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Eine internationale Berufsausbildung ist am besten für alle

Eine möglichst international ausgerichtete Berufsbildung in Deutschland ist am besten für alle Beteiligten und trägt dazu bei, den Fachkräftenachwuchs zu sichern. Das betonte BIBB-Präsident Professor Dr. Friedrich Hubert Esser auf der Tagung “Berufsbildung – international und attraktiv“, zu der die Nationale Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung (NA beim BIBB) nach Berlin eingeladen hatte.

Eine internationale Berufsausbildung ist am besten für alle

Keine Frage: Die Globalisierung nimmt zu. Deutschland erwirtschaftet über 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts durch Außenhandel. Der Anteil der Handelsbeziehungen, die das Ausland betreffen, hat sich seit den 1990er Jahren also fast verdoppelt. Und derzeit gibt es in Deutschland über 576 Studiengänge, die neben einem deutschen Abschluss einen internationalen Doppelabschluss vermitteln. „Angesichts der demographischen Entwicklung hierzulande ist es jedoch wichtig, dass junge Menschen internationale Erfahrungen nicht nur mittels eines Studiums erwerben“, sagte Esser.

Die veränderten Anforderungen an – zukünftige – Fachkräfte aufgrund der fortschreitenden Globalisierung entsprechen, so der BIBB-Präsident weiter, nicht nur unserer Alltagserfahrung. Auch die Erwerbstätigenbefragung des BIBB und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zeige zum Beispiel: Die Anforderungen an Fremdsprachenkenntnisse in der Berufsbildung steigen signifikant. So gaben 2012 von den Erwerbstätigen an Arbeitsplätzen, die eine berufliche Qualifikation voraussetzen, erstmals mehr als 50 Prozent an, Grund- oder Fachkenntnisse in einer Fremdsprache zu benötigen.

In seinem Vortrag wies Professor Esser darauf hin, dass Auslandsaufenthalte von Auszubildenden und Berufsfachschülern zunehmen. „Das ist so, auch weil dies politisch gewollt ist“, sagte Esser. Die Fakten seien beeindruckend. Dazu zählen erstens: In den von der NA beim BIBB umgesetzten europäischen Bildungsprogrammen haben sich die Auslandsaufenthalte in der Erstausbildung von 2008 bis 2014 verdoppelt. Zweitens gehen heute jährlich über 30.000 Auszubildende und Berufsfachschüler ins Ausland. Damit sind etwa 4,5 Prozent der Personen in beruflicher Erstausbildung grenzüberschreitend mobil.

Drittens ist zu nennen: Als Auslandsaufenthalte 2005 ins Berufsbildungsgesetz aufgenommen wurden, gab es allein im damaligen LEONARDO DA VINCI-Programm über 6.000 Aufenthalte jährlich. Auch hinsichtlich der Zertifizierung der im Ausland erworbenen Kompetenzen bildet sich am Rand und außerhalb des formalen Systems eine vielfältige Praxis heraus. Und viertens: 2014 waren in der Datenbank „Ausbildung Plus“ 705 „internationale Zusatzqualifikationen“ mit insgesamt 34.372 Teilnehmenden verzeichnet. Darunter sind viele Fortbildungsprüfungs-Regelungen auf Kammerebene.

In diesem Zusammenhang erinnerte Esser daran: „Der Rat der Europäischen Union möchte, dass bis 2020 sechs Prozent der Personen in beruflicher Erstausbildung grenzüberschreitend mobil sind. Und der Bundestag hat das Ziel formuliert, dass im gleichen Zeitraum zehn Prozent der deutschen Azubis ins Ausland gehen.“

