Afrika Skills Week: Bestätigung für eine globale Berufsbildungsagenda
22.10.2024
Die erste Africa Skills Week der Afrikanischen Union war ein voller Erfolg. Das BILT Bridging Event - gemeinsam ausgerichtet von UNESCO-UNEVOC und dem BIBB - bestätigte die Relevanz einer globalen Berufsbildungsagenda (Global TVET Agenda). Der Aufruf zu gemeinschaftlichem Handeln und strategischem Engagement für gemeinsame Prioritäten, insbesondere zwischen multilateralen Organisationen, fand breite Unterstützung bei afrikanischen und internationalen Partnern. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gestaltet den Agenda-Prozess zur Zukunft der Berufsbildung im Rahmen der Exzellenzinitiative Berufliche Bildung.
Vom 14. bis zum 18. Oktober 2024 bot die Africa Skills Week in Accra, Ghana, den Rahmen für eine BILT-Regionalkonferenz. Gastgeber vor Ort war die ghanaische Commission for Technical and Vocational Education and Training (CTVET), ein langjähriger Partner des BIBB und aktives UNEVOC-Zentrum. Rund 50 Teilnehmende aus der BILT-Community mischten sich unter die rund 500 Gäste der Afrikanischen Union und ihrer Partner.
Mit Einblicken in die Berufsbildungspraxis und mit den Perspektiven der Jugendlichen begann die Africa Skills Week. Insgesamt sieben Berufsschulen in Accra und Umland öffneten ihre Tore für Besuchergruppen, und zahlreiche Lernende waren aktiv im Veranstaltungs-Programm – und das nicht nur am ersten Tag. So war klar: Die Realität der jungen Menschen zählt und soll Ausgangspunkt für die politischen Diskussionen sein, die in der Woche folgten.
Afrikanische Perspektiven – Hochrangige Beiträge
In der Eröffnung setzte der Kommissar für Bildung, Wissenschaft, Technologie und Innovation der Afrikanischen Union, Prof. Mohammed Belhocine, zwei zentrale Botschaften. Zum einen: Afrika hat die Arbeitskräfte der Zukunft, und zwar nicht nur für den Kontinent, sondern für die gesamte Welt. Die Wirtschaftskommission für Afrika der Vereinten Nationen (UNECA) prognostiziert, dass im Jahr 2050 global gesehen einer von drei jungen Menschen afrikanisch sein wird, und Afrika fast 25 % der Arbeitsbevölkerung weltweit stellt.
Zum anderen stellte Kommissar Belhocine fest: Das Potenzial von Frauen und Mädchen wird nicht genutzt. Der ghanaische Bildungsminister, Dr. Yaw Osei Aduntwum, griff dies in seiner Ansprache auf: Aktuell investiert Ghana in MINT-Schulen für Mädchen. Generell soll der Fokus mehr auf den MINT-Bereich sowie auf digitale Kompetenzen gelegt werden. Entsprechende moderne Lernorte machen Berufsbildung zusätzlich attraktiv. Unter den bereits erzielten Erfolgen in Ghana nannte er das „Free TVET“-Programm. Kosten für Schule, Verpflegung, Lehrbücher und Unterbringung entfallen, sodass der Zugang zu Berufsbildung enorm verbessert wurde und die Zahlen entsprechend stark angestiegen sind.
Im Ministerdialog, an dem neben Ghana auch Sierra Leone, Uganda und Libyen beteiligt waren, wurden folgende Prioritäten für die Gestaltung der Berufsbildung genannt:
- Attraktivität und Inklusivität der Berufsbildung: Es braucht besseres Marketing und Anreize bzw. Unterstützungsangebote, um mehr junge Menschen, darunter insbesondere Frauen und Mädchen, für eine Ausbildung zu begeistern. Ein wiederkehrendes Thema war die Einbeziehung des informellen Sektors und der rund 80 % der Arbeitnehmenden, die außerhalb des formellen Systems tätig sind.
- Qualität und Kapazitätsaufbau: Qualitätsverbesserung geht mit Qualifizierung der Lehrkräfte einher. Der Aufbau von Institutionen, auch von neuen Zentren für Exzellenz, die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor sowie mit internationalen Partnern wurden angeführt.
- Finanzierung und Infrastruktur: Eine zentrale Herausforderung bleibt die nachhaltige Finanzierung der Berufsbildung. Dies betrifft sowohl die involvierten Behörden, die Ausbildungseinrichtungen und Lehrkräfte als auch die Unterstützung der Lernenden.
- Nationale und regionale Zusammenarbeit: Verbesserung der interministeriellen Koordination und Verstärkung der regionalen Zusammenarbeit wurden als wichtige Maßnahmen angeführt, um effektiver die Herausforderungen anzugehen.
