Der Themenschwerpunkt dieser Ausgabe befasst sich mit Modell- oder Entwicklungsvorhaben zu regionalen Vernetzungs- und Lernstrukturen und welche Wirkung sie für die Weiterentwicklung der Berufsbildung entfalten. Euler und Severing stellen die Ergebnisse ihres Gutachtens zu flexiblen Ausbildungswegen vor und eröffnen damit eine Diskussionsreihe der BWP zu diesem Thema. Im Kommentar "Innovativen Wegen zum qualifizierten Berufsabschluss eine Chance geben!" regt der Präsident des BIBB, Manfred Kremer, an, Strategien und Konzepte zur Flexibilisierung der Berufsausbildung breit zu erproben und zu evaluieren. Eine Übersicht über die tarifliche Ausbildungsförderung der letzten zehn Jahre rundet die Ausgabe ab.
Der Präsident des BIBB unterstützt die Absicht, das Konzept der Ausbildungsbausteine in der Praxis breit zu erproben und zu evaluieren - ggf. auch unterhalb gesetzlicher Regelungen. Ein Absenken der Anforderungen unter das Niveau der anerkannten Ausbildungsberufe wird dabei klar abgelehnt. Ausbildungsbausteine haben nach Auffassung von Manfred Kremer das Potenzial, "unproduktive Warteschleifen" in anrechnungsfähige und abschlussbezogene "Berufsbildungsketten" umzugestalten und so die Kapazitäten für eine anerkannte Berufsausbildung erheblich zu erweitern. Er spricht sich ferner dafür aus, vorhandene Erfahrungen der Modellversuchsreihe "Berufsbegleitende Nachqualifizierung" in der aktuellen Debatte zu nutzen, in der ein anerkanntes Konzept für eine beschäftigungsbegleitende modulare Qualifizierung junger Erwachsener in anerkannten Ausbildungsberufen entwickelt und erfolgreich erprobt wurde.
In der Bildungspolitik wird derzeit kontrovers diskutiert, ob Entwicklungsprogramme in der beruflichen Bildung die seit fast 40 Jahren durchgeführten Modellversuche ablösen sollen. Dies ist Anlass, sich mit den Modellversuchserfahrungen aus der Sicht der Berufsbildungsforschung auseinander zu setzen. Im Unterschied zu manchen anderen Ländern Europas, in denen sich staatliches Handeln oft auf die Förderung von Einzel- oder Verbundvorhaben nach dem Fonds-Prinzip beschränkt, wurden Modellversuche des Bundes im Bereich der beruflichen Bildung als Innovationsprogramme organisiert. Diese Programme haben in den letzten Jahrzehnten eine umfassende Weiterentwicklung hinter sich, die sich auch auf die Konzepte wissenschaftlicher Begleitforschung ausgewirkt hat. Hierzu liefert der Beitrag einige Einschätzungen und aktuelle Empfehlungen.
In den letzten Jahren sind in der (Berufs-)Bildungspraxis eine Vielzahl von Aktivitäten entstanden, die sich durch das konstituierende Merkmal einer Netzwerkstruktur beschreiben lassen. Neben eher bildungsökonomischen und -politischen Zielsetzungen, wie z. B. durch ein professionelles Bildungsmanagement, sollen einerseits regionale Strukturen durch Vernetzung und Kooperation der Akteure gestärkt werden, andererseits sollen die neuen Kooperationsformen individuelle und kollektive Lernprozesse initiieren und unterstützen. Ergebnisse der Netzwerkforschung, aber auch Erfahrungen aus Modellversuchen und Entwicklungsprojekten belegen, dass diese Effekte nur bedingt durch auf kurzfristige Effekte ausgelegte Fördermaßnahmen oder (regional)politische Top-Down-Strategien zu erreichen sind.
