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Der Arbeitsmarkt steht fortwährend vor neuen Herausforderungen, die sich langfristig auch in der Entwicklung von Arbeitsangebot und -nachfrage nach Branchen, Berufen und Qualifikationen zeigen. Dabei können Unterschiede auch zwischen Regionen deutlich werden. Das BIBB und das IAB haben in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung mbH (GWS) – im Rahmen ihrer regelmäßigen Qualifikations- und Berufsprojektionen (QuBe-Projekt) deshalb auch Entwicklungstrends in den 16 Bundesländern bis zum Jahr 2035 modelliert.

BIBB-IAB-Qualifikations- und Berufsprojektionen (QuBe-Projekt)

Die BIBB-IAB-Qualifikations- und Berufsprojektionen (QuBe-Projekt) sind in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) entstanden und zeigen anhand von Modellrechnungen, wie sich Angebot und Nachfrage nach Qualifikationen und Berufen langfristig entwickeln können. In der Basisprojektion wird ein empiriebasiertes Konzept verfolgt: Es werden nur bislang nachweisbare Verhaltensweisen in die Zukunft projiziert. In der Vergangenheit nicht feststellbare Verhaltensänderungen sind somit nicht Teil der Basisprojektion. Dies gilt auch für die modellierten Marktanpassungsmechanismen. Informationen zum Projekt finden sich unter www.QuBe-Projekt.de; die Ergebnisse sind unter www.QuBe-Data.de verfügbar.

Das Ziel des QuBe-Projektes ist es, empirische Trends, Verhaltensweisen und Interdependenzen in einer dynamischen Modellierung fortzuschreiben. Zielvorgaben bzw. Absichtserklärungen sind somit nicht Teil der hier vorgestellten Basisprojektion. Die Ergebnisse zeigen vielmehr, auf welchem Entwicklungspfad wir uns befinden, wenn Trends und Verhaltensweisen der Vergangenheit und Gegenwart fortbestehen. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist deshalb zu beachten, dass die Entwicklungen von Angebot und Nachfrage keine voneinander unabhängigen Größen darstellen. So kann die Arbeitsnachfrage etwa in Form von Lohnanpassungen auf Fachkräfteengpässe reagieren und die Erwerbspersonen können – im Rahmen der mit ihrem erlernten Beruf möglichen Flexibilität – in die entsprechend stärker nachgefragten und besser entlohnten Berufsgruppen wandern.

In diesem Beitrag werden die Ergebnisse der fünften Projektionswelle des QuBe-Projekts nach Bundesländern differenziert. Die zentralen Befunde der aktuellen Modellrechnungen auf Bundesebene finden sich in Maier u. a. 2018 und Zika u. a. 2020. Detaillierte Ergebnisse nach 141209 Berufsgruppen, 37 Berufshauptgruppen, Qualifikationen, Anforderungsniveaus und Bundesländer können im QuBe-Datenportal eingesehen und heruntergeladen werden.

QuBe-Datenportal (www.QuBe-Data.de)

Das QuBe-Datenportal veranschaulicht die Ergebnisse der BIBB-IAB-Qualifikations- und Berufsprojektionen (QuBe) und zeigt mögliche Entwicklungspfade von Arbeitsangebot und -nachfrage auf. Es können sowohl die Ergebnisse der Basisprojektion als auch die eines Wirtschaft-4.0- und E-Mobilitäts-Szenarios, disaggregiert nach 141 Berufsgruppen, 37 Berufshauptgruppen oder Qualifikationen bzw. Anforderungsniveaus, abgerufen werden. Auf der Angebotsseite wird auf der Personenebene die Zahl der Erwerbspersonen und auf der Stundenebene das Arbeitsvolumenpotenzial ausgewiesen. Auf der Nachfrageseite wird der Bedarf an Erwerbstätigen bzw. der Bedarf an Arbeitsvolumen aufgeführt, der für die Produktion der nachgefragten Güter bzw. die Bereitstellung der nachgefragten Dienstleistungen benötigt wird. Auch ist es möglich, die beiden Arbeitsmarktseiten gegenüberzustellen. Die Fachkräftesituation im Beruf wird zudem über einen Fachkräfteindikator wiedergegeben.

Die Ergebnisse der interaktiven Datenbankabfragen werden in Tabellen, Diagrammen und Karten dargestellt und können in unterschiedlichen Datei-Formaten (SVG, PNG, HTML, CSV) heruntergeladen und weiterverwendet werden.

Entwicklungen auf Bundesebene

Um die Einordnung der regionalen Ergebnisse zu erleichtern, wird nachfolgend kurz auf die wichtigsten Trends auf Bundesebene eingegangen (siehe auch BIBB-Datenreport 2019, Kapitel C2). Der QuBe-Basisprojektion liegt die QuBe-Bevölkerungsprojektion zugrunde (vgl. Maier u. a. 2018). Sie bildet die Grundlage für das auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehende Arbeitskräfteangebot. Es wird davon ausgegangen, dass die Bevölkerung in Deutschland bis 2027 auf 84,4 Mio. Personen noch anwächst und dann bis zum Jahr 2035 auf 84,0 Mio. Personen zurückgeht. Die Gründe für den weiteren Bevölkerungsanstieg liegen in der Zuwanderung der vergangenen Jahre, gestiegenen Geburtenraten und der höheren Lebenserwartung. Der Anstieg der Bevölkerung beeinflusst die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Erwerbspersonen. Ausgehend von 44,9 Mio. Personen im Jahr 2015 erreichen diese 2024 mit 46,8 Mio. Personen ihren Höhepunkt und fallen anschließend bis 2035 auf 45,5 Mio. Personen ab. 

