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Hoffen auf den Aufschwung

Aktueller Lehrstellenmarkt mit widersprüchlichen Signalen

Vom Lehrstellenmarkt gehen zur Zeit widersprüchliche Signale aus: Zwar wurden der Bundesanstalt für Arbeit im zu Ende gegangenen Vermittlungsjahr 2002/2003 rund 39.500 Lehrstellen weniger gemeldet (-6,7 %). Das Minus resultiert allerdings ausschließlich aus der ersten Hälfte des Vermittlungsjahres. Seit dem Frühjahr nahm die Zahl der betrieblichen Lehrstellenmeldungen gegenüber den Vorjahresmonaten wieder zu. Dies gibt zur vorsichtigen Hoffnung auf eine Trendwende Anlass.

Die Arbeitsämter und Kammern tun zur Zeit alles, um die 35.000 Bewerber, die Ende September noch offiziell unvermittelt waren, doch noch unterzubringen. Zwar gab es zum Abschluss des Geschäftsjahres nur noch 14.800 offene Lehrstellen. Doch sind hierin noch nicht alle Zusatzangebote der Länder enthalten, die diese zur nachträglichen Versorgung unvermittelter Bewerber bereit stellen. Außerdem wird im Spätherbst erfahrungsgemäß noch eine größere Reihe von Ausbildungsplätzen wieder frei, weil ein Teil der Ausbildungsbeginner seine Berufsentscheidung revidiert und seine Lehrstelle wieder aufgibt. Somit besteht zur Zeit gut Hoffnung, allen 35.000 Unversorgten bis spätestens zum 31.12.2003 ein Ausbildungsangebot machen zu können, sei es im Rahmen einer betrieblichen bzw. außerbetrieblichen Lehre oder aber im Zusammenhang mit einer berufsvorbereitenden Maßnahme.

Veröffentlicht: 05.11.2003 URN: urn:nbn:de:0035-0009-3

Rückgang der gemeldeten Stellen vor allem in Westdeutschland

Anders als früher nahm die Zahl der gemeldeten Lehrstellen im letzten Vermittlungsjahr vor allem in den westdeutschen Regionen ab (siehe Grafik 1).

Überdurchschnittlich starke Rückgänge wurden dabei gerade in jenen Ländern gemessen, die bisher die besten Angebotsbilanzen aufwiesen: In Bayern lag das Minus bei 9,9 % und in Baden-Württemberg sogar bei 10,3 %. Gleichwohl ist die Lehrstellenlage in den beiden Ländern immer noch mit Abstand besser als in den meisten anderen Teilen Deutschlands. In einigen Regionen Deutschlands wurden 2003 sogar mehr Lehrstellenangebote gemeldet. Es ist aber zu berücksichtigen, dass Betriebe nicht verpflichtet sind, ihre Ausbildungsplatzangebote dem Arbeitsamt mitzuteilen. Die Veränderungsraten bei den Stellenmeldungen lassen deshalb nur bedingt Rückschlüsse auf die tatsächliche Angebotsentwicklung zu.

Über die tatsächliche Höhe des diesjährigen Lehrstellenangebots ist zur Zeit noch nichts bekannt. Dies wird erst dann der Fall sein, wenn das Bundesinstitut für Berufsbildung im Dezember 2003 seine Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge abgeschlossen haben wird.

Zahl der noch nicht Vermittelten umfasst nicht alle Bewerber, die noch suchen

Die Zahl der Jugendlichen, die bei den Arbeitsämtern als Lehrstellenbewerber registriert wurden, stieg in diesem Jahr um 8.200 auf nunmehr 719.600. Ihnen standen 546.700 gemeldete Lehrstellen gegenüber. Von den 719.600 offiziell registrierten Bewerbern mündeten 338.500 in eine Lehrstelle ein. 310.300 Bewerber begannen eine Alternative zu einer Lehre (u.a. Schule, Berufsvorbereitung, Studium, Arbeit, freiwilliges soziales Jahr), 35.700 verblieben unbekannt. Rund 210.000 bis 250.000 Jugendliche - genaue Zahlen liegen erst im Dezember vor - fanden ihre Lehrstelle, ohne sich bei den Arbeitsämtern registrieren zu lassen.

Heftig umstritten ist, warum so viele Bewerber, die bei den Arbeitsämtern gemeldet waren, letztlich etwas anderes als eine Lehre beginnen: Geschieht dies freiwillig, oder ist dies die Folge fehlender Lehrstellen? Die Geschäftsstatistik der Arbeitsämter gibt darüber keine Auskunft. Auffallend ist aber, dass seit 1992 der Anteil der alternativ verbliebenen Lehrstellenbewerber stark angestiegen ist. Das gilt insbesondere für Westdeutschland (siehe Grafik 2). Mündeten 1992 noch 66 % der Bewerber mit bekanntem Verbleib in eine Lehre ein, waren es 2003 nur noch 45 %. Der Anteil der Alternativ-Verbleiber erhöhte sich dagegen von 31 % auf über 50 %.

