Mehr als Talent: Der Einfluss sozialer Kontexte auf Bildungs- und Berufswege junger Menschen
05.06.2025
Soziale und institutionelle Kontexte prägen Bildungswege und berufliche Chancen junger Menschen. Ein Themenheft der Fachzeitschrift „Social Inclusion“, mitherausgegeben von Kolleginnen und Kollegen des BIBB, zeigt, warum es wichtig ist, diese Kontexte in Forschung und Praxis stärker zu berücksichtigen.

Wie sich die Übergänge junger Menschen von der Schule in Ausbildung und Beruf gestalten, wird wesentlich von sozioökonomischen Kontexten beeinflusst. Bisher konzentrierte sich die Forschung eher auf individuelle Faktoren. Es gilt jedoch, stärker in den Fokus der Forschung zu nehmen, wie regionale Unterschiede, institutionelle Regelungen oder sozio-ökonomische Strukturen berufliche Chancen und Bildungsübergänge beeinflussen.
Für eine solche nachhaltige Perspektiverweiterung plädiert ein aktuelles Themenheft des internationalen Peer-Review-Journals „Social Inclusion“, herausgegeben von Jun.-Prof. Dr. Alexandra Wicht (BIBB und Universität Siegen), PD Dr. Oliver Winkler (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg), Dr. Mona Granato (BIBB) und Prof. Dr. Alexandra Nonnenmacher (Universität Siegen/Hochschule Worms).
Die neun Beiträge des Themenheftes zeigen aus nationalen und internationalen Perspektiven, wie Bildungssysteme, Arbeitsmärkte sowie das lokale und regionale Umfeld Bildungswege und frühe Karriereverläufe junger Menschen prägen und damit Chancen, aber auch kumulative Ungleichheiten und Barrieren in den Übergängen strukturieren.
Deutlich wird: Gerade für vulnerable Gruppen – etwa junge Geflüchtete oder junge Menschen mit Behinderungen – können regionale Disparitäten, kommunale Politiken oder die Struktur von Bildungssystemen entscheidend sein. Ins Licht rücken ferner Interventionen mit beruflichen Rollenmodellen, räumliche Mobilität bei der Ausbildungssuche und langfristige Folgen von Arbeitslosigkeit.
„Unser Ziel ist es, die komplexen Wechselwirkungen zwischen individuellen Faktoren sowie institutionellen und sozialen Rahmenbedingungen weiter zu entschlüsseln“, betont Jun.-Prof. Dr. Alexandra Wicht, Leiterin der BIBB-Nachwuchsgruppe „Berufliche Orientierung und ihre Realisierung: Übergänge junger Menschen in die Berufsausbildung im räumlichen Kontext (BOR³)“. Ergänzend unterstreicht Dr. Mona Granato, Ko-Sprecherin des BIBB-Themenclusters „Berufliche Orientierung, Bildungs- und Berufseinstiegsverläufe“: „Die Ergebnisse sollen auch Entscheidungsträgerinnen und -trägern aus Politik und Praxis helfen, wirksamere Strategien zu entwickeln, um die Übergänge junger Menschen zu unterstützen und ihre gleichberechtigte Teilhabe in Bildung und Beschäftigung zu fördern.“
Prof. Dr. Hubert Ertl, Forschungsdirektor und Ständiger Vertreter des Präsidenten am BIBB, sieht in der Gastherausgeberschaft und der Beteiligung mehrerer BIBB-Mitarbeitenden als Autorinnen und Autoren einen wichtigen Beleg für die Qualität der wissenschaftlichen Arbeit am BIBB: „Wir bündeln unsere Forschung gezielt in strategischen Themenclustern und fördern dabei konsequent unseren wissenschaftlichen Nachwuchs. Dass unsere Arbeiten nun in einer angesehenen Zeitschrift internationale Beachtung finden, ist Bestätigung und Ansporn zugleich, den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen und auszubauen.
Die erfolgreiche Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses am BIBB spiegelt sich in zwei Beiträgen des Themenheftes wider. Der erste Beitrag beschäftigt sich mit der kontextuellen Einbettung beruflicher Aspirationen. Verfasst hat ihn die BIBB-Doktorandin Eva Böhle gemeinsam mit Dr. Janina Beckmann und Dr. Mona Granato. Auf der Grundlage einer breit angelegten Interventionsstudie mit 1.190 Schülerinnen und Schülern in NRW untersuchen die Autorinnen, wie berufliche Rollenmodelle („Ausbildungsbotschafterinnen und -botschafter“) das Interesse von Schülerinnen und Schülern an den vorgestellten Ausbildungsberufen erhöhen können und wie diese Einflussprozesse von Peers und Familie als Schlüsseldimensionen des sozialen Umfelds strukturiert werden.
Der zweite Beitrag, geschrieben von BIBB-Doktorandin Linda Hoffmann, Mitarbeiterin in der BOR³-Nachwuchsgruppe, befasst sich mit der Mobilitätsbereitschaft von Ausbildungssuchenden. Anhand repräsentativer Längsschnittdaten, verknüpft mit administrativen Regionaldaten, untersucht der Beitrag die Bedeutung beruflicher Statusaspirationen und regionaler Gelegenheitsstrukturen für Anpassungen der Mobilitätsbereitschaft unversorgter Jugendlichen während der Ausbildungsplatzsuche.
Zum Themenheft
Alexandra Wicht, Oliver Winkler, Mona Granato und Alexandra Nonnenmacher
The Role of Contexts in Educational and Employment Transitions and Pathways of Young People
(Einfluss sozialer Kontexte auf Bildungs- und Berufswege junger Menschen)
Zu den Beiträgen
Eva Böhle, Janina Beckmann und Mona Granato
Preparing Transitions: The Impact of Vocational Role Models on Occupational Aspirations Within Social Contexts (Rollenmodelle in beruflicher Orientierung)
Linda Hoffmann
Adaptations in Youths’ Willingness to Be Spatially Mobile: Influence of Status Aspirations and Regional Disparities (Mobilitätsbereitschaft von Ausbildungssuchenden)