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Zusammenarbeit mit Maghreb-Staaten gezielt fördern

Im Interview mit der sequa: Dr. Volker Treier, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), sieht in der Kooperation mit den Ländern des Maghreb große Potenziale für die deutsche Wirtschaft.

Zusammenarbeit mit Maghreb-Staaten gezielt fördern
sequa fördert Aus- und Weiterbildungsprojekte in nordafrikanischen Ländern, etwa im Bereich der Schweißtechnoologien.

Eine Vielzahl deutscher Akteure setzt sich weltweit für Berufsbildung ein. Mit dem Format des Gastbeitrags bietet GOVET Akteuren in der internationalen Berufsbildungszusammenarbeit die Möglichkeit, ihre Projekte auf der GOVET Website vorzustellen. Im Folgenden lesen Sie ein Interview der sequa mit Dr. Volker Treier, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Darauf folgt ein Beitrag der sequa, in dem sie ihre Berufsbildungsprojekte in Nordafrika vorstellt.

Herr Dr. Treier, wie beurteilen Sie den Wirtschaftsstandort Maghreb und wie sehen Sie aktuell die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und den Maghreb- Staaten?
Der Maghreb, insbesondere die Staaten Tunesien, Algerien und Marokko, ist eine wirtschaftlich dynamische Region mit großem Potenzial. Die Region zeichnet sich durch eine junge Bevöl-kerung, sich entwickelnde Märkte und gut aus-gebildete Fachkräfte bei wettbewerbsfähigen Arbeits- und Produktionskosten aus. Darüber hinaus haben die drei Staaten durch ihre geografische Nähe zu Europa das große Potenzial, als Brücke zum afrikanischen Kontinent zu fungieren und damit deutschen Unternehmen einen großen Absatzmarkt erschließen zu können. Dies spiegelt sich derzeit schon in einem Handelsvolumen von jährlich rund zehn Milliarden Euro wider. Gegenwärtig sind in den Maghreb-Staaten etwa 650 deutsche Unternehmen aktiv, die vor Ort über 60.000 Arbeitsplätze schaffen. Bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten der Kooperation mit der Wirtschaft direkt, insbesondere in den Bereichen der Beruflichen Bildung, Start-Up-Förderung und Wissenschaft. In der Region beraten und betreuen drei der weltweit insgesamt über 130 Standorte deutscher Auslandshandelskammern an den Standorten Tunis, Algier und Casablanca mit rund 100 Mitarbeitern deutsche Unternehmen.

Wo sollten Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit ansetzen, um die wirtschaftliche Entwicklung dieser Region zu fördern?
Um die Wirtschaft in der Maghreb-Region nachhaltig zu entwickeln und gleichzeitig deutschen Unternehmen Geschäfte zu ermöglichen, sollten die Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit auch darauf abzielen, den privaten Sektor zu fördern und die Selbstverwaltungsorganisationen der Wirtschaft zu stärken. Dies kann durch Maßnahmen zur Reduzierung des Fachkräftemangels, Beschäftigungsförderung und Unternehmenskooperationen erfolgen. So können Projekte der beruflichen Ausbildung, Umschulung, Weiterbildung und Vermittlung einen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Region leisten. Mehr als 1.000 umgeschulte und in Betriebe vermittelte Maghrebiner zeugen vom Erfolg der Kooperationen bei Projekten zwischen den Auslandshandelskammern und den Institutionen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Neben Projekten der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung sollten der bilaterale Handel weiter ausgebaut und bestehende Handelshemmnisse abgebaut werden. Aktuell diskutierte Handelsabkommen zwischen den Staaten Nordafrikas – insbesondere Marokko und Tunesien – und der EU können hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.

Welche Aufgabe sehen Sie für eine Organisation wie sequa in diesem Kontext?
sequa mit ihrer mehr als 25-jährigen Erfahrung agiert nah an der Wirtschaft und kann so die Kompetenzen aus der Praxis nutzen. Die Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen, Verbänden, Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern sowie Auslandshandelskammern sind Wegbereiter für eine erfolgreiche Entwicklung und den Aufbau der Privatwirtschaft in den Maghreb-Staaten. Vor allem das Thema Ausbildung wird dabei ein wichtiger Schwerpunkt sein. sequa kann und sollte dabei weiter eine wichtige Rolle spielen.

