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2003 war das bislang schwierigste Jahr auf dem Lehrstellenmarkt seit der Wiedervereinigung

Veröffentlicht: 20.12.2003 URN: urn:nbn:de:0035-0011-5

Dies ist die Bilanz der aktuellen BIBB-Erhebung zu den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen zum 30.09.2003 (Aufgrund von Korrekturmeldungen aus Baden-Württemberg haben Neuberechnungen stattgefunden). Das Ausbildungsplatzangebot, das auch die unbesetzten Plätze mit einschließt, verringerte sich auf 574.926 (2002: 590.328). So wenig Lehrstellen gab es noch nie. Die Nachfrage, definiert als Summe der erfolgreichen Ausbildungsplatzsucher und der noch nicht vermittelten Bewerber, fiel mit 595.101 dagegen etwa so hoch aus wie im Vorjahr (2002: 595.706).

Rein rechnerisch standen damit 100 Ausbildungsplatznachfragern nur 96,6 Angebote gegenüber. Dabei gab es große regionale Unterschiede: Während es in der bayerischen Region Deggendorf immerhin noch 104,2 Angebote waren, waren es in Berlin nur 83,9. Gegenüber dem Vorjahr 2002 hat sich die Angebots-Nachfrage-Relation bundesweit um 2,5 Prozentpunkte verschlechtert. Damals gab es für jeweils 100 Nachfrager 99,1 Ausbildungsplatzangebote.

Im Jahr 2003 waren sehr große Kraftanstrengungen erforderlich, um die Bilanz von Angebot und Nachfrage zumindest halbwegs ausgeglichen zu halten. Hierzu trugen viele Seiten bei: Bund, Länder und Arbeitsverwaltung stellten rund 60.000 außerbetriebliche Lehrstellen bereit. Sie machen inzwischen mehr als 10 % des Gesamtangebots aus. Mehr als 42.000 Ausbildungsstellenbewerber entlasteten die regionalen Märkte, indem sie mit Hilfe der Bundesanstalt für Arbeit eine Lehrstelle außerhalb des eigenen Arbeitsamtes antraten. Darunter befanden sich 19.000 Bewerber, die ihre Ausbildung in einem anderen Bundesland begannen.

Eine große rechnerische Entlastung der Nachfrage bedeuteten zudem die 46.700 Bewerber, die sich bereit erklärten, vorerst eine Alternative zu einer Lehre zu beginnen - obwohl für sie eine Lehre weiterhin oberste Priorität hat.
Die Zahl dieser alternativ verbliebenen Ausbildungsstellenbewerber, die eine Arbeit, eine berufsvorbereitende Maßnahme oder Sonstiges beginnen, ist in den letzten Jahren stark gestiegen.
Diese Jugendlichen bringen für den Lehrstellenmarkt insofern eine rechnerische Entlastung, als sie offiziell nicht als unversorgte Nachfrager mitgezählt werden.

Ohne diese Anstrengungen des Staates, der Arbeitsverwaltung und der flexiblen Jugendlichen sähe die rechnerische Bilanz in vielen Ländern deutlich düsterer aus: In einigen Regionen hätten kaum mehr als 50 betriebliche Ausbildungsplatzangebote 100 Nachfragern gegenübergestanden. Dabei sind die besonderen Leistungen vieler Betriebe noch gar nicht berücksichtigt. Sie erklärten sich trotz schwieriger wirtschaftlicher Lage bereit, zusätzliche Lehrstellen über ihren eigenen Bedarf zur Verfügung zu stellen. Leider liegen hierzu keine amtlich erhobenen Daten vor. Die Erfolge der Lehrstellenwerber und der Ausbildungsplatzentwickler aus den Kammern und der Arbeitsvermittlung deuten aber an, dass es sich hierbei um ein beträchtliches Volumen handelt.

