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Anders als in früheren Jahren werden die Bemühungen um mehr Durchlässigkeit im Bildungssystem nicht mehr ausschließlich auf den Übergang von der beruflichen in die hochschulische Bildung gerichtet. Vielmehr wird inzwischen auch – im Sinne einer Reziprozität – verstärkt der Übergang von der hochschulischen in die berufliche Bildung betrachtet, und zwar insbesondere im Hinblick auf die Gruppe der Studienabbrecher/-innen. Dabei spielen Information und Beratung eine entscheidende Rolle bei der Wahl möglicher Anschlussoptionen und einer erfolgreichen Bewältigung des Übergangs zwischen akademischer und beruflicher Bildung. Das lässt sich aus der BIBB-Begleitstudie zu der BMBF-Initiative ANKOM (vgl. BIBB-Datenreport 2015, Kapitel D2) ableiten, die den folgenden Ausführungen zugrunde liegt.

BMBF-Initiative „ANKOM“

Die zwischen 2005 und 2015 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte ANKOM310 -Initia­tive umfasste insgesamt 3 Förderphasen mit unterschied­lichen Schwerpunkten.

In den ersten beiden Förderphasen (ANKOM I: 2005 bis 2008, ANKOM II: 2008 bis 2011) arbeiteten 11 Entwicklungsprojekte sowie die wissenschaftliche Begleitung unter dem Titel „ANKOM – Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge“ an dem Ziel, Verfahren zur Anrechnung beruflich erworbener Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge zu entwickeln und zu implementieren.

In der dritten und letzten Förderphase (ANKOM III: 2011 bis 2015311) arbeiteten 20 Entwicklungsprojekte sowie die wissenschaftliche Begleitung unter dem Titel „ANKOM – Übergänge von der beruflichen in die hochschulische Bildung“ an der Entwicklung von Maßnahmen, die auf eine Erleichterung des Übergangs für beruflich Qualifizierte in die Hochschule sowie eine verbesserte Vereinbarkeit von Studium und Beruf abzielten.

Zwar wurde im Rahmen der ANKOM-Begleituntersuchung die Gestaltung von Information und Beratung für beruflich Qualifizierte am Übergang in die akademische Bildung thematisiert, jedoch lassen sich hieraus unter dem Gesichtspunkt der Durchlässigkeitsförderung einige Hinweise für den Übergang von Studienabbrechern und Studienabbrecherinnen aus der hochschulischen in die berufliche Bildung gewinnen. 

Beruflich Qualifizierte

Die Kultusministerkonferenz (KMK) definiert „beruflich Qualifizierte“ im Kontext des Hochschulzugangs als Personen, die eine Hochschulzugangsberechtigung (HZB) über den dritten Bildungsweg erworben haben, also über keine schulisch erworbene HZB (Abitur, Fachhochschulreife) verfügen, sondern diese aufgrund von beruflicher Qualifikation und/oder Berufserfahrung erlangen.

Dem vorliegenden Beitrag liegt im Gegensatz dazu ein er­weitertes Verständnis zugrunde. Als beruflich Qualifizierte werden hier nicht nur Personen ohne schulisch erworbene HZB verstanden, sondern darüber hinaus auch Personen, die nach Erwerb des Abiturs oder der Fachhochschulreife in das Berufsbildungssystem eingemündet sind und bisher keine Berührungspunkte mit dem Hochschulsystem hatten (vgl. Wiesner 2015). 

Die ANKOM-Begleitstudie „Information und Beratung für beruflich Qualifizierte“

Im Rahmen der ANKOM-Begleitstudie wurde untersucht, welche Informations- und Beratungsangebote innerhalb der ANKOM-Projekte bereits existieren, wie diese konkret gestaltet sind und wie sie – im Hinblick auf die Beratungsbedarfe der beruflich Qualifizierten vor und bei Eintritt in das Studium – idealerweise gestaltet sein müssten, um den Übergang für diese Zielgruppe in die Hochschule zu erleichtern. Dabei handelte es sich um eine explorative Studie, die unter Verwendung sowohl quantitativer (Fragebogen) als auch qualitativer (Interviews) Forschungsmethoden in einem Untersuchungszeitraum von Dezember 2013 bis Mai 2014 durchgeführt wurde (vgl. BIBB-Datenreport 2015, Kapitel D2; Wiesner 2015).

