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Die höherqualifizierende bzw. höhere Berufsbildung (die sogenannte Aufstiegsfortbildung)333 bietet in Deutschland einen Karriereweg in gehobene Berufs- und Führungspositionen, die in vielen anderen Ländern nur über akademische Abschlüsse zugänglich sind. Zu den quantitativ bedeutsamsten Fortbildungsabschlüssen nach BBiG/HwO zählen Fortbildungen zum/zur Meister/-in, Betriebswirt/-in-, Fachwirt/-in und Fachkaufmann/-frau (Kapitel C2.1.1). Daneben gibt es auf Landesebene auch Fortbildungen (z. B. Techniker/-in), die in Fachschulen angeboten werden (Kapitel C2.2.1).

Der Beitrag befasst sich mit der Frage, ob sich ein höherer Berufsbildungsabschluss lohnt. Bisherige Studien zu Bildungserträgen beschränken sich meist auf das Erwerbseinkommen (vgl. z. B. Anger/Plünnecke/Schmidt  2010; Brändle/Kugler/Zühlke 2019; Schmillen/Stüber 2014) und differenzieren nicht zwischen den verschiedenen Typen von Fortbildungsabschlüssen.334 In diesem Beitrag werden Meister-, Techniker- und kaufmännische Fortbildungsabschlüsse differenziert. Es werden neben dem Einkommen und dem in der Literatur meist verwendeten personenbezogenen Aspekt von Führung (Vorgesetztenfunktion) auch verantwortungsvolle Tätigkeiten einbezogen, die nicht mit Personalverantwortung einhergehen. Zudem werden objektive und subjektive Indikatoren des beruflichen Erfolgs analysiert. Als subjektiver Indikator wird die Einschätzung der Befragten herangezogen, wie viel ihre berufliche Fortbildung genutzt hat (vgl. für eine umfassende Analyse Hall 2020). Vorteile einer direkten Nutzenmessung sind, dass mögliche Kausalzusammenhänge zwischen der Teilnahme an höherqualifizierender Berufsbildung und einem dadurch entstandenen Nutzen explizit abgefragt werden können und der Nutzen dadurch umfassend betrachtet werden kann.

Datenquelle ist die repräsentative BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018, welche vielfältige Indikatoren zur Messung des beruflichen Erfolgs bereitstellt und eine valide Abgrenzung höherer beruflicher Abschlüsse erlaubt. Im Beitrag werden Erwerbstätige mit höherer Berufsbildung (höchster Abschluss) und betrieblich Ausgebildete ohne berufliche Höherqualifizierung (Lehre) verglichen.335 Die Analysen in diesem Beitrag basieren auf gewichteten Daten und werden aufgrund der geschlechtsspezifischen Berufswahl getrennt für Frauen und Männer durchgeführt. Für Frauen werden die Ergebnisse lediglich für kaufmännische Fortbildungsabschlüsse gesondert ausgewiesen, da die Fallzahlen für Meisterinnen und Technikerinnen für statistisch abgesicherte Ergebnisse zu gering sind.

BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 (ETB 2018)

Die ETB 2018 ist eine Befragung unter rund 20.000 Erwerbstätigen in Deutschland zu den Themen Arbeit und Beruf im Wandel sowie Erwerb und Verwertung beruflicher Qualifikationen (vgl. doi:10.7803/501.18.1.1.10). Grundgesamtheit sind Erwerbstätige ab 15 Jahren (ohne Auszubildende), die einer bezahlten Tätigkeit von regelmäßig mindestens zehn Stunden pro Woche nachgehen. Die Daten wurden über computergestützte telefonische Interviews (CATI) im Zeitraum Oktober 2017 bis April 2018 von Kantar Public München erhoben und sind repräsentativ für diese Gruppe. Die Auswahl der Telefonnummern basierte dabei auf einem mathematisch-statistischen Zufallsverfahren (Gabler-Häder-Verfahren); neben Festnetztelefonanschlüssen wurde ein Mobilfunkanteil von 30% einbezogen (Dual-Frame-Ansatz). Die Daten wurden durch Gewichtung nach zentralen Merkmalen auf Basis des Mikrozensus 2017 an die Strukturen der Grundgesamtheit angepasst. Für methodische und publikationsbezogene Hinweise siehe www.bibb.de/arbeit-im-wandel sowie Rohrbach-Schmidt/Hall 2020.