Entwicklung seit Anfang der neunziger Jahre

Die am Ende rechnerisch noch halbwegs ausgeglichene Bilanz von 96,6 Ausbildungsplatzangeboten je 100 Nachfrager sollte allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass es seit Anfang der neunziger Jahre immer schwieriger wird, Jugendliche in das berufliche Ausbildungssystem zu integrieren. Dies wird deutlich, wenn man den Umfang der Ausbildungsplatzangebote mit der Zahl der Absolventen aus allgemein bildenden Schulen vergleicht. Standen Anfang der neunziger Jahre noch weit mehr als 80 Ausbildungsangebote je 100 Schulabgängern offen, waren es zuletzt nur noch 61,6. Mit der Abnahme des Angebots ging auch eine Verringerung des rechnerischen Anteils unter den Schulabgängern her, der offiziell als Nachfrager ausgewiesen wurde: Die Nachfragequote sackte von rund 80 % im Jahr 1992 auf 63,7 % in 2003 ab. Parallel dazu stieg der Anteil der Ausbildungsstellenbewerber, der dauerhaft auf Alternativen ausweichen musste. Für Abiturienten, die auch studieren können, dürfte dies kein so großes Problem gewesen sein; dass die Studienanfängerquote von 1993 bis 2003 von 25,5 % auf nunmehr 39,6 % stieg (vgl. Statistisches Bundesamt), ist angesichts des wachsenden Bedarfs an Akademikern nur wünschenswert. Auch der Ausbau voll qualifizierender berufsfachschulischer Ausbildungsplätze (2002 gab es bereits 159.266 Jugendliche, die ihre Berufsausbildung in einer Schule begannen) dürfte eine tragfähige Alternative sein. Schwieriger ist es für Jugendliche mit eher schwächerer Allgemeinbildung, die zugleich sehr häufig schulmüde sind. Fehlende betriebliche Ausbildungsplätze treffen diese Jugendlichen besonders. Andererseits sind die Ausbildungsanforderungen in vielen Berufen deutlich gestiegen, so dass es für die Betriebe immer schwieriger wird, diesen Jugendlichen einen geeigneten Ausbildungsplatz anzubieten. Es steht deshalb zu befürchten, dass der Anteil der Jugendlichen, die dauerhaft ohne Berufsabschluss bleiben werden, zur Zeit eher steigt als sinkt.

Neue Lehrverträge nach Ausbildungsbereichen

2003 wurden insgesamt 560.086 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen, 12.237 (2,1 %) weniger als im Jahr zuvor. Stärkster Ausbildungsbereich war wiederum der Sektor Industrie und Handel mit 308.565 Neuabschlüssen. Der Rückgang gegenüber dem Vorjahr fiel mit 2.798 bzw. 0,9 % relativ moderat aus. Deutlich größere Rückgänge gab es dagegen im Handwerk - hier wurden mit nunmehr 168.257 Verträgen 5.631 bzw. 3,2 % weniger als 2002 gezählt - und bei den Freien Berufen, zu denen selbständige Juristen, Ärzte, Apotheker und Steuerberater gehören. Das Minus bei den Freien Berufen bezifferte sich auf 3.846 bzw. 7,2 %, so dass insgesamt nur noch 49.408 Verträge registriert werden konnten. Allein die Landwirtschaft weist mit einer Zunahme von 1.019 bzw. 7,3 % auf nunmehr 15.010 Verträgen ein deutliches Plus auf. Im Öffentlichen Dienst nahm die Zahl der Neuabschlüsse um 1.015 bzw. 6,9 % ab. In diesem Bereich nahmen 13.800 Jugendliche ihre Lehre auf. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass der Öffentliche Dienst, aber auch die Freien Berufe in substantiellem Ausmaß in "fremden" Berufen ausbilden. Die Lehrverträge in diesen Berufen zählen zu den Ausbildungsbereichen Industrie, Handel oder Handwerk und werden dann dort registriert.

Ausblick auf die nächsten Jahre

Das Jahr 2004 steht allein schon aus demographischen Gründen vor wachsenden Herausforderungen. Denn die Zahl der Schulabgänger aus allgemein bildenden Schulen wird bundesweit erneut wachsen, diesmal um 8.400 auf nunmehr 942.000 - so die Vorausschätzung des Statistischen Bundesamtes. Allerdings wird es nur im Westen einen Anstieg geben (um 12.600 auf 724.800). Im Osten geht die Zahl der Absolventen dagegen um 4.200 auf nur noch 217.200 zurück. In diesem Rückgang kündigt sich bereits der große demographische Einbruch an, der in den neuen Ländern und Berlin ab 2006/2007 binnen weniger Jahre zu einer Halbierung der Schulabgängerzahlen führen wird. Nach dem jetzigen Stand ist für 2004 bundesweit mit einem Anstieg der Ausbildungsplatznachfrage zu rechnen.

Ausführliche und nach Ausbildungsbereichen, Berufen und Regionen differenzierte Ergebnisse der Erhebung neu abgeschlossener Ausbildungsverträge zum 30.09.2003 finden Sie hier >>

Autor: Dr. Joachim Ulrich, Arbeitsbereich 2.1: Qualifizierungsbedarf, Bildungsangebot und -nachfrage

Erscheinungsdatum, Hinweis Deutsche Nationalbibliothek

Publication on the Internet: December-19-03

URN: urn:nbn:de:0035-0081-9

Die Deutsche Bibliothek has archived the electronic publication "2003: the most difficult year in the training place market since German unification", which is now permanently available on the archive server of Die Deutsche Bibliothek.

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