Handlung, enthalten aber nicht die Planungsinstrumente. Diese müssen die Auszubildenden im Zuge der vollständigen Handlung selbst erstellen. In diesem Sinne sind auch die exemplarischen Aufgabenbeispiele von Uhe/Meyser im Konzept "Handelnd Lernen in der Bauwirtschaft" entwickelt.

5. Zum Medienkonzept "Handelnd Lernen in der Bauwirtschaft"

Auf Initiative der Verbände der Bauwirtschaft im Zusammenwirken mit dem Christiani-Verlag wurden aufgrund der Neuordnung der Ausbildung der Bau-Berufe nach einem Ausschreibungsverfahren Prof. Uhe und Dr. Meyser von der TU Berlin mit der Entwicklung einer Umsetzungshilfe für Ausbilder zur Handlungsorientierung der überbetrieblichen Ausbildung in den Bauberufen mit Praxisbeispielen beauftragt. Auf Initiative des BIBB und des Christiani Verlages konnte auch das Team von Prof. Eckart (Uni Erfurt) in einem Kreis von Experten (zumeist Leiter von Berufsbildungsstätten der Bauwirtschaft), der die Entwicklung der neuen Konzepte begleitete, die Ergebnisse und Materialien des BIBB-Modellversuchs "Integra" vorstellen, der die Entwicklung lernortübergreifender handlungsorientierter integrierter Arbeitsaufgaben gemäß der neuen Ausbildungsordnung zum Ziel hatte. Auch diese und weitere Ausbildungsmedien aus Modellversuchen sollten in das neue Medienkonzept "Handelnd Lernen ..." eingearbeitet werden.

In der für die Umsetzung des Handlungslernens in der ÜBL beispielhaft entwickelten Arbeits- und Lernaufgabe "Mauern von Wänden eines Wochenendhauses" (Uhe/Meyser 2001, S.33 ff.) werden nun nach dem Modell der vollständigen Handlung die konkreten Übungen (Binderverband, Blockverband Kreuzverband mit Abdichtung gegen aufsteigende Feuchtigkeit) in den umfassenderen Auftrag "Bau eines Wochenendhauses" mit entsprechendem Grundriss, Lageplan und Schnitt eingebettet. Die Detailzeichnungen für die konkreten Aufgaben in der ÜBL müssen aus den Bauplänen von den Lehrlingen selbst entwickelt werden. In den Abschnitten Informieren und Planen finden sich u.a. Aufgaben zur Prüfung des Untergrundes, zu Verbandsarten, zur Maßordnung im Hochbau und zur Einrichtung der Baustelle. Außerdem müssen Detailzeichnungen, Materiallisten Werkzeuglisten und der Arbeitsplan durch die Lehrlinge in Gruppenarbeit selbst hergestellt werden. Wichtig sind die Bögen und Checklisten zur Kontrolle der Übungsausführung und zur Selbstbewertung der ganzen Übung als vollständiger Handlung.

Die Arbeitsaufgabe korrespondiert eng mit dem Lernfeld 3 der Berufsschule: "Mauern eines einschaligen Baukörpers" enthält aber auch Bezüge zu den beiden vorhergehenden Lernfeldern "Einrichten einer Baustelle" und "Erschließen und Gründen des Bauwerkes". In der Berufsschule und verbreiteten Schulbüchern werden die sechs Lernfelder der Grundstufe häufig durch ein lernfeldübergreifendes Projekt wie z.B. Bau eines Einfamilienhauses oder eines "Reihenhauses mit Garage" (vgl. Batran u.a. 2000) inhaltlich gefüllt und verbunden. Auch in den schulischen Lernfeldern werden Maßordnung, Baustoffe, Verbandsarten und Arbeitssicherheit etc. ausführlich behandelt. Leider finden sich weder in den lernfeldstrukturierten Schulbüchern noch in der Handreichung von Uhe/Meyser Hinweise auf sinnvolle Abgrenzung der ÜBS-Arbeitsaufgaben zu den entsprechenden schulischen Lernsituationen des Lernfeldes.

