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Erasmus+ (2014 bis 2020) ist das Programm für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport der Europäischen Union. Es trägt dazu bei, die europäischen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 und des strategischen Rahmens für die Zusammenarbeit in der Bildung zu erreichen. Zentrales Instrument von Erasmus+ ist die Projektförderung. Das Programm umfasst neben den vier Bildungssektoren Berufsbildung, Erwachsenenbildung, Schule und Hochschule auch die Bereiche Jugend und Sport. 

Bis Ende 2020 werden in Europa insgesamt 14,8 Mrd. € für die Förderung der Qualifikation und Beschäftigungsfähigkeit von mehr als 4 Mio. Menschen bereitgestellt. Damit stehen in Erasmus+ für allgemeine und berufliche Bildung im Vergleich zum Vorgängerprogramm 40% mehr Mittel zur Verfügung. Knapp zwei Drittel (63%) des Gesamtbudgets sind dabei für grenzüberschreitende Mobilität von Einzelpersonen vorgesehen. Die verbleibenden Mittel dienen der Unterstützung von Partnerschaften sowie der Förderung von Reformen zur Modernisierung der allgemeinen und beruflichen Bildung und der Förderung von Innovation, Unternehmertum und Beschäftigungsfähigkeit. In Deutschland sind vier Nationale Agenturen für die Umsetzung von Erasmus+ verantwortlich. Für die Sektoren Berufsbildung und Erwachsenenbildung ist die Nationale Agentur (NA) beim BIBB zuständig.

Im Jahr 2019 wurden wesentliche Schritte realisiert, um das Erasmus+-Nachfolgeprogramm (2021 bis 2027) vorzubereiten. So haben der Rat und das Europäische Parlament ihre Stellungnahmen zum Vorschlag der EU-Kommission formuliert, der bereits im Jahr 2018 veröffentlicht worden war. Noch vor der Wahl zum Europäischen Parlament im Mai 2019 fand die erste Lesung statt, sodass nach der Wahl im Herbst 2019 der legislative Prozess fortgeführt werden konnte. Damit sind wesentliche Schritte zur Vorbereitung des Nachfolgeprogramms bereits realisiert. 

Erasmus+, Mobilität in der Berufsbildung

Das derzeitige Programm Erasmus+ hat seine Zielperspektive erweitert. Auf der individuellen Ebene stehen weiterhin die Steigerung der Kompetenzen und Beschäftigungsfähigkeit im Mittelpunkt. Seit 2014 legt das europäische Bildungsprogramm für die Mobilität in der Berufsbildung aber zusätzlich einen Schwerpunkt auf die institutionelle und systemische Ebene. Durch die Beteiligung an Mobilitätsprojekten sollen die Unternehmen und Einrichtungen darin unterstützt werden, die Qualität und Attraktivität der Ausbildungsangebote zu steigern und die Internationalisierung der eigenen Organisation zu fördern. Auf der Ebene der Bildungssysteme soll die Anerkennung von Kompetenzen verbessert, die Übergänge zwischen den Bildungssektoren einschließlich des informellen Sektors erhöht und langfristig auch politische Reformen angestoßen werden.

Im Rahmen von Mobilitätsprojekten können Auszubildende, Berufsfachschüler/-innen, Personen in der Berufsausbildungsvorbereitung und Personen in formaler beruflicher Weiterbildung sowie Absolventen und Absolventinnen dieser Bildungsgänge Auslandsaufenthalte in einer Dauer zwischen zwei Wochen und einem Jahr realisieren. Das Berufsbildungspersonal kann zum Zweck des Lernens oder Ausbildens bzw. Unterrichtens für zwei Tage bis zwei Monate ins europäische Ausland gehen.

Die Zahlen der im Jahr 2019 beantragten und bewilligten Auslandsaufenthalte sind in Tabelle D3-1 dargestellt. Der stetige Anstieg der Auslandsmobilität setzte sich im Jahr 2019 weiter fort. Die Förderzahlen der Auszubildenden und Berufsfachschüler/-innen haben sich seit dem Jahr 2012 mehr als verdoppelt Schaubild D3-1.

