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Deutschland 

Substitutionspotenziale

In Bezug auf empirische Arbeitsmarkteffekte der Digitalisierung auf dem deutschen Arbeitsmarkt haben besonders Dengler/Matthes (2015) Berechnungen zum Substituierbarkeitspotenzial von Berufen dargelegt. Die Analyse für das Jahr 2013 verdeutlicht, dass sowohl Helfer­ (46%) als auch Fachkrafttätigkeiten (45,4%) durchschnittlich ein höheres Substituierbarkeitspotenzial aufwiesen als Tätigkeiten, die eine höhere Qualifikation benötigen, wie z. B. in Spezialisten- (33,4%) oder Expertenberufen (18,8%) (Dengler/Matthes 2015, S. 1, 4). Vor allem in den Berufen der Industrieproduktion zeigte sich ein hohes Substitutionspotenzial, während es im Bereich „Soziale und kulturelle Dienstleistungsberufe“ am niedrigsten ausfiel (Dengler/Matthes 2015, S. 4f.). Die Auswertung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland verdeutlicht (Dengler/Matthes 2015, S. 5f.), dass ca. 15% (4,4 Mio. im Jahr 2013) in einem Beruf tätig waren, in dem mehr als 70% der Tätigkeiten bereits heute potenziell von Computern ersetzt werden könnten. Darunter befanden sich „nur“ 0,1 Mio. bzw. 0,4% der Beschäftigten in Berufen, die ein Substituierbarkeitspotenzial von 100% aufwiesen. Auf Basis der Ausgangsdaten von 2016 konnte in einer Neuberechnung gezeigt werden, dass sich das Digitalisierungsrisiko nach Berufssegmenten aufgrund der fortschreitenden technischen Möglichkeiten insgesamt deutlich erhöht hat (Dengler/Matthes 2018, S. 6f.; Dengler/Matthes/Wydra-Somaggio 2018, S. 1) Tabelle D2.3-1. In Bezug auf die Analyse der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wird deutlich, dass sich der Anteil der Beschäftigten mit einem niedrigen Substitutionspotenzial von 40% (2013) auf 28% (2016) verringert hat, während der Anteil mit einem mittleren (2013: 45% vs. 2016: 46%) und vor allem hohen Substituierbarkeitspotenzial (2013: 15% vs. 2016: 25%) angestiegen ist (Dengler/Matthes 2018, S. 8).

Tabelle D2.3-1: Substituierbarkeitspotenzial nach Berufssegmenten in Deutschland

Substitutionseffekte

Da das Substitutionspotenzial keine direkten Substitutionseffekte innerhalb von Berufen oder Branchen darstellt, wird im Folgenden eine kurze Ergebnisübersicht über die Entwicklung der Beschäftigung im Zusammenhang mit der Digitalisierung dargelegt. 

Arntz/Gregory/Zierahn (2018, S. 68) kamen mit ihrer Analyse der Beschäftigungsentwicklung (1995-2010) nach der Tätigkeitsstruktur der Berufsgruppen zu dem Ergebnis, dass die Computerisierung vor allem zu einer Substitution manueller und kognitiver Routineberufe geführt hat, während sie analytische, interaktive sowie manuelle Nicht-Routineberufe ergänzt hat. In Bezug auf den Nettobeschäftigungszuwachs haben computergesteuerte Technologien zwischen 1995 und 2010 zwar manuelle und kognitive Routinetätigkeiten ersetzt, insgesamt überwogen aber die Komplementaritätseffekte für Nicht-Routineberufe, sodass die Computerisierung zu einem jährlichen Beschäftigungswachstum von 0,18% geführt hat (Arntz/Gregory/Zierahn 2018, S. 69)349. Im Hinblick auf den Strukturwandel zwischen den Sektoren hat die Computerisierung vor allem primäre und sekundäre Sektoren verkleinert, während die Beschäftigung in den tertiären Sektoren angewachsen ist.350 Die Effekte sind mit teilweise mehr als 1% Beschäftigungswachstum pro Jahr, einzig durch die Computerisierung, vergleichsweise groß. In diesem Zusammenhang konnte eine weitere Studie vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) (Dauth u. a. 2017, S. 40f.) zeigen, dass jeder Roboter etwa 2 Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe der Fertigungsindustrie ersetzt hat, was einen Gesamtverlust von 275.000 Arbeitsplätzen im verarbeitenden Gewerbe im Zeitraum von 1994 bis 2014 bedeutete. Dieser Rückgang wurde jedoch durch zusätzliche Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor vollständig (oder sogar leicht überkompensiert) ausgeglichen.