In Modellversuchen werden Innovationen entwickelt, erprobt und evaluiert. Der Transfer als zentrale Komponente soll dazu führen, die Ergebnisse über den Kontext der einzelnen Projekte hinaus in der beruflichen Praxis zu verbreiten. Gleichzeitig gilt es die wissenschaftliche und politische Diskussion weiterzuentwickeln und notwendige Veränderungen anzuregen. Modellversuche haben die Berufsbildung weitreichend beeinflusst, auch wenn die Wirkungen nicht immer vollständig nachzuweisen sind. Diese Einflüsse sind wesentlich auf einen gelungenen (prozessbegleitenden) Transfer zurückzuführen. Das gilt für den unmittelbaren Transfer mit weitreichender Übernahme der Ergebnisse, aber auch für den mittelbaren Transfer in die Berufsbildungspraxis, die Wissenschaft und die Politik. Der Beitrag gibt einen Einblick in diese Arbeit.
Betriebliche Modellversuche haben den Boden bereitet für die heutigen modernen Berufsbilder und die damit verbundenen Ausbildungsordnungen. Sie haben eine in vielen Betrieben vorhandene hoch moderne, international anerkannte, betriebliche Ausbildung entwickeln helfen. Sie haben die immer besser organisierte integrative Arbeit von Betrieben und Berufsschulen bewirkt. Insgesamt haben sie die Attraktivität der beruflichen Ausbildung maßgeblich erhöht. Dass sie auch außerhalb Deutschlands nachhaltige Wirkung zeigen, wird im Artikel am Beispiel des Einsatzes von Lern- und Arbeitsaufgaben für eine am Arbeitsprozess orientierte und dem selbständigen Lernen verpflichtete Berufsbildung erläutert. Die Beispiele kommen aus Malaysia, Usbekistan und China.
Klein- und Mittelbetriebe (KMU) verfügen seit jeher über nur schwach entwickelte Weiterbildungsstrukturen. Angesichts zunehmender reflexions- und prozessbezogener Qualifikationsanforderungen wächst der Bedarf an Unterstützung und maßgeschneiderten Qualifizierungslösungen, zu denen KMU im Allgemeinen nicht eigenständig in der Lage sind. Bildungsträger haben hier die Chance, diese Qualifizierung durchzuführen und für KMU in einer netzwerkartigen Kooperation zusätzliche Aufgaben des Bildungsmanagements wahrzunehmen. Dies kann aber nicht gelingen, solange sie an der seminar- und lehrgangsförmigen Weiterbildung festhalten. Eine professionelle Qualifizierungs- und Lernprozessbegleitung setzt den Wandel vom Bildungsträger zur Lern- und Bildungsagentur und damit zum Bildungsdienstleister voraus. Dieser Wandel wird hier unter systematischen Gesichtspunkten dargestellt und am Beispiel eines kleinbetrieblichen Bildungsträgers im Bereich der Informationstechnik exemplarisch aufgezeigt.
Der Beitrag geht der Frage nach, welche Aspekte Innovationen für die berufliche Bildung ausmachen, und wie diese in die Praxis umgesetzt werden können. Das Ziel dieser Innovationen besteht in der Verbesserung der Qualität beruflicher Bildung und soll durch die Entwicklung adäquater Lernumgebungen für Schule und Betrieb erreicht werden. Dabei stellen sich zwei zentrale Fragen: (1) Was sind die Merkmale von erfolgreichen Lernumgebungen in der Berufsschule und im Betrieb und (2) wie müssen diese entwickelt und implementiert werden? Erfolgreich bedeutet hier, dass die Schüler berufsrelevante Kompetenzen als eine Voraussetzung für lebenslanges Lernen erwerben. Es wird ein entsprechendes Modell vorgestellt und seine Umsetzung an je einem Beispiel aus den Niederlanden und aus Deutschland erläutert.