Es stellt sich die Frage, wie die vollständige Handlung in der ÜBS mit der umfangreicheren Projektaufgabe "Wochenendhaus" verbunden werden kann. Wenn die Arbeitsaufgabe der ÜBS in einem solchen größeren Auftragszusammenhang steht, ist zu fragen, ob nicht wesentliche Teile der bei Uhe/Meyser ganzheitlich angelegten vollständigen Handlung eher in der Berufsschule im Lernfeld ausgeführt werden sollten. Dies könnte z.B. die Analyse des ganzen Auftrages "Wochenendhaus" und das Erstellen der Detailzeichnungen und der Planungsunterlagen für die Übungen betreffen. Wenn diese Unterlagen in die ÜBS mitgebracht werden, ist beginnend mit dem Einrichten der Einrichtung der Baustelle in der Übungshalle, dem Aufmaß etc. immer noch eine kleinere weniger "theorielastige" vollständige Handlung als Organisationsstruktur der Arbeitsaufgabe gegeben.

Die Konfigurierung der medialen Ergebnisse des Modellversuchs "Integra" in Erfurt und Weimar im Christiani-Ordner "Handelnd Lernen in der Bauwirtschaft" lässt die mit dem Modellversuch ursprünglich angestrebte Entwicklung von lernortübergreifenden Arbeits- und Lernaufgaben nicht erkennen. Die Grund- und Komplexübungen sind zwar als lernortübergreifende Lern- und Arbeitsaufgaben gekennzeichnet, es wird aber nicht deutlich, was die Lernorte jeweils beizutragen haben. Mit der Differenzierung von Arbeitsaufgaben (Schwerpunkt ÜBS) und vertiefenden Arbeitsblättern (Schwerpunkt Schule) wäre eine durch Medien gestützte lernortkooperative Aufgabenwahrnehmung prinzipiell möglich. Nun finden sich die unterschiedlichen Materialien in einem Ordner wieder, der sich nach der Ansicht von Ausbildern und Lehrern scheinbar nur auf die Ausbildung in der ÜBS bezieht, diese aber durch zu viele "versteckte" Schularbeitsblätter überfordert. Inzwischen wird deutlich, dass er daher von den ÜBS-Ausbildern kritisiert oder gar abgelehnt wird. Eine bessere Vermarktung wäre sicher der Titel "Handelnd Lernen am Bau - Handlungsorientierte Materialien für Lernfelder in der Berufsschule und Arbeitsaufgaben für die ÜBS", die die Materialien eindeutig farblich gekennzeichnet den Lernorten zuordnet. Zusätzlich müssen die ÜBS-Übungen und die eher schulischen Materialien explizit den Lernfeldern der Grund- und Fachstufen gemäß den Rahmenlehrplänen zuordnet werden.

6. Zwei Äußerungen aus der Praxis zur Lernortproblematik am Bau

Anlässlich der Tagung des Modellversuchs "IntegrA" im Rahmen der thüringischen Lehrerfortbildung und am überbetrieblichen Ausbildungszentrum in Weimar am 14. Und 15. November 2000 äußerte ein Lehrer zu einigen Kollegen, nachdem er Lern- und Arbeitsaufgaben aus dem Modellversuch kennen gelernt hatte,: "Wenn das alles in der überbetrieblichen Ausbildung behandelt werden soll, was bleibt dann noch für die Berufsschule?". Am 10. Mai 2001 wurde in Dortmund für alle Multiplikatoren der überbetrieblichen Berufsbildungsstätten (ÜBS) der Bauwirtschaft das Konzept von Uhe und Meyser vorgestellt: "Handelnd lernen in der Bauwirtschaft". In der angeregten Diskussion las ein Ausbildungsleiter aus der Übung "Mauern von Wänden eines Wochenendhauses" vor und bezog sich dabei insbesondere auf die umfangreiche Phase des Informierens einschließlich der Prüfung des Untergrundes, des Planens einschließlich der Einrichtung der Baustelle von Detailzeichnungen, Materiallisten, Werkzeuglisten und einer zeitlichen Planung sowie der Phase der Entscheidung mit dem Kernpunkt des Erstellens eines Arbeitsplanes und kommentierte anschließend: "Die Jungens kommen her und wollen endlich was machen, und da soll ich sie so lange vorm Mauern mit Theorie beschäftigen?". Diese beiden Äußerungen zeigen, dass angesichts handlungsorientierter Lernkonzepte, die ja die klassische Aufteilung von Theorie- und Praxislernorten obsolet werden lassen, Lernkonzepte und Curricula oder auch Lern- und Arbeitsaufgaben, die sich ausschließlich auf einen Lernort beziehen, problematisch werden können.

