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Planspielarten

Das Planspielangebot, das im deutschsprachigen Raum etwa 400 Produkte zählt, fußt im Prinzip auf wenigen Konstruktionsmustern, die in ihrer Kombination allerdings zu einer beachtlichen Vielfalt an Planspielkonfigurationen führen. Die nachfolgende Übersicht und die dazu gehörigen Erläuterungen (Quelle: U. Blötz/D. Ballin in "Planspiele in der beruflichen Bildung") sollen helfen, sich in der Vielfalt der Planspielkonfigurationen zurecht zu finden. Die Tabelle zeigt vier für die Entwicklung und Auswahl von Planspielen wesentliche Kriterien: das verfügbare Spielmedium, den zu behandelnden Realitätsausschnitt (den Modellbereich), das tutorielle Begleitsystem und das soziale Arrangement.

 

 

Spielmedium

Der in einem Planspiel abgebildete Modellbereich (das Bezugssystem) bildet - kombiniert mit der Zielgruppe - ein zweites wichtiges Auswahl- und Konstruktionskriterium. Behandelt das Planspiel schwerpunktmäßig das Führungs-, Entscheidungs- und Planungsmodell eines möglichst allgemein gehaltenen Unternehmens, spricht man von General-Management-Planspielen, Business-Simulationen oder Unternehmensplanspielen allgemein. Das im Spiel abgebildete Modell berücksichtigt bei diesen Spielen stets die Gesamtperspektive der Unternehmensführung, ohne allerdings auf die Besonderheiten einer Branche einzugehenden.

Modellbereich

Der in einem Planspiel abgebildete Modellbereich (das Bezugssystem) bildet - kombiniert mit der Zielgruppe - ein zweites wichtiges Auswahl- und Konstruktionskriterium. Behandelt das Planspiel schwerpunktmäßig das Führungs-, Entscheidungs- und Planungsmodell eines möglichst allgemein gehaltenen Unternehmens, spricht man von General-Management-Planspielen, Business-Simulationen oder Unternehmensplanspielen allgemein. Das im Spiel abgebildete Modell berücksichtigt bei diesen Spielen stets die Gesamtperspektive der Unternehmensführung, ohne allerdings auf die Besonderheiten einer Branche einzugehenden.

Branchen-Planspiele spezifizieren das betriebswirtschaftliche Modell eines Wirtschaftszweiges genauer. Allerdings sind auch bei ihnen Einschränkungen zu beachten, da die üblichen Brancheneinteilungen häufig zahlreiche Unterbranchen aufweisen, die nur auf einem hohen Abstraktionsgrad Gemeinsamkeiten aufweisen. Nicht zu unterschätzen sind auch Unterschiede die sich aus Unternehmensgrößen ergeben, so ist der "Tante-Emma-Laden" um die Ecke ebenso ein Handelsbetrieb wie der METRO-Konzern.

Von Funktions-Planspielen spricht man, wenn der abgebildete Modellbereich die Belange, Planungs-, Organisations- und Arbeitstechniken eines betrieblichen Funktionsbereiches wie Absatz- oder Produktionswirtschaft im besonderen Maße berücksichtigt. Die Stärke von Funktions-Planspielen bildet gleichzeitig auch ihre große Schwäche. Die größere Realitätsnähe für einen oder mehrere Funktionsbereiche wird auf Kosten der ganzheitlichen Sicht eines Unternehmens erkauft.

Verhaltens- und Rollenplanspielen liegt kein mathematisiertes Modell zugrunde, wie dies bei den zuvor geschilderten Betriebswirtschafts-Planspielen der Fall ist. Betriebswirtschafts-Planspiele können sich auf ausgefeilte und ausgearbeitete Theorien der Betriebswirtschaftslehre stützen. Moderne Verhaltensplanspiele beziehen sich auf qualitative Konzepte einer verhaltenswissenschaftlich-orientierten Betriebswirtschaftslehre, der Managementlehre, der Organisationstheorie und/oder dem amerikanischen Konzept des Organizational Behavior. Ein mögliches Anliegen kann z. B. sein, die individuellen "mentalen Modelle" der Unternehmensmitarbeiter abzubilden und ein geeignetes Instrumentarium bereitzustellen, um ein von der Gesamtorganisation getragenes, gemeinsames mentales Modell zu entwickeln. Verhaltensplanspiele eignen sich vor allem dann, wenn es um die gezielte Einführung und Förderung von Organisations- und Personalentwicklungsmaßnahmen wie Teamentwicklung, Kunden- und Prozessorientierung u. a. geht.

