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Beim Landwirt und bei der Landwirtin sowie der Fachkraft Agrarservice handelt es sich um 2 der insgesamt „14 Grünen“ anerkannten Ausbildungsberufe aus dem Agrarbereich. Mit 4.143 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen für Landwirte und Landwirtinnen lag die Zahl im Jahr 2017 deutlich über der Fachkraft Agrarservice mit 276 (vgl. „Datenbank Auszubildende“ des Bundesinstituts für Berufsbildung auf Basis der Daten der Berufsbildungsstatistik der statistischen Ämter des Bundes und der Länder (Erhebung zum 31. Dezember)). Die Ausbildung zum Landwirt/zur Landwirtin aus dem Jahr 1995 gliedert sich grob in die Bereiche Pflanzenproduktion und Tierproduktion (vgl. Bundesgesetzblatt 1995). Im erstgenannten Bereich finden sich 9 verschiedene Betriebszweige, im Bereich der Tierproduktion werden 8 Betriebszweige unterschieden. Während der Ausbildungsdauer von 3 Jahren sind aus jedem dieser beiden Bereiche 2 Betriebszweige auszuwählen. Diese Struktur ermöglicht eine individuelle und bedarfsgerechte Kombinierbarkeit von Betriebszweigen, welche auf die Qualifizierung von Fachkräften als „Allrounder“ hin konzipiert wurde. Die im Jahr 2005 entwickelte und 2009 in Dauerrecht überführte Ausbildung zur Fachkraft Agrarservice (vgl. Bundesgesetzblatt 2009) hat ausschließlich den Bereich der Pflanzenproduktion zum Gegenstand und ist auf die Bedarfe landwirtschaftlicher Lohnunternehmen – das heißt Unternehmen, die im Auftrag von Landwirten und Landwirtinnen tätig werden – zugeschnitten. Neben Kompetenzen im Bereich Pflanzenbau kommt hier in der ebenfalls 3-jährigen Ausbildung dem Umgang mit Landmaschinentechnik sowie der Vermarktung landwirtschaftlicher Dienstleistungen und dem Umgang mit Kunden ein besonderer Stellenwert zu.

Digitalisierungs- und Vernetzungsansätze in der betrieblichen Praxis 

Digitale und vernetze Technologien und Anwendungen kommen im Tätigkeitsfeld von Landwirten und Landwirtinnen sowie Fachkräften Agrarservice bereits seit vielen Jahren zum Einsatz. Ein Beispiel stellt die auch als „precision farming“ bezeichnete teilflächenspezifische Bewirtschaftung von Ackerflächen für Düngung und Pflanzenschutz dar, für die auf der Basis von Satellitennavigationssystemen eingesetzte automatische Lenksysteme von zentraler Bedeutung sind. Für den Pflanzenbau werden damit zusammenhängend digitale Ackerschlagdateien und Geoinformationssysteme eingesetzt sowie Feldversuche zum Einsatz von Agrarrobotern durchgeführt. In der Tierhaltung zeigen sich Digitalisierung und Vernetzung beispielsweise in Form von digitalem Herdenmanagement im Sinne einer tierindividuellen Erkennung, Aktivitätsmessung, Gesundheitsüberwachung und Fütterung sowie der Nutzung automatischer Melksysteme Schaubild C4.6-1.

Zunehmend preisgünstigere Sensoren sind die grundsätzlichen Treiber für weitere Entwicklungen, da sie immer mehr Daten und damit Parameter mit einer höheren Auflösung und erhöhten Zuverlässigkeit erfassen können. Prozesse, Maschinen und Anlagen können auf dieser Grundlage immer feiner gesteuert werden und ermöglichen es etwa, Pflanzen- oder Tierkrankheiten sehr frühzeitig zu erkennen. Von wachsender Bedeutung sind in diesem Zusammenhang – als „smart farming“ bezeichnete – digitale Entscheidungshilfen, etwa für die Wahl eines günstigen Erntezeitpunktes, welche auf der Grundlage von Algorithmen arbeiten. Als System der Systeme kommen schließlich Farmmanagementsysteme im Sinne eines „digital farming“ zum Einsatz.