Parallel zu dieser Entwicklung stieg die Zahl der alternativ verbliebenen Bewerber, die ihren Vermittlungswunsch nach einer Lehrstelle gegenüber den Arbeitsämtern offiziell aufrecht erhielten - obwohl sie etwas anderes begonnen hatten. In diesem Jahr waren es bereits 46.700 Jugendliche, darunter 40.800 aus den alten und 5.900 aus den neuen Ländern (siehe Grafik 3). Zusammen mit den 35.000 noch nicht vermittelten Bewerbern gab es somit Ende September 2003 rund 81.700 Jugendliche, die auch nach offiziellen Angaben der Bundesanstalt für Arbeit weiterhin auf Lehrstellensuche waren.

Die tatsächliche Zahl der Bewerber, die nicht unbedingt freiwillig, sondern vor allem wegen mangelnden Bewerbungserfolgs mit einer Alternative zu einer Lehre beginnt, dürfte möglicherweise noch deutlich höher liegen. Dies ergibt sich aus den Ergebnissen repräsentativer Lehrstellenbewerber-Befragungen des BIBB und der Bundesanstalt für Arbeit (BA), die in den Jahren 2001 und 2002 durchgeführt wurden. Demnach führt knapp die Hälfte der Bewerber, die nicht in einer dualen Ausbildung waren, ihren alternativen Verbleib auf "erfolglose Lehrstellenbewerbungen" zurück. Etwa ein Fünftel würde am liebsten auch noch zwei Monate nach offiziellem Ausbildungsbeginn in eine Lehre einsteigen. Auf die Verhältnisse von 2003 übertragen würde dies bedeuten, dass im Herbst 2003 neben den 35.000 noch nicht Vermittelten weitere 65.000 bis 70.000 Jugendliche an einem Ausbildungsplatz interessiert sind (346.000 x 0,20 = 69.200).

Lehrstellenbewerber zeigen sich viel mobiler als bisher vermutet

Die BA/BIBB-Bewerberbefragung 2002 machte auch deutlich, dass die Mobilitätsbereitschaft der Jugendlichen mit Abstand größer ist, als bisher vermutet wurde. Von den 711.400 gemeldeten Lehrstellenbewerbern des vergangenen Jahres hatten sich hoch gerechnet zwar nur 107.600 bzw. 15,1 % auf Ausbildungsplätze beworben, die mehr als 100 km entfernt lagen. Dieser Anteil darf allerdings nicht einfach mit der Mobilitätsbereitschaft schlechthin gleichgesetzt werden. Denn aus naheliegenden Gründen bevorzugen Jugendliche Ausbildungsplätze in der Nähe ihres Heimatortes und bewerben sich nur dann überregional, wenn der einheimische Lehrstellenmarkt nur geringe Ausbildungschancen bietet. Deshalb unterscheiden sich die einzelnen Bundesländer auch deutlich in Hinblick auf den Anteil der Bewerber, die überregionale Bewerbungen schrieben. Während er in Baden-Württemberg mit einer immer noch überdurchschnittlich guten Lehrstellenversorgung lediglich 7,8 % betrug, lag er in Brandenburg bei 39,8 %. Es gilt also: Je schwieriger die Lehrstellenlage vor Ort, desto größer ist auch die gezeigte Mobilitätsbereitschaft. Statistische Simulationen lassen vermuten, dass in ländlichen Regionen mit geringer Einwohnerdichte und einer Zahl von maximal 50 betrieblichen Ausbildungsplatzangeboten je 100 Lehrstellennachfrager etwa die Hälfte der Bewerber einen Ausbildungsplatz außerhalb der Heimatregion sucht. Dabei zeigen sich übrigens junge Frauen deutlich mobilitätsbereiter als junge Männer.

Nach den Ergebnissen der Berufsberatungsstatistik hatten 2002 rund 44.000 Jugendliche mit ihren überregionalen Bewerbungen Erfolg und traten eine Lehrstelle außerhalb des eigenen Arbeitsamtsbezirks an. Sie trugen damit zum Ausgleich der regionalen Ungleichgewichte zwischen Ausbildungsplatzangebot und -nachfrage bei. Durch die Mobilität können einzelne regionale Märkte allerdings auch unter Druck geraten.

