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Das Wichtigste in Kürze

Die duale Berufsausbildung hat traditionell einen hohen Stellenwert in Deutschland. Etwas mehr als die Hälfte eines Altersjahrgangs (2016: 51,7%) beginnt eine Ausbildung in einem der rund 330 nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) bzw. Handwerksordnung (HwO) anerkannten Ausbildungsberufe. Bundesweit gab es Ende 2016 rund 1,32 Mio. Auszubildende (2015: 1,34 Mio.) (vgl. Kapitel A5.2 und Kapitel A5.8).

In den letzten Jahren ist die Zahl der Auszubildenden zurückgegangen. Diese Entwicklung ist auf Demografie bedingt sinkende Schulabgängerzahlen, aber auch auf einen Trend zu höheren Schulabschlüssen und eine gestiegene Studierneigung zurückzuführen (vgl. Kapitel A4.1). Insgesamt gibt es weniger junge Menschen in Deutschland, und weniger junge Menschen entscheiden sich für eine duale Berufsausbildung. Dies stellt die Betriebe bei der Sicherung ihres Fachkräftenachwuchses vor große Herausforderungen. 

2017 wurden erstmals seit 2011 wieder mehr Ausbildungsverträge abgeschlossen als im Vorjahr. Die Ausbildungsmarktsituation in Deutschland ist jedoch weiterhin durch Passungsprobleme gekennzeichnet (s. u.). Im Folgenden wird die aktuelle Situation am Ausbildungsstellenmarkt anhand zentraler Eckdaten skizziert. Für weitergehende Informationen wird auf die entsprechenden Kapitel in diesem Datenreport verwiesen.

Aktuelle Entwicklungen am Ausbildungsmarkt 2017

  • Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge leicht gestiegen 

Nachdem die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge seit 2011 kontinuierlich gesunken war, konnte 2017 erstmals wieder ein leichtes Plus bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen verzeichnet werden. Nach den Ergebnissen der BIBB-Erhebung zum 30. September 2017 wurden insgesamt 523.300 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen. Das sind 3.000 (+ 0,6%) mehr als im Vorjahr. Der Anstieg ist auf die neu abgeschlossenen betrieblichen Ausbildungsverträge zurückzuführen (+4.700 bzw. + 0,9% auf 507.400). Die Zahl der außerbetrieblichen Ausbildungsverträge sank dagegen auf 15.900 (-1.700 bzw. -9,5%) (vgl. Kapitel A1.2).

  • Mehr Ausbildungsangebote, aber auch mehr unbesetzte Berufsausbildungsstellen

Nach den Daten der BIBB-Erhebung zum 30. September und der Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) ist das Ausbildungsangebot (neu abgeschlossene Ausbildungsverträge plus unbesetzte Berufsausbildungsstellen) 2017 mit 572.200 Angeboten im Vergleich zum Vorjahr gestiegen (+8.500 bzw. +1,5%). Das betriebliche Ausbildungsangebot (ohne überwiegend öffentlich finanzierte Ausbildungsstellen) lag bei 556.400. Demnach haben die Betriebe und Unternehmen in Deutschland 10.100 (+1,9%) mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt als im Vorjahr. Allerdings hat auch die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen weiter zugenommen (+5.500 bzw. +12,6% auf 48.900). Der Anteil der unbesetzten Ausbildungsstellen am betrieblichen Gesamtangebot lag mit 8,8% erneut über dem Vorjahresniveau (2016: 8,0%) (vgl. Kapitel A1.1 und Kapitel A1.3).