Die Arbeitskräftenachfrage wird durch die wirtschaftliche Entwicklung bestimmt. Langfristig wird das Wirtschaftswachstum auf unter 1% zurückgehen. Mitverantwortlich hierfür ist der einsetzende Rückgang des Arbeitskräfteangebots, der auch durch Produktivitätssteigerungen nicht gänzlich kompensiert werden kann. Zudem wird aufgrund des Bevölkerungsrückgangs nach 2027 der Konsum der privaten Haushalte an Dynamik verlieren. Mittelfristig trägt der Außenhandel zwar weiter positiv zum Wachstum bei, langfristig wird sich der positive Wachstumsbeitrag aber nicht aufrechterhalten lassen. Da dem nachlassenden Wirtschaftswachstum eine gesunkene Bevölkerungszahl gegenübersteht, verweilen die durchschnittlichen Wachstumsraten pro Kopf auf einem höheren Niveau. Aufgrund der Alterung der Gesellschaft und dem damit einhergehenden Bedarf an Pflegekräften gewinnt der Gesundheitssektor an Bedeutung. Insgesamt wird in der QuBe-Basisprojektion ein Anstieg der Erwerbstätigen auf rund 44,8 Mio. im Jahr 2025 erwartet. Anschließend sind die Erwerbstätigen jedoch wieder leicht rückläufig und liegen im Jahr 2035 bei rund 44,4 Mio. Personen.

Entscheidend für regionale Differenzen sind auf der Angebotsseite die Bevölkerungsentwicklung – insbesondere die regional unterschiedliche Zuwanderung aus dem Ausland –, die Bildungsbeteiligung sowie die Berufswahl, die Erwerbsneigung und die berufliche Flexibilität. Auf der Bedarfsseite sind neben der Binnennachfrage, die sich durch die demografische Entwicklung ergibt, vor allem die vorherrschende regionale Wirtschaftsstruktur und ihre internationale Einbindung maßgebend. Sie bestimmt mit ihren langfristigen Entwicklungsperspektiven die Nachfrageentwicklung nach Berufen und Anforderungsniveaus. 

Demografische Entwicklung in den Bundesländern

Da sich Immigranten und Binnenwanderer regional unterschiedlich verteilen, wird sich die Bevölkerung in den Bundesländern nicht gleichmäßig entwickeln. Hier wird unterstellt, dass die Binnenwanderung den Annahmen der 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung entspricht (vgl. Statistisches Bundesamt 2015). Tabelle A10.2-1 stellt die daraus ergebende Bevölkerungsentwicklung in den Jahren 2018 bis 2035 nach Bundesländern differenziert nach Altersklassen dar. Dabei wird ersichtlich, dass insbesondere in den östlichen Bundesländern – mit Ausnahme Berlins – sowie in geringerem Maße in Niedersachsen, Nordrhein-Westfahlen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland bis 2035 mit einem Bevölkerungsrückgang zu rechnen ist. Die erwerbsfähige Bevölkerung im Alter zwischen 20 und 69 Jahren nimmt mit Ausnahme von Berlin und Hamburg sogar in allen Bundesländern ab. Der Bevölkerungsrückgang im Osten zeigt sich vor allem in der jüngeren Altersgruppe. Während im Bundesgebiet die Anzahl der unter 20-Jährigen zwischen dem Jahr 2018 und 2035 um fast 5% zunimmt, ist sie in den östlichen Bundesländern (ohne Berlin) und im Saarland rückläufig. Die Anzahl an Personen über 69 Jahren steigt im Osten zu geringeren Anteilen als im Bundesdurchschnitt. Dies liegt auch daran, dass der Anteil älterer Menschen dort bereits im Jahr 2018 höher war als im Bund.

Methodische Erläuterungen zur Projektion nach Bundesländern im QuBe-Projekt

Bei der vorliegenden QuBe-Basisprojektion nach Bundesländern werden auf der Nachfrageseite die 63 Wirtschaftszweige zu 37 Branchen zusammengefasst. Die Berufe werden nach ebenfalls 37 Berufshauptgruppen (Zweisteller) entsprechend der Klassifikation der Berufe 2010 (KldB 2010) ausgewiesen. Diese Zusammenfassungen werden aufgrund einer geringerer Fallzahl in den zugrunde liegenden Datensätzen (Mikrozensus und Beschäftigtenhistorik der BA) notwendig.

Bei der verwendeten Methodik der regionalen Projektionen handelt es sich um einen hybriden Ansatz, der eine Bottom-up-Modellierung mit Top-down-Elementen verbindet. Gemeint ist damit, dass zwar einerseits – beispielsweise bei der Bevölkerungs- und Erwerbstätigenprojektion nach Wirtschaftszweigen – regionale Entwicklungen differenziert berücksichtigt werden, andererseits aber auch die Entwicklungen des Bundes auf die Regionen übertragen werden. Die regional unterschiedlichen Ausgangssituationen werden dabei ebenfalls berücksichtigt. Dies ist beispielsweise bei der Berufsstruktur innerhalb der Wirtschaftszweige oder bei den qualifikations-, alters- und geschlechtsspezifischen Erwerbsquoten der Fall. Ebenfalls Berücksichtigung finden das berufs- und qualifikationsspezifische Pendelverhalten zwischen dem Bundesland des Wohnortes und des Arbeitsortes. Auch Pendler/-innen über die Bundesgrenzen hinweg werden miterfasst.

Tabelle A10.2-1: Bevölkerung nach Bundesländern und Altersklassen im Jahr 2018 und 2035

Branchenstruktur der Bundesländer

Die demografische Entwicklung gibt den Rahmen für das potenzielle Arbeitsangebot in den Regionen vor. Gleichzeitig fragt die Bevölkerung vor Ort aber auch bestimmte Produkte nach und hat dadurch zu einem gewissen Grad Einfluss auf die Nachfrage nach Arbeitskräften. Letztlich entscheidend für die Nachfrage nach bestimmten Berufen ist allerdings die bereits in der Vergangenheit gewachsene bzw. die sich künftig entwickelnde Wirtschaftsstruktur. Schaubild A10.2-1 veranschaulicht die unterschiedlichen Branchenschwerpunkte der 16 Bundesländer anhand der jeweiligen Abweichung der Erwerbstätigenanteile gegenüber dem Bund im Jahr 2018 nach den fünf Wirtschaftsbereichen „Landwirtschaft“, „Produzierendes Gewerbe“, „Gastgewerbe, Handel und Verkehr“, „Unternehmensdienstleister“ sowie „Öffentliche und private Dienstleister“. Die größte Abweichung in der Struktur zum Bund ergibt sich mit 30,3 Prozentpunkten für Berlin und mit 30,2 Prozentpunkten in Hamburg. Der Anteil der „Unternehmensdienstleister“ liegt in beiden Stadtstaaten weit über dem Bundesdurchschnitt. Nur in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bremen zeigen sich ebenfalls überdurchschnittliche Anteile der „Unternehmensdienstleister“. Deutlich wird auch, dass Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Saarland und Rheinland-Pfalz einen vergleichsweise stärkeren Fokus im „Verarbeitenden Gewerbe (inklusive Baugewerbe)“ haben. In Hessen und Hamburg, ist wie in Bayern und Baden-Württemberg der Anteil der „Öffentlichen und privaten Dienstleister“ geringer.