Dies zeigt das Beispiel Hamburg. Im letzten Jahr nahm der Hamburger Ausbildungsstellenmarkt rund 2.000 Lehrstellenbewerber von außerhalb auf. Das Einzugsgebiet Hamburgs reichte über Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern bis hinein in die Oberlausitz (siehe Grafik 4). Dagegen begannen nur 38 Hamburger Jugendliche eine Lehre außerhalb der Hansestadt. Die starke Netto-Einwanderung führte in der Konsequenz dazu, dass die Ausbildungsplatzangebote der Hamburger Wirtschaft nicht mehr ausreichten, um die Schulabgängerinnen und Schulabgänger aus der eigenen Stadt ausreichend zu versorgen.

Obwohl rein rechnerisch in der Hansestadt überdurchschnittlich viele Lehrstellen für die Hamburger Jugendlichen zur Verfügung standen, zählte Hamburg in Folge des starken "Einwanderungsdruck" dennoch zu den größten Problemregionen Westdeutschlands.

Schulabgängerzahlen bis 2010: Zuwachs im Westen, starker Rückgang im Osten

Auch in den kommenden Jahren wird sich der Ausbildungsstellenmarkt in Ost und West äußerst unterschiedlich entwickeln - aus demographischen Gründen: Während sich in den Regionen Ostdeutschlands die Zahl der Schulabgänger aus allgemein bildenden Schulen zum Teil mehr als halbiert, ist in den meisten Regionen Westdeutschlands weiterhin mit wachsenden Nachfragezahlen zu rechnen (siehe Grafik 5). Eine etwaige Entlastung des westdeutschen Ausbildungsstellenmarktes ist also nicht zu erwarten.

Die Rückgänge der Einpendler aus den neuen Ländern dürften das Problem nur zum Teil entschärfen. Offen ist, inwieweit sich in den kommenden Jahren die Richtung der Ausbildungspendler umkehrt und nun zunehmend westdeutsche Jugendliche versuchen werden, eine Lehrstelle im Osten zu finden. Für die Betriebe Ostdeutschlands dürfte der starke Rückgang der Schulabgängerzahlen mit Sicherheit zu einem immensen Problem werden. Dies gilt umso mehr, als ein großer Teil der Beschäftigten das Rentenalter erreichen wird und durch Nachwuchskräfte ersetzt werden muss.

Autor: Dr. Joachim Gerd Ulrich, Arbeitsbereich "Qualifizierungsbedarf, Bildungsangebot und -nachfrage"

Literaturhinweise

  • Bundesanstalt für Arbeit (2003): Arbeitsmarkt in Zahlen. Ausbildungsvermittlung. Ratsuchende und Bewerber, Berufsausbildungsstellen. Berichtsjahr 2002/2003. Nürnberg: Bundesanstalt für Arbeit.
    Abrufbar unter: http://www.pub.arbeitsamt.de/hst/services/statistik/detail/h.html
  • Bundesministerium für Bildung und Forschung (2003): Berufsbildungsbericht 2003. Bonn, BMBF. Hier insbesondere Teil II, Kap. 1.3.2: Situation von Bewerbern und Bewerberinnen, die nach der Verbleibstatistik der Bundesanstalt für Arbeit nicht in eine duale Berufsausbildung einmündeten. S. 70-72.
    Abrufbar unter: http://www.bmbf.de/de/4295.php
  • Ulrich, Joachim Gerd; Ehrenthal, Bettina; Eden, Andreas; Rebhan, Volker (2002): Ohne Lehre in die Leere? Ergebnisse der BIBB/BA-Bewerberbefragung 2001. In: Informationen für die Beratungs- und Vermittlungsdienste (ibv), Nr. 27/02 vom 3. Juli 2002, S. 2.119-2.198.
    Abrufbar unter: https://metadaten.bibb.de/metadatengruppe/2
  • Ulrich, Joachim Gerd; Troltsch, Klaus (2003): Stabilisierung des Lehrstellenmarktes unter wirtschaftlich schwierigen Rahmenbedingungen? Aktuelle Analysen der Berufsberatungsstatistik zur Lage auf dem Ausbildungsstellenmarkt (Forschung Spezial, H. 5). Bielefeld: Bertelsmann.
  • Ulrich, Joachim Gerd (2003): Ergänzende Hinweise aus der Lehrstellenbewerberbefragung 2002 zur Interpretation der Berufsbildungsstatistik: das Problem der latenten Nachfrage. In: Informationen für die Beratungs- und Vermittlungsdienste (ibv), Nr. 13/03 vom 25. Juni 2003, S. 1.775-1.784. Abrufbar unter:
    http://www.arbeitsamt.de/hst/services/bsw/ausbverm/veroeffentlichungen/ausbildungsmarkt/index.html

Erscheinungsdatum, Hinweis Deutsche Nationalbibliothek

Veröffentlichung im Internet: 05.11.2003

URN: urn:nbn:de:0035-0009-3


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