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Ausbildungsgänge außerhalb des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) bzw. der Handwerksordnung (HwO) findet man in Deutschland vor allem im Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesen. Angesichts der demografischen Entwicklungen und der gestiegenen Anforderungen an die Fachkräfte sind zukunftsorientierte Ausbildungsgänge für die Qualifizierung der Fachkräfte wichtiger denn je. Die strukturellen Entwicklungen der Ausbildungen außerhalb BBiG/HwO werden im Rahmen des BIBB-Datenreports fortschreibend betrachtet. Der Fokus des diesjährigen Beitrags liegt auf den nicht-akademischen Gesundheitsberufen. Fachkräfte in den unterschiedlichsten Berufen leisten einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in Deutschland. Im Folgenden werden die aktuellen Entwicklungen sowohl der landesrechtlich geregelten Assistenz- und Pflegehelferausbildungen als auch der bundesrechtlich geregelten Gesundheitsfachberufe wie z. B. die Gesundheits- und Krankenpflege, Altenpflege, Physiotherapie, Logopädie und Ergotherapie in den Blick genommen.

Berufsausbildung in landesrechtlich geregelten Gesundheitsberufen

Die Ausbildungen in den landesrechtlich geregelten Helferausbildungen, die insbesondere an Schulen des Gesundheitswesens angeboten werden, sind nicht einheitlich in den Bundesländern geregelt und differieren auch hinsichtlich der Abschlussbezeichnung (u. a. Gesundheits- und Krankenpflegehelfer/ -in, Kranken- und Altenpflegehelfer/ -in, Gesundheits- und Pflegeassistent/ -in, Staatlich geprüfte/ -r Pflegeassistent/ -in). Nach dem Beschluss der 89. Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) soll ein länderübergreifendes transparentes sowie durchlässiges Aus- und Weiterbildungsangebot von Assistenz- und Helferberufen bis zu Pflegefachkraftberufen und akademischen Aus- und Weiterbildungen entstehen. Die nachfolgenden Eckpunkte stellen zwischen den Bundesländern vereinbarte Mindestanforderungen an Ausbildungen zu Assistenz- und Helferberufen in der Pflege dar. In vielen Fällen und bei einzelnen Anforderungen werden sie von den geltenden Länderregelungen überschritten. Bis zum Inkrafttreten des neuen Pflegeberufegesetzes (vgl. BIBB-Datenreport 2013, Kapitel A5.4) sollen die Mindestanforderungen in allen Bundesländern umgesetzt sein (vgl. Arbeits- und Sozialministerkonferenz 2012, Anlage zu TOP 7.1, S. 1 f.). Eckpunkte für die in Länderzuständigkeit liegenden Ausbildungen zu Assistenz- und Helferberufen in der Pflege sind demnach:

1. Berufsbild: Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten: Assistenzkräfte und Pflegehelfer arbeiten im Team mit Pflegefachkräften in der ambulanten Pflege, der stationären Akutpflege und der stationären Langzeitpflege. Sie betreuen und pflegen Menschen insbesondere im häuslichen Umfeld, in Wohngruppen, Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern. Sie führen die Maßnahmen selbstständig durch (Durchführungsverantwortung), die von einer Pflegefachkraft geplant, überwacht und gesteuert werden (Steuerungsverantwortung). Die länderrechtlich geregelten Ausbildungen zu Assistenz- und Helferberufen in der Pflege vermitteln

 

  • mindestens diejenigen Kompetenzen, die in diesem Sinne zur selbstständigen Wahrnehmung insbesondere folgender Tätigkeiten befähigen: grundpflegerische Maßnahmen in stabilen Pflegesituationen sicher durchführen, Ressourcen erkennen und aktivierend in die Pflegehandlung einbeziehen, pflegebedürftige Menschen bei der Lebensgestaltung im Alltag unter Beachtung der Lebensgeschichte, der Kultur und der Religion unterstützen etc.,
  • mindestens diejenigen Kompetenzen, die dazu befähigen, unter Anleitung und Überwachung von Pflegefachkräften insbesondere folgende Tätigkeiten durchzuführen: bei der Durchführung ärztlich veranlasster therapeutischer und diagnostischer Verrichtung mitwirken, Menschen in der Endphase des Lebens unterstützend begleiten und pflegen.

 

2. Ausbildungsdauer: Die Ausbildung dauert mindestens 1  Jahr. Sie umfasst mindestens 700 Stunden berufsbezogenen schulischen Unterricht und 850 Stunden praktische Ausbildung unter Anleitung einer Pflegefachkraft.