Schaubild A10.2-1: Zahl der Erwerbstätigen in fünf Wirtschaftsbereichen nach Bundesländern im Jahr 2018, Differenz zum Bund in Prozentpunkten

Arbeitskräftesituation in den Bundesländern

Die Arbeitskräftesituation in einer Arbeitsmarktregion hängt davon ab, wie viele Erwerbspersonen insgesamt ihre Arbeitskraft am Ort der Arbeitsstätten, also dem Arbeitsort, anbieten und wie hoch der Bedarf nach Erwerbstätigen im jeweiligen Bundesland ist. Für beides spielt die Bevölkerungsentwicklung eine zentrale Rolle. Tabelle A10.2-2 zeigt die Zahl der Erwerbspersonen und der Erwerbstätigen am Arbeitsort sowie die daraus ergebende Erwerbslosenquote. Auf der Seite des Arbeitskräfteangebots zeichnet sich bedingt durch die demografische Entwicklung, dem künftigen Erwerbsverhalten sowie dem unterstellten Wanderungs- und Pendlerverhaltens mit Ausnahme der Stadtstaaten Berlin und Hamburg eine Trennung zwischen den nordöstlichen und südwestlichen Bundesländern ab. Während sich in den nordöstlichen Bundesländern zum Teil hohe Rückgänge beim Arbeitskräfteangebot vor Ort zeigen, können Baden-Württemberg, Bayern und Hessen mit weiteren Zuwächsen rechnen. 

Beim Arbeitskräftebedarf wird deutlich, dass das zurückgehende Arbeitskräfteangebot das Erwerbstätigenwachstum hemmt. Bundesländer mit Zuwächsen beim Arbeitskräfteangebot können hingegen, trotz einer bundesweit sinkenden Zahl der Erwerbstätigen, Beschäftigung aufbauen. Trotz steigendem Arbeitskräftebedarf muss in Bayern mit einer steigenden Erwerbslosenquote gerechnet werden, weil das Wachstum des Arbeitskräftebedarfs nicht mit dem Wachstum des Arbeitskräfteangebots mithalten kann. Selbiges gilt für Berlin und Hamburg. In Hessen und in Baden-Württemberg geht der steigende Arbeitskräftebedarf dagegen mit einer sinkenden Erwerbslosenquote einher. In Bremen und Schleswig-Holstein steigt hingegen die Erwerbslosenquote, weil dort der Arbeitskräftebedarf stärker sinkt als das Arbeitsangebot. In allen anderen Bundesländern geht die Erwerbslosenquote zurück, weil das Arbeitskräfteangebot stärker zurückgeht als der -bedarf. 

Tabelle A10.2-2: Zahl der Erwerbspersonen, Erwerbstätigen und Erwerbslosenquote nach Bundesländern am Arbeitsort im Jahr 2018 und Veränderung bis 2035 (in %)

Entwicklung des Arbeitsangebotes nach Qualifikationen am Wohnort

Entsprechend der regionalspezifischen Ausgangssituationen entwickeln sich Arbeitsangebot und -nachfrage unterschiedlich in den Bundesländern. Für das Arbeitsangebot ist die unterschiedliche Zusammensetzung der regionalspezifischen Bevölkerung nach Alter, Geschlecht und Nationalität entscheidend. Diese wirkt sich auf die Bildungsbeteiligung und in der Folge auf die erreichten formalen Qualifikationsniveaus der Bevölkerung aus. Das Qualifikationsniveau ist im Zusammenspiel mit Alter, Geschlecht und Nationalität des Weiteren ausschlaggebend für die Erwerbsbeteiligung in den Bundesländern. 

Tabelle A10.2-3 gibt die Verteilung der Erwerbspersonen am Wohnort nach Qualifikationsniveaus (nach der International Standard Classification of Education (ISCED)) wieder. Sie gibt für das Jahr 2018 zum einen Aufschluss über das vergangene Qualifizierungsverhalten, das aufgrund der Organisationsform des dualen Systems eng am Arbeitskräftebedarf orientiert ist. Zum anderen spielt auch das vergangene Mobilitätsverhalten eine Rolle, da davon auszugehen ist, dass die Erwerbspersonen eventuell umgezogen sind, um ihre Qualifikation am jeweiligen Wohnort, auch unter Berücksichtigung des Pendelverhaltens, verwerten zu können. Für die veränderte Qualifikationsstruktur im Jahr 2035 sind vorwiegend die zahlenmäßig verschiedenartigen Übergänge in den Ruhestand sowie das unterschiedliche Ausbildungsverhalten in den Bundesländern ausschlaggebend.

Tabelle A10.2-3: Qualifikationsstruktur der Erwerbspersonen außerhalb des Bildungssystems in den Jahren 2018 und 2035 am Wohnort (in %)

Im Jahr 2018 zeigt sich, dass in Thüringen und Sachsen, sowie Sachsen-Anhalt und Brandenburg der Anteil an Personen ohne Berufsabschluss mit rund 6% bzw. 7% am geringsten ist. In Bremen ist 2018 hingegen jede fünfte Erwerbsperson außerhalb des Bildungssystems ohne beruflichen Abschluss. Auch in Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland ist der Anteil höher. Das Bild im Jahr 2018 spiegelt die historische Entwicklung wider. So erfolgte in den westlichen Bundesländern in den 1960er- und 1970er-Jahren ein verstärkter Zuzug von Gastarbeitern/Gastarbeiterinnen, mit einem, gemessen an der einheimischen Bevölkerung, relativ hohen Anteil an Personen ohne beruflichen Abschluss. Die Unterschiede sind aber auch auf die in den letzten Jahren erfolgten Zuzüge zurückzuführen. Die hohe Anzahl Jüngerer ohne abgeschlossene Berufsausbildung hat in diesen Bundesländern zu einem Anstieg an nicht formal beruflich Qualifizierten geführt (vgl. Zika u. a. 2017; BIBB-Datenreport 2019, Kapitel A11.3). Insgesamt zeigt die Projektion aber, dass der Anteil der nicht formal beruflich qualifizierten Erwerbspersonen in allen Bundesländern zurückgehen wird. Dies ist aber nur zum Teil zunehmenden Bildungsanstrengungen geschuldet; es ist auch ein Resultat des Ausscheidens Älterer aus dem Erwerbsleben, insbesondere in den westlichen Bundesländern.