Tabelle D3-1: Erasmus+-Mobilität in der Berufsbildung, beantragt/bewilligt, Antragsrunde 2019

Schaubild D3-1: Erasmus+-Mobilität in der Berufsbildung 1995 bis 2019, Lernende

Geförderte Ausbildungsgänge und Berufe

Die im Jahr 2016 bewilligten Projekte sind im Jahr 2018 ausgelaufen. Für diese Projekte liegen Zahlen hinsichtlich der geförderten Bildungsgänge und Berufe vor. In der Zielgruppe der Lernenden sind 95% in beruflicher Erstausbildung, die anderen Teilgruppen sind in Berufsausbildungsvorbereitung (1%), geregelter Weiterbildung (2%) und im ersten Jahr nach Abschluss einer Aus- oder Weiterbildung (2%). Von den Personen in beruflicher Erstausbildung kommen 66% aus dem dualen System und 34% aus schulischen Bildungsgängen. Von den dualen Berufen sind die Industriekaufleute mit Abstand die international mobilsten. Im Jahr 2017 gab es 16.815 Absolventen und Absolventinnen in diesem Beruf. In dem relevanten Bezugsjahr wurden im Programm Erasmus+ 2.330 Auslandsaufenthalte von Industriekaufleuten gefördert. Damit haben etwa 13,9% der Auszubildenden in diesem Beruf einen Auslandsaufenthalt mit Erasmus+ realisiert. Neben anderen kaufmännischen Berufen sind z. B. auch Fachinformatiker/-innen, Mechatroniker/-innen und Hotelfachleute überproportional mobil. Stark unterrepräsentiert sind die Verkaufsberufe. Tabelle D3-2 nennt die Anzahl der in Erasmus+-Projekten des Jahres 2016 geförderten Auslandsaufenthalte für die 20 stärksten Ausbildungsberufe und zeigt, wie international mobil diese Berufe sind, indem dargestellt wird, wie viel Prozent der Absolventen und Absolventinnen eines Berufes im Jahr 2017 einen Auslandsaufenthalt im Rahmen des Programms Erasmus+ realisiert haben. Aus Schaubild D3-2 geht hervor, wie stark ein Beruf am Programm Erasmus+ beteiligt ist, indem der Anteil eines Berufes an allen Absolventen und Absolventinnen und sein Anteil an allen Erasmus+-Lernenden dargestellt wird. 

Tabelle D3-2: Erasmus+ geförderte Auslandsaufenthalte nach Ausbildungsberufen (Top 20)

Schaubild D3-2: Anteil der Erasmus+ geförderten Auslandsaufenthalte im Vergleich zum Anteil der Absolventen/Absolventinnen der Top-20-Ausbildungsberufe nach BBiG/HwO 2017 (in%)

Internationalisierung von Berufsbildungseinrichtungen

Zur Förderung der Internationalisierung von Berufsbildungseinrichtungen gibt es im Programm seit dem Jahr 2015 die Erasmus+ Mobilitätscharta Berufsbildung. Berufsbildungseinrichtungen, die den Akkreditierungsprozess erfolgreich durchlaufen haben und über die Charta verfügen, erhalten auf dieser Grundlage vereinfachte Rahmenbedingungen für die institutionell verankerten Mobilitätsaktivitäten.

Voraussetzung für die Akkreditierung ist neben einer Mindestzahl von qualitativ hochwertig durchgeführten Mobilitätsprojekten vor allem eine institutionelle Strategie für die fortschreitende Internationalisierung der Einrichtung. Das Programm Erasmus+ unterstützt so die systematische Internationalisierung der Institutionen hinsichtlich der Abschlüsse, der Kompetenzen des Personals, der Lerninhalte und ihrer Netzwerke. Auf der Grundlage der Finanzierung von Auslandsaufenthalten fördert das Erasmus+ Programm durch die Charta auch gezielt die Internationalisierung der Berufsbildungseinrichtungen. Im Jahr 2019 haben sieben Berufsbildungsinstitutionen, vor allem Berufsschulen und Unternehmen, eine Erasmus+-Mobilitätscharta Berufsbildung erhalten. Der Wert liegt deutlich unter dem der Vorjahre, da die Akkreditierung nur noch zwei Jahre wirksam ist, und damit weniger attraktiv. Damit ist die Zahl der akkreditierten Einrichtungen auf insgesamt 126 angestiegen. Die Charta ist bis zum Jahr 2020 gültig; bis dahin haben die Einrichtungen institutionellen Zugang zur Förderung von Auslandsaufenthalten im Rahmen des Programms.

Wirkung von Mobilitätsprojekten

Auf individueller Ebene bietet das Programm Erasmus+ damit den Lernenden die Möglichkeit, internationale Berufskompetenz zu erwerben. Fremdsprachenkenntnisse, internationale Fachkenntnisse sowie interkulturelle Kompetenzen sind wichtige Bausteine einer international zukunftsfähigen Qualifizierung. Dem Personal der Berufsbildung bietet das Programm die Möglichkeit einer individuellen, mit dem Bedarf ihrer Einrichtung abgestimmten Weiterbildung. Angesichts des großen europäischen Interesses am dualen System ist es hilfreich, dass im Rahmen von Erasmus+-Ausbildungs- und Lehrpersonal auch zum Zweck des Ausbildens und Unterrichtens im Ausland gefördert werden kann.