Im Datensatz liegen Informationen über 1.593 Erwerbstätige mit einem höheren Berufsbildungsabschluss vor. Dies entspricht einem (gewichteten) Anteil von Erwerbstätigen mit höherer Berufsbildung von 7,6% (9,7% der Männer und 5% der Frauen). Unter den beruflich Höherqualifizierten haben 44% einen Abschluss als Meister/-in, 16% einen Abschluss als Techniker/-in, 29% einen kaufmännischen Fortbildungsabschluss und 11% einen sonstigen Fortbildungsabschluss. Für die nachfolgenden Analysen werden Erwerbstätige mit sonstigem Fortbildungsabschluss (n=213) ausgeschlossen, da es sich hierbei meist um Berufe im Gesundheitswesen (z. B. Fachkrankenpfleger/-in, Fortbildung zur Pflegedienstleitung etc.) handelt, die in der Regel nicht auf einer dualen Ausbildung nach BBiG aufbauen. Vergleichsgruppe sind Erwerbstätige mit betrieblicher Berufsausbildung ohne berufliche Höherqualifizierung (n=6.748).

Ein Blick auf die soziale Struktur der beruflichen Höherqualifizierung verdeutlicht, dass mehr als jede/-r Vierte mit Fortbildungsabschluss (27%) die Hochschulreife (Abitur, Fachabitur) hat, unter allen Erwerbstätigen mit betrieblicher Berufsausbildung/Lehre liegt dieser Anteil mit 14% deutlich niedriger Tabelle C3.2-1. Noch deutlicher fallen die Unterschiede zwischen den Fortbildungsabschlüssen auf: 38% der Erwerbstätigen mit einem kaufmännischen Fortbildungsabschluss haben die Hochschulreife (Techniker/-innen 33%). Bei Meistern und Meisterinnen liegt der Anteil der Hochschulzugangsberechtigten hingegen bei nur 17%, mehr als jede/-r Dritte (36%) hat einen Hauptschulabschluss. Im Hinblick auf die Geschlechterzusammensetzung zeigt sich allgemein ein geringerer Frauenanteil unter Erwerbstätigen mit höherer Berufsbildung (25%) im Vergleich zu Erwerbstätigen mit einer betrieblichen Berufsausbildung (40%). Darüber hinaus unterscheiden sich die Frauenanteile je nach Abschluss stark. Unter jenen mit Meisterfortbildung und Technikerfortbildung (12% bzw. 11%) ist der Frauenanteil besonders gering, wohingegen er unter kaufmännisch Fortgebildeten mit 52% sogar höher ist als bei Erwerbstätigen ohne berufliche Höherqualifizierung.

Tabelle C3.2-1: Soziale Struktur der höheren Berufsbildung (in %)

Positionen und Einkommen mit höherer Berufsbildung

Aufbauend auf der dualen Ausbildung bereitet die berufliche Höherqualifizierung auf gehobene Fach- und Führungspositionen bzw. auf die unternehmerische Selbstständigkeit vor. 14% der Erwerbstätigen mit Fortbildungsabschluss sind gemäß der ETB 2018 nicht abhängig beschäftigt, sondern arbeiten als Selbstständige (13%) oder sind freiberuflich tätig (1%). Da Meisterprüfungen im Handwerk in der Regel mit dem Ziel durchgeführt werden, einen Betrieb selbstständig zu führen, liegt die Selbstständigenquote für diese Gruppe höher (20%) als für Techniker/-innen (5%) oder Erwerbstätige mit kaufmännischer Fortbildung (10%). Demzufolge liegt auch die Selbstständigenquote für Männer höher (17%) als bei Frauen (9%).