Betrachtet man den Anteil der Erwerbspersonen mit einem beruflichen Abschluss fällt auf, dass sich hier vor allem in den östlichen Bundesländern hohe Erwerbspersonenanteile im Jahr 2018 finden. Am geringsten sind die Anteile hingegen in den Stadtstaaten. Insgesamt geht bis zum Jahr 2035 in allen Bundesländern der Anteil an Personen mit einem mittleren Abschluss zurück. Am stärksten ist der Rückgang jedoch in den östlichen Bundesländern zu beobachten. Auch diese Entwicklung lässt sich auf das Ausscheiden der Baby-Boomer-Generation aus dem Erwerbsleben zurückführen.

Betrachtet man die Qualifikationsebene der Aufstiegsfortbildungen, Bachelorabschlüsse und Fachhochschuldiplome (FH-Diplom), lassen sich die höchsten Anteile neben Baden-Württemberg auch ausschließlich in den östlichen Flächenstaaten beobachten (über 20%). Im Saarland und den beiden Stadtstaaten Bremen und Hamburg sind es hingegen nur rund 15% bzw. 16% der Erwerbspersonen. Für die Zukunft wird erwartet, dass sich diese regionalen Differenzen noch verstärken, da in den östlichen Flächenländern auch der höchste Zuwachs an Erwerbspersonen dieser Qualifikationsstufe erfolgt. Allerdings ist in der Konsequenz der Anteil an Personen mit einem Hochschulabschluss (ohne Bachelorabschluss und FH-Diplom) am geringsten, während er in den Stadtstaaten am höchsten ist. Auch hier zeigt sich ein verstärkender Effekt: In den Stadtstaaten wird der Anteil der Hochqualifizierten noch stärker zunehmen. In Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie Rheinland-Pfalz wird der Zuwachs hingegen geringer ausfallen.

Entwicklung der Arbeitsnachfrage nach Anforderungsniveaus am Arbeitsort

Auf der Arbeitsnachfrageseite steht dem Qualifikationsniveau das Anforderungsniveau gegenüber. Dieses gibt die jeweilige Komplexität der Tätigkeit wieder. In Hilfsberufen fallen Tätigkeiten an, für deren Ausübung üblicherweise kein beruflicher Abschluss benötigt wird. Fachkrafttätigkeiten entsprechen dem Niveau einer beruflichen Ausbildung. Die Fähigkeit zur Ausübung von „Spezialistentätigkeiten“ kann über eine Aufstiegsfortbildung oder einen Bachelorabschluss erworben werden. Die Ausübung von „Expertentätigkeiten“ setzt üblicherweise einen Masterabschluss voraus.

Die Analyse der Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs nach Anforderungsniveaus ergab, dass sich die gesamtdeutschen Ergebnisse auch auf der Ebene von Bundesländern zeigen Tabelle A10.2-4. Die Arbeit wird weiterhin immer komplexer werden, „Helfer-/Fachkrafttätigkeiten“ werden weniger stark und „Expertentätigkeiten“ vermehrt nachgefragt. Diese Entwicklungen sind in allen Bundesländern erkennbar, wobei der Rückgang bei den „Helfertätigkeiten“ in Brandenburg, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern – relativ betrachtet – am geringsten und im Saarland, Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz am höchsten ausfallen wird.

„Fachkrafttätigkeiten“ gehen in Bremen, Saarland und Bayern am geringsten zurück, in den östlichen Bundesländern und in Hamburg hingegen am stärksten. Bei den „Spezialistentätigkeiten“ schwanken die Ergebnisse nach Bundesländern nur geringfügig. Die „Expertentätigkeiten“ werden überall vermehrt nachgefragt. Relativ betrachtet ist in Berlin jedoch die größte und in Mecklenburg-Vorpommern sowie in Sachsen-Anhalt die geringste Zunahme zu erwarten.

Tabelle A10.2-4: Struktur der Anforderungsniveaus der Erwerbstätigen am Arbeitsort in den Jahren 2018 und 2035 (in %)

Fachkräftesituation in den Bundesländern – QuBe-Basisprojektion

Bei der Beurteilung der Fachkräftesituation im Beruf ist nicht allein die benötigte Zahl an Erwerbstätigen im Vergleich zu den zur Verfügung stehenden Erwerbspersonen von Bedeutung. Einerseits spielt eine Rolle, wie viele Stunden die Erwerbspersonen zu arbeiten bereit sind, im Vergleich zu den benötigten Arbeitsstunden. Andererseits sind strukturelle Charakteristiken zu berücksichtigen wie beispielsweise das Ausbildungsverhalten in einem Beruf und die Zugangsmöglichkeit in die berufliche Tätigkeit mit keinem oder einem fachfremden beruflichen Abschluss. Durch die Berechnung eines Fachkräfteindikators (FKI) werden diese Aspekte bei der Gegenüberstellung von Angebot und Bedarf berücksichtigt. 

Tabelle A10.2-5 zeigt für jedes Bundesland auf, in wie vielen der 37 Berufshauptgruppen mit einer Fachkräfteengpasssituation bzw. mit einem -überangebot zu rechnen ist. Dabei zeigt sich, dass sich aus Arbeitgebersicht Rekrutierungsschwierigkeiten in den Berufshauptgruppen ergeben, in welchen die enthaltenen Berufsgruppen bereits auf Bundesebene als kritisch identifiziert wurden (Zika u. a. 2019). 

Fachkräfteindikator (FKI) zur Bestimmung der Fachkräftesituation im Beruf

Um einen Überblick über die mögliche Fachkräftesituation sowohl im Berufs- als auch im Zeitvergleich zu bekommen, wurde mit der fünften Welle des QuBe-Projektes ein Fachkräfteindikator geschaffen. Diesem liegen drei Fragestellungen zugrunde:

  • In welchen Berufen sind die Unterschiede zwischen Arbeitsangebot und -bedarf nach Stunden absolut und relativ am größten?
  • Wie groß ist die Möglichkeit, gelernte Fachkräfte für den Beruf zu gewinnen? 
  • Wie hoch ist der Einarbeitungsaufwand für Personen mit einer fachfremden Qualifikation?