Schweiz

Substitutionspotenziale

Eine Studie von Deloitte konnte für die Schweiz aufzeigen, dass bei einer direkten Übertragung des Ansatzes von Frey/Osborne (2013) im Durchschnitt 48% der Beschäftigten potenziell von einem Automatisierungsrisiko im Jahr 2013 betroffen waren (Deloitte 2015, S. 6). Die Schweizer Wirtschaftsbranchen waren dabei unterschiedlich gefährdet (Deloitte 2016, S. 10ff.)351. Die Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft waren mit einem Anteil von 76% am stärksten durch eine hohe Automatisierungswahrscheinlichkeit (>66%) bedroht352, während der Anteil in den Bereichen der öffentlichen Verwaltung, des Gesundheits- und Sozialwesens (17%)353 sowie der Information und Kommunikation (19%) am geringsten ausfiel Tabelle D2.3-2. Insgesamt konzentrierte sich das Automatisierungspotenzial auf Hilfsarbeitskräfte, Beschäftigte in der Produktion und der Landwirtschaft sowie auf niedrig- bis mittelqualifizierte Bürokräfte (Deloitte 2015, S. 6).

Tabelle D2.3-2: Automatisierungswahrscheinlichkeit nach Wirtschaftszweigen in der Schweiz, 2013

Substitutionseffekte

Da diese Analysen auf das Potenzial möglicher Substitutionseffekte eingehen und nicht die Veränderung der Beschäftigung aufzeigen (Deloitte 2016, S. 10), ist auch für den Schweizer Kontext zu beachten, dass in den letzten 25 Jahren insgesamt mehr Stellen geschaffen als verdrängt wurden (Deloitte 2015, S. 1ff.; Deloitte 2016, S. 4f.). Zwischen 1990 und 2013 stieg die Beschäftigung netto um etwa 800.000 Stellen an. In Bezug auf die Nettoeffekte der Automatisierung von Berufen durch neue Technologien konnten weitere Analysen (Deloitte 2017, S. 6; Gregory/Salomons/Zierahn 2016) darlegen, dass aufgrund der Automatisierung ein Substitutionseffekt von -103.000 Stellen zwischen 1999 und 2010 auftrat. Allerdings stand dieser Entwicklung ein Komplementäreffekt von +234.000 neu geschaffenen Stellen gegenüber, sodass die Automatisierung in diesem Zeitraum insgesamt einen Nettoeffekt von +131.000 Stellen zu verzeichnen hatte. Ein hoher Stellenzuwachs war von 1990 bis 2013 besonders in Berufen mit tiefer Automatisierungswahrscheinlichkeit zu verzeichnen (Deloitte 2015, S. 4f.). Dazu gehörten Führungskräfte, akademische sowie technische Berufe (z. B. Ärzte/Ärztinnen: +10.000 Beschäftigte, Psychologen/Psychologinnen: +7.000, Anwälte/Anwältinnen: +9.000), nicht akademische Krankenpflegekräfte (+16.000) und Sozialarbeiter/-innen sowie Kinderbetreuer/-innen (beide +12.000). Allerdings gab es auch Beschäftigungszuwächse in Berufen mit eher mittlerem bis hohem Substituierbarkeitspotenzial (Buchhalter/-innen, Steuerberater/-innen und verwandte Berufe +15.000, Finanz- und Anlageberater/-innen +11.000). Berufskategorien mit eher niedrigem bzw. mittlerem Ausbildungsniveau und hoher Automatisierungswahrscheinlichkeit wie Hilfsarbeitskräfte oder Bürokräfte im administrativen Bereich (z. B. Bank- sowie Schalterbedienstete -16.000, Sekretariatskräfte -49.000) sowie Beschäftigte in der Landwirtschaft (-39.000) wurden ersetzt Tabelle D2.3-3.