Deutlich wurde unter anderem, dass beruflich Qualifizierte vor und bei Beginn eines Hochschulstudiums einen spezifischen Beratungsbedarf insbesondere hinsichtlich Fragen nach Zulassung und Anrechnung beruflich erworbener Kompetenzen aufweisen. Ebenfalls zeigt sich, dass die Beratung beruflich qualifizierter Studieninteressierter und Studierender nicht alleinige Aufgabe der Hochschule sein kann, da vielfach einer Studieneingangsberatung vorgelagerte Informations- und Beratungsbedarfe – bspw. zu den Themen Finanzierung oder berufliche Perspektiven – bei der Zielgruppe der beruflich Qualifizierten bestehen. Als besonders vielversprechend hinsichtlich des erfolgreichen Übergangs von der beruflichen in die hochschulische Bildung zeigen sich nach den Ergebnissen der Studie die Informations- und Beratungsangebote, die von den Hochschulen und Akteuren der beruflichen Bildung gemeinsam konzipiert und/oder umgesetzt werden, beispielsweise in Form von gemeinsamen Informationsveranstaltungen oder dem Einsatz einrichtungsübergreifender Beraterteams. Als notwendige Voraussetzungen für derartige institutionenübergreifende Angebote konnten eine Verständigung über die jeweiligen Kompetenzbereiche, die Bewusstmachung des wechselseitigen Nutzens sowie der Auf- bzw. Ausbau eines dichten Informationsnetzwerks herausgestellt werden. Der Wissenschaftsrat (2014, S. 82  ff.) sieht in einer derartigen Vernetzung von Informations- und Beratungsleistungen auch den Vorteil, der herrschenden Unübersichtlichkeit der Angebote und somit gleichzeitig inhaltlichen Redundanzen entgegenzuwirken.

Bildungsbereichsübergreifende Information und Beratung auch für Studienabbrecher/-innen

Werden die Ergebnisse der ANKOM-Begleitstudie auf den Kontext eines Übergangs von der hochschulischen in die berufliche Bildung projiziert sowie mit verschiedenen Forschungsbefunden zur Thematik (vgl. Heublein u. a. 2009; Wissenschaftsrat 2014) verglichen, kann angenommen werden, dass auch die Gruppe derjenigen, die einen Studienabbruch erwägen oder bereits vollzogen haben, einen spezifischen Informations- und Beratungsbedarf aufweist. Dieser dürfte sich – analog zum Beratungsbedarf beruflich Qualifizierter – insbesondere darauf richten, inwieweit Studienleistungen auf anschließende Bildungsgänge, wie beispielsweise eine duale Berufsausbildung, Anrechnung finden können. Dass diese Thematik für (potenzielle) Studienabbrecher/-innen von hoher Relevanz ist, wird auch durch eine kürzlich vom BIBB in Kooperation mit der Universität Maastricht durchgeführte Studierendenbefragung (vgl. Kapitel C2.1) zur Attraktivität einer dualen Berufsausbildung als mögliche Alternative nach einem möglichen Studien­abbruch unterstrichen. Da es sich hier um ein Beratungsthema handelt, das vor allem in der unmittelbar vor oder nach dem Studienabbruch erfolgenden Orientierungs- und Entscheidungsphase virulent ist, kann aus den Ergebnissen der ANKOM-Begleitstudie ferner abgeleitet werden, dass sich auch hier bildungsbereichsübergreifende Angebote bzw. kooperative Strukturen als sinnvoll erweisen und geboten sein dürften. Diese Annahme kann durch Ergebnisse einer vom BIBB 2014 durchgeführten Befragung von Berufsbildungsfachleuten untermauert werden, die sich unter anderem auf die Ausgestaltung von Konzepten zur Integration von Studienabbrechern und Studienabbrecherinnen in die duale Berufsausbildung richtete (Ebbinghaus u. a. 2014). Danach sollten entsprechende Konzepte nicht nur einen Schwerpunkt auf Informations- und Beratungsdienstleistungen legen, sondern auch kooperativ von verschiedenen Akteuren der hochschulischen und beruflichen Bildung ausgestaltet und umgesetzt werden. Einzelne Praxisbeispiele setzen dies bereits um, so z. B. das Beratungsnetzwerk für Ratsuchende, Studienzweifler und Neustarter in Darmstadt. Hier werden für die genannte Zielgruppe seit Juni 2014 monatlich Infoveranstaltungen in enger Zusammenarbeit von Hochschulen, Studentenwerk, Agentur für Arbeit und Kammern angeboten.312 Trotz positiver Beispiele findet die Information und Beratung aktuell jedoch häufig noch unvernetzt innerhalb einzelner Institutionen statt. Insbesondere im Hinblick auf rückläufige Anfängerzahlen in der dualen Ausbildung sowie den drohenden Fachkräfteengpass auf der mittleren Qualifikationsebene (vgl. Kapitel A8.1) sollte die bildungsbereichsübergreifende Information und Beratung ausgebaut werden, um Studienabbrecher/-innen für die berufliche Aus- und Fortbildung zu gewinnen. Einen entscheidenden Beitrag hierzu leistet das seit 2014 ebenfalls vom BMBF geförderte Programm JOBSTARTER plus mit seinen Aktivitäten im Bereich Netzwerkbildung sowie Identifizierung und Ansprache von Studienabbrechern und Studienabbrecherinnen (vgl. Kapitel C3). Einen weiteren entscheidenden Beitrag für den Aufbau kooperativer Beratungsnetzwerke für Studienabbrecher/ -innen leisten zudem die seit 2015 im Rahmen der Bund-Länder-Vereinbarung zur Initiative „Bildungsketten“ vom BMBF geförderten landesweiten Leuchtturmprojekte in Berlin, Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen.

(Kim-Maureen Wiesner)