Diesen Fragen werden konkret messbare Kennzahlen zugeordnet und in einem Fachkräfteindikator (FKI) kombiniert, sodass für jeden Beruf die zu erwartende Fachkräftesituation und deren Veränderung dargestellt werden kann. Der FKI besteht aus zwei Komponenten: einem Volumenindikator (VI) und einem strukturellen Indikator (SKI), die gleichgewichtet in den FKI eingehen. Während die Strukturindikatoren bei den Berufen nicht zwischen den Bundesländern variieren, werden für die Berechnung des Volumenindikators hingegen regionalspezifische Informationen verwendet. Dabei spielt auch das Pendelverhalten zwischen Bundesländern eine Rolle (vgl. Zika u. a. 2020).

Der Volumenindikator kombiniert eine Arbeitskräftebilanz nach Stunden in absoluten und relativen Termen. Der SKI berücksichtigt zugleich das fachlich qualifizierte Angebot aus dem Bildungssystem (Qualifikationsindikator – QI) sowie die Substituierbarkeit von fachlichen Abschlüssen für die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit (Substitutionsindikator – SI). Die Berechnungsweisen der Einzelindikatoren sind in Maier u. a. (2018b) dargestellt. Die Werte der Einzelindikatoren werden anschließend zu einem FKI aufaddiert. Dieser kann wie folgt interpretiert werden: Je mehr Punkte ein Beruf aufweist, desto einfacher stellt sich die Fachkräftesituation für die Betriebe dar und desto höher ist die Konkurrenz für Beschäftigte. Je weniger Punkte, desto schwieriger gestaltet sich die Rekrutierung. 

Die praktisch mögliche Wertespanne des FKI reicht von 20 bis 80 Punkten. Ein Wert um die 50 Punkte steht für einen vergleichsweise ausgeglichenen Arbeitsmarkt. In Tabelle A10.2-5 werden all jene Berufshauptgruppen als Berufe mit einem Fachkräfteengpass bzw. einem sehr hohen Fachkräfteengpass markiert, wenn der Wert des FKI unter 45 (hellblaue Zelle) bzw. unter 35 (dunkelgrüne Zelle) Punkten liegt. Ein Fachkräfteüberhang bzw. sehr hoher Fachkräfteüberhang wird ab 56 (hellgrüne Zelle) bzw. ab 66 Punkten (dunkelblaue Zelle) gekennzeichnet. 

Es ist zu beachten, dass sich Handlungsnotwendigkeiten nicht auf Berufe mit entsprechend hohen oder niedrigen Werten im FKI beschränken müssen. Veränderungen der Rekrutierungspraxis oder der beruflichen Ziele können auch in Berufen sinnvoll sein, die nicht in den entsprechenden Wertebereich des FKI fallen. In der Tendenz werden Anpassungen aber stärker notwendig, je weiter sich der FKI vom mittleren Wert entfernt. Eine schwierige Fachkräftesituation für Betriebe bedeutet zudem nicht, dass sich für Personen mit einem entsprechenden erlernten Beruf stabile und/oder attraktive Beschäftigungsaussichten ergeben. So können unattraktive Arbeitsbedingungen aus Beschäftigtensicht auch Ursache für Rekrutierungsschwierigkeiten auf Betriebsebene sein.

Tabelle A10.2-5: Fachkräftesituation in den Bundesländern nach 37 Berufshauptgruppen im Jahr 2025 und 2035

Dies sind beispielsweise die „Land-, Tier- und Forstwirtschaftsberufe“ in nahezu allen Bundesländern außer Brandenburg und Thüringen. Insbesondere jedoch in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Bayern. Dabei wird eine Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs, wie in der Vergangenheit unterstellt. 

In den östlichen Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, aber auch in Schleswig-Holstein ergeben sich zum Jahr 2035 Fachkräfteengpässe in der Berufshauptgruppe „Metallerzeugung und ‑bearbeitung, Metallbauberufe“. Knappheiten in der Berufshauptgruppe „Bauplanungs-, Architektur- und Vermessungsberufe“ zeigen sich bis auf das Saarland und in Niedersachsen in allen westlichen Bundesländern, insbesondere in Hamburg und Baden-Württemberg.

Rekrutierungsschwierigkeiten in den „Schutz-, Sicherheits- und Überwachungsberufen“ zeigen sich vor allem dort, wo die Bevölkerung wächst, wie in Baden-Württemberg, Berlin und Hamburg. Lediglich in Mecklenburg-Vorpommern ist hier mit einem Fachkräfteüberhang zu rechnen. 

Regional ist im Besonderen die Fachkräftesituation in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, und in etwas abgeschwächtem Maße in Brandenburg und Thüringen, hervorzuheben. Hier verdeutlicht sich die unterschiedliche strukturelle Entwicklung des Arbeitsangebotes nach Qualifikationen und der Arbeitsnachfrage nach Anforderungsniveaus. Die genannten Bundesländer weisen den geringsten Anteil an Personen ohne vollqualifizierenden Berufsabschluss auf, welcher bis zum Jahr 2035 weiter zurückgeht. Zugleich werden auch im Jahr 2035 relativ mehr Personen mit Berufsabschluss in diesen Bundesländern wohnen als in allen anderen Bundesländern Tabelle A10.2-3. Entsprechende qualifikationsadäquate fachliche Tätigkeiten gehen jedoch etwas stärker zurück als „Helfertätigkeiten“ Tabelle A10.2-4. Damit steht ein relativ konstantes Arbeitsangebot für die typischen Berufe des mittleren Qualifikationsbereichs, wie z. B. die „Schutz-, Sicherheits- und Überwachungsberufe“ oder „Berufe in Recht und Verwaltung“ einer leicht sinkenden Arbeitsnachfrage gegenüber.210 Gleichzeitig geht das Arbeitsangebot in den Berufshauptgruppen, welche typischerweise Geringqualifizierten in der Beschäftigung offenstehen, wie in der „Lebensmittelherstellung und -verarbeitung“, in den „Reinigungsberufen“, den „Verkaufsberufen“ oder den „Textil- und Lederberufen“ stärker zurück als in Westdeutschland, die Nachfrage nach diesen Berufen hingegen nur in geringem Maße. Damit ergibt sich die Konstellation, dass in einem, aufgrund zurückgehender Erwerbslosenquoten, aus Sicht der Arbeitnehmer/-innen günstigeren Arbeitsmarkt, Arbeitsplätze im Vergleich zu Westdeutschland häufiger im Arbeitsmarkt für „Helfer-“ als für fachliche Tätigkeiten zur Verfügung stehen. 