Ein anschließendes Panel zur Entwicklung der Berufsbildung in Afrika in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern vertiefte die Diskussion der Herausforderungen. Peter Thiele, Referatsleiter im BMBF, brachte die deutsche Perspektive ein, neben Beiträgen von u.a. der Entwicklungsagentur der Afrikanischen Union (AUDA-NEPAD), der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB), UNESCO sowie ILO. Peter Thiele unterstrich das Interesse Deutschlands an internationaler Zusammenarbeit auf Augenhöhe und das Potenzial, das in globalen Partnerschaften mit gemeinsamen Prioritäten und strategischer Ausrichtung auf drängende Themen – wie Fachkräfte, Digitalisierung, Dekarbonisierung – liegt. In diesem Sinne ist die Idee einer globalen Berufsbildungsagenda zu verstehen und mitzugestalten. Ergänzend führte er Deutschlands Beteiligung am OECD-Vorhaben zur Entwicklung eines Berufsbildungs-PISA (OECD VET PISA) und WorldSkills Africa als Beispiele für die Bedeutung gemeinsamer Standards in der Berufsbildung an.
Neue Kontinentalstrategie für Berufsbildung der Afrikanischen Union
Die Afrikanische Union (AU) schloss den Konferenztag mit einem Einblick in die Überarbeitung der aktuellen Kontinentalstrategie für die Berufsbildung. Ziel der neuen Continental TVET Strategy 2025-2034 ist es, die Mitgliedstaaten darin zu unterstützen, Systeme für hochwertige, relevante und inklusive Berufsbildung auszubauen. Besonders betonte Sophia Ashipala, Leiterin der Bildungsabteilung der African Union Commission, dass Passungsprobleme und die unzureichende Beteiligung des Privatsektors an der Berufsbildung adressiert werden müssen. Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind weiterhin Kernthemen. In Bezug auf Inklusion sollen neben Frauen und Mädchen die Zielgruppen der Schulabbrechenden sowie der Geflüchteten stärker in den Blick genommen werden.
BILT Event: Unterstützung für eine globale Berufsbildungsagenda
Der zentrale Tag des BILT-Events stand ganz im Zeichen des Austauschs zur globalen Berufsbildungsagenda und der Frage, wie strategische Zusammenarbeit an gemeinsamen Prioritäten in der Berufsbildung verstärkt werden kann: „Framing a global TVET agenda“.
Fred Kyei Asamoah, Generaldirektor von CTVET, Friedrich Hübler, Leiter von UNESCO-UNEVOC, und Birgit Thomann, Leiterin der Abteilung „Berufsbildung international“ im BIBB, eröffneten den Konferenztag. Birgit Thomann betonte, dass die Entwicklung einer globalen Berufsbildungsagenda eine gemeinsame Verpflichtung darstellt, die internationale Zusammenarbeit in Politik, Forschung und Praxis zu stärken – ein Staffelrennen mit internationalen Partnern, bei dem das BIBB bereit ist, den Staffelstab zu übernehmen und die nächsten Schritte zu gehen.
Keynotes: TVET for the 21st Century: African perspectives and a global TVET agenda
In seiner Keynote hob Peter Thiele die Bedeutung einer kohärenten und strategischen internationalen Berufsbildungszusammenarbeit als Kernziel einer globalen Berufsbildungsagenda hervor, um gemeinsame Herausforderungen effizienter zu bewältigen. Deutschland, in der Mitte Europas gelegen, mit neun Nachbarländern, einer alternden Bevölkerung und begrenzten natürlichen Ressourcen, sei besonders auf solche Partnerschaften angewiesen. Diese Zusammenarbeit müsse stets auf Augenhöhe erfolgen und das gegenseitige Lernen in den Vordergrund stellen. Besondere Bedeutung komme dabei der Kooperation mit multilateralen Organisationen wie UNESCO-UNEVOC, der OECD und der Europäischen Kommission, der ILO und der ETF zu.
Er betonte, dass eine verstärkte globale Zusammenarbeit, im Sinne einer „Global TVET Agenda“, das zentrale Ziel der dritten Säule der Exzellenzinitiative Berufliche Bildung zur Internationalisierung der Berufsbildung sei. Durch bereits bestehende Kooperationen, die Identifikation von regionalen Anlaufstellen und der Ausweitung von Initiativen wie BILT würden solide Grundlagen geschaffen, um den interregionalen Austausch zu fördern und nachhaltige, qualitativ hochwertige Berufsbildungssysteme weltweit zu etablieren.