7. Zu einer Besinnung auf Kernaufgaben der überbetrieblichen Lehre

Zukunftsweisende Beispiele für eine lernortübergreifende Entwicklung von medial gestützten Arbeitsaufgaben im Bereich des Straßenbaus fanden wir bei unseren ÜBS-Erkundungen im BIBB-Forschungsprojekt "Perspektiven von ergänzenden überbetrieblichen Maßnahmen in der Ausbildung des Handwerks unter besonderer Berücksichtigung berufspädagogischer Aspekte". Am Berufsbildungszentrum in Köln und der entsprechenden Bau-Berufsschule (vgl. Schierz, Erken 1997) führen Schüler und Lehrer in der Berufsschule die Planung von umfangreichen Projekten im Bereich des Straßenbaus im schulischen Projektunterricht durch, die nach Erstellung vollständiger Planungsunterlagen (z.B. zu einer Bus-Haltestelle mit Pflasterungen Kantsteinsetzungen und Fahrbahnen...) in der folgenden überbetrieblichen Unterweisungsphase ausgeführt werden. An dieses handlungsorientierte und integrierte Vorgehen schließen sich dann die entsprechenden integrierte Zwischen- oder Gesellenprüfungen an. Eine ähnliche teilweise netzgestützte Zusammenarbeit mit der Berufsschule fanden wir auch beim Aus- und Fortbildungszentrum Walldorf in Thüringen, beim Ausbildungszentrum Bau (AZB) in Hamburg und beim BZB (Bildungszentrum des Baugewerbes) in Krefeld.

Angesichts der Lernfeldfeldorientierung in der Berufsschule, die ja dem Ziel dienen soll, den Unterricht handlungsorientiert und stärker an beruflichen Arbeits-, Auftrags- bzw. Geschäftsprozessen auszurichten, und dem Wandel von der methodisch etwas überholten Lehrgangsunterweisung zur Handlungsorientierung in der ÜBS ist es sinnvoll, zwischen vollständigen Handlungen mit unterschiedlichen Reichweiten zu unterscheiden (siehe Abb.).

Damit könnten dann die konkreten Übungen in der ÜBS als kleine vollständige Handlung in die größere des Lernfeldes in der BBS eingebettet werden.

Sind für die ÜBL-Übungen nach dem Konzept der vollständigen selbständigen Handlung mediale Lern- und Arbeitsaufgaben erstellt, so können die Lehrer in der Berufsschule bei der Planung und Durchführung des entsprechenden Lernfeldes im Berufsschulunterricht auf die Aktionen in der "Überbetrieblichen" Bezug nehmen. Dann kann für die "Überbetriebliche" die zeitaufwendige Reduktion der größeren Projektzeichnungen eines ganzen Hauses auf die Zeichnung der tatsächlich auszuführenden Übungsstücke, also von Mauerecken, Läufer- und Binderverbindungen entfallen. In der "Überbetrieblichen" brauchte nur das geplant, gezeichnet und aufgeführt werden, was für die unmittelbaren Durchführungen der konkreten Übung als vollständige Handlung notwendig ist. Dies würde die "Überbetriebliche" von Planungsarbeit entlasten, ihre Konzentration auf das Beibringen der verstandenen Tätigkeit als vollständige Handlung konzentrieren und Verdoppelungen mit der Berufsschule vermeiden.

Meine zentrale These lautet daher: Entwicklungen für einen Lernort greifen zu kurz. Ein lernfeldbezogenes offenes Medium im Sinne der Auftragstypenleitfäden (vgl. Jenewein 1996) würde für alle Beteiligten und alle Lernorte sichtbar schulische, überbetriebliche und später vielleicht auch betriebliche Anteile enthalten können. Dabei würden Erkundungen aus den Lernfeldern in Betriebe und Baustellen möglich sein.

