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Das Wichtigste in Kürze

Die duale Berufsausbildung hat in Deutschland traditionell einen hohen Stellenwert. Etwas mehr als die Hälfte eines Altersjahrgangs (2018: 54,5%) beginnt eine Ausbildung in einem der 324 nach BBiG bzw. HwO anerkannten Ausbildungsberufe. Bundesweit gab es Ende 2018 rund 1,33 Mio. Auszubildende (vgl. Kapitel A5.2 und Kapitel A5.8). Zum zweiten Mal in Folge ist ihre Zahl gegenüber dem Vorjahr gestiegen (+6.9001 bzw. +0,5%). In den Jahren zuvor war die Zahl der Auszubildenden stark gesunken. Diese Entwicklung ist auf Demografie bedingt sinkende Schulabgängerzahlen, aber auch auf einen Trend zu höheren Schulabschlüssen und eine gestiegene Studierneigung zurückzuführen (vgl. Kapitel A4.1). Dies stellt die Betriebe bei der Sicherung ihres Fachkräftenachwuchses vor große Herausforderungen. 

2019 wurden weniger Ausbildungsverträge neu abgeschlossen als im Vorjahr. Im Folgenden wird die aktuelle Situation am Ausbildungsstellenmarkt anhand zentraler Eckdaten skizziert. Für weitergehende Informationen wird auf die entsprechenden Kapitel in diesem Datenreport verwiesen.

Aktuelle Entwicklungen am Ausbildungsmarkt 2019

  • Weniger neu abgeschlossene Ausbildungsverträge

Nachdem die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge seit 2011 kontinuierlich zurückgegangen war, konnte 2017 und 2018 ein leichtes Plus verzeichnet werden. 2019 hat sich dieser positive Trend nicht fortgesetzt. Es wurden insgesamt 525.100 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen. Das sind 6.300 (-1,2%) weniger als 2018. Die Zahl der betrieblichen Ausbildungsverträge sank um 5.800 (-1,1%) auf 510.700. Die Zahl der neu abgeschlossenen außerbetrieblichen Ausbildungsverträge ging um 500 (-3,5%) auf 14.400 zurück (vgl. Kapitel A1.2).

  • Weniger Ausbildungsangebote, erstmals aber auch wieder weniger unbesetzte Berufsausbildungsstellen

Bundesweit wurden 578.200 Ausbildungsstellen angeboten. Das Ausbildungsangebot (neu abgeschlossene Ausbildungsverträge plus unbesetzte Berufsausbildungsstellen) fiel somit um 10.900 Stellen (-1,8%) niedriger aus als im Vorjahr. Das betriebliche Ausbildungsangebot (ohne überwiegend öffentlich finanzierte Ausbildungsstellen) lag bei 563.900. Betriebe und Unternehmen in Deutschland haben somit 10.300 (-1,8%) Ausbildungsplätze weniger zur Verfügung gestellt als im Vorjahr. Die Zahl der bei der BA gemeldeten unbesetzten Berufsausbildungsstellen ging nach Anstiegen in den Vorjahren von 57.700 auf 53.100 zurück (-4.500 bzw. -7,8%) (vgl. Kapitel A1.1).

  • Sinkende Nachfrage nach dualer Berufsausbildung

Die Nachfrage (hier: erweiterte Definition = neu abgeschlossene Ausbildungsverträge plus alle zum Stichtag 30. September noch eine Ausbildungsstelle suchenden Personen) sank 2019 von 610.000 auf 598.800 (-11.200 bzw. -1,8%). Sie lag erstmals unter 600.000. Die positive Entwicklung der beiden Vorjahre hat sich somit nicht fortgesetzt. Der Anstieg der Nachfrage in den Jahren 2017 und 2018 war auch darauf zurückzuführen, dass zunehmend Bewerberinnen und Bewerber mit Fluchthintergrund auf dem Ausbildungsstellenmarkt ankamen. Die Zahl der Geflüchteten unter den bei der BA gemeldeten Ausbildungsstellenbewerberinnen und -bewerbern ist 2019 nicht weiter angestiegen (2018: 38.300, 2019: 38.100) (vgl. Kapitel A12.2). 