  • Anstieg der Nachfrage nach Ausbildungsstellen

Erstmals seit 2011 stieg die Nachfrage nach Ausbildungsstellen wieder an. Die Nachfrage (hier: erweiterte Definition = neu abgeschlossene Ausbildungsverträge plus alle zum Stichtag 30.9. noch eine Ausbildungsstelle suchende Personen) betrug 603.500; das sind 2.600 (+0,4%) mehr als 2016 (vgl. Kapitel A1.1). Diese Entwicklung ist auch darauf zurückzuführen, dass Bewerberinnen und Bewerber mit Fluchthintergrund zunehmend auf dem Ausbildungsstellenmarkt ankommen. Die Zahl der Geflüchteten unter den bei der BA gemeldeten Bewerberinnen und Bewerbern hat sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt (2016: 10.300, 2017: 26.400). Von den 26.400 Bewerberinnen und Bewerbern mit Fluchtkontext mündeten 9.500 (35,9%) in eine duale Berufsausbildung ein (vgl. Kapitel A12.2).

  • Verhältnis von Angebot und Nachfrage zugunsten der Jugendlichen verbessert

Da das Angebot stärker gestiegen ist als die Nachfrage, hat sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage weiter zugunsten der Nachfragenden entwickelt (erweiterte ANR 2016: 93,8, 2017: 94,8). Dies gilt auch für die erweiterte ANR bezogen auf das betriebliche Angebot (2016: 90,9, 2017: 92,2). Die Einmündungsquote ausbildungsinteressierter Jugendlicher (EQI) fiel ebenfalls etwas günstiger aus als im Vorjahr (2016: 64,7, 2017: 64,9) (vgl. Kapitel A1.1).

  • Hohe Zahl an Bewerberinnen und Bewerbern weiterhin auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle 

Neben den 23.700 unversorgten Bewerberinnen und Bewerbern waren zum Stichtag 30.9.2017 noch weitere 56.500 junge Menschen auf Ausbildungsstellensuche. Sie waren zwar in eine Alternative zu einer Ausbildung eingemündet, haben ihren Wunsch nach einer Ausbildung aber aufrechterhalten und wünschten eine entsprechende Vermittlung durch die BA. Insgesamt waren zum Stichtag 30.9. somit noch 80.200 Bewerberinnen und Bewerber auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle. Verglichen mit dem Vorjahr (2016: 80.600) ist ihre Zahl nur leicht gesunken (-400 bzw. -0,5%). Der Anteil der noch suchenden Bewerberinnen und Bewerber an der Gesamtnachfrage lag bei 13,3% (2016: 13,4%) (vgl. Kapitel A1.1 und Kapitel A1.3).

  • Passungsprobleme bleiben zentrale Herausforderung

Weiterhin stellen Passungsprobleme eine zentrale Herausforderung am Ausbildungsstellenmarkt dar. Wie schon im Vorjahr haben insbesondere die Besetzungsprobleme der Betriebe zugenommen. Aber auch die Versorgungsprobleme für Jugendliche haben weiter Bestand (vgl. Kapitel A1.1).

  • Anfängerinnen und Anfänger im Übergangsbereich 

Nach deutlichen Rückgängen der Anfängerzahlen im Übergangsbereich zwischen 2005 (417.600) und 2014 (252.700) ist die Zahl der Anfängerinnen und Anfänger im Übergangsbereich in den Jahren 2015 und 2016 gestiegen. 2017 fiel sie mit 291.900 niedriger aus als 2016 (-11.000 bzw. -3,6%). Hier ist zu beachten, dass das Standardlieferprogramm der integrierten Ausbildungsberichterstattung (iABE) viele im Zuge der „Flüchtlingswelle“ neu entwickelte Maßnahmen nicht berücksichtigt. Die Rückgänge sind aber auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich die Ausbildungsmarktsituation aus Sicht der Jugendlichen weiter entspannt hat (vgl. Kapitel A4.1).

Weitere zentrale Herausforderungen und Entwicklungen

  • Rückgang der betrieblichen Ausbildungsbeteiligung 

Analysen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) anhand der Beschäftigungsstatistik der BA zeigen, dass die betriebliche Ausbildungsbeteiligung in den letzten Jahren rückläufig war. Lag die Ausbildungsbetriebsquote lange Zeit bei rund 24%, ist sie zuletzt spürbar gesunken. Mit 19,8% fiel sie 2016 erstmals unter die 20%-Marke. Zu beachten sind die erheblichen Unterschiede nach Wirtschaftszweigen und Betriebsgrößen. Wie schon im Vorjahr ist der Rückgang bei den Ausbildungsbetrieben auf Verluste im kleinstbetrieblichen Bereich (1–9 Beschäftigte) zurückzuführen, die allerdings die breite Masse der Betriebe in Deutschland ausmachen. Hier ist ein Zusammenhang mit den zunehmenden Stellenbesetzungsschwierigkeiten von Kleinstbetrieben zu sehen (vgl. Kapitel A7.1).