Auch Sophia Ashipala ging auf thematische gemeinsame Nenner für eine globale Agenda in der beruflichen Bildung ein: Sie sieht die Notwendigkeit, Lernende mit Fähigkeiten auszustatten, die direkt auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes abgestimmt sind. Darüber hinaus betont sie die Bedeutung einer inklusiven Bildung, die sicherstellt, dass auch marginalisierte und benachteiligte Gruppen Zugang zu beruflicher Ausbildung erhalten. Außerdem legte sie den Fokus auf die Integration digitaler Kompetenzen in alle Ausbildungsprogramme, um sicherzustellen, dass Lernende auf eine digitalisierte Arbeitswelt vorbereitet sind.
Ashipala verwies auf weitere zentrale Herausforderungen, wie die Stärkung der Attraktivität der Berufsbildung, den Ausbau der Zusammenarbeit mit dem Privatsektor und die Förderung nachhaltiger Entwicklung. Abschließend bekräftigte sie: „Afrika wird den Prozess zu einer globalen Berufsbildungsagenda nicht nur mitgestalten, sondern anführen."
Podiumsdiskussion – gemeinsame Prioritäten
Eine Podiumsdiskussion und der Austausch mit den Teilnehmenden festigte gemeinsame Themen im Sinne einer globalen Berufsbildungsagenda:
- Kohärenz: nationale, regionale und multilaterale Ansätze stärken
- Evidenzbasierte Politikgestaltung: durch mehr Forschung und Datenerhebung zur beruflichen Bildung;
- Nachhaltige Finanzierung: langfristige Unterstützung sicherstellen
- Digitale und grüne Transformation: als zentrale Herausforderungen
- Attraktivität und Exzellenz: Aufbau von regionalen Exzellenzzentren
- Inklusion und Geschlechtergerechtigkeit: gleichberechtigter Zugang für alle Geschlechter und marginalisierte Gruppen fördern
- Kooperation mit dem Privatsektor: arbeitsgestütztes und marktorientiertes Lernen fördern
- Umgang mit informellem Berufsbildungssektor: Angebote zur Anerkennung informell erworbener Kompetenzen ausweiten (recognition of prior learning) sowie Microcredentials als Mittel zur Integration nutzen
- Gemeinsame Grundlagen schaffen: bestehende Strukturen stärken, mit dem Ziel, ein Netzwerk von regionalen Anlaufstellen für inklusive Transfer- und Innovationsprozesse aufzubauen
Panel und Publikum waren sich einig, dass ein strukturierter Austausch und gemeinsames Engagement für Exzellenz und Relevanz entscheidend sind, um Berufsbildungssysteme weltweit nachhaltig zu transformieren.
Ein weiteres Highlight war der Impulsbeitrag von El Iza Mohamedou, Leiterin des OECD Centre of Skills. Sie griff zentrale Positionen der Podiumsdiskussion auf und unterstrich die Bedeutung evidenzbasierter Politikgestaltung. Sie forderte die Initiierung gemeinsamer Forschungsprojekte sowie die Schaffung innovativer Plattformen für den Austausch von Daten und Ressourcen, um die Attraktivität und Effektivität der Berufsbildung zu erhöhen: „Wir ändern die Narrative über die Berufsbildung durch Daten“ (s. rechte Spalte).
ILO Session: Qualitätsausbildungen als Wegbereiter
Birgit Thomann trat als Expertin in einer von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) organisierten Parallel-Session auf zur Frage, wie die Entwicklung qualitativ hochwertiger Berufsausbildung in Afrika unterstützt werden kann. Was kann das BIBB aus seiner Erfahrung in der internationalen Zusammenarbeit einbringen? Sie ging insbesondere auf die Zusammenarbeit zwischen Ghana und Deutschland ein, in deren Rahmen GOVET den Aufbau eines Monitoring- und Berichtssystems für die Berufsbildung sowie die institutionelle Entwicklung des Partners CTVET unterstützt.
BILT Expertengruppe Bau
In Accra kam auch die aktuelle BILT-Expertengruppe zur Berufsbildung im Baugewerbe zusammen. Im Fokus stand die Anerkennung informell erworbener Kompetenzen (Recognition of Prior Learning - RPL). Vorgestellt wurden zunächst zwei erfolgreiche Ansätze: aus Kenia sowie aus Äthiopien (Präsentationen s. rechts unter "Downloads"). Eine Paneldiskussion brachte zusätzlich die Perspektiven auf RPL im Kontext der Arbeit mit Geflüchteten (über UNHCR) sowie mit strukturell besonders Benachteiligten (über Don Bosco) ein.
Ausblick
Das nächste BILT Bridging Event wird 2025 in Asien stattfinden. Zusätzlich ist die BILT-Expertengruppe kontinuierlich aktiv und weitere Webinare sind geplant.
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