Tabelle D2.3-3: Automatisierungswahrscheinlichkeit und Beschäftigungsentwicklung von ausgewählten Berufskategorien in der Schweiz

Eine Analyse der Beschäftigungsentwicklung nach den Tätigkeitsprofilen (Soceco u. a. 2017, S. 64f.) (analytisch, interaktiv, kognitiv, manuell, Service) sowie dem Routinegrad der Tätigkeit354 von 1996 bis 2015 konnte zudem aufdecken, dass Beschäftigte mit Routinetätigkeiten seit den 1990er-Jahren substituiert worden sind, während die Zahl der Beschäftigten, die besonders Nicht-Routinetätigkeiten ausüben, zugenommen hat, wobei die Beschäftigung insgesamt angewachsen ist (+632.000 Vollzeitäquivalente (VZÄ), +19%). Eine Analyse der Tätigkeitsprofile auf Ebene der Berufsabteilungen für das Jahr 2015 (Aepli u. a. 2017, S. 7, 49ff.) offenbarte eine starke Zunahme der Beschäftigung bei den dienstleistungsnahen Berufen sowie innerhalb von Berufen der Technik und Informatik (Anstieg der gearbeiteten VZÄ um 25,6%). Industrie- und Gewerbeberufe (Verringerung der gearbeiteten VZÄ um 13,5%), Abteilungen des Bau- und Ausbaugewerbes und des Bergbaus (Verringerung um 6,1%) sowie Land- und Forstwirtschaftsberufe (Verringerung um 10,1%) verloren dagegen an Bedeutung. 

Österreich

Substitutionspotenziale

Auf der Grundlage eines tätigkeitsbasierten Ansatzes übertrugen Nagl/Titelbach/Valkova (2017, S. 8ff.) anhand von PIAAC-Daten 2012 die von Bonin/Gregory/Zierahn (2015) und Arntz/Gregory/Zierahn (2016) angewendete Methodik, um das tätigkeitsbezogene Substituierungspotenzial für österreichische Arbeitsplätze zu analysieren. Als Ergänzung zu den tätigkeitsbezogenen Berechnungen haben die Autoren/Autorinnen auch den Ansatz von Frey/Osborne (2013) unmittelbar auf den österreichischen Kontext übertragen (Nagl/Titelbach/Valkova 2017, S. 27f.). Diese Berechnungen ergaben, dass 42% der Österreicher/-innen in Berufen mit hohem Automatisierungsrisiko beschäftigt sind.355

In Bezug auf die Analyse des tätigkeitsbezogenen Ansatzes für das Jahr 2012 (Nagl/Titelbach/Valkova 2017, S. 16ff.) lag der Anteil der Beschäftigten mit hohem Automatisierungsrisiko bei 9%.356 Differenziert man die Analyse nach Berufshauptgruppen, waren besonders Hilfskräfte (30,3% waren innerhalb der Berufsgruppe vom hohen Automatisierungspotenzial betroffen), Maschinenbediener/-innen (17,7%) und Handwerker/-innen (18,7%) von dem höchsten Automatisierungsrisiko betroffen. Ein geringes Risiko der potenziellen Automatisierung war vor allem bei Führungskräften (0,8%), Akademikern/Akademikerinnen (0,0%) und Technikern/Technikerinnen (3,5%) zu beobachten Tabelle D2.3-4.

Tabelle D2.3-4: Anteil der tätigkeitsbezogenen Automatisierungsgruppen innerhalb der Berufshauptgruppen in Österreich, 2012

Substitutionseffekte

Die Analysen vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) zeigen die Veränderungen der Berufs- und Beschäftigungsstruktur in Österreich seit 1995 nach aggregierten Tätigkeitsschwerpunkten auf, wodurch Rückschlüsse auf Digitalisierungseffekte ermöglicht werden. Der Trendverlauf von analytischen und interaktiven Nicht-Routinetätigkeiten sowie von kognitiven Routinetätigkeiten wies ein ausgeprägtes und kontinuierliches Wachstum auf. Hingegen bewegten sich die manuellen Routine- und Nicht-Routinetätigkeiten seit 1995 überwiegend leicht unter dem Ausgangsniveau, wobei die manuellen Nicht-Routinetätigkeiten im Gegensatz zu den manuellen Routinetätigkeiten in den letzten Jahren wieder anstiegen (Bock-Schappelwein/Huemer 2018). Der Vergleich zwischen den Beschäftigungsanteilen der Routine- und Nicht-Routinetätigkeiten veranschaulicht die relativ stabilen Anteile beider Kategorien an der Gesamtbeschäftigung, die sich erst seit wenigen Jahren stärker auseinanderentwickelten. Die Betrachtung der Sektoren der „Sachgütererzeugung“ und „Dienstleistungen“ zeigt, dass die analytischen und interaktiven Nicht-Routinetätigkeiten auch hier deutlich und kontinuierlich angestiegen sind. Im Dienstleistungssektor stiegen die Anteile der manuellen Routinetätigkeiten bis 2005. Die manuellen Nicht-Routinetätigkeiten zeigten bis 2015 einen positiven Verlauf auf, während beide Kategorien in der Sachgüterproduktion laufend rückläufig waren. Zudem fällt auf, dass der Anteil der kognitiven Routinetätigkeiten in der Sachgüterproduktion die meiste Zeit unter dem Ausgangsniveau von 1995 lag, während diese im Dienstleistungssektor stetig angestiegen sind (Bock-Schappelwein 2018). 