Besonders hervorzuheben ist die Entwicklung in den „Medizinischen Gesundheitsberufen“. Hier ist zu beachten, dass sich bereits für die Bundesrepublik insgesamt Rekrutierungsschwierigkeiten in den entsprechenden Berufen ergeben können. Tabelle A10.2-5 gibt jedoch nur die relative Entwicklung im Vergleich zum Bund wieder. Berlin und Bremen profitieren hier durch ein leicht stärker wachsendes Arbeitsangebot in dieser Berufshauptgruppe.

Die Entwicklung der „Nichtmedizinischen, Gesundheits-, Körperpflege- und Wellnessberufe, Medizintechnik“, welches neben den examinierten Altenpflegerinnen und -pflegern (36%) auch die „Helferberufe“ in der Altenpflege (23%) und die Körperpflege (36%) beinhaltet, ähnelt der Entwicklung der „medizinischen Gesundheitsberufe“. Hier lassen sich ebenfalls in den östlichen Bundesländern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sowie im Saarland die stärksten Rekrutierungsschwierigkeiten erkennen.

Zu bedenken ist, dass bei der Projektion des Arbeitskräfteangebotes davon ausgegangen wird, dass sich das Bildungs-, Wanderungs- und Pendlerverhalten der Bevölkerung bezogen auf Bevölkerungsgruppen nicht ändert. Das heißt, Indikatorwerte, die Passungsprobleme anzeigen, weisen somit auf denkbare Anpassungsreaktionen oder Ansatzpunkte politischen Handels hin: Beispielsweise werden Regionen mit häufig auftretenden Engpässen entweder Zuzug oder vermehrte Pendelbewegungen erwarten können oder fördern müssen. 

Erkennbar ist dies beispielsweise der Berufshauptgruppe „Berufe in Recht und Verwaltung“. Hier zeigen sich, z. B. in Berlin sowie in weiteren Bundesländern Rekrutierungsschwierigkeiten. Das Berlin umgebende Flächenland Brandenburg verfügt hingegen über ein ausreichendes Angebot an entsprechenden Fachkräften.

Regionaler Strukturwandel in einer digitalisierten Arbeitswelt

In Kapitel C2 des BIBB-Datenreports 2019 wurden die Ergebnisse der QuBe-Basisprojektion und des Szenarios Digitalisierte Arbeitswelt auf Bundesebene dargestellt. Dieses Kapitel konzentrierte sich bislang auf die regionale Differenzierung der QuBe-Basisprojektion. Dennoch soll der Effekt einer möglicherweise beschleunigten Digitalisierung für die Bundesländer an dieser Stelle verdeutlicht werden.

Für das Szenario Digitalisierte Arbeitswelt wird abweichend vom empiriebasierten Vorgehen der QuBe-Basisprojektion die Annahme getroffen, dass erhöhte Investitionen notwendig sind, damit Deutschland beim Wandel zur Wirtschaft 4.0 weltweit eine Vorreiterrolle übernehmen bzw. sich behaupten kann. Im Ergebnis zeigt sich, dass aufgrund der hierfür notwendigen Schritte die Nachfrage nach Erwerbstätigen im Jahr 2035 im Vergleich zur QuBe-Basisprojektion um rund 300 Tsd. Personen geringer ausfällt. Insgesamt wird der Einfluss der Digitalisierung auf die Erwerbstätigenzahl demnach verhältnismäßig gering ausfallen. 

Szenario Digitalisierte Arbeitswelt

Mit der fünften Projektionswelle wurde im Auftrag des BMAS ein Szenario Digitalisierte Arbeitswelt erstellt (vgl. Wolter u. a. 2019; Zika u. a. 2019), welches die Auswirkungen der vollständigen Digitalisierung der deutschen Wirtschaft auf den Arbeitsmarkt untersucht. Im Szenario wurde bewusst von der empiriebasierten Vorgehensweise der Basisprojektion abgewichen und angenommen, dass zusätzliche Anstrengungen bzw. Investitionen notwendig sind, damit Deutschland bei der Digitalisierung der Wirtschaft weltweit eine Vorreiterrolle übernehmen bzw. behaupten kann.

In einer siebenstufigen Szenario-Analyse wurden die Auswirkungen von erhöhten Investitionen in Ausrüstungen (1), des Aufbaus eines schnellen Internets (2), der veränderten Kosten- und Gewinnstrukturen der Unternehmen (3), der veränderten Nachfragestruktur nach Berufen und Qualifikationen (4), der möglicherweise steigenden Nachfrage nach Gütern (5), der gestiegenen Nutzung des Online-Handels (6) sowie des Ausbaus der digitalen Verwaltung (7) analysiert. Die kumulativen Effekte der sieben Teilszenarien werden mit den Ergebnissen der Basisprojektion als Referenzszenario, das keinen fortgeschrittenen Entwicklungspfad zur Digitalisierung enthält, verglichen. Hierdurch werden mögliche Effekte der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt ersichtlich.

Schaubild A10.2-2 verdeutlicht nun, wie stark die jeweiligen Bundesländer vom Strukturwandel betroffen sein werden. Hierfür wird die Arbeitswelt von 2018 mit der Arbeitswelt im Jahr 2035 verglichen. Der Vergleich findet sowohl für die QuBe-Basisprojektion als auch für das BMAS-Szenario Digitalisierte Arbeitswelt auf der Ebene von 37 Branchen mit jeweils 37 Berufshauptgruppen statt. Im Bundesdurchschnitt ergibt sich auf dieser Gliederungsebene eine Veränderung der Arbeitsplätze relativ zur Erwerbstätigenzahl 2018 in Höhe von 13,7%. Es zeigt sich, dass die östlichen Bundesländer mit Ausnahme Berlins sowie das Saarland relativ am stärksten vom Strukturwandel betroffen sein werden. Dies hat vor allem demografische Gründe: Aufgrund einer zurückgehenden Bevölkerung werden weniger Güter (z. B. Bautätigkeiten) aber auch weniger Dienstleistungen nachgefragt. Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg und Hessen können hingegen mehr Arbeitsplätze aufbauen als abbauen. Auch weil in diesen Bundesländern von einer wachsenden Bevölkerung ausgegangen wird Tabelle A10.2-1.

