Die Vorausschätzung des Ausbildungsplatzangebots und der Ausbildungsplatznachfrage für 2016 war im Wesentlichen beeinflusst durch die unbekannte Nachfrage von Geflüchteten nach Ausbildungsstellen. Um dieser Unsicherheit gerecht zu werden, wurden Szenarien mit einer schrittweisen Erhöhung von Ausbildungsnachfragenden und einem darauf reagierenden Ausbildungsplatzangebot berechnet. Die Analyse des Ausbildungsstellenmarktes zum 30. September 2016 (vgl. Kapitel A1) zeigt, dass PROSIMA die Wirkungsmechanismen richtig beschreiben konnte.
Im Jahr 2016 wurden mit 563.800 gleich viele Ausbildungsplätze angeboten wie im Jahr 2015. PROSIMA prognostizierte unter der Annahme eines Wirtschaftswachstums von 1,7 %29 im Vergleich zu 2015 hingegen einen leichten Rückgang auf 560.400 Plätze. Der tatsächliche Wert befindet sich aber im Bereich des üblichen Schätzfehlers (vgl. BIBB-Datenreport 2016, Kapitel A2.1). Mit 520.300 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen wurden zwar etwas weniger Verträge abgeschlossen als 2015 (522.200); allerdings waren es mehr, als ohne die Einbeziehung einer zusätzlichen Nachfrage durch Geflüchtete prognostiziert wurde (513.000). Die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen fiel mit 43.500 entsprechend niedriger aus als von PROSIMA erwartet (47.400). Dennoch war hier wie prognostiziert ein Anstieg ersichtlich. Begründen ließ sich der Rückgang an Neuabschlüssen und der Anstieg an unbesetzten Ausbildungsplätzen in PROSIMA mit dem „demografiebedingten Rückgang des Nachfragepotenzials, wodurch sich nicht alle angebotenen Ausbildungsstellen im gleichen Maße besetzen lassen wie im Jahr 2015“ (vgl. BIBB-Datenreport 2016, Kapitel A2.1). Die Anzahl an unvermittelten Bewerbern und Bewerberinnen (inklusive derer mit Alternative) wurde mit 81.100 nur leicht um 500 Personen verfehlt (tatsächlicher Wert in 2016: 80.600). Die Ausbildungsplatznachfrage, welche sich aus den unvermittelten Bewerbern/Bewerberinnen und den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen zusammensetzt, wurde somit aufgrund der Unterschätzung der Zahl an Neuabschlüssen mit 594.100 institutionell gemeldeten Ausbildungsinteressierten ebenfalls leicht unterschätzt (tatsächlicher Wert im Jahr 2016: 600.900).
Die dargestellten Werte waren wie erläutert Ergebnis einer Prognose ohne die Berücksichtigung von Geflüchteten. Das Nachfragepotenzial, welches eine relevante Größe in der Bestimmung der Neuabschlüsse darstellt, ging in diesem Fall zurück, weil demografiebedingt weniger Personen aus den allgemeinbildenden Schulen bzw. Altbewerber/-innen eine Ausbildung nachfragten. Da Geflüchtete das Nachfragepotenzial erhöht hätten, das tatsächliche Interesse und die entsprechende Eignung (z. B. Sprachkenntnisse) für eine Berufsausbildung aber unbekannt waren, wurde die mögliche Nachfragesteigerung über Szenarienrechnungen abgebildet. Dabei wurde davon ausgegangen, dass als ausbildungsreif erachtete Geflüchtete bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) als Bewerber-/-innen registriert werden. Diese Bewerberzahl wurde schrittweise um jeweils 10.000 auf bis zu 50.000 Personen erhöht (Szenario 1). Zudem wurden in weiteren Szenarien eine höhere Meldebereitschaft der Unternehmen, Praxen und Verwaltungen um 10.000 Stellen unterstellt (Szenario 2) bzw. zusätzlich das Angebotspotenzial an Ausbildungsstellen ebenfalls um 10.000 erhöht (Szenario 3) (vgl. BIBB-Datenreport 2016, Kapitel A2.3).
Die Zahlen zum 30. September 2016 zeigen, dass rund 10.300 Geflüchtete bei der BA registriert wurden, von welchen ca. 35 % zum Stichtag in eine Berufsausbildung eingemündet sind (vgl. Kapitel A1). Gleichzeitig ist die konjunkturelle Entwicklung mit 1,9 % Wachstum positiver ausgefallen als erwartet (1,7 % Wachstum). Die Anzahl der bei der BA gemeldeten Stellen hat sich von 531.000 (2015) um rund 16.000 auf 547.000 (2016) erhöht (prognostiziert wurde ein Rückgang auf 524.300 gemeldete Stellen).