Digitale Anwendungen und Technologien werden (zumindest bislang) nicht als Bruch, sondern als eine konstante technologische Weiterentwicklung im Spannungsfeld von Voraussetzungen (wie Qualität von Netzen und Daten, Benutzerfreundlichkeit), Nutzen (wie verbesserte Effektivität und Effizienz) und Grenzen (wie Kosten-Nutzen-Verhältnis und Komplexität) wahrgenommen. Aus Sicht der Befragten vollzieht sich eher eine Evolution anstelle einer Revolution. In dieses Bild passt auch die Beobachtung, dass sich in den Betrieben sehr häufig digitale Insellösungen finden und Digitalisierung – aufgrund der erforderlichen hohen Zuverlässigkeit eingesetzter Systeme für den Umgang mit Lebewesen – vorsichtig entwickelt wird. Langjährige Untersuchungen kommen dabei auch zu dem Ergebnis, dass digitalisierte Anwendungen und Technologien den „konventionellen“ Systemen nicht in allen Fällen automatisch überlegen sein müssen (vgl. Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein 2018).

Schaubild C4.6-1: Aktuelle und geplante Nutzung digitaler Anwendungen und Technologien im Beruf Landwirt/-in (in %)

Tätigkeitsveränderungen

Im Hinblick auf die Veränderung von Tätigkeiten und Aufgaben zeigt sich in der täglichen Praxis von Fachkräften der Umgang mit computergesteuerten Arbeitsmitteln und Technologien als zunehmend relevanter Faktor Schaubild C4.6-2. Festzuhalten ist dabei eine Verschiebung von operativen hin zu steuernden und überwachenden Tätigkeiten. Bereits wichtig und zukünftig noch wichtiger werden etwa für Landwirte und Landwirtinnen planende, kontrollierende und dokumentierende Aufgaben und Tätigkeiten, das heißt Inhalte im Kontext der Betriebs- und Arbeitsorganisation, also des Managements. In dieses Bild passt auch die zunehmende Bedeutung der Nutzung von Daten zu betrieblichen Abläufen und deren Optimierung. Die steigende Komplexität in der Einstellung und Bedienung von Geräten, Maschinen und Anlagen führt aber auch dazu, dass technologische Möglichkeiten häufig gar nicht vollständig ausgeschöpft werden.

Da im Kern derzeit keine vollständig neuen Aufgaben entstehen und stattdessen bestehende Aufgaben im Umgang mit Pflanzen und Tieren durch veränderte Arbeitsmittel im Sinne von Assistenzsystemen technologisch angereichert werden, lässt sich unter den gegenwärtigen Bedingungen auch keine Veränderung des grundlegenden Berufsverständnisses erkennen. Zwar lassen sich Wachstumsprozesse beschleunigen, den grundlegenden Takt gibt aber weiterhin die Natur vor.

Schaubild C4.6-2: Zukünftiger Stellenwert von Aufgaben und Tätigkeiten im Beruf Landwirt/-in (in %)

Künftige Kompetenzanforderungen

Der Umgang und die zielgerichtete Handhabung digitaler und vernetzter Systeme erfordern neben der Steuerung von Maschinen, Geräten und Anlagen zunehmend auch Kompetenzen im Umgang mit Daten, das heißt deren Gewinnung, Aufbereitung und Nutzung. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass Landwirte und Landwirtinnen sowie Fachkräfte Agrarservice Technologien in der Regel als Anwender/-innen nutzen, diese in der Regel jedoch nicht programmieren und warten, sind sie auf die Zusammenarbeit mit IT-Dienstleistern angewiesen. Grundsätzlich geht es auch darum, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und sich nicht in einer Flut von Daten zu verlieren. Ein in diesem Zusammenhang bedeutender Aspekt ist, Daten nicht blind zu vertrauen, sondern diese kritisch auf Plausibilitäten zu hinterfragen. Dies gilt insbesondere im Umgang mit tierischen und pflanzlichen Lebewesen. Aller Digitalisierung und Vernetzung zum Trotz kommt daher auch den Aufgaben und Tätigkeiten im Pflanzenbau und der Tierhaltung sowie den damit verbundenen grundlegenden Fähigkeiten und Fertigkeiten weiterhin eine zentrale Bedeutung zu. Fachkräfte müssen in der Lage sein, Zustände, Entwicklungen und mögliche Gefährdungen mit den eigenen Sinnen wahrzunehmen und zu erkennen.