Schaubild A10.2-2: Auf- und Abbau an Arbeitsplätzen nach 37 Branchen und 37 Berufshauptgruppen von 2018 bis 2035 in QuBe-Basisprojektion und Szenario Digitalisierte Arbeitswelt nach Bundesländern

Um den Beschäftigungseffekt einer zügiger digitalisierten Arbeitswelt herauszustellen, muss die Zahl der Erwerbstätigen aus der QuBe-Basisprojektion mit der BMAS-Prognose verglichen werden (rechte Achse in Schaubild A10.2-2). Hier wird deutlich, dass in allen Bundesländern eine beschleunigte Digitalisierung den Strukturwandel verstärkt. Gemessen an den Arbeitsplätzen würde jedoch lediglich das Bundesland Berlin von einer solchen Beschleunigung profitieren. Denn hier bestehen vergleichsweise mehr Arbeitsplätze in Branchen, die bei einer Digitalisierung Beschäftigung aufbauen. Hierzu gehören beispielsweise „Information und Kommunikation“, „übrige freiberufliche, wissenschaftliche u. technische Dienstleister“ oder „sonstige überwiegend persönliche Dienstleister“. Das „verarbeitende Gewerbe (ohne Maschinenbau)“, die „öffentliche Verwaltung“, „unternehmensnahe Dienstleistungen“ oder auch das „Gesundheitswesen“ können durch die Digitalisierung hingegen die Arbeitsproduktivität steigern. In den Bundesländern Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist aufgrund der vorherrschenden Branchenstruktur bei einer beschleunigten Digitalisierung deshalb mit den –  relativ betrachtet – stärksten Verlusten an Arbeitsplätzen zu rechnen.

In Bezug zu Schaubild A10.2-2 ist anzumerken, dass eine beschleunigte Digitalisierung die Rekrutierungsschwierigkeiten in den „Land-, Tier- und Forstwirtschaftsberufen“ aber auch in „Recht und Verwaltung“ mindern kann. In den „Verkaufsberufen“ nimmt hingegen das Überangebot an Arbeitskräften weiter zu. Die Rekrutierung von Fachkräften würde sich für Arbeitgeber/-innen infolge der Digitalisierung insbesondere in den Berufen erschweren, die direkt mit der Umsetzung der Digitalisierung verbunden sind, so z. B. in den „Informatik-, Informations- und Kommunikationsberufen“. Die Fachkräfteengpässe in den „Medizinischen Gesundheitsberufen“ lassen sich hingegen auch bei einer beschleunigten Digitalisierung nicht beheben. Hier werden auch weiterhin Personen mit einer entsprechenden beruflichen Qualifizierung gewonnen werden müssen.

Fazit und Ausblick

Die Befunde der QuBe-Basisprojektion basieren auf Methoden, die ihre Informationen aus bisherigen Entwicklungen beziehen. Es wurden explizit keine Annahmen im Hinblick auf wünschenswerte Konstellationen in der Zukunft getroffen und darauf, was dafür zu tun wäre. In der Projektion erscheinende Engpässe oder Überhänge sind deshalb nicht als unausweichlicher Tatbestand aufzufassen. Für das Zustandekommen der Ergebnisse in einem Bundesland sind vor allem vier Punkte ausschlaggebend:

  • die demografische Entwicklung,
  • die vorhandene, gewachsene Branchenstruktur vor Ort, 
  • die regionale Pfadabhängigkeit sowie 
  • die getroffenen (Rahmen-)Annahmen der Projektion.

Bei den Bundesländern zeigt sich, dass bedingt durch die demografische Entwicklung, dem künftigen Erwerbsverhalten sowie dem unterstellten Wanderungs- und Pendlerverhaltens die Erwerbspersonen in Süddeutschland und in den Stadtstaaten in Zukunft zunehmen werden, während vor allem in den östlichen Flächenländern und im Saarland der Erwerbspersonenbestand zurückgeht. Bezüglich der Qualifikationsstruktur der Erwerbspersonen lässt sich erkennen, dass in den östlichen Flächenländern, der Anteil an Personen mit Berufsabschluss höher ist als in den anderen Bundesländern, ebenso der Anteil an Personen mit einer Aufstiegsfortbildung, einem FH-Diplom oder Bachelorabschluss. Der Anteil an Personen ohne vollqualifizierenden Berufsabschluss ist hingegen geringer. In den Stadtstaaten ist vor allem der Anteil beruflich Qualifizierter geringer, der Anteil an Hochschulabsolventen und -absolventinnen (ohne FH-Diplom und Bachelorabschluss) hingegen vergleichsweise höher.

Bei der Entwicklung der Erwerbstätigen zeigt sich eine enge Verknüpfung mit dem Arbeitsangebot. So wirkt insbesondere im Osten der Rückgang des Arbeitsangebotes auch beschränkend auf die Entwicklung der Erwerbstätigen. In Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Berlin und Hamburg, nimmt die Nachfrage nach Erwerbstätigen bis zum Jahr 2035 hingegen zu. 

Für die Seite des Arbeitskräftebedarfs lässt sich konstatieren, dass das produzierende Gewerbe überall durch Anteilsverluste an der Erwerbstätigenzahl gekennzeichnet ist. Außer in Berlin sind die besonders starken Anteilsverluste des produzierenden Gewerbes im Osten durch starke Schrumpfungen des Baugewerbes gekennzeichnet, welche durch die dort zurückgehende Bevölkerungszahl hervorgerufen werden. Die Branche Gesundheits- und Sozialwesen gewinnt überall Anteile an der Zahl der Erwerbstätigen. Auch weitere Branchen, die in der Vergangenheit ein hohes Erwerbstätigen- oder Umsatzwachstum aufwiesen, wie „IT- und Informationsdienstleister“, „Post-, Kurier- und Expressdienste“ oder „Übrige freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleister“ finden sich vor allem in den südlichen Bundesländern und den Stadtstaaten. Damit ergibt sich bei der Beschäftigungsentwicklung eine polarisierte Entwicklung, die sowohl von der Wohnbevölkerung als auch vom branchenspezifischen Strukturwandel getrieben wird. Insbesondere in Sachsen-Anhalt und Thüringen wird sich die Arbeitsplatzlandschaft nach Branche und Beruf bis zum Jahr 2035 stark verändern.