Auf institutioneller Ebene bewirken Mobilitätsprojekte die internationale Ausrichtung der Bildungsgänge und Curricula, die internationale Vernetzung der Unternehmen und Einrichtungen und eine Öffnung für innovative Lehr- und Lernmethoden aus dem Ausland.

Die Steigerung der Mobilität in der Berufsbildung hat in der europäischen und nationalen Bildungspolitik hohe Priorität. Im Kontext des gemeinsamen europäischen Arbeitsprogramms wurde das Ziel definiert, Mobilität in der Berufsbildung bis zum Jahr 2020 auf 6% zu steigern (vgl. Europäischer Rat 2011). Auf nationaler Ebene hat der Bundestag im Januar 2013 das Ziel formuliert, dass im Jahr 2020 mindestens 10% der Auszubildenden während ihrer Ausbildung Auslandserfahrung sammeln sollen (vgl. Deutscher Bundestag 2013). Die im Jahr 2018 von der NA beim BIBB veröffentlichte Mobilitätsstudie (vgl. Nationale Agentur Bildung für Europa beim Bundesinstitut für Berufsbildung 2018) hat gezeigt, dass das Programm Erasmus+ an der Finanzierung von 49% aller Auslandsaufenthalte in der Berufsausbildung in Deutschland beteiligt ist. Damit ist Erasmus+ das mit Abstand größte Förderprogramm für Auslandsaufenthalte in der Berufsbildung.

ECVET und Individuelle Mobilität

Die im Rahmen des europäischen Leistungspunktesystems für die Berufsbildung (European Credit System for Vocational Education and Training, ECVET) zur Verfügung gestellten Instrumente zur Qualitätssicherung von Auslandsaufenthalten in der Berufsbildung werden von immer mehr Projekten aufgegriffen. Hintergrund des Anstiegs ist zum einen, dass im Rahmen des Programms ECVET ein optionaler Standard geworden ist und für die Vereinbarungen mit den ausländischen Partnern und den Teilnehmenden entsprechende Instrumente zur Verfügung stehen. Für die Projektträger wurde es einfacher, ihre Projekte entsprechend weiterzuentwickeln. Darüber hinaus fördert die NA beim BIBB im Rahmen des Programms Erasmus+ sechs sogenannte ECVET-Expertinnen und -Experten, die ECVET-Handreichungen und Umsetzungshilfen erarbeiten und Mobilitätsprojektträger in der Umsetzung von ECVET beraten.

In der Regel beantragen Projektträger Stipendien für die Lernenden ihrer Einrichtungen. Davon zu unterscheiden sind die sogenannten Pool-Projekte, die den individuellen Zugang von Einzelpersonen zu einem Erasmus+-Stipendium bundesweit ermöglichen. Insbesondere Auszubildende von kleinen und mittleren Unternehmen sowie aus international unerfahrenen Bildungseinrichtungen bekommen so Zugang zu einem Stipendium, ohne dass ihr Unternehmen oder ihre Einrichtung ein Projekt selbst durchführt. 

Im Jahr 2019 konnten 3.615 Pool-Plätze bewilligt werden. Damit hat die Anzahl der Pool-Plätze weiter leicht zugenommen. Dies ist möglich, da das BMBF seit dem Jahr 2016 unter bestimmten Voraussetzungen eine nationale Kofinanzierung für die Organisation von Auslandsaufenthalten von Auszubildenden in Pool-Projekten zur Verfügung stellt. Im Rahmen der Kofinanzierung werden 13 zweijährige Projekte mit insgesamt über 2.881 Pool-Plätzen für Auszubildende gefördert. Hinzu kommen die Pool-Projekte, die ohne nationaler Kofinanzierung angeboten werden. Interessierte finden die Individualstipendien auch in der Pool-Projekt-Datenbank auf der Homepage der NA beim BIBB.

Erasmus+-incoming-Mobilität

Das Programm Erasmus+ wendet grundsätzlich das Entsendelandprinzip an. Es finanziert, abgesehen von wenigen Ausnahmen, Auslandsaufenthalte von Bildungsinländern und -inländerinnen in einem der 33 weiteren Programmstaaten. Es liegen mit zeitlicher Verzögerung aber auch Statistiken zur europäischen Mobilität nach Deutschland vor. In den Erasmus+-Mobilitätsprojekten der Berufsbildung wurden im Rahmen der 2018 bewilligten Projekte in den Programmländern insgesamt 171.803 Auslandsaufenthalte bewilligt. Davon kamen 14.059 Personen nach Deutschland (8%). Damit war Deutschland die viertwichtigste Destination für Mobilität in der Berufsbildung in Europa. An erster Stelle stand Spanien (26.666, 17%) gefolgt von dem Vereinigten Königreich (21.315, 12%) und Italien (17.361, 10%). Die wichtigsten Herkunftsländer der nach Deutschland kommenden Stipendiaten waren Frankreich, Türkei und Polen Tabelle D3-3.