8. Zum aktuellen Stand der Medienproblematik

Nach der Neuordnung der Bauberufe von 1999 (Bekanntmachung der Verordnung über die Berufsbildung in der Bauwirtschaft Lehrplan vom 21.07.1999) wurde zunehmend deutlich, dass die BIBB-Reihen zur Stufenausbildung Bauwirtschaft, die sich auf die damalige Stufenausbildung von 1974 sowie deren Ergänzungen durch Teilnovellierungen richtete, für eine richtige Umsetzung der neugeordneten Bauberufe nicht mehr im vollen Umfang verwendet werden konnten. Anfang 2000 erreichte das BIBB eine Anfrage des BMWA dahingehend, ob das BIBB angesichts der Neuordnung der Bauberufe die weiße und die graue Reihe überarbeiten würde. Die Förderung der überbetrieblichen Berufsbildung in den Bauberufen aus Bundesmitteln, sei weiterhin an die Verwendung der BIBB-Ausbildungsmaterialien gebunden. Das BIBB sah sich seinerzeit nicht in der Lage, ein eigenes Medien-Entwicklungsvorhaben für die Bauberufe ins Forschungsprogramm aufzunehmen und verwies gegenüber dem BMWA auf die Entwicklung neuer Ausbildungsmaterialien in Eigeninitiative der Verbände und des Christiani-Verlages.

Auf den Verlagsitzungen zwischen dem BIBB und dem Christiani-Verlag ergab sich die Frage, wie lange der Christiani-Verlag noch neben der Entwicklung des neuen Konzepts "Handelnd Lernen in der Bauwirtschaft" die veralteten Übungsreihen und Lehrgänge "à Jour" halten müsse und eventuell sogar nachdrucken oder überarbeiten müsse. Dabei wurde deutlich, dass zwischen den Neuentwicklungen im Konzept "Handelnd Lernen in der Bauwirtschaft" und der vollständigen Abdeckung der neugeordneten 15 Bau-Hauptberufe sowie des Hochbau-Ausbau und Tiefbau Facharbeiters noch erhebliche Lücken klafften. Daher konnten die alten Übungsreihen nicht einfach sofort aus dem Angebot genommen werden.

Auf Grund der didaktisch methodischen Veralterungen der BIBB-Übungsreihen und Lehrgänge und der Unzufriedenheit der Ausbilder mit den zu differenzierten und theorieüberfrachteten Komplexaufgaben aus den Modellversuchen in dem Christiani-Paket "Handelnd Lernen in der Bauwirtschaft", kam es an verschiedenen Stellen zu Eigenentwicklungen von Medien (z.B. im Land Thüringen sowie an einzelnen Kompetenzzentren). Eine weit fortgeschrittene Eigenentwicklung des Netzwerkes Bildung Bauwirtschaft (NBB), die aber dem Christiani-Verlag oder den nicht am NBB beteiligten Bildungszentren bisher nicht bekannt war, zielte auf Projekt- und handlungsorientierte ÜBL-Aufgaben nach dem Konzept von Uhe und Meyser für alle Bau-Hauptberufe.

Angesichts der Mehrfach- und Parallelentwicklungen neuer Medien, auf Grund der Neuordnung und der Empfehlung die überbetriebliche Ausbildung durchgängig, handlungs- und auftragsorientiert zu gestalten, hat das BIBB 2004 eine Sachverständigensitzung einberufen, um das Problem mit allen Beteiligten und den von den Verbänden der Bauwirtschaft sowie der IG Bauen, Agrar, Umwelt benannten Sachverständigen zu klären. Die Vertreter vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und von der IG Bauen-Agrar-Umwelt stellten dar, dass aus ihrer Sicht möglichst rasch ein für die bundesseitige Förderung verbindlicher vollständiger Ersatz für die weiße und graue Reihe des BIBB geschaffen werden müsse, um die erreichte Ausbildungsqualität der Stufenausbildung Bau zu sichern.