Um die Frage zu beantworten, ob Erwerbstätigen mit höherer Berufsbildung ein beruflicher Aufstieg gelungen ist, werden zwei Indikatoren verwendet: erstens, ob eine Führungsfunktion ausgeübt wird, und zweitens, ob eine Fachkarriere vorliegt. Denn neben dem personenbezogenen Aspekt von Führung (Vorgesetztenfunktion) ist ein eher sachbezogener Aspekt von Karriere zu berücksichtigen, der nicht immer mit Personalverantwortung einhergehen muss. Die Analysen werden für abhängig Beschäftigte durchgeführt.

Es zeigt sich deutlich, dass Beschäftigte mit beruflicher Höherqualifizierung häufiger eine Fachkarriere gemacht haben als Beschäftigte ohne berufliche Höherqualifizierung (65% vs. 38%) Tabelle C3.2-2. Deutlich wird dies an höheren Anteilen für Projekt-, Gruppen- oder Teamleitung (59% vs. 29%) als auch für eigenständige Budgetverantwortung (37% vs. 17%) – Werte nicht in Tabelle enthalten. Beschäftigte mit höherer Berufsbildung üben auch häufiger eine Vorgesetztenfunktion aus als Beschäftigte mit betrieblicher Ausbildung ohne berufliche Höherqualifizierung (45% vs. 23%). Wenn eine solche verantwortungsvolle Position vorliegt, dann geht sie bei jenen mit beruflicher Höherqualifizierung auch mit einer Verantwortung für mehr Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einher (im Schnitt 20) als bei betrieblich Ausgebildeten ohne berufliche Höherqualifizierung (im Schnitt neun) und sie ist nach einer subjektiven Einschätzung auch eher auf der oberen Führungsebene angesiedelt (18% vs. 11%) – Werte nicht in Tabelle enthalten.

Operationalisierungen auf Basis der ETB 2018

Eine Führungsfunktion liegt vor, wenn die beiden Fragen „Haben Sie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, für die Sie <der> direkte Vorgesetzte sind?“ und „Sind Sie formal berechtigt, anderen Mitarbeitern fachliche Anweisungen zu erteilen?“ mit Ja beantwortet wurden.

Eine Fachkarriere liegt hier vor, wenn Projekt- oder Budgetverantwortung getragen wird, d. h., wenn mindestens eine der beiden Fragen „Tragen Sie fachliche Verantwortung als Projekt-, Gruppen- oder Teamleiter?“ bzw. „Haben Sie in Ihrer Tätigkeit eigenständige Budgetverantwortung?“ mit Ja beantwortet wurde.

Der Bruttostundenlohn wurde auf Basis des Bruttomonatsverdienstes, geteilt durch die Monatsstunden (Wochenarbeitszeit *4,35) berechnet. Im Falle einer Abgeltung der Überstunden durch Freizeitausgleich wurde die tatsächliche Arbeitszeit durch die vereinbarte Arbeitszeit ersetzt. Zur Erfassung des Einkommens wurde gefragt: „Nun zu Ihrem monatlichen Bruttoverdienst, d. h. Lohn bzw. Gehalt vor Abzug von Steuern und Sozialversicherung. Kindergeld rechnen Sie bitte nicht mit. Wie hoch ist Ihr monatlicher Bruttoverdienst aus Ihrer Tätigkeit als <Tätigkeit einblenden>?“. Fehlende Einkommensangaben wurden imputiert (zum Verfahren siehe Alda/Rohrbach-Schmidt 2011).

Zur Erfassung des subjektiven Nutzens wurde gefragt: „Wie viel hat Ihnen diese Fortbildung bisher im Hinblick auf ein höheres Einkommen genutzt?“ „Wie viel hat Ihnen diese Fortbildung bisher im Hinblick auf eine anspruchsvollere Position genutzt?“ „Und alles in allem betrachtet: Hat Ihnen diese Fortbildung bislang sehr viel, ziemlich viel, doch einiges, wenig oder sehr wenig genutzt?“. Die Antwortkategorien sehr viel und ziemlich viel werden hier zu einem „sehr hohen“ Nutzen zusammengefasst.