Hinsichtlich der Entwicklung der Beschäftigung konnte in Bezug auf den Zeitraum von 1995 bis 2015 weiterhin gezeigt werden (Streissler-Führer 2016, S. 83ff.), dass die Zahl der VZÄ der Erwerbstätigkeit (selbstständig und unselbstständig Beschäftigte) insgesamt um 444.000 bzw. um 14% angestiegen ist. Automatisierungstechnologien haben, neben weiteren Einflüssen, die hier nicht explizit ausgeschlossen werden können, in diesem Zeitraum also nicht zu einem Abbau der Arbeitsvolumina geführt. Allerdings sind die Erwerbsvolumina vor allem in der Landwirtschaft und in der Industrie (Bergbau und Herstellung von Waren) gesunken. Eine deutliche Steigerung der gearbeiteten VZÄ war für den Handel (+60.000 VZÄ), den Tourismus (+45.000 VZÄ), den Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich (+152.000 VZÄ), für den Bereich der Informationsdienstleistungen (+41.000 VZÄ) sowie für unternehmensnahe Dienstleistungen (+246.000 VZÄ) zu beobachten. In Bezug auf Automatisierungspotenziale durch Technologien scheint der Beschäftigungszuwachs in Sektoren mit einem eher niedrigen Automatisierungsrisiko den Beschäftigungsabbau in Sektoren mit einem eher hohen Risiko (über-)kompensiert auszugleichen. 

  • 349

    Allerdings fielen die absoluten jährlichen Netto-Effekte (mit einem jährlichen Nettobeschäftigungszuwachs von 0,18%) sehr klein aus.

  • 350

    Davon ist der Sektor Elektronik und Fahrzeugbau ausgenommen, in welchem computergesteuerte Technologien vor allem hergestellt werden (Arntz/Gregory/Zierahn 2018, S. 69).

  • 351

    Auch für die Studie von 2016 wurden die Potenziale der Substitution auf Basis der Berechnungen von Frey/Osborne (2013) auf den Schweizer Kontext übertragen.

  • 352

    In Bezug auf die Gesamtbeschäftigung ist die absolute Anzahl (153.000) jedoch relativ unbedeutend (Deloitte 2016, S. 11).

  • 353

    Da der Anteil der Beschäftigten mit einem hohen Automatisierungsrisiko in der öffentlichen Verwaltung sowie dem Gesundheits- und Sozialwesens im Jahr 2013 am niedrigsten ausfiel und diese Berufsgruppe relativ den größten Anteil an der Gesamtbeschäftigung ausmachte, waren fast zwei Drittel der Beschäftigten (ca. 560.000) in der Schweiz von einem geringen Automatisierungspotenzial betroffen (Deloitte 2016, S. 12).

  • 354

    In Anlehnung an die Methode von Oesch (2013).

  • 355

    Dieses Risiko bewegt sich damit in einer mit den US-Ergebnissen (47%) oder Ergebnissen für Deutschland (42%) und Schweiz (48%) (Deloitte 2015, S. 6) vergleichbaren Größenordnung (Nagl/Titelbach/Valkova 2017, S. 27f.).

  • 356

    Für das Automatisierungsrisiko wurde zwischen einem geringen (Risiko < 30 %), einem mittleren (Risiko zwischen 30% und 70%) sowie einem hohen Potenzial (Risiko > 70%) unterschieden (Nagl/Titelbach/Valkova 2017, S. 17).