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Video-Interview Joachim Renn

Society – Technology – People

Prof. Dr. Joachim Renn, Münster, betont die Pfadabhängigkeit der durch ökonomische Strukturen dominierten Systeme. Für ihn hängt die Art der Innovation davon ab, an welchem Punkt eines Pfades man sich befindet. Wie sind Krisen und Innovationen dabei verknüpft? Das Interview zeigt es. Renn arbeitet als Soziologe in systemtheoretischer Sicht über Übersetzungen.

Textfassung des Video Länge 27:38 Min.

11.06.2018 | BIBB

Society – Technology – People: Theory-Interviews on the relationship between societal and technological change

 

Interview with Prof. Dr. Joachim Renn

This interview was filmed in Münster on 11 June 2018. The interviewer was Thomas Leuchtenmüller. It is part of a BIBB-research project on "Polarisierung von Tätigkeiten in der Wirtschaft 4.0 - Fachkräftequalifikationen und Fachkräftebedarf in der digitalisierten Arbeit von morgen“, funded by BMBF.

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Theorieinterviews 

zur englischsprachigen Übersetzung des Interviews

 

Where do we find sources for technological change and social division of labour?

Also der makrotheoretische Ansatz geht davon aus, dass sich der Übergang in moderne Gesellschaften nicht nur als ein Übergang, industrielle Revolution eingerechnet, in neue Regime der technischen Bearbeitung der Natur oder auch der technischen Bearbeitung von Kommunikationsproblemen auszeichnet, sondern durch einen bestimmten Zug der Differenzierung. Ein Stichwort wäre die funktionale Differenzierung. Wir können auch von der Differenzierung ganz unterschiedlicher Formen der Kommunikation sprechen. Also während etwa auch für alte Gesellschaften, aber auch noch in Gegenwartsgesellschaften alltagsnahe oder lebensformnahe Praktiken auf eine bestimmte Weise koordiniert sind, durch Routinehandeln, durch habitualisiertes Hintergrundwissen, sind organisationale oder gar systemische Kontexte dadurch ausgezeichnet, dass in ihnen ein Ausschnitt des kulturellen Wissens, nämlich der formalisierte, der digitalisierte, der kodierte Ausschnitt federführend sind. Innovation im Sinne der technologischen Innovation ist ein Sonderfall oder ein Spezialfall der Umstellung von Praktiken, aber auch von organisierten und systemisch kodierten Kommunikationsformen, deshalb weil Innovation einerseits eine Untergruppe, eine Untergattung von Variation überhaupt ist. Variation gibt es aber immer. Das wäre der Gesichtspunkt des Pragmatismus. Jede Art von Handlungssituation variiert die Voraussetzungen, mit denen die Handlungssituation angefangen hat, ob jetzt im lebenspraktischen, alltäglichen oder im organisationalen Kontext. Dass Variationen gesellschaftsweit zur Einführung neuer technologischer Regime beispielsweise führt, macht also erforderlich das Variationen auf dieser Ebene oder auf Ebenen organisationalen Handelns über die Grenzen der Organisation oder eines Lebensbereiches hinaus gesellschaftsweit selektiert, ausgewählt werden, aus anderen Alternativen neuer Problemlösungen ausgewählt werden und dann stabilisiert werden. Das ist nicht ohne Grund ein evolutionstheoretisches Vokabular, also Variation, Selektion, Stabilisierung, vor allem technologisch, also am materiellen Register andockende Problemlösungen, weil und jetzt komme ich auf die Treiberfrage endlich, weil natürlich in einer gewissen alltagsweltlichen Vorstellung technische Innovationen Urheber haben, Erfinder haben, Entrepreneure haben, die es dann umsetzen, vielleicht Kreative, bestimmten Professionen zugerechnet werden können. Aus der Makroperspektive wird deutlich, dass erst ein Differenzierungsarrangement es möglich macht, dass eigentlich unwahrscheinliche Umstellungen der Praxis überhaupt Form und Impact erhalten. Dazu ist es erforderlich Variationen in