Tabelle C3.2-2: Berufliche Positionen und Einkommen mit höherer Berufsbildung (in € und in %)

Differenziert nach Geschlecht zeigt sich zudem, dass Frauen von einer beruflichen Höherqualifizierung weniger profitieren können als Männer. 51% der Männer aber nur 30% der Frauen mit Fortbildungsabschluss sind in der Rolle als Vorgesetzte/-r. Eine Fachkarriere wurde von 71% der Männer und 51% der Frauen erreicht. Dennoch gilt, dass sich eine berufliche Höherqualifizierung sowohl für Männer als auch für Frauen – wenn auch in geringerem Maße – lohnt; die Marginaleffekte der höheren Berufsbildung sind für beide Geschlechter signifikant. Für Männer zeigt eine Differenzierung der Analysen nach der Art des Abschlusses, dass Meister bei allen Indikatoren vorne liegen: 60% üben eine Vorgesetztenfunktion aus, 74% haben eine Fachkarriere zu verzeichnen. Techniker haben nur zu rund einem Drittel eine Führungsfunktion erreicht, in diesen Berufen zeigt sich ein Aufstieg auch eher an einer Fachkarriere (61%). In den kaufmännischen Fortbildungsberufen zeigen sich zudem größere Unterschiede zwischen den Geschlechtern als in der Gesamtgruppe der beruflich Höherqualifizierten.

Als weiterer Erfolgsindikator wird das Bruttoeinkommen betrachtet. Vollzeitbeschäftigte mit beruflicher Höherqualifizierung haben ein durchschnittliches Bruttomonatseinkommen von 3.919 €, im Schnitt rund 900 € mehr als betrieblich Ausgebildete ohne berufliche Höherqualifizierung (3.046 €). Beim Bruttostundenlohn, der auch Teilzeitbeschäftigte berücksichtigt, liegt der Vorteil einer höheren Berufsbildung (21,3 €) bei rund 5 € im Vergleich zu einer betrieblichen Ausbildung (16,5 €) Tabelle C3.2-2. Frauen mit beruflicher Höherqualifizierung verdienen im Schnitt signifikant weniger als Männer (19,5 € vs. 22,0 €). Auch für kaufmännisch fortgebildete Männer liegt das Bruttostundeneinkommen mit 25,2 € höher als für Frauen mit 21,2 €. Frauen und Männer mit kaufmännischer Fortbildung erzielen damit jeweils ein höheres Einkommen als im Gesamtdurchschnitt. Der Stundenlohn von Meistern ist aufgrund der längeren tatsächlichen Arbeitszeit geringer als für Techniker, in Bezug auf das Bruttomonatseinkommen zeigen sich jedoch keine Unterschiede.

Welcher relative Einkommensvorteil mit einem höheren Bildungsabschluss verbunden ist, kommt in der Lohnprämie zum Ausdruck (vgl. Anger/Plünnecke/Schmidt 2010, S. 7). Die Berechnung erfolgt auf Basis einer erweiterten Mincer-Gleichung (mit Qualifikation, Berufserfahrung (BE), BE²) und linearen Regressionsmodellen mit dem logarithmierten Bruttostundenlohn als abhängiger Variable. Die Lohnprämie für abhängig Beschäftigte mit höherer Berufsbildung gegenüber betrieblich Ausgebildeten, d. h. der prozentuale Zuwachs am Bruttostundenlohn liegt bei 18%. Bezogen auf Erwerbstätige (einschließlich Selbstständige) liegt die Prämie bei 16% Tabelle C3.2-3.336

Tabelle C3.2-3: Lohnprämien mit höherer Berufsbildung (logarithmierter Bruttostundenlohn)

Frauen verdienen im Schnitt 17% weniger als Männer. Signifikante Interaktionseffekte zeigen sich in diesen Modellen nicht, d. h., der Gender-Pay-Gap in der Gruppe der beruflich Höherqualifizierten unterscheidet sich nicht signifikant von dem in der Gruppe mit betrieblicher Berufsausbildung. Die Lohnprämie einer höheren Berufsbildung liegt bei abhängig Beschäftigten für Männer bei 17% und für Frauen bei 18%. Bezogen auf kaufmännische Berufe erzielen Männer höhere Lohnprämien als Frauen (18% vs. 16%), der Unterschied ist allerdings statistisch nicht signifikant.

