BP:
 

Das Wichtigste in Kürze

Zielsetzung des Kapitels ist es, die indikatorengestützte Berichterstattung des Datenreports zum Berufsbildungsbericht der Bundesregierung um ausgewählte Daten zur Internationalisierung der beruflichen Bildung und zur Entwicklung der Berufsbildung weltweit und insbesondere in Europa zu erweitern. Die Entwicklungen der vereinbarten Benchmarks aus dem gemeinsamen Arbeitsprogramm der EU zu Bildung und Ausbildung „ET 2020“ und der Jugendarbeitslosigkeit in Europa werden in jeweiligen UnterKapiteln ebenso fortgeschrieben wie die Informationen zur internationalen Mobilität in Ausbildung und Beruf und zur Umsetzung des Gesetzes zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen. 

Die berufliche Kompetenzentwicklung im Betrieb als Schwerpunktthema des Datenreports 2020 wird in diesem Kapitel aus international vergleichender Perspektive beleuchtet. Exemplarisch werden hierzu auf der Basis von PIACC-Daten berufliche Tätigkeitsmerkmale in ausgewählten OECD-Ländern verglichen. Deutschland misst bekanntermaßen der beruflichen Qualifizierung eine große Bedeutung zu. Neben dem unmittelbaren Lernen am Arbeitsplatz umfasst der Datenvergleich den Ermessensspielraum sowie die Intensität komplexer Problemlösung im Arbeitsprozess als Vergleichsdimensionen. Während der Ermessensspielraum deutscher Fachkräfte an ihren Arbeitsplätzen im Vergleich erwartungsgemäß groß ausfällt, zeigen andere Staaten überraschend starke Ausprägungen hinsichtlich des Lernens am Arbeitsplatz und der komplexen Problemlösung. Diese Befunde fordern eine weitere Befassung durch die Berufsbildungsforschung. 

Mit Blick auf weitere internationale und europäische Entwicklungen ist hervorzuheben: 

