BP:

Schlagworte A-Z. Bitte wählen Sie einen Anfangsbuchstaben:

 


Der Deutsche Qualifikationsrahmen - Entwicklung und Einfluss auf die Gleichwertigkeitsdiskussion

Dritte gemeinsame Jahresvorlesung Berufsbildungsforschung des BIBB mit der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

11.05.2023

Eine Bilanz über den Einfluss des DQR auf die pädagogische Praxis und gesellschaftliche Prozesse in den letzten zwei Dekaden zog Prof. Dr. Peter F. E. Sloane von der Universität Paderborn anlässlich der dritten gemeinsamen Jahresvorlesung Berufsbildungsforschung des Bundesinstituts für Berufsbildung mit der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

Der Deutsche Qualifikationsrahmen - Entwicklung und Einfluss auf die Gleichwertigkeitsdiskussion
Prof. Dr. Peter F. E. Sloane im Festsaal der Universität Bonn.

Nach dem erfolgreichen virtuellen Auftakt vor zwei Jahren und einer ersten Präsenzveranstaltung unter strengen Auflagen im letzten Jahr, wurde die gemeinsame Jahresvorlesung Berufsbildungsforschung des BIBB mit der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn am 9. Mai fortgesetzt.

In seinem Vortrag "Der Deutsche Qualifikationsrahmen. Seine Entwicklung und sein Einfluss auf die Gleichwertigkeitsdiskussion von beruflicher und akademischer Bildung" ging Prof. Dr. Peter F. E. Sloane von der Universität Paderborn der Frage nach, inwiefern der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) in den letzten zwei Dekaden die pädagogische Praxis und gesellschaftliche Prozesse beeinflusst hat. 

Eine Serie in 4 Staffeln: Die stille Veränderung

Nach einer Begrüßung durch Prof. Dr. Roland Kanz, Prodekan der Universität Bonn, BIBB-Forschungsdirektor Prof. Dr. Hubert Ertl und BIBB-Präsident Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser, verglich Prof. Sloane zum Auftakt seines Vortrags die Entwicklung des DQR mit einer vierteiligen Netflix-Serie inklusive Prequel mit Aussicht auf Fortsetzung.

Seine These lautete, dass es sich bei dem DQR um ein Projekt mit europäischem Ausgangspunkt handelt, welches zu einer schleichenden Veränderung in der deutschen Bildungslandschaft geführt hat. Der eigentliche Anspruch des Qualifikationsrahmens, nämlich für Transparenz zu sorgen und eine europäische Vergleichbarkeit von Bildungsabschlüssen zu schaffen, führte letztendlich mit der Zeit zu größeren Veränderungen im deutschen Berufsbildungssystem selbst. 

Die vier Staffeln beziehungsweise Phasen des DQR trugen nach Sloane die Titel:

  • Matrixbildung (2005-2010)
  • Einordnung der Bildungsgänge (2010-2016)
  • Validierung (2016-2023)
  • Verrechtlichung (2019-2023)

In der ersten Phase bildete sich für den DQR ein achtstufiger Rahmen heraus. Gleichzeitig fand eine Vernetzung mit anderen nationalen Diskursen im Bildungsbereich statt, die mit den Stichworten "Kompetenzorientierung", "Bildungsstandards", "Lernfelder" gekennzeichnet werden können. 

In der folgenden Phase wurden die Bildungsgänge entsprechend der DQR-Stufen eingeordnet. Prof. Sloane beschrieb den Prozess als bildungspolitischen Abstimmungsprozess im Mantel einer vermeintlichen objektivierten Beschreibung. Ebenfalls beobachtete Prof. Sloane einen Trend zur eigenen Akademisierung der beruflichen Bildung. 

Der Versuch, die Berufsbildung durch eine gleichsam eigene Akademisierung attraktiver zu machen, führt im ersten Schritt zur Institutionalisierung von neuen Quasi-Hochschulen, die im zweiten Schritt versuchen, die Rituale und die Kultur (u.a. Promotion, Forschungsförderung) der „alten“ Hochschulen zu übernehmen.

Prof. Dr. Peter F. E. Sloane

In der Validierungsphase ging es dann auch um die Berücksichtigung von nicht-formal und informell erworbene Kompetenzen. Fähigkeiten mussten identifiziert, beschrieben bzw. dokumentiert, bewertet und zertifiziert werden. Ziel war es, Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu Bildungsgängen zu schaffen.

Aktuell wird viel über die Verrechtlichung des DQR diskutiert. Laut Prof. Sloane wurde schon früh zwischen einem orientierendem und einem regulierendem Qualifikationsrahmen unterschieden. Er selber steht der Verrechtlichung skeptisch gegenüber und plädierte in seinem Vortrag für die Autonomie der Hochschulen zu entscheiden, ob z.B. ein Betriebswirt im Handwerk in einen Masterstudiengang aufgenommen werden kann. Eine rege Diskussion folgte. Aus Reihen des BIBB wurde argumentiert, dass eine Verrechtlichung durchaus sinnvoll wäre, da der DQR ohne diese Form der Legitimierung nur begrenzt Wirkung entfalten könne. 

Getreu dem Motto "Beim dritten Mal ist es eine Tradition" freut sich das Organisationsteam der Jahresvorlesung aus dem BIBB schon auf die nächste Ausgabe der Jahresvorlesung.