Die Sachverständigen fassten die vorliegenden Medienentwicklungen dahingehend zusammen, dass es hilfreich sei, ein für alle verpflichtendes Grundcurriculum für die ÜBL von einem vertiefenden lernortübergreifenden Ergänzungscurriculum zu unterscheiden. Entscheidend müsse sein, dass das Grundcurriculum die Akzeptanz möglichst aller überbetrieblichen Ausbilder erreichen müsse. Sie sahen in der Entwicklung des NBB eine geeignete Grundlage für den Ersatz der ehemaligen weißen und grauen Reihe durch eine verbindliche Neuentwicklung (Grundcurriculum ÜBL Bau), an die auch die bundesseitige Förderung der überbetrieblichen Bau-Ausbildung gebunden werden könne.

Damit die Eigenentwicklung des NBB zu der von allen gewünschten neuen Grundbildungsreihe weiter entwickelt werden und die "graue Reihe" verbindlich ersetzen kann, begleitet das BIBB diese Entwicklung in einem eigenen Vorhaben "Ersetzung der grauen Reihe in der überbetrieblichen Ausbildung der Bau-Berufe durch neue Medien gemäß der Neuordnung 1999. Mit Hilfe des BIBB-Vorhabens werden die NBB-Entwicklungen ergänzt, für den Verlag konfiguriert und mit einer neuen Anleitung für die Ausbilder durch die Fachdidaktiker Uhe und Meyser versehen. Dabei wird auch die Zuordnung der überbetrieblichen Projektaufgaben zu den entsprechenden Lernfeldern der Berufsschule herausgestellt um Lernortkooperation zufördern.

Die neuen Projektaufgaben werden berufsbezogen für alle 15 Bau-Hauptberufe entwickelt Es wird jeweils ein Ordner (mit didaktisch-methodischen Hinweisen) für die Ausbilder und ein Ordner mit Arbeitsunterlagen für die Auszubildenden entwickelt. Eine Projektübung für das dritte Ausbildungsjahr ist als Vorlage für die Vorbereitung und Durchführung einer integrierten Prüfung gestaltet. Der von den Verbänden der Bauwirtschaft und der Gewerkschaft Bau-Agrar-Umwelt benannte Sachverständigenkreis soll das Entwicklungsvorhaben kontinuierlich begleiten und dadurch die Akzeptanz der neu zu entwickelnden Grundreihe an den Zentren der Berufsbildung der Bauwirtschaft sicher stellen.

Der Sachverständigenkreis vertrat mehrheitlich die Auffassung, dass die bisher bei Christiani entwickelten differenzierten Materialien aus den Modellversuchen dadurch nicht überflüssig geworden seien. Wenn diese durch Kenntlichmachung ihrer Verwendung in den unterschiedlichen Lernorten ÜBS und Berufsschule und um ihre Zuordnung zu den Lernfeldern ergänzt würden, könnten sie durchaus bei Schulen und außerbetrieblichen Ausbildungsgängen Verwendung finden. Die Verwendung der unterschiedlichen Materialien des Grundcurriculums und der vertiefenden Materialien für ein lernortübergreifendes Vorgehen, wird daher auch in der "Handreichung für Ausbilder und LehrerInnen" von Uhe und Meyser besonders berücksichtigt.