Den zuvor geschilderten Planspielarten ist trotz aller Verschiedenheit gemeinsam, dass dem Planspiel ein mehr oder minder fest vorgegebenes Modell zugrunde liegt. Das Modell wurde von Fachleuten (Experten) entwickelt und im dafür vorgesehenen Modellbereich (Branche, Funktionsbereich) erprobt. In gewissen Grenzen (z. B. Art des praktizierten Kostenrechnungssystems oder Anzahl der Konkurrenten am Markt) kann das Spielmodell konkreten Handlungssituationen angepasst werden. Grundsätzlich sind die Modelle aber starr und unveränderlich. Der Planspieler lernt das, was die Modellentwickler für richtig (und wichtig) erkannt haben. Der Planspieler "lernt am Modell". Dieses Lernverhalten kennzeichnet geschlossene Planspiele (engl. Rigid-Rule-Games). Bei den noch genauer zu beschreibenden Free-Form-Games oder offenen Planspielen sind zwei Varianten zu unterscheiden:

a) Es ist kein festes Modell vorgegeben, vielmehr ist es Aufgabe des Planspiel-Teams, ein eigenes Modell selbst zu entwickeln. Sie "lernen im Prozess" - der Modellentwicklung. Die dabei entstehenden Realitätsausschnitte (=Modellbereiche) sind frei gestaltbar und gruppenindividuell auswertbar;

b) Das Szenario enthält eine modellhafte Abbildung, die von den Teilnehmern eingehend untersucht wird.

Tutorielle Begleitung

Als drittes Auswahl- und Konstruktionskriterium dient die tutorielle Begleitung. Von den oben genannten Grundaufgaben der Planspielleitung (Einführung in das Planspiel, Unterstützung bei Spielproblemen und Reflexion zum Spiel-Erleben) können die beiden ersten durch eine professionelle Spiel-Entwicklung und durch multimedial gestaltete CBTs, WBTs oder andere Begleitmedien (wie Video) in Online-Tutorials am ehesten ersetzt werden. Als Kernaufgabe der tutoriellen Begleitung bleibt allerdings auf absehbare Zeit die zu leistende Reflexionsarbeit zur Auswertung der Lernerträge bestehen. Inwieweit hierfür bei vollständiger Organisation der Tutorials über das Internet Präsenzphasen erforderlich sind oder ob sich diese durch Video-Conferencing und andere Techniken vollständig ersetzen lassen, wird sich zeigen.