Berufsbildung: Perspektiven für junge Erwachsene in Nordafrika

Beispiel Orthopädietechnik: Berufliche Bildung ist die Grundlage für eine selbstbestimmte Zukunft und ist wichtig, um Regionen wirtschaftlich zu stabilisieren.

sequa-Projekte eröffnen vielfältige Chancen in der Maghreb-Region

Eine hochwertige Aus- und Weiterbildung ist die Grundlage für ein eigenes Einkommen und die selbstbestimmte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Unternehmen benötigen qualifizierte Fachkräfte, um im Wettbewerb zu bestehen und Arbeitsplätze zu schaffen. Berufliche Bildung zu fördern, ist daher ein wichtiger Beitrag, um Nordafrika wirtschaftlich zu stabilisieren und so auch Fluchtursachen zu bekämpfen.

Wie in vielen Kooperationsländern ist auch in Nordafrika Berufsbildung nicht ausreichend an der Praxis und am tatsächlichen Bedarf der Unternehmen orientiert. Die Wirtschaft muss deshalb eine stärkere Rolle dabei spielen, berufliche Bildung zu gestalten und durchzuführen. sequa ist für die Wirtschaft in Deutschland und Nordafrika ein wichtiger Partner, wenn es um die Verbesserung der Berufsbildung geht. Im BMZ-geförderten Programm „Berufsbildungspartnerschaften mit der deutschen Wirtschaft“ (BBP) etwa unterstützt sequa den Know-how-Transfer von deutschen Kammern und Verbänden an lokale Partnereinrichtungen. BBP-Projekte sollen aufzeigen, wie eine praxis- und bedarfsorientierte Ausbildung unter Beteiligung der Wirtschaft in den Partnerländern funktionieren kann. In Nordafrika führt sequa derzeit jeweils zwei Vorhaben in Marokko und Tunesien durch. Deutsche Partner bei den marokkanischen Projekten sind die Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main sowie die Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft. In Tunesien engagieren sich die Handwerkskammer des Saarlands sowie das Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft. Die Projekte fokussieren beispielsweise auf das Kraftfahrzeug-Handwerk, erneuerbare Energien (Solar) sowie Industriemechanik und -elektronik. Neben den BBP setzt sequa weitere Vorhaben um: Beim Projekt PSBT (Deutsch-tunesische Partnerschaft in der Schweiß-, Löt- und Prüftechnik) erhalten 83 Berufsschullehrer, 60 Fachkräfte aus der Industrie und 40 tunesische Auszubildende Weiterbildungen in Schweißtechniken. Die Finanzierung übernehmen die EU, das BMZ und das Auswärtige Amt. Die beiden Partner CETIME (Tunis) sowie die Gesellschaft für Schweißtechnik International mbH (Duisburg) entwickelten gemeinsam die Kursmaterialien und führten die praktischen Kurse durch.

Im Auftrag des Auswärtigen Amtes realisiert sequa in Tunesien seit 2012 das Vorhaben „Deutsch-tunesische Ausbildungspartnerschaft Orthopädietechnik“. Die Zielsetzung, die orthopädische Versorgung in Tunesien zu verbessern, ist eng mit dem Aufbau der Kapazitäten der tunesischen OrthopädietechnikerInnen verbunden. Im Jahr 2015 schlossen 19 tunesische TechnikerInnen ihre berufsbegleitende Weiterbildung nach internationalen Standards ab und setzen seitdem die Kenntnisse im Praxisalltag für Patienten ein. 2016 begannen fünf dieser TechnikerInnen eine dreijährige Weiterbildung, um künftig als Führungskräfte beziehungsweise Ausbilder in ihrem Berufsfeld zu arbeiten. Parallel etablieren die Projektpartner einen Ausbildungsgang, der langfristig den Bedarf des Landes an Orthopädieversorgung abdecken soll.

Quelle: sequa Forum, September 2017, Download auf der sequa Website