Literaturhinweise

  • Batram, B. u.a.:
    Lernfeld Bautechnik - Grundstufe. Handwerk und Technik, Hamburg 2000
  • Hahne, K.:
    Zum Zusammenhang von Medien, Lernkonzepten und Lernorten in der Berufsbildung, in: Holz, H., Rauner, F., Walden, G. (Hrsg.): Ansätze und Beispiele der Lernortkooperation, in der Reihe: Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Berichte zur beruflichen Bildung, H. 226, Bielefeld 1998, S. 79 - 113
  • Hahne, K.:
    Handelnd Lernen an den Lernorten der Bauwirtschaft - Medien fördern lernortübergreifendes Lernen, in: Meyser, J. (Hrsg.): Kompetenz für die Baupraxis: Ausbilden - Lernen - Prüfen. Ausbildungskonzepte und didaktische Materialien für alle Lernorte, Konstanz 2003, S. 28 - 41
  • Jenewein, K.:
    Auftragstypen - Lernortintegrierende didaktische Ansätze für eine kompetenzfördernde Ausbildung im Berufsfeld Elektrotechnik, in: Bildung und Beruf - Wege zur Entwicklung von Handlungskompetenz in der dualen Berufsausbildung, Neusäß: Kieser, 1996, S. 69-82.
  • KMK 1996, 1997, 1999 (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland) (Hrsg.):
    Handreichungen für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz (KMK) für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe (Stand: 5.02.99)
  • Meyser, J. (Hrsg.):
    Kompetenz für die Baupraxis: Ausbilden - Lernen - Prüfen. Ausbildungskonzepte und didaktische Materialien für alle Lernorte, Konstanz 2003
  • Schierz, E.; Erken, M.:
    Gesellenprüfung auf der Grundlage handlungsorientierten Unterrichts, in: Die berufliche Schule (BbSch), Jg. 49, 1997 Heft 1, S. 17-20
  • Uhe, E., Meyser, J.:
    Handelnd Lernen in der Bauwirtschaft - Handreichung für die Ausbildung. Christiani Verlag, Konstanz 2001

Ausgewählte Publikationen des BIBB zum Thema

  • Autsch, Bernhard; Meerten, Egon (Hrsg.):
    Überbetriebliche Berufsbildungsstätten auf dem Wege zu dienstleistungsorientierten Kompetenzzentren
    Ergebnisse eines bundesweiten Ideenwettbewerbs. Erscheinungsjahr: 2002
  • Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.):
    Baugeräteführer/ Baugeräteführerin
    Erläuterungen und Praxishilfen zur Ausbildungsordnung. Erscheinungsjahr: 2001
  • Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.):
    Bauwerksabdichter/ Bauwerksabdichterin
    Erläuterungen und Praxishilfen zur Ausbildungsverordnung. Erscheinungsjahr: 1998
  • Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.):
    Bauzeichner/ Bauzeichnerin
    Erläuterungen und Praxishilfen zur Ausbildungsordnung. Erscheinungsjahr: 2003
  • Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.):
    Überbetriebliche Berufsbildungsstätten (ÜBS) - Partner für moderne Berufsbildung
    Dokumentation der Fachtagung vom 3. und 4. November 1999 im Bildungszentrum der Handwerkskammer Münster
    Erscheinungsjahr: 2000
  • Großmann, N.; Krogoll, T.:
    Prozessorientierte Entwicklungsplanung im Betrieb
    Veränderungen mit Gruppenarbeit und aufgabenorientierter Qualifizierung im Lernenden Unternehmen (mit CD-ROM). Erscheinungsjahr: 2003
  • Holz, Heinz; Rauner, Felix; Walden, Günter:
    Ansätze und Beispiele der Lernortkooperation
    Erscheinungsjahr: 1998
  • Pätzold, Günter; Walden, Günter:
    Lernortkooperation - Stand und Perspektiven
    Erscheinungsjahr: 1999
  • Pfeil, Gunnar; Hoppe, Manfred; Hahne, Klaus (Hrsg.):
    Neue Medien - Perspektiven für das Lernen und Lehren in der beruflichen Bildung
    Erscheinungsjahr: 2001

Die handlungsorientierten Übungsaufgaben für die überbetriebliche Ausbildung der Bau-Berufe erscheinen ab 2005 beim Christiani Verlag, Konstanz.

  • 1

    KMK 1996, 1997, 1999 (Secretariat of the KMK = the Standing Conference of the Ministers of Education and Cultural Affairs of the Länder in the Federal Republic of Germany) (Ed.): Handreichungen für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz (KMK) für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe (Information sheets on developing outine curricula established by the KMK for occupation-specific instruction at vocational school and their comparison and coordination with the federal government's training regulations for recognized skilled trades) (As of: Feb 5, 1999).

  • 2

    Based on a transparency used by H. D. Hoch in a lecture.

  • 3

    Pilot project by the Erfurt Chamber of Crafts and Trades: "Development and testing of integrated training assignments to network training venues for the construction trade on a didactic basis that fosters learning"

Erscheinungsdatum, Hinweis Deutsche Nationalbibliothek

Veröffentlichung im Internet: 05.10.2004

URN: urn:nbn:de:0035-0096-5

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