  • Zusammenführung von Angebot und Nachfrage etwas besser als im Vorjahr; Passungsprobleme bleiben zentrale Herausforderung

Die Zahl der unversorgten Bewerberinnen und Bewerber entsprach mit 24.500 in etwa dem Vorjahresniveau (-0,1%). Die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber mit Alternative und weiterem Vermittlungswunsch in Ausbildung fiel mit 49.200 geringer aus als 2018 (-4.900 bzw. -9,0%). Die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber insgesamt, die noch eine Ausbildungsstelle suchten und eine entsprechende Vermittlung durch die BA wünschten, lag 2019 bei 73.700 (2018: 78.600). 

Die Ergebnisse zu den unbesetzten Berufsausbildungsstellen (s. o.) und zu den noch suchenden Bewerberinnen und Bewerbern zeigen, dass es nach wie vor Schwierigkeiten gibt, Ausbildungsangebot und -nachfrage zusammenzuführen. Allerdings haben sich sowohl der Anteil unbesetzter Stellen am betrieblichen Gesamtangebot (2018: 10,0%, 2019: 9,4%) als auch der Anteil der noch eine Ausbildungsstelle suchenden Bewerber/-innen gemessen an der Gesamtnachfrage (2018: 12,9%, 2019: 12,3%) im Vorjahresvergleich etwas günstiger entwickelt. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Berufen und Regionen (vgl. Kapitel A1.1).

  • Insgesamt durchwachsene Ausbildungsmarktbilanz 

Aus Sicht der nachfragenden jungen Menschen hat sich die Ausbildungsmarktsituation 2019 nicht verschlechtert. Die erweiterte ANR lag wie im Vorjahr bei 96,6. Die erweiterte ANR bezogen auf das betriebliche Angebot betrug 94,2 (2018: 94,1). Die Einmündungsquote ausbildungsinteressierter Jugendlicher (EQI) fiel bundesweit etwas höher aus als im Vorjahr (2018; 66,0%; 2019: 66,7%) (vgl. Kapitel A1.1).

Insgesamt betrachtet kann die Bilanz des Ausbildungsjahres 2018/2019 als durchwachsen bezeichnet werden. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist gesunken. Auf der anderen Seite haben sich eine Reihe zentraler Indikatoren für die Ausbildungsmarktbilanzierung 2019 nicht weiter verschlechtert oder sogar leicht verbessert. Auch die Passungsprobleme am Ausbildungsmarkt sind leicht zurückgegangen. Die positiven Entwicklungen sind jedoch auch auf den Rückgang der Nachfrage zurückzuführen.

Um das Ausmaß dieser Entwicklung auch im längeren Zeitvergleich darzustellen, nimmt der vorliegende Datenreport in Kapitel A1.1 einen Rückblick auf die Entwicklung von Angebot und Nachfrage seit 2010 vor. Mit Blick auf die künftige Fachkräftesicherung stellt der Rückgang der Nachfrage eine erhebliche Herausforderung dar. Die Steigerung der Attraktivität der dualen Berufsausbildung bzw. der wahrgenommenen Attraktivität bleibt daher ebenso eine zentrale Aufgabe wie die weitere Reduzierung der Passungsprobleme am Ausbildungsmarkt. 

Weitere zentrale Herausforderungen und Entwicklungen

  • Anfängerinnen und Anfänger im Übergangsbereich 

Nach deutlichen Rückgängen der Anfängerzahlen im Übergangsbereich zwischen 2005 (417.600) und 2014 (252.700) ist die Zahl der Anfängerinnen und Anfänger im Übergangsbereich in den Jahren 2015 und 2016 gestiegen. Dieser Anstieg war im Wesentlichen auf die zunehmende Zahl Geflüchteter zurückzuführen, die insbesondere in Programme zum Erlernen der deutschen Sprache im Übergangsbereich einmündeten. Seitdem sinkt die Zahl der Anfänger/-innen im Übergangsbereich wieder. 2019 lag sie bei 255.300. Das sind 8.700 (-3,3%) weniger als 2018. Diese Entwicklung ist u. a. darauf zurückzuführen, dass Geflüchtete, die zwischenzeitlich einen Anstieg der Anfängerzahlen im Übergangsbereich bewirkt hatten, nun diese Maßnahmen verlassen und in Ausbildung einmünden (vgl. Kapitel A4.1 und Kapitel A12.2).