Was folgt aus alledem für das Berufsbildungssystem? „Das System lässt der Praxis viele Gestaltungsspielräume“, unterstrich Esser. „Zugleich muss es sich wandeln, um zukunftsfähig zu bleiben“, forderte er. Internationale Aspekte in den Ausbildungsordnungen hätten zugenommen, blieben aber ausbaufähig. Unmittelbar mit diesen Themen verbunden sei die Erweiterung der Berufsbilder um interkulturelle Kompetenzen. Damit gemeint sind neben Kenntnissen und Fertigkeiten ausschlaggebende Einstellungen wie Offenheit, Toleranz und Empathie, die es den Beschäftigten erst erlaubten, in einem kulturell heterogenen Umfeld erfolgreich zu agieren. Hier sei auch die Berufsbildungsforschung gefordert, empirisch zu beschreiben, wie sich Kompetenzen angesichts der Internationalisierung erweitern müssten. Da die Vermittlung internationaler Kompetenzen als Anforderung an ein nationales Berufsbildungssystem relativ neu sei, gelte es besonders, auf klare Begriffe zu achten.

Esser fuhr fort: „Auszubildende und Betriebe suchen trotz Europass und ECVET-Standard nach Zertifikaten, um die zusätzlich erworbenen Kompetenzen sichtbar zu machen.“ Bei der Fortbildungsregelung gebe es nur die Fachkauffrau beziehungsweise den Fachkaufmann für Außenwirtschaft und bei den Abschlüssen keine bundeseinheitliche Qualifikation mit internationaler Ausrichtung. „Daher gilt es, einen bundeseinheitlichen Standard zu finden, der dann in bundeseinheitlichen Abschlüssen als Zusatz oder Option hochwertiger Art nutzbar ist, um internationale Berufskompetenz sichtbar zu machen und anzurechnen“, sagte Esser. „Das ist sowohl im Sinne der Auszubildenden als auch der Ausbildungsbetriebe.“

Ein solcher Standard in den Ordnungsmitteln werde die internationale Dimension in der Ausbildung weiter fördern, da die Unternehmen nicht mehr wie bisher ihre international ausgerichteten Ausbildungsaktivitäten selbst definieren müssten. Vielmehr könnten sie auf qualitätsgesicherte Ordnungsmittel zurückgreifen. Präsident Esser erinnerte an dieser Stelle daran, dass der „Innovationskreis berufliche Bildung“ bereits 2007 formulierte: „Wir sehen in der europäischen Öffnung nationaler Aus- und Fortbildungsreglungen ein wichtiges Instrument international zukunftsfähiger Qualifizierung“. Leider sei dieser Leitsatz nicht umgesetzt worden.

Und wie steht es um das Leitungspersonal? Dies sei zwar in der Regel davon überzeugt, dass hinsichtlich internationaler Aktivitäten Handlungsbedarf bestehe, so Esser. „Die Rahmenbedingungen lassen aber häufig noch zu wenig zu. Deshalb ist die Fähigkeit der Berufsbildungsinstitutionen zu fördern, internationale Partnerschaften und Austausche zu pflegen und sich in internationale Projekte einzubringen.“ Auch angesichts einer zunehmenden Anzahl von Arbeitsplätzen sei es besonders wichtig, das betriebliche und schulische Bildungspersonal vor allem hinsichtlich von Fremdsprachen und interkulturellen Fähigkeiten weiter zu qualifizieren.

Zusammenfassend stellte Esser fest: „Die Anforderungen der Internationalität bieten Chancen, die Berufsbildung in Deutschland für alle Beteiligten noch attraktiver zu machen und den Fachkräftenachwuchs zu sichern.“ Erreicht werde dies erstens durch die für Fachkräfte zunehmend erforderlichen internationalen und interkulturellen Kompetenzen, die hinreichend präzise beschreibbar seien, durch berufsrelevante Lernsituationen erworben werden könnten und durch (zunehmende) Auslandsaufenthalte von Auszubildenden und Berufsfachschülern wüchsen; zweitens durch die möglichst große Sichtbarkeit bundeseinheitlicher Qualifikationen, die in der Berufsbildung erworben würden; drittens durch vermehrte grenzüberschreitende Aktivitäten von Berufsbildungseinrichtungen; sowie schließlich viertens durch ein entsprechend qualifiziertes Bildungspersonal.