Tabelle D3-3: Erasmus+-incoming-Mobilität 2018

Datenanalyse „Mobil in Europa mit Erasmus+“ 

Im Jahr 2018 hatte die NA beim BIBB die repräsentative Studie „Auslandsaufenthalte in der Berufsausbildung 2017“ (vgl. Nationale Agentur Bildung für Europa beim Bundesinstitut für Berufsbildung 2018) vorgelegt. Diese Studie war auf sämtliche Auslandsaufenthalte in der Erstausbildung ausgerichtet, unabhängig von der Finanzierung durch ein Förderprogramm, ein Unternehmen oder private Gelder. Darüber hinaus wurde die internationale Mobilität des Berufsbildungspersonals in dieser Studie nicht erfasst.

Die im Jahr 2019 veröffentlichte Datenanalyse „Mobil in Europa mit Erasmus+“ (vgl. Nationale Agentur Bildung für Europa beim Bundesinstitut für Berufsbildung 2019) macht erstmals umfangreiche Daten analytisch aufbereitet zugänglich. Die Publikation stellt Daten und Fakten zu Auslandsaufenthalten von Lernenden und Berufsbildungspersonal der abgeschlossenen Projekte dar, die von 2016 bis 2018 durchgeführt worden sind.

Ein wesentliches Ergebnis bezieht sich auf die Personen mit besonderem Förderbedarf, die vom Programm erreicht werden. So wurden in den Projekten aus der Antragsrunde 2016 insgesamt 204 Personen mit besonderem Förderbedarf ins Ausland entsandt, dabei dominierten die Teilnehmenden aus einer außerbetrieblichen Berufsausbildung (77 Personen) und Teilnehmende in berufsvorbereitenden Maßnahmen (69 Personen). Erstmals wurde auch die Verteilung des geförderten Berufsbildungspersonals erfasst und veröffentlicht. Fast zwei Drittel des geförderten Personals arbeite als Lehrkraft an beruflichen Schulen und rund ein Fünftel kommt aus der betrieblichen Ausbildung.

AusbildungWeltweit

Waren und Dienstleistungen werden heute in immer größerem Umfang global gehandelt. Daraus ergibt sich die Anforderung, dass deutsche Fachkräfte auch international einsetzbar sind. Aufgrund der beschränkten geografischen Reichweite von Erasmus+ und der anderen nationalen Förderprogramme hat das BMBF Ende 2018 das Programm AusbildungWeltweit (www.ausbildung-weltweit.de) gestartet, das von der Nationalen Agentur Bildung für Europa beim BIBB umgesetzt wird.

AusbildungWeltweit ist ein breit angelegtes Förderprogramm für weltweite Auslandsaufenthalte in der Berufsbildung. Zielländer sind alle Länder, die nicht vom europäischen Bildungsprogramm Erasmus+ abgedeckt sind. Förderfähig sind Auslandsaufenthalte von drei Wochen bis drei Monaten von Auszubildenden im dualen System (BBiG/HwO) und Personen in Ausbildung nach anderen Berufsgesetzen des Bundes. Sie können so Praxiserfahrung in Betrieben sammeln und sich auf eine Berufstätigkeit in einer globalisierten Arbeitswelt vorbereiten. Darüber hinaus können Ausbilderinnen und Ausbilder Auslandsaufenthalte von zwei Tagen bis zwei Wochen realisieren, um sich auch selbst fortzubilden oder aber um ihre ausländischen Partner bei der Umsetzung dualer Ausbildungsansätze zu unterstützen. Die Finanzierung erfolgt im Rahmen von Zuwendungen über Pauschalen für Fahrtkosten, Aufenthaltskosten und die Organisation, für Auszubildende sind zudem Zuschüsse für Vor- und Nachbereitung verfügbar. Antragsberechtigt im Jahr 2019 waren Ausbildungsbetriebe, Kammern und andere nichtschulische Einrichtungen der Berufsbildung. Im Rahmen eines Pilotprojekts wurden 109 Projekte mit 462 Auszubildenden und 148 Ausbilderinnen und Ausbildern gefördert. Dabei waren China und USA die mit Abstand wichtigsten Zielländer. Im Jahr 2019 wurden die Vorbereitungen abgeschlossen, so dass ab dem Jahr 2020 auch berufliche Schulen antragsberechtigt und Lernende in vollzeitschulischer Berufsausbildung förderfähig sind. Es ist daher damit zu rechnen, dass das Programm AusbildungWeltweit in den nächsten Jahren deutlich wachsen wird.

(Berthold Hübers)