  • Die Jugendarbeitslosigkeit betrug 2018 im europäischen Durchschnitt 15,2%. Damit hat sich der Wert im Vergleich zum Vorjahr (16,7%) weiter verringert; der Aufschwung am Arbeitsmarkt seit 2013 setzte sich fort. In Lettland ist die Jugendarbeitslosigkeit um knapp 5% überdurchschnittlich stark gesunken und betrug im Jahr 2018 12,2%. EU-weit blieb für junge Menschen unter 25 Jahren weiterhin ein höheres und in Ländern wie Griechenland, Spanien und Portugal ein leicht steigendes Risiko, von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein. Betriebsintegrierte Formen der Ausbildung kommt eine wachsende Bedeutung zu und sie sind nicht nur in Ländern mit einem dualen System zu beobachten. In Deutschland lag die Jugendarbeitslosigkeit mit 6,2% im Jahr 2018 auf dem niedrigsten Niveau im EU-Vergleich. 
  • Im internationalen Vergleich der betrieblichen Ausbildungsquoten hat sich der bisher leicht rückläufige Trend im Jahr 2017 für Deutschland auf einem Niveau von 3,2% betrieblichen Auszubildenden an allen Erwerbstätigen stabilisiert und wurde im Vergleich nur von der Schweiz mit einer Ausbildungsquote von 4,4% übertroffen. Hierbei sind die Prozentwerte jeweils vor dem Hintergrund einer steigenden absoluten Zahl der Erwerbstätigen zu interpretieren. 
  • Die auf Deutschland bezogenen Daten zur Erreichung der europäischen Benchmarks im EU-Arbeitsprogramm „Allgemeine und berufliche Bildung 2020“ haben sich 2018 gegenüber dem Vorjahr nur geringfügig verändert. Deutschland lag mit 34,9% der 30- bis 34-Jährigen, die einen Bildungsabschluss erzielen, der im EU-Kontext unter tertiärer Bildung gefasst wird, nur auf Position 20 im Ländervergleich der EU-28 und damit weiterhin unter dem vereinbarten Benchmark von 40%. Bei einer Bewertung gilt es jedoch weiterhin zu berücksichtigen, dass die ausgewerteten Bildungsdaten den Bereich der beruflichen Aufstiegsfortbildung nicht vollständig umfassen und in Europa das jeweilige nationale Verständnis, was unter tertiärer Bildung zu verstehen ist, divergiert.
    Auch bei der Beteiligung Erwachsener am lebenslangen Lernen (EU-Benchmark: 15%) blieb Deutschland mit einem Wert von 8,2% stabil im unteren Mittelfeld des EU-Ländervergleichs. Die Nachbarländer Österreich mit 15,1% und Schweiz mit 31,6% wiesen hier deutlich höhere Werte auf. Sehr nah am vereinbarten Ziel lag Deutschland beim Anteil der frühzeitigen Schul- und Ausbildungsabgänger/-innen (EU-Benchmark: 10%; Wert für Deutschland 2018: 10,3%). Die Beschäftigungsquote der 20- bis 34-Jährigen (EU-Benchmark: 82%) erholte sich europaweit zunehmend und lag 2018 in der EU bei 81,7%. Eine Differenzierung nach ISCED-Niveaus macht deutlich, dass die Beschäftigungsquote junger Menschen, die über einen beruflichen Sekundarabschluss (ISCED 3-4 voc) verfügen, in Deutschland 2018 mit 92,4% weit über dem europäischen Durchschnittswert von 79,5% lag, was auf einen gelingenden Übergang von der Berufsausbildung in Beschäftigung schließen lässt.
  • Im Rahmen des EU-Programms für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport Erasmus+ legt das Programm für Mobilität in der Berufsbildung zusätzliche Schwerpunkte auf die Ebene der Institutionen und Systeme. Durch die Beteiligung an Mobilitätsprojekten soll die Internationalisierung von Organisationen verbessert werden. Auf der systemischen Ebene werden die Anerkennung von Kompetenzen und die Übergänge zwischen den Bildungsbereichen durch das europäische Leistungspunktesystem für die Berufsbildung (ECVET) gefördert. Das Ziel der Bundesregierung, bis zum Jahr 2020 den Anteil junger Menschen, die im Rahmen einer beruflichen Erstausbildung einen Auslandsaufenthalt realisieren, auf 10% zu steigern, hat weiterhin Bestand und gilt es noch zu erreichen. Mit 26.858 bewilligten Stipendien für Auslandsaufenthalte von Lernenden und mit 6.029 bewilligten Stipendien für Aufenthalte von Berufsbildungspersonal setzte sich der kontinuierliche Anstieg der Zahlen in der Auslandsmobilität im Jahr 2019 weiter fort. Das Verhältnis von betrieblichen Auszubildenden zu Absolventinnen/Absolventen einer schulischen Erstausbildung betrug in den Mobilitätsmaßnahmen ca. zwei Drittel zu einem Drittel. Weiterhin waren im dualen Ausbildungssystem die Industriekaufleute international am mobilsten: 13,9% dieser Auszubildenden nutzten die Möglichkeit eines Auslandsaufenthalts im Rahmen von Erasmus+. Stark unterrepräsentiert blieben in der Auslandsmobilität die Verkaufsberufe. Mit 14.059 Personen, die mittels Erasmus+ eine berufsbildende Mobilitätsmaßnahme in Deutschland realisierten, stand Deutschland als Zielland hinter Spanien, dem Vereinigten Königreich und Italien an vierter Stelle innerhalb der Programmstaaten. Stipendiatinnen und Stipendiaten aus Frankreich, der Türkei und aus Polen kamen mit deutlichem Abstand am häufigsten nach Deutschland. 
  • Bei der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen ist ein deutlicher Trend zugunsten von Drittstaaten zu verzeichnen. Seit 2016 umfassen Anträge zu Qualifikationen, die in einem Drittstaat erworben wurden, über die Hälfte des jährlichen Antragsaufkommens, 2018 lag der Anteil bei 69,4%. Auch stammten die vom Ausland aus gestellten Anträge (sog. Auslandsanträge) zunehmend aus Drittstaaten. 2018 bildeten sie mit 54,5% der insgesamt 5.958 Auslandsanträge erstmals die antragsstärkere Gruppe im Vergleich zu Auslandsanträgen aus der EU (inkl. EWR und Schweiz). Im Jahr 2018 beantragten rund 39.100 qualifizierte ausländische Fachkräfte die Anerkennung ihrer beruflichen Abschlüsse in Deutschland, somit war rund jeder fünfte gemeldete Antrag (5.958 Anträge absolut) ein Auslandsantrag. 
  • Von April 2012 bis Ende 2018 wurden insgesamt 140.703 Anträge auf Anerkennung einer im Ausland erworbenen Berufsqualifikation nach dem Bundesgesetz gestellt. Bei den 29.202 im Jahr 2018 gestellten Anträgen
    • war die Nachfrage erneut am höchsten bei den medizinischen Gesundheitsberufen, insbesondere bei den reglementierten Referenzberufen Gesundheits- und Krankenpfleger/-in sowie Arzt/Ärztin;
    • bildete Kaufmann bzw. -frau für Büromanagement, Elektroniker/-in und Kraftfahrzeugmechatroniker/-in erneut die drei antragsstärksten nicht reglementierten deutschen Referenzberufe;
    • führte Syrien die Rangfolge der Ausbildungsstaaten sowie die der Staatsangehörigkeit der Antragstellenden erneut vor Bosnien-Herzegowina und Serbien an. Dabei handelt es sich in allen drei Fällen um Drittstaaten; 
    • stammte rund jeder fünfte Antrag aus dem Ausland.

