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Nachhaltigkeit im Fokus der neuen Standardberufsbildpositionen

Anforderungen an nachhaltiges Handeln verändert die Arbeitswelt in einer Art und Weise, auf die nun auch ordnungspolitisch reagiert werden musste. Kompetenzen im Umgang mit Nachhaltigkeit und Digitalisierung haben in den vergangenen Jahren immer stärker an Bedeutung gewonnen und stellen mittlerweile ein unverzichtbares Element beruflichen Handelns dar.

Nachhaltigkeit im Fokus der neuen Standardberufsbildpositionen

Eine Arbeitsgruppe des Hauptausschusses des BIBB unter Beteiligung des Bundes, der Sozialpartner, der Länder und des BIBB hat nun die bisherigen Standardberufsbildpositionen umfassend modernisiert. Damit wurde auch eine Handlungsempfehlung aus dem Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung des UNESCO-Weltaktionsprogramms „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (2015-2019) zeitnah umgesetzt.

Hintergrund der Modernisierung

Ziel einer dualen Berufsausbildung ist, für eigenverantwortliche Tätigkeiten auf einem möglichst breiten Gebiet zu qualifizieren. Um diesem Anspruch Rechnung zu tragen, gibt es ergänzend zu berufsspezifischen Inhalten anerkannter Ausbildungsberufe Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die eine wesentliche Grundlage und damit ein unverzichtbares Element beruflichen Handelns darstellen. Diese sogenannten Standardberufsbildpositionen sind Inhalte im Ausbildungsberufsbild und den betrieblichen Ausbildungsrahmenplänen, die stets integrativ im Zusammenspiel mit den jeweiligen berufsprofilgebenden Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten während der gesamten Ausbildung zu vermitteln sind. Bei diesen standardisierten Mindestanforderungen handelt es sich im gewerblich-technischen Bereich bislang um die vier Positionen „Berufsbildung sowie Arbeits- und Tarifrecht“, „Aufbau und Organisation des Ausbildungsbetriebes“, „Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit“ sowie „Umweltschutz“. Die beiden letzten Positionen stellen auch den üblichen Standard in den kaufmännischen Ausbildungsberufen dar. Ihre Vermittlung ist von allen ausbildenden Betrieben sicherzustellen und im betrieblichen Ausbildungsplan aufzugreifen. Zudem sind sie Gegenstand der Prüfungen. Von ihrer Berücksichtigung als Mindeststandard über alle Ausbildungsordnungen hinweg geht ein wichtiges, bildungspolitisches Signal für alle an der Berufsbildung beteiligten Institutionen und Akteure aus.

Verbunden mit der Ausbildung besteht auch der Bildungsauftrag, zur Persönlichkeitsentwicklung der Auszubildenden beizutragen. Diese sollen sich zu selbstständigen Persönlichkeiten entwickeln, die sich reflektierend und aktiv mit aktuellen gesellschaftlichen Problemen auseinandersetzen. Ein solcher Bildungsauftrag ist bereits seit vielen Jahren ein verbindlicher Bestandteil anerkannter Ausbildungsberufe. In der weiterhin aktuellen Empfehlung des Bundesauschusses für Berufsbildung vom 25. Oktober 1974 heißt es dazu: „Bei der Anerkennung bzw. Aufhebung eines Ausbildungsberufes sind bildungspolitische, wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische sowie berufspädagogische Gesichtspunkte zu berücksichtigen“. Auch sind „der Erwerb von Befähigung zum selbstständigen Denken und Handeln bei der Anwendung von Fertigkeiten und Kenntnissen“ Ziel einer anerkannten Berufsausbildung sowie „die Anlage auf dauerhafte, vom Lebensalter unabhängige berufliche Tätigkeit“ zu fördern. Komplexer werdende Arbeitsprozesse erfordern selbstständige, verantwortungsvolle und sozialkompetente Fachkräfte. Kompetentes Handeln zielt in diesem Verständnis auf die Kommunikation, die Gesundheit und Unversehrtheit aller und nicht zuletzt auch auf den sicheren Umgang mit Daten des Unternehmens sowie Dritter. Die modernisierten Standardberufsbildpositionen greifen diese Aspekte unter Berücksichtigung aktueller Entwicklungen auf und setzen für die zukunftsfähige Gestaltung der Ausbildung in einer sich wandelnden Arbeitswelt bildungspolitisch wichtige zusätzliche Akzente. Sie leisten somit einen wichtigen Beitrag zur Förderung von demokratischen Kompetenzen in unserer Gesellschaft, indem sie auf die Eigenverantwortung des Einzelnen am Arbeitsplatz im Sinne von Rechten und Pflichten sowie die Bedeutung von Prävention und Weiterbildung hinweisen. Des Weiteren definieren sie Mindestanforderungen an die nachhaltige Gestaltung des Arbeitslebens und die Tätigkeit in einer digitalisierten Arbeitswelt.