Die Verknappung des Arbeitskräfteangebotes führt in vielen Bundesländern zu einem Rückgang der Erwerbslosenquote. Davon abweichende Entwicklungen zeichnen sich in Bayern, Berlin und Hamburg ab, wo trotz steigenden Arbeitskräftebedarf mit einer steigenden Erwerbslosenquote gerechnet wird, weil das Wachstum des Arbeitskräftebedarfs nicht mit dem Wachstum des Arbeitskräfteangebots mithalten kann. In Hessen und in Baden-Württemberg geht der steigende Arbeitskräftebedarf dagegen mit einer sinkenden Erwerbslosenquote einher. In Bremen und Schleswig-Holstein steigt die Erwerbslosenquote, weil dort der Arbeitskräftebedarf stärker sinkt als das Arbeitsangebot. 

Zurückgehende Erwerbslosenquoten bedeuten nicht zwangsläufig, dass sich die Arbeitsmarktsituation für alle potenziell Arbeitssuchenden verbessert. Lediglich in den „Gesundheitsberufen“ offenbaren sich – mit Ausnahme Berlins – in fast allen Bundesländern Fachkräfteengpässe. Besonders deutlich zeigt dies die berufliche Fachkräftesituation in den östlichen Bundesländern, insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Der hohe Anteil an beruflich Qualifizierten in diesen Bundesländern führt aus Sicht von Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen zu einer entspannteren Rekrutierungssituation als im Bundesdurchschnitt, weil die Nachfrage nach den dazu entsprechenden Berufen zurückgeht. Gleichzeitig wird aufgrund des vergleichsweise geringeren Angebots an unqualifizierten Arbeitskräften das Arbeitsangebot für Hilfstätigkeiten knapper als im Bundesdurchschnitt. 

Um das Risiko einer qualifikationsinadäquaten Beschäftigung für die berufsfachlich qualifizierten Erwerbspersonen zu verringern, müsste deswegen entweder eine Aufwertung der Beschäftigung in den Berufen mit hohem Anteil an formal nicht beruflich Qualifizierten stattfinden oder Arbeitsplätze für die fachlich qualifizierten Personen im Osten erhalten oder geschaffen werden. Denn wenn diese qualifizierten Personen zur Sicherung attraktiverer Arbeitsbedingungen aus den betroffenen Regionen migrieren, würde auch das Wachstum in diesen Bundesländern aufgrund eines geringeren Konsumverhaltens zurückgehen. In einem gegenläufigen Impuls könnte sich jedoch auch die Arbeitsmarktmigration in die Berufe mit Arbeitskräfteknappheit aus anderen Regionen erhöhen. Dies könnte entsprechend das Wachstum in den Bundesländern stimulieren und so auch die Nachfrage nach den fachlich qualifizierten Tätigkeiten steigern.

Ein Vergleich der QuBe-Basisprojektion mit einem Szenario Digitalisierte Arbeitswelt offenbart, dass die östlichen Bundesländer und das Saarland von einem beschleunigten Strukturwandel stärker betroffen wären. Einzig Berlin kann, aufgrund seiner für eine Digitalisierung günstigen Branchenstruktur, Arbeitsplätze aufbauen. Um diesen negativen Beschäftigungseffekten entgegenzuwirken, bedürfte es in den besonders betroffenen Regionen deshalb Unterstützungen in die besonders zukunftsfähigen Branchen wie z. B. „Information und Kommunikation“, „Architektur- und Ingenieurbüros“, „technische, physikalische und chemische Untersuchung“, „übrige freiberufliche, wissenschaftliche u. technische Dienstleister“, „sonstige überwiegend persönliche Dienstleister oder „private Haushalte mit Hauspersonal“. Wesentlich bedeutsamer wären jedoch Anreizsysteme, welche zu einer Verlangsamung des demografischen Wandels in den entsprechenden Regionen führen, wie z. B. Zuwanderung oder Förderung von Familien. Denn hierdurch würde nicht nur das Arbeitskräfteangebot, sondern auch die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen vor Ort gestärkt (vgl. Zika u. a. 2017).

Trotz umfassender Datenerweiterungen und möglichst tiefgehender Modellierungen, sind die Ergebnisse in ihrer Aussagekraft limitiert. Insbesondere ist bei der Ergebnisinterpretation zu beachten, dass sie unter Fortschreiben bisheriger Verhaltensweisen zustande kommen, die sich in Zukunft aber auch ändern können. Auch das Szenario einer digitalisierten Arbeitswelt kann nur eine von vielen möglichen Arbeitswelten in der Zukunft darstellen. Zuletzt ist zu beachten, dass die Branchen und Berufe auf regionaler Ebene nicht im selben Detail differenziert werden können wie auf der Bundesebene. So zeigte sich in der Bundesprojektion (vgl. Maier u. a. 2018), dass Entwicklungen von Berufsgruppen (Dreisteller) innerhalb von Berufshauptgruppen (Zweisteller) durchaus verschiedenartig verlaufen können.

(Tobias Maier, Gerd Zika – Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung)

  • 209

    Die Klassifikation der Berufe (KldB) 2010 umfasst insgesamt 144 Berufsgruppen. Die Angehörigen der regulären Streitkräfte werden jedoch in den Projektionsergebnissen nicht nach Rang unterschieden, sodass nur 141 Berufsgruppen ausgewiesen werden.

  • 210

    In den „Hoch- und Tiefbauberufen“ und den „(Innen)Ausbauberufen“ geht das Arbeitsangebot zurück, die Arbeitsnachfrage sinkt hier aufgrund des Bevölkerungsrückgang (Tabelle A10.2-1) jedoch weitaus stärker.