Im Rahmen eines Gutachtens (EULER, SEVERING 2006) wurde untersucht, ob eine Gliederung der Berufsbildung in Deutschland mit standardisierten Ausbildungsbausteinen zu mehr Transparenz und Flexibilität der Ausbildung beitragen kann und ob Ausbildungsbausteine die Übergänge der Jugendlichen im Ausbildungssystem erleichtern können. Es werden Modelle einer Strukturierung der Berufsbilder in jeweils fünf bis acht bundesweit standardisierte Ausbildungsbausteine vorgeschlagen und die Schritte zu einer praktischen Erprobung und Umsetzung skizziert. Es geht weder um die Abschaffung des dualen Systems noch um die Aufgabe des Berufsprinzips - im Gegenteil: Beide Grundpfeiler des Berufsausbildungssystems sollen auf die veränderten sozioökonomischen Rahmenbedingungen ausgerichtet und gestärkt werden. Einige Aspekte des Gutachtens werden im Artikel zusammengefasst.
Die Debatte um die Reform der beruflichen Bildung wird gegenwärtig bereichert um Vorschläge, die Berufsausbildung in Module zu gliedern. Diese Vorschläge sind zu sehen vor dem Hintergrund von Versuchen, das Niveau der Berufsausbildung aus lohn- und arbeitspolitischen Interessen zu senken. Der Artikel diskutiert die Zusammenhänge vor dem Hintergrund eines entsprechenden Gutachtens von EULER/SEVERING und beschreibt mögliche Konsequenzen für die Berufsausbildung in Deutschland. Die vorhandenen Berufe sind flexibel und innovativ - viel mehr als es die Modultheoretiker sehen wollen. Eine Modularisierung würde das Qualifikationsniveau senken mit weitreichenden Konsequenzen für die Situation von Auszubildenden. Der Verweis auf den Europäischen Qualifikationsrahmen gehe fehl.
Der demographische Wandel wird ab 2010 zu einem Nachwuchsmangel führen. Den geburtenstarken Jahrgängen folgen geburtenschwache Jahrgänge als Berufsanfänger. Die Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz (ZIRP) hat die Folgen dieser Entwicklung für die Zukunft der Berufsausbildung gemeinsam mit Experten untersucht. Das Ergebnis sind Handlungsempfehlungen für eine gemeinsame Zukunftsstrategie von Betrieben, Berufsschulen sowie Auszubildenden und deren Eltern. In einem "Pakt" für berufliche Ausbildung sollten die Beteiligten enger zusammenarbeiten und dabei Ansätze finden, wie traditionelle Werte und Tugenden Gegenstand einer zukunftsorientierten Ausbildung sein können.
Seit nunmehr zehn Jahren werden in vielen Wirtschaftszweigen tarifliche Vereinbarungen zur Ausbildungsförderung geschlossen. Die Tarifparteien wollen hiermit dazu beitragen, die schwierige Lage auf dem Ausbildungsstellenmarkt und die teilweise schlechten Übernahmechancen von Ausbildungsabsolventen und -absolventinnen zu verbessern. Im Beitrag werden - ausgehend von den aktuellen Strukturen im Jahre 2005 - die wichtigsten Veränderungen der tariflichen Ausbildungsförderung seit 1996 zusammenfassend beschrieben. Es wird außerdem der Frage nachgegangen, ob mit den bestehenden Vereinbarungen eine hohe Wirksamkeit erreicht werden kann. Anhand von Good-Practice-Beispielen werden dann Möglichkeiten aufgezeigt, wie die Zielerreichung besser sichergestellt werden könnte. Abschließend wird aus den Ergebnissen ein Gesamtfazit gezogen.
Auf der letzten Sitzung des Hauptausschusses des BIBB 2006 stellte die Bundesbildungsministerin ihre bildungspolitischen Reformvorhaben vor und führte einen Meinungsaustausch über aktuelle Fragen der beruflichen Bildung: Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt, Problematik der Altbewerber, europäische Aufgaben der Berufsbildung. Sie betonte, dass das Berufsbildungssystem kein sich selbst erhaltendes System sei, sondern innovativer werden müsse. Beraten wurde außerdem das Forschungsprogramm 2007 des BIBB.