Soziales Arrangement

Das vierte Auswahl- und Konstruktionskriterium ist das soziale Arrangement. Von Gruppen-Planspielen spricht man, wenn das Planspiel im Rahmen einer Unterrichtsveranstaltung (Seminar, Lehrgang, Aus-, Fort- oder Weiterbildungsmaßnahme) durchgeführt wird und die Teilnehmer wie oben beschrieben als Gruppe eine vorgegebene Rolle (in der Regel Unternehmensführung) wahrnehmen. In der Spielkonzeption von Bedeutung ist hierbei noch die Unterscheidung zwischen Parallel-Betrieb und einem "echten Wettbewerb". Beim Parallel-Betrieb führen alle Gruppen das gleiche Unternehmen unter gleichen Bedingungen. Die Entscheidungen einer Gruppe haben keinen direkten Einfluss auf die Entscheidungssituationen der anderen Gruppen (höchsten indirekt über die Spielleitung). Aufgabe einer Gruppe in dieser Konfiguration ist es, unter gleichen Bedingungen wie die anderen Gruppen ein im Sinne des Spielziels bestes Ergebnis zu erzielen. Anders ist ein Gruppen-Planspiel mit Wettbewerb organisiert: Dort führt jede Gruppe ein anderes (zwar gleichartiges) Unternehmen der gleichen Branche. Dort beeinflussen die Entscheidungen der anderen Gruppen als Rahmendaten die Entscheidungen der eigenen Gruppe, da alle Gruppen sich auf dem gleichen Markt bewegen. Die Gruppen stehen in unmittelbarer Konkurrenz zueinander. Aufgabe einer Gruppe in dieser Konfiguration ist es, sich bestmöglich auf dem gemeinsamen Markt zu bewähren (ggf. durch Erreichung eines Monopols). Bei der Auswahl und Entwicklung von Planspielen ist dementsprechend zu überprüfen, ob das Marktumfeld des jeweiligen Unternehmens eher polipolistische Züge (zahlreiche Markt-Teilnehmer mit geringer gegenseitiger Beeinflussung) oder oligopolistische Züge (wenige Markt-Teilnehmer mit starker gegenseitiger Beeinflussung) trägt.

Bei Individualplanspielen spielt ein Akteur gegen ein Modell (in der Regel ein Computerprogramm). Spielziel und -aufgabe unterscheiden sich nicht grundsätzlich vom Gruppen-Planspiel. Auch Individualplanspiele können im Parallel-Betrieb oder mit Wettbewerb organisiert werden. Bei letzteren spricht man von Multiplayer-Games, in ersteren dokumentieren die Teilnehmer ihren Spiel-Erfolg in "Hall of Fames" oder in Listen der "Ewigbesten". Eine Zwischenform bilden Individualplanspiele im Partnermodus, bei denen je zwei oder drei Teilnehmer ihre Entscheidungen und Planungen untereinander abstimmen, dann jedoch als "Individuum" in das Spiel einbringen.

Während bei Gruppen-Planspielen sich die Teilnehmer in der Regel kennen und keine Konkurrenten sind, weil sie der gleichen Organisation oder dem gleichen Unternehmen angehören, ist dies bei Fernplanspiel-Wettbewerben nicht der Fall. Die teilnehmenden Gruppen oder Individualspieler sind Konkurrenten. Zwar sind sie keine Konkurrenten auf dem Markt, aber Konkurrenten als Spiel-Teams. Bei der Integration und Auswahl von Fernplanspiel-Wettbewerben für den Einsatz in Bildungskonzepten sollte diesem Umstand Beachtung geschenkt werden, da er die Realitätsnähe erneut um eine Ebene höher verlagert und die Reflexionsarbeit erschwert; denn der Fokus verschiebt sich bei Fernplanspiel-Wettbewerben sehr schnell auf das Verhalten als "Spielkonkurrent" und lässt die "echte" Marktkonkurrenz sehr schnell in Vergessenheit geraten.

Da sich nahezu alle Auswahl- und Entwicklungskriterien miteinander kombinieren und durchweg sinnvolle Konfigurationen entstehen lassen (z. B. interaktives Online-Branchenspiel mit Tutorials als Individual-Planspiel oder interaktives PC-Funktionsplanspiel mit Trainerbegleitung als Gruppen-Planspiel im Parallel-Betrieb) ergeben sich mehrere Hundert mögliche Planspiel-Konfigurationen.
Das Planspielangebot wird zur Zeit von betriebswirtschaftlichen Gruppen-Planspielen dominiert. Sie haben für die Ziele und Organisationsformen beruflicher Bildung die weittragendsten Optionen. Zunehmende Bedeutung gewinnen computerunterstützte Individual-Planspiele, da sie das beste Preis-/Leistungsverhältnis (durch den geringen Anteil der Trainerkosten) vorweisen können und somit für Klein- und Mittelstandsunternehmen eine preiswerte Bildungsalternative bilden. Offene Planspiele werden zunehmend bei der Integration von normativen, strategischen und operativen Managementaufgaben eingesetzt.