Auch wenn relevante Drittvariablen kontrolliert werden, können die Effekte einer beruflichen Fortbildung nicht kausal interpretiert werden; ein Ursache-Wirkungs-Verhältnis ist hiermit nicht eindeutig nachzuweisen. Wenn beruflich Höherqualifizierte generell höhere Fähigkeiten oder Motivationen mitbringen, dann wären die Effekte in ihrer Größe aufgrund der Selbstselektion in die berufliche Fortbildung tendenziell überschätzt. Trotz dieser Kritik zeigt der aktuelle Forschungsstand, dass die Verwendung der Mincer-Einkommensfunktion (OLS-Regressionen) gerade in Erweiterung mit weiteren Kontrollvariablen eine geeignete Methode zur Berechnung von Bildungsrenditen bzw. Lohnprämien sein kann (vgl. Brändle/Kugler/Zühlke 2019; Friedrich/Horn 2018).

Subjektiver Nutzen einer höheren Berufsbildung

Als subjektiver Indikator zum Nutzen einer höheren Berufsbildung wird die Einschätzung der Befragten herangezogen, wie viel ihnen ihre berufliche Fortbildung genutzt hat. Vorteile einer direkten Nutzenmessung sind, dass mögliche Kausalzusammenhänge zwischen der Teilnahme an höherqualifizierender Berufsbildung und einem dadurch entstandenen Nutzen expliziter abgefragt werden können und der Nutzen aus subjektiver Sicht umfassender betrachtet werden kann.

Der Nutzen einer beruflichen Höherqualifizierung wird von den Befragten insgesamt als hoch eingeschätzt Tabelle C3.2-4. Alles in allem hat eine berufliche Höherqualifizierung fast jedem zweiten Erwerbstätigen (46%) sehr viel genutzt, bei weiteren 20% der Befragten hat die Fortbildung ziemlich viel genutzt, „doch einiges“ sagen weitere 22%. Lediglich jeder Zehnte (12%) schätzt den Nutzen als gering ein („wenig“, „sehr wenig“, „gar nichts“). Im Hinblick auf den subjektiven Nutzen für ein höheres Einkommen oder eine anspruchsvollere Position fällt die Nutzenbewertung etwas schlechter aus. Im Hinblick auf ein höheres Einkommen hat die berufliche Höherqualifizierung 31% sehr viel und 17% ziemlich viel genutzt. Im Hinblick auf eine anspruchsvollere Position liegen die Werte mit 34% und 21% etwas höher.

Männer erzielen häufiger einen höheren Nutzen als Frauen. Die Differenz im Anteil „sehr viel, ziemlich viel“ liegt über alle Nutzenbereiche bei rund acht Prozentpunkten zugunsten der Männer; die Unterschiede sind auf dem Zehn-Prozent-Niveau signifikant. Die zuvor aufgezeigten geringeren Chancen von Frauen auf eine anspruchsvolle berufliche Position kommen somit auch in einer geringeren subjektiven Nutzenbewertung zum Ausdruck.

Wie zuvor aufgezeigt, qualifizieren sich Männer eher als Meister und Techniker wohingegen Frauen meist eine kaufmännische Fortbildung anschließen. Differenziert nach dem Fortbildungsabschluss Schaubild C3.2-1 zeigt sich erstens, dass auch Männer mit kaufmännischer Fortbildung den Nutzen im Hinblick auf eine anspruchsvollere Position und ein höheres Einkommen höher einschätzen als Frauen. Im Hinblick auf den Gesamtnutzen zeigen sich allerdings keine Geschlechterunterschiede. Zweitens erzielen Männer mit einem Meister- oder Technikerabschluss einen höheren subjektiven Gesamtnutzen als Männer mit kaufmännischer Fortbildung, im Hinblick auf das Einkommen und die Position sind kaum Unterschiede zu erkennen.