Im Hinblick auf zukünftig wichtige Fähigkeiten und Fertigkeiten fällt eine deutliche Zweiteilung von überfachlichen Kompetenzen und IT-bezogenen Kompetenzen auf. Dabei spielen logisches, analytisches Denken und Prozessverständnis sowie Lernbereitschaft für Landwirte und Landwirtinnen bereits heute eine wichtige Rolle, deren Bedeutung wird aber weiter wachsen Tabelle C4.6-1. Bisher von eher untergeordneter Bedeutung, aber zunehmend wichtig, sind die Anwendung von IT-Systemen, der zielgerichtete Einsatz von Fach-Software sowie Medienkompetenz – also Aspekte, die in die Richtung von digitalen Kompetenzen im Sinne einer zusätzlichen „Kulturtechnik“ führen. Inhalte in Ausbildungsordnungen, die entfallen können, werden von den Befragten nicht gesehen, beobachten lässt sich eine Fokusverschiebung von Pflanzen und Tieren hin zur Technologie.

Tabelle C4.6-1: Aktueller und zukünftiger Stellenwert von Fähigkeiten und Fertigkeiten im Beruf Landwirt/-in

Qualifikationsbedarf 

Eine zwingende Notwendigkeit, die anerkannten Ausbildungsberufe Landwirt und Landwirtin sowie Fachkraft Agrarservice aufgrund von Digitalisierung und Vernetzung der landwirtschaftlichen Betriebe zu modernisieren, lässt sich derzeit (noch) nicht erkennen. Die technikoffene Formulierung der Fertigkeiten und Kenntnisse im Ausbildungsrahmenplan stellt eine Art „natürlichen Alterungsschutz“ dar. Um etwa die 17 unterschiedlichen Betriebszweige in der Verordnung zur Berufsausbildung zum Landwirt und zur Landwirtin mit jeder formulierten Fertigkeit, Kenntnis und Fähigkeit erreichen und die betriebszweigspezifischen Besonderheiten abdecken zu können, ist ein vergleichsweise hohes Abstraktionsniveau erforderlich. Auch wenn zum Zeitpunkt der letzten Modernisierung der Verordnung im Jahr 1995 die aktuelle Bedeutung von Digitalisierung und Vernetzung nicht absehbar gewesen ist, so können die existierenden Formulierungen diese Entwicklungen grundsätzlich abbilden. Die aktuellen Veränderungen können auf Ebene der Ausbildungsgestaltung vermittelt werden, ohne dass Veränderungen auf curricularer Ebene erfolgen müssen.

In der Fort- und Weiterbildung erfährt das Thema Digitalisierung und Vernetzung – im Unterschied zur eher operativen Ausrichtung in der Ausbildung – eine eher strategische Ausrichtung. Neben den Themen Arbeitsorganisation und Personalführung kommt hier insbesondere dem Prozessmanagement, der Prozesssteuerung und der Prozessoptimierung im Rahmen der Unternehmensführung unter Berücksichtigung zunehmend komplexer Erfolgsparameter wachsende Bedeutung zu. Dabei spielen Kompetenzen in den Bereichen der Datenerhebung und differenzierten Nutzung von Daten eine besondere Rolle. Hier ist weniger die Handhabung spezifischer Technologien, sondern vielmehr deren Zusammenspiel, auch im Hinblick auf die Vernetzung von IT-Systemen, von Interesse. In diesem Zusammenhang ist auch das Abwägen von Vor- und Nachteilen zur Beantwortung der Frage, ob und wieweit ein System strukturell und wirtschaftlich zu den jeweiligen betrieblichen Gegebenheiten passt und in welcher Form es eingesetzt werden kann und sollte, von Relevanz.

(Markus Bretschneider)