  • Ausbildungsbeteiligung der Betriebe

Analysen des BIBB anhand der Beschäftigungsstatistik der BA zeigen, dass die betriebliche Ausbildungsbeteiligung in den letzten Jahren rückläufig war. Lag die Ausbildungsbetriebsquote lange Zeit bei rund 24%, ist sie zuletzt spürbar gesunken. Mit 19,8% fiel sie 2016 erstmals unter die 20%-Marke. 2018 lag sie bei 19,7% (2017: 19,8%). Positiv ist, dass sich der in den letzten Jahren verzeichnete Bestandsverlust an Ausbildungsbetrieben zuletzt nicht weiter fortgesetzt hat. 2017 gab es erstmals seit 2009 wieder mehr Ausbildungsbetriebe in Deutschland als im Vorjahr. 2018 hat sich die Zahl der Ausbildungsbetriebe auf dem Niveau von 2017 stabilisiert (+0,0% auf 427.300). Zu beachten sind die erheblichen Unterschiede nach Wirtschaftszweigen und Betriebsgrößen. Rückgänge bei der Zahl der Ausbildungsbetriebe sind auf Verluste im kleinstbetrieblichen Bereich (1 bis 9 Beschäftigte) zurückzuführen, die allerdings die breite Masse der Betriebe in Deutschland ausmachen. Hier ist auch ein Zusammenhang mit den zunehmenden Stellenbesetzungsschwierigkeiten von Kleinstbetrieben zu sehen (vgl. Kapitel A7.1).

  • Sicherung der zukünftigen Fachkräftebasis 

Angesichts der beschriebenen Entwicklungen stellt die Sicherung der Fachkräftebasis in Deutschland eine zentrale Herausforderung dar. PROSIMA, das ökonometrischen Prognose­ und Simulationsmodell, das das BIBB für die Vorausschätzung der Ausbildungsmarktlage heranzieht, geht für 2020 von einem Rückgang des Ausbildungsangebots aus. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge wird ebenfalls leicht sinken. 

Auch auf Nachfrageseite rechnet PROSIMA mit weiteren Rückgängen. Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage wird sich voraussichtlich weiter zugunsten der nachfragenden jungen Menschen entwickeln. Hintergrund ist, dass das Angebotspotenzial dem Modell zufolge zwar zurückgeht, aber aufseiten des Nachfragepotenzials mit stärkeren Rückgängen zu rechnen ist (vgl. Kapitel A2.2). Zu beachten ist, dass die Auswirkungen von COVID-19 auf den Ausbildungsmarkt bei dieser Prognose nicht berücksichtigt sind.

Zur Stabilisierung der Nachfrage ist es wichtig, alle Potenziale für die duale Berufsausbildung zu erschließen. Mögliche Ansatzpunkte bestehen z. B. darin, das Interesse von Studienberechtigten an einer dualen Berufsausbildung weiter zu steigern. Aktuell liegt der Anteil der Ausbildungsanfängerinnen und Ausbildungsanfänger mit Studienberechtigung bei 29,6% (vgl. Kapitel A5.5.1). Gleiches gilt für das Interesse von jungen Frauen an einer dualen Berufsausbildung, denn auch 2019 ist die Zahl der Ausbildungsverträge, die mit jungen Frauen abgeschlossen wurden, weiter gesunken und zwar um 3.500 (-1,8%) auf 192.400 (vgl.Kapitel A1.2 und Kapitel A1.1). Überdurchschnittlich häufig bleiben Personen mit Migrationshintergrund ohne Berufsabschluss. Nach BIBB-Berechnungen auf Basis des Mikrozensus 2018 betrug die Quote der nicht formal Qualifizierten bei 20- bis 34-jährigen Migrantinnen und Migranten mit eigener Migrationserfahrung 32,9% (zum Vergleich: Deutsche ohne Migrationshintergrund: 8,3%) (vgl. Kapitel A11.3).