bestimmten abgrenzbaren Kontexten zu generalisieren und dann in ein anderes Format zu übertragen, beispielsweise in ein Format, dass aus dem Sinnhorizont, des Labors, des Entdeckers, des Handwerkers oder auch des probierenden Landwirts oder auch des herumprokelnden Reperateurs von älterer Technologie, aus diesem Kontext heraus über bestimmte und jetzt komme ich zu den Treibern, bestimmte eigentlich übersubjektive, also nicht mehr auf einzelne Personen zuzurechnende, gesellschaftliche Kontexte, quasi in Regie genommen werden. Es ist also eine gewisse Ambivalenz in der technologischen Innovation, die darin besteht, dass im Grunde genommen dieselben Verhältnisse, die etwa in modernen Gesellschaften möglich machen, dass kreative, neue Problemlösungen in Technologien umgesetzt werden, die also doppelt generalisieren. Generalisieren also eine einmal geschaffene Lösung oder eine einmal vorgenommene Variation, um sie wiederholt einsetzen zu können, und fügen, dass Technologie im Rahmen der Produktion von Gerätschaften sozusagen eine standardisierte Fassung, dass Instrumente, die entwickelt werden können, dann massenhaft produziert und zum Beispiel auf dem Markt umgesetzt werden. Die Differenzierung, die dieses Arrangement möglich macht, ist zugleich allerdings eine Bremse dieser Variation aus folgendem Grund: Die pragmatistisch geerdete Differenzierungstheorie stellt gegenüber älteren Vorstellungen von Modernisierungen in den Vordergrund, dass Differenzierung bedeutet, dass Sinngrenzen in die Gesellschaft eingewandert sind. Das heißt in lebenspraktischen, milieuartigen Horizonten bedeuten Handlungen, Ereignisse, Personen etwas ganz anderes auf andere Art, als etwa im organisationalen Zugriff oder etwa im systemischen Zugriff. Sehr deutlich, wenn man lebenspraktische, nachbarschaftliche, intime Verhältnisse vergleicht mit wirtschaftlicher Kommunikation. Für die Innovation bedeutet das, dass die Bedeutung der Problemlösung wegen der Problemwahrnehmung eine andere wird. Es muss übersetzt werden. Also Innovation heißt gesellschaftsweit etablierte Übersetzung einer aus einem kleinen Kontext stammenden Variation, die dann problemlösend ist. Und weil diese Übersetzung einen Bruch an Bedeutung impliziert, weil diese Übersetzung etwa an materialen Gerätschaften, an ihren Verwendungsweisen festgesetzt ist, weil diese Übersetzung, also die Implementation der Innovation in neuen Kontexten Nebenfolgen hat, die nicht absehbar waren, muss man besonders unterstreichen, dass technologische Problemlösungen, auf Dauer gestellt, eine selektive Explikation, eine selektive Formalisierung von ursprünglich eingebetteten, also vieldeutigen Verwendungsvariablen, kreativen Problemlösungen sind. Also sie grenzen die Verwendungsweisen ein und sie haben darüber hinaus streuende Nebenwirkungen, die keiner von den Erfindern absehen konnte. Also die Treiber sind in einer Perspektive diejenigen, die eine Idee haben, die zu einer Lösung kommen, aber antreibend etwa im Wechsel von vormodernen zu modernen Gesellschaften, ist dieses institutionelle Arrangement, wo es möglich wird, eine im kleinen Kontext gefundene Problemlösung zu generalisieren und jetzt zum Beispiel marktförmig zu machen, politisch zu unterstützen. Es wird so sein, dass in vor allem wieder in Anwendungskontexten, also wenn eine Technologie eingeführt worden ist, wenn sich ganze Gesellschaften auf den Verbrennungsmotor mit allen Erweiterungen eingestellt haben, dass die Nebenfolgen ex post wahrgenommen werden und darauf dann wieder mit innovativem Geist reagiert wird. Es wird versucht, neue Lösungen für neue Probleme zu finden, die durch die alten Problemlösungen angestoßen wurden. Aber der technologische Wandel selber ist gewissermaßen nicht der Treiber, sondern man müsste sagen, es ist die Veränderung des gesellschaftlichen Resonanzhorizontes, der es möglich