Tabelle C3.2-4: Subjektiver Nutzen einer höheren Berufsbildung nach Geschlecht (in %)

Schaubild C3.2-1: Hoher subjektiver Nutzen einer höheren Berufsbildung nach Abschluss und Geschlecht (in %)

Zusammenfassung und Ausblick

Eine berufliche Höherqualifizierung lohnt sich. Sichtbar wird dies zum einen an den – im Vergleich zu betrieblich Ausgebildeten ohne berufliche Höherqualifizierung – höheren Chancen, eine Führungsfunktion bzw. eine Tätigkeit mit Projekt- oder Budgetverantwortung (Fachkarriere) auszuüben, zum anderen an den höheren Einkommen von beruflich Höherqualifizierten. Die aufgezeigten objektiven Vorteile einer höheren Berufsbildung bestätigen sich in der subjektiven Nutzenbewertung durch die Befragten selbst. Rund die Hälfte der Erwerbstätigen mit höherer Berufsbildung sagt, dass die Fortbildung im Hinblick auf das Einkommen und im Hinblick auf eine anspruchsvollere Position sehr viel oder zumindest viel genutzt hat; im Hinblick auf eine Gesamtbeurteilung („alles in allem betrachtet“) äußern dies sogar zwei von drei Befragten. Die hier dargestellten deskriptiven Betrachtungen bestätigen sich auch in multivariaten Analysen (vgl. Hall 2020).

Obwohl der berufliche Bildungsweg attraktive Karrieremöglichkeiten in vielfacher Hinsicht bietet, stagnieren in den letzten Jahren die Teilnahmen an Fortbildungsprüfungen (Kapitel C2.1.2) als auch der Anteil der beruflich Höherqualifizierten in der Bevölkerung (Kapitel C3.1). Um die Attraktivität des beruflichen Qualifizierungswegs zu erhöhen, ist es daher notwendig, den Bekanntheitsgrad der höheren Berufsbildungsabschlüsse zu steigern, denn: „Abgesehen vom Meister sind viele Abschlüsse kaum oder gar nicht bekannt“.337 Mit der Verankerung der höherqualifizierenden Berufsbildung im novellierten BBiG 2020, sollte die höhere Berufsbildung insgesamt größere Aufmerksamkeit erhalten.

(Anja Hall)

  • 333

    Der Begriff „höherqualifizierende Berufsbildung“ wurde mit der Novelle des BBiG zum 1. Januar 2020 eingeführt. Synonym wird in diesem Beitrag von höherer Berufsbildung gesprochen: erstens aufgrund der sprachlichen Vereinfachung und zweitens da landesrechtliche Abschlüsse wie beispielsweise Techniker/-in durch das BBiG nicht abgedeckt, hier aber Teil des Beitrags sind. In der Literatur wird zudem auch von Aufstiegsfortbildung oder generell Fortbildungsabschlüssen gesprochen.

  • 334

    Ausnahme ist die Befragung von Absolventen und Absolventinnen verschiedener Fortbildungen der Industrie- und Handelskammern, die mehrheitlich (65%) berichteten, dass sich die Fortbildung vorteilhaft auf die weitere berufliche Entwicklung ausgewirkt hat (vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag 2018). Meisterabschlüsse im Handwerk und Technikerabschlüsse an Fachschulen sind mit dieser Stichprobe allerdings nicht abgedeckt.

  • 335

    Im Falle von Mehrfachausbildungen auf der gleichen Ebene wurde der letzte Abschluss herangezogen. Die Prüfung und ggf. Bereinigung der Daten basierte auf den Volltextangaben zum erlernten Beruf, der Dauer der Fortbildung, dem Ausbildungsort und der Berufskennziffer. So wurden in der ETB 2018 rund zwei Drittel der „sonstigen Fortbildungen“ aufgrund der Dauer und der Abschlussbezeichnung nicht zur höheren Berufsbildung gezählt.

  • 336

    Der Bruttostundenlohn ist für Frauen signifikant geringer als für Männer (-17%) und steigt mit zunehmender Berufserfahrung an. Signifikante Interaktionseffekte zeigen sich in diesen Modellen nicht, d. h. der Gender-Pay-Gap in der Gruppe der beruflich Höherqualifizierten unterscheidet sich nicht signifikant von dem in der Gruppe mit dualer Berufsausbildung.

  • 337

    Siehe ​​​​​​​https://www.bmbf.de/de/50-jahre-berufsbildungsgesetz-in-deutschland-9740.html