Von den insgesamt 28.716 im Jahr 2018 beschiedenen Verfahren endeten bei den reglementierten Berufen 52,2% und bei den nicht reglementierten Berufen 53,4% mit einer vollen Gleichwertigkeit – inklusive jener Verfahren, in denen die Auflage einer Ausgleichsmaßnahme erfolgreich absolviert wurde. Damit ging der Anteil der Verfahren, die mit einer vollen Gleichwertigkeit enden, bei den reglementierten Berufen erkennbar zurück (2017: 63,0%), während er bei den nicht reglementierten Berufen vergleichsweise stabil blieb. Die Differenzierung nach Herkunft der Qualifikation zeigt deutliche Unterschiede zwischen Qualifikationen aus der EU und aus Drittstaaten. Erging für Qualifikationen aus der EU (inkl. EWR und Schweiz) in 81,0% der beschiedenen Verfahren die volle Gleichwertigkeit, so beschieden zuständige Stellen bei Verfahren für Qualifikationen aus Drittstaaten nur in 40,3% der Fälle die volle Gleichwertigkeit. 

Der weiterhin hohe Informationsbedarf zum Thema Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen lässt sich an den insgesamt ca. 13,5 Mio. Seitenaufrufen des Informationsportals der Bundesregierung (www.anerkennung-in-deutschland.de) ablesen, auch wenn die Portalbesuche von 3,2 Mio. im Jahr 2018 auf 2,8 Mio. im Jahr 2019 zurückgegangen sind. Gleichzeitig erhöhte sich die Verweilzeit und die Anzahl der aufgerufenen Unterseiten. Das Portal bietet seine Informationen in elf Sprachen an. Im Jahr 2019 finden ca. 56% aller Portalbesuche aus dem Ausland statt, davon wiederum mehrheitlich aus Drittstaaten außerhalb der EU inkl. EWR und der Schweiz. Der Anerkennungs-Finder, der die strukturierten Informationen über alle Anerkennungsverfahren zu reglementierten Berufen in Deutsch und Englisch vermittelt, steht dabei im Zentrum des Interesses. Nahezu die Hälfte aller Zugriffe auf das Portal entfällt auf dieses zentrale Angebot.

(Birgit Thomann)