Die modernisierten Standardberufsbildpositionen

Im April 2020 verständigten sich das BMBF, das BMWi, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, Kammerorganisationen, die Länder (vertreten durch Ländervertreter des BIBB-Hauptausschusses und der Kultusministerkonferenz) sowie das BIBB auf die folgenden vier Standardberufsbildpositionen:

  1. Organisation des Ausbildungsbetriebes, Berufsbildung sowie Arbeits- und Tarifrecht
  2. Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit
  3. Umweltschutz und Nachhaltigkeit
  4. Digitalisierte Arbeitswelt

Mit der konsensualen Neufassung dieser Mindestanforderungen werden bewährte Inhalte weiterhin berücksichtigt, zukünftig jedoch erweitert. So wurden „Berufsbildung sowie Arbeits- und Tarifrecht“ und „Aufbau und Organisation des Ausbildungsbetriebes“ in einer Position zusammengeführt und beispielsweise um das Erläutern der eigenen Entgeltabrechnung erweitert. Ebenso bleibt die Position „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ weitestgehend unverändert erhalten. Im Zuge der Erweiterung von „Umweltschutz“ um „Nachhaltigkeit“ ist die Nutzung von Produkten, Waren oder Dienstleistungen, Materialien und Energie um das Berücksichtigen und Abwägen der drei Dimensionen von Nachhaltigkeit (ökonomisch, ökologisch und sozial) ergänzt worden und schließt Aspekte von nachhaltigen Wertschöpfungsketten, fairem Handel und die Reflexion von Zielkonflikten zwischen den einzelnen Nachhaltigkeitsdimensionen ein. Proaktives Handeln soll zudem durch das Entwickeln von Vorschlägen für nachhaltiges Verhalten im eigenen Arbeitsbereich angeregt werden. Hierbei sind etwa Vor- und Nachteile von Optimierungsansätzen und Handlungsalternativen zu berücksichtigen. Als neue Mindestanforderung wurde in einer eigenen Position die „Digitalisierte Arbeitswelt“ aufgenommen. Hier geht es um den Umgang mit digitalen Medien, Daten, Datensicherheit und Datenschutz, darüber hinaus sind aber auch kommunikative und soziale Kompetenzen sowie gesellschaftliche Vielfalt und der wertschätzende Umgang miteinander berücksichtigt. Letztere Anforderungen sind nicht ausschließlich auf die digitale Zusammenarbeit ausgerichtet, treten aber in der digitalen Arbeitswelt besonders hervor, da angemessene Kommunikationsregeln dort einen besonderen Stellenwert innehaben. Nicht zuletzt gilt auch hier, dass die Lernziele stets im Kontext mit fachbezogenen Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten zu vermitteln sind.

Personale Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, wie die Anwendung von Lern- und Arbeitstechniken sowie Methoden des selbstgesteuerten Lernens runden die Position zur digitalisierten Arbeitswelt ab.

Implementation in der Praxis

Die vier neuen Standardberufsbildpositionen sind in allen ab dem 1. August 2021 in Kraft tretenden modernisierten und neu entwickelten anerkannten Ausbildungsberufen als Mindestanforderungen verbindlich zu verwenden und können in Abhängigkeit von berufs- oder branchenspezifischen Besonderheiten bei Bedarf im Rahmen von Ordnungsverfahren in den berufsprofilgebenden Inhalten erweitert werden. Darüber hinaus empfiehlt der Hauptausschuss des BIBB ausbildenden Betrieben und beruflichen Schulen, diese modernisierten Standardberufsbildpositionen auch jetzt schon in sämtlichen Ausbildungsberufen nach BBiG und HwO integrativ im Zusammenhang mit berufsspezifischen Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten während der gesamten Ausbildung zu vermitteln – auch wenn sie noch nicht in allen Ausbildungsordnungen enthalten sind. Er appelliert an alle Akteure in der Beruflichen Bildung, dies aktiv zu unterstützen, indem sie ausbildende Betriebe und berufliche Schulen auf diese Empfehlung des Hauptausschusses und die Bedeutung der neuen Standardberufsbildpositionen für die Arbeitswelt der Zukunft auf verschiedenen Wegen aufmerksam machen, für deren Umsetzung werben und sie dabei auf geeignete Weise unterstützen.

Zur Unterstützung der betrieblichen Ausbildungspraxis wurde im Rahmen der Arbeitsgruppe des BIBB-Hauptausschusses zudem eine Erläuterung erarbeitet, die im Rahmen der Hauptausschussempfehlung Nr. 172 mitveröffentlicht wurde. Als weiterer Teil der Implementation der Standardberufsbildpositionen in die betriebliche Praxis ist darüber hinaus geplant, Videomaterial mit Beispielen und erläuternden Hinweisen sowie ein Heft der BIBB-Veröffentlichungsreihe „Ausbildung gestalten“ für die Ausbildungspraxis zu erarbeiten. Diese Erklärvideos sollen für das Ausbildungspersonal in einem durchschnittlichen Ausbildungsbetrieb, insbesondere auch Klein- und mittelständische Unternehmen, eine grundlegende Information und Orientierung über die jeweiligen themenspezifischen Zielsetzungen der einzelnen Standardberufsbildpositionen bieten. Damit werden erste Anregungen für die Ausbildungspraxis angeboten, die durch die Ergebnisse von BIBB-Modellversuchen und Materialien aus Nachhaltigkeitsprojekten weiterer Akteure vertieft werden können.