  • Mehr Transparenz durch aktuelle Befragungsergebnisse

Bereits seit einigen Jahren berichtet der Datenreport anhand der Daten der Berufsbildungsstatistik über einen Anstieg der Vertragslösungsquote. Mit 26,5% ist die Quote 2018 erneut leicht angestiegen (vgl. Kapitel A5.6). Nicht jede Vertragslösung ist problematisch. Vertragslösungen sind jedoch für beide Seiten (Betriebe und Jugendliche) mit einem Verlust an Zeit, Energie und anderen Ressourcen verbunden. Im ungünstigsten Fall können sie zu einem Ausstieg aus der Ausbildung sowohl der Jugendlichen als auch der Betriebe führen. Die Berufsbildungsstatistik liefert Angaben zum Ausmaß der Vertragslösungen. Sie erhebt weder die Gründe noch den Verbleib der jungen Menschen. Anhand der Daten des NEPS hat das BIBB jetzt beides untersucht (vgl. Kapitel A8.3). Die Ergebnisse zeigen u. a., dass die Hälfte der Befragten im Anschluss an eine Vertragslösung wieder eine duale Berufsausbildung beginnt. Weitere 14% nahmen eine berufsfachschulische Ausbildung oder ein Studium auf. Insgesamt befanden sich demnach 64% nach einer Vertragslösung wieder in vollqualifizierender Ausbildung. 

  • Modernisierung der beruflichen Bildung

Ein modernes und leistungsfähiges Berufsausbildungssystem lebt insbesondere von der Qualität seiner Ausbildungsordnungen. Sie bilden die Grundlage für eine zukunftsfeste Berufsausbildung als Voraussetzung für lebenslanges Lernen. Seit 2010 wurden insgesamt 122 Ausbildungsberufe neu geordnet. Darunter waren 118 modernisierte und vier neue Ausbildungsberufe (vgl. Kapitel A3.2). 

  • BBiG-Novelle

Zum 1. Januar 2020 ist das novellierte Berufsbildungsgesetz (BBiG) in Kraft getreten. Zentrale Elemente der BBiG-Novelle sind die Einführung einer Mindestausbildungsvergütung sowie die Einführung von drei einheitlichen Fortbildungsstufen („Geprüfte/-r Berufsspezialist/-in“, „Bachelor Professional“ und „Master Professional“). Darüber hinaus beinhaltet das Gesetz eine Flexibilisierung und Öffnung der Teilzeitausbildung für alle Auszubildenden, eine größere Durchlässigkeit bei „gestuften“ Ausbildungen sowie mehr Flexibilität für ehrenamtliche Prüferinnen und Prüfer. Wenn im vorliegenden Datenreport auf das BBiG verwiesen wird, ist dem Berichtszeitraum des Datenreports 2020 entsprechend – sofern nicht explizit anders ausgewiesen – noch das BBiG in seiner bis zum 31.12.2019 und die Handwerksordnung in ihrer bis zum 13.2.2020 geltenden Fassung gemeint.2  

Überblick über die wichtigsten zugrunde liegenden Statistiken

Die oben genannten Kernaussagen zu den zentralen Entwicklungen basieren auf verschiedenen Statistiken und Erhebungen. Einen Überblick über zentrale zugrunde liegenden Datenquellen mit ihren jeweiligen Verwendungszwecken gibt Tabelle A-1.

(Bettina Milde)

Tabelle A-1: Überblick zu wichtigen Statistiken (Teil 1)

Tabelle A-1: Überblick zu wichtigen Statistiken (Teil 2)

  • 1

    Bei den absoluten Zahlen handelt es sich um gerundete Zahlen.

  • 2

    Das BBiG in der ab 1.1.2020 geltenden Fassung ist auf den Internetseiten des BMBF abrufbar (URL: https://www.bmbf.de/upload_filestore/pub/Das_neue_Berufsbildungsgesetz_BBiG.pdf). Die letzte Änderung der Handwerksordnung ist am 14.2.2020 in Kraft getreten. Im Fokus stand hier die Wiedereinführung der Meisterpflicht in zwölf bis dato zulassungsfreien Handwerken.