3. Praxiseinsätze: Die Auszubildenden lernen mindestens 2 Praxisbereiche kennen: ambulante Pflege und stationäre Akut- oder Langzeitversorgung.

4. Zugangsvoraussetzung: Die Ausbildungsgänge setzen einen Hauptschulabschluss voraus.

5. Prüfung und Berufsabschluss: Die Ausbildung schließt mit einer Prüfung ab, die mindestens einen schriftlichen und einen praktischen Teil umfasst. Die praktische Prüfung erfolgt in der Regel am Klienten. Leistungen aus der Ausbildungsphase (Vornoten) können in das Prüfungsergebnis einfließen (vgl. Arbeits- und Sozialministerkonferenz 2012, Anlage zu TOP 7.1, S. 2 f.).

Berufsausbildung in bundesrechtlich geregelten Gesundheitsfachberufen187

Im Hinblick auf den Fachkräftemangel und die gestiegenen Anforderungen aufgrund veränderter Versorgungsbedarfe steht die Qualifizierung der Fachkräfte in Gesundheitsfachberufen nach Bundesrecht vor vielfältigen Herausforderungen. In Anknüpfung an die Ausführungen der vergangenen Datenreportbeiträge werden aus der Vielzahl relevanter Entwicklungsprozesse 3 zentrale Aspekte nachfolgend in den Blick genommen: die Akademisierung, die Übertragung ärztlicher Tätigkeiten auf Pflegefachkräfte sowie die Evaluierung der Modellstudiengänge in Gesundheitsfachberufen (vgl. BIBB-Datenreport 2013 und 2014, jeweils Kapitel A5.4). 

Akademisierung der Pflege- und Therapieberufe sowie des Hebammenwesens

Auf der Grundlage von Modellklauseln in den entsprechenden Berufsgesetzen für Berufsangehörige der Kranken- und Altenpflege, der Logopädie, Ergotherapie, Physiotherapie sowie des Hebammenwesens wurden in den vergangenen Jahren die Voraussetzungen für eine zeitlich befristete Erprobung von Ausbildungsangeboten geschaffen, die der Weiterentwicklung der genannten Berufe dienen sollen. Dabei sollen berufsfeldspezifische Anforderungen sowie moderne berufspädagogische Erkenntnisse berücksichtigt werden (vgl. Bundesministerium für Gesundheit 2009, S. 4052).

Die Weiterentwicklung der bundesrechtlich geregelten Pflegeberufe sieht im Eckwerteentwurf vom 1. März  2012 im Bereich der nicht-akademischen Qualifizierung die Zusammenführung der Ausbildungen in der Gesundheits- und Krankenpflege, der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege sowie der Altenpflege zu einem neuen Pflegegesetz vor (vgl. BIBB-Datenreport 2013, Kapitel A5.4). Im Hinblick auf die strukturelle und inhaltliche Ausrichtung der akademischen Pflegeausbildung nennt die Bund-Länder-Arbeitsgruppe im Eckwerteentwurf die Verbesserung der Qualität beruflichen Handelns und die Verbesserung der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung als zentrale Ziele der akademischen Ausbildung. Die Hochschulbildung soll einen wichtigen Beitrag zur Evidenzbasierung des beruflichen Handelns leisten und die Attraktivität des Berufsfeldes Pflege erhöhen. Absolventen und Absolventinnen entsprechender Studiengänge sollen insbesondere in der Pflege und Betreuung bei hochkomplexen Pflegebedarfen sowie in Beratung und Anleitung von Angehörigen tätig sein. Darüber hinaus sollen akademisch ausgebildete Fachkräfte übergeordnete hochkomplexe Prozesse eigenverantwortlich steuern und koordinieren, Leitungsverantwortung übernehmen und über die interprofessionelle Arbeit mit unterschiedlichen Berufsgruppen die Weiterentwicklung der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung maßgeblich mitgestalten (vgl. Bund-Länder-Arbeitsgruppe 2012, S. 27 f.).