Der rein konjunkturelle Effekt auf das Ausbildungsplatzangebot wurde von PROSIMA bei 0,1 Prozentpunkten Wachstum mit 1.700 zusätzlichen Stellen beziffert (vgl. BIBB-Datenreport 2016, Kapitel A2.3). Rund 3.400 der angebotenen Stellen wären somit dem stärkeren Wirtschaftswachstum zuzuschreiben. Dies bedeutet, dass bei einer Berücksichtigung des Wirtschaftswachstums um 1,9 % in der Prognose die 560.400 angebotenen Ausbildungsstellen exakt vorhergesagt worden wären (= 560.400 + 3.400). Dennoch wären etwas weniger neu abgeschlossene Ausbildungsverträge und etwas mehr unbesetzte Ausbildungsplätze erwartet worden. Die Szenariorechnung (Szenario 1) ergab bei einer zusätzlichen Nachfrage von knapp 10.000 bei der BA registrierten Bewerbern und Bewerberinnen eine Erhöhung der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge auf knapp 514.300. Bei einer zusätzlich gesteigerten Meldebereitschaft der Betriebe um 10.000 Stellen (Szenario 2) berechnete PROSIMA rund 517.600 Neuabschlüsse. Eine Erhöhung des Angebotspotenzials um ebenfalls 10.000 Stellen (Szenario 3) hätte hingegen zu 524.300 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen geführt. Tatsächlich hat sich die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen aber nicht nur um 10.000, sondern um 16.000 gegenüber dem Wert des Jahres 2015 erhöht und überstieg somit den Schätzwert im Jahr 2016 um knapp 23.000 Stellen. Gleichzeitig war das Wirtschaftswachstum, wie beschrieben, etwas positiver als angenommen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Abweichungen zwischen der prognostizierten Zahl von 513.000 zu der tatsächlichen Zahl von 520.300 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen folgende Ursachen haben:
- eine zusätzliche Ausbildungsnachfrage durch Geflüchtete,
- eine gestiegene Meldebereitschaft der Unternehmen, Praxen und Verwaltungen und damit einhergehende höhere Vermittlungschance von Bewerbern und Bewerberinnen auf Ausbildungsplatzstellen sowie
- eine bessere konjunkturelle Entwicklung.
Gemäß den Zusammenhängen von PROSIMA ist für 2016 nicht von einer – über die konjunkturell induzierte Angebotssteigerung hinausgehenden – Steigerung des Angebotspotenzials auszugehen. Demnach haben Betriebe unter Kontrolle der wirtschaftlichen Entwicklung nicht mehr Ausbildungsstellen angeboten als in der Vergangenheit. Stattdessen haben Ausbildungssuchende und Ausbildungsanbietende durch die höhere Meldebereitschaft von Unternehmen, Praxen und Verwaltungen besser zueinander gefunden.
Angebotspotenzial und Nachfragepotenzial
Zum Nachfragepotenzial werden alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen gerechnet, die sich zwischen dem 1. Oktober des Vorjahres und dem 30. September für eine duale Berufsausbildung interessierten. Im Unterschied zur Ausbildungsplatznachfrage zählen hierzu auch jene Personen, die ihr Ausbildungsinteresse noch vor dem 30. September wieder aufgeben oder auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.
Das Angebotspotenzial entspricht der latenten Gesamtzahl der dualen Ausbildungsplätze, welche die Betriebe, Praxen und Verwaltungen zu Beginn der Planungsperiode als mögliches Ausbildungsangebot in Betracht ziehen, neu einzurichten oder wieder zu besetzen gedenken – unabhängig davon, ob sie die Arbeitsverwaltung über ihre Absichten und Stellen informieren, wie intensiv sie suchen und wie erfolgreich sie bei der Akquisition von Auszubildenden sind.
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Quelle: http://www.bmwi.de/DE/Themen/Wirtschaft/Konjunktur-und-Statistiken/projektionen (Zugriff: 02.02.2016).
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Bei 10.000 zusätzlich gemeldeten Bewerbern und Bewerberinnen betrug der Effekt von 10.000 zusätzlich gemeldeten Ausbildungsstellen rund 3.300 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge. Dies entspricht nahezu dem Wert der in Ausbildung gemündeten Geflüchteten von 35 %. Gleichzeitig bedeuten 20.000 zusätzlich gemeldete Stellen rund 6.600 neue Ausbildungsverträge, sodass PROSIMA unter den nun bekannten Voraussetzungen 520.900 (514.300 + 6.600) neu abgeschlossene Ausbildungsverträge prognostiziert hätte.