  • Sicherung der zukünftigen Fachkräftebasis 

Angesichts der beschriebenen Entwicklungen stellt die Sicherung der Fachkräftebasis in Deutschland eine zentrale Herausforderung dar. Für 2018 geht die Prognose zur Entwicklung von Angebot und Nachfrage von einem leichten Anstieg des Ausbildungsangebots aus. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge könnte erneut leicht steigen. Aber auch die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen könnte höher ausfallen als im Vorjahr. Hintergrund ist, dass zwar das Angebotspotenzial ähnlich hoch ausfallen dürfte wie 2017, auf Seiten des Nachfragepotenzials ist jedoch mit Rückgängen zu rechnen. Auch 2018 wird es für die Ausbildungsbilanz und die Entwicklung von Angebot und Nachfrage entscheidend sein, in welchem Umfang es gelingt, junge Geflüchtete für die Aufnahme einer Berufsausbildung zu befähigen (vgl. Kapitel A2.2).

Um den Fachkräftebedarf auch künftig sicherzustellen, ist es wichtig, alle Potenziale für die duale Berufsausbildung zu erschließen. Mögliche Ansatzpunkte bestehen z. B. darin, das Interesse von Studienberechtigten an einer dualen Berufsausbildung weiter zu steigern. Aktuell liegt der Anteil der Ausbildungsanfängerinnen und Ausbildungsanfänger mit Studienberechtigung bei 28,7% (vgl. Kapitel A5.5.1). Gleiches gilt für das Interesse von jungen Frauen. Auch 2017 ist die Zahl der Ausbildungsverträge, die mit jungen Frauen abgeschlossen wurden, weiter gesunken, und zwar um 6.500 (-3,2%) auf 197.600. Die Zahl der Ausbildungsverträge mit jungen Männern stieg um 9.500 (+3,0%) auf 325.600 (vgl. Kapitel A1.2 und Kapitel A1.1). 

Überdurchschnittlich häufig bleiben Personen mit Migrationshintergrund ohne Berufsabschluss. Nach BIBB-Berechnungen auf Basis des Mikrozensus 2016 betrug die Quote der nicht formal Qualifizierten bei 20- bis 34-jährigen Migrantinnen und Migranten mit eigener Migrationserfahrung 31,4% (zum Vergleich: Deutsche ohne Migrationshintergrund: 8,8%) (vgl. Kapitel A11.3).

  • Modernisierung der beruflichen Bildung

Ein modernes und leistungsfähiges Berufsausbildungssystem lebt insbesondere von der Qualität seiner Ausbildungsordnungen. Sie bilden die Grundlage für eine zukunftsfeste Berufsausbildung als Voraussetzung für lebenslanges Lernen. Seit 2008 wurden insgesamt 126 Ausbildungsberufe neu geordnet bzw. modernisiert. 2017 wurden 12 modernisierte Ausbildungsberufe in Kraft gesetzt, die u. a. die veränderten Qualifikationsanforderungen durch die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt berücksichtigen (vgl. Kapitel A3.2). 

Überblick über die wichtigsten zugrundeliegenden Statistiken

Die oben genannten Kernaussagen zu den zentralen Entwicklungen basieren auf verschiedenen Statistiken und Erhebungen. Einen Überblick über die zugrundeliegenden Datenquellen mit ihren jeweiligen Verwendungszwecken gibt  Tabelle A-1.

(Bettina Milde)

 

Tabelle A-1: Überblick zu wichtigen Statistiken (Teil 1)

Tabelle A-1: Überblick zu wichtigen Statistiken (Teil 2)