In seinen „Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen“ empfiehlt der Wissenschaftsrat, ausgehend von der Kritik an der aktuellen Ausbildungssituation, den Ausbau von grundständigen Studiengängen insbesondere für die Ausbildung von Fachkräften, die in komplexen Aufgabenbereichen der Pflege, Therapie und des Hebammenwesens tätig sind, mit dem Ziel eines zur unmittelbaren Tätigkeit am Patienten befähigenden pflege-, therapie- oder hebammenwissenschaftlichen Bachelorabschlusses. Darüber hinaus empfiehlt der Wissenschaftsrat für die Bildung wissenschaftlicher Disziplinen im Bereich der Gesundheitsberufe den Auf- und Ausbau genuiner Forschung sowie die Schaffung wissenschaftlicher Karrierewege (vgl. Wissenschaftsrat 2012).

Übertragung ärztlicher Tätigkeiten auf Pflegefachkräfte

Insbesondere akademisch ausgebildete Fachkräfte sollen künftig Qualifikationen erwerben, die, auf der Grundlage der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die Festlegung der ärztlichen Tätigkeiten zur Übertragung auf Berufsangehörige der Alten- und Krankenpflege nach § 63 Absatz 3 c SGB V, zur selbstständigen Ausübung von Heilkunde befähigen (vgl. Bund-Länder-Arbeitsgruppe 2012, S. 28). In der Richtlinie des G-BA werden die an Pflegekräfte übertragbaren Tätigkeiten aufgelistet. Sie beschränken sich auf bestimmte Tätigkeiten bei den Diagnosen „Diabetes mellitus (Typ  1 und 2), Chronische Wunden, Demenz (ausgenommen die Palliativversorgung) sowie Verdacht auf Hypertonus (außerhalb von Schwangerschaften)“ (vgl. Gemeinsamer Bundesausschuss 2012). „Der Gesetzgeber hat in Abhängigkeit von den übertragenen Aufgabenbereichen zu entscheiden, auf welcher Qualifikationsstufe der erforderliche Kompetenzerwerb zu erfolgen hat. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass eine dreijährige Pflegeausbildung den Erwerb entsprechender Zusatzqualifikationen nicht abdecken kann. Deshalb wird im Grundsatz davon ausgegangen, dass die entsprechenden Zusatzqualifikationen auf Hochschulebene erworben werden sollten“ (Bund-Länder-Arbeitsgruppe 2012, S. 25).

Evaluierung der Modellstudiengänge in Pflege- und Therapieberufen sowie des Hebammenwesens bis 2015

Auf der Grundlage der Modellklauseln in den entsprechenden Berufsgesetzen für Berufsangehörige der Kranken- und Altenpflege, der Logopädie, Ergotherapie, Physiotherapie sowie des Hebammenwesens können die Bundesländer Ziele, Dauer, Art und allgemeine Vorgaben zur Ausgestaltung der Modellvorhaben festlegen. Die Erprobung umfasst auch die Möglichkeit einer akademischen Erstausbildung (s. o.). Im Bereich der Logopädie, Ergotherapie, Physiotherapie sowie des Hebammenwesens ist eine wissenschaftliche Begleitung und Auswertung sicherzustellen. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat in diesem Zusammenhang Evaluationsrichtlinien festgelegt (vgl. Bundesanzeiger Nummer 180 – Seite 4052 f.). Insbesondere Fragen zu Ausbildungsstätten (u. a. Voraussetzungen, sachliche und personelle Ausstattung), Struktur und Organisation der Ausbildung (Lehr- und Lernmethoden, Organisation der praktischen Ausbildung, Praxisbegleitung etc.), Organisation der staatlichen Prüfung und Fragen zu Ausbildungskosten sollen untersucht werden und im Hinblick auf Machbarkeit, Kosten, Bedarf sowie Vor- und Nachteile von akademischen Erstausbildungen bewertet werden (vgl. ebd.). „Das Bundesministerium für Gesundheit erstattet dem Deutschen Bundestag bis zum 31. Dezember 2015 über die Ergebnisse der Modellvorhaben Bericht. Die Länder übermitteln dem Bundesministerium für Gesundheit die für die Erstellung dieses Berichtes erforderlichen Ergebnisse der Auswertung“ (Deutscher Bundestag 2009, Drucksache 16/13652).

(Maria Zöller)

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    Eine vollständige Auflistung der bundesrechtlich geregelten Gesundheitsfachberufe mit Informationen zur Ausbildung sowie zur Entwicklung der Auszubildendenzahlen ist der Publikation „Gesundheitsfachberufe im Überblick. Neues Serviceangebot des BIBB“ aus der Schriftenreihe Wissenschaftliche Diskussionspapiere, Heft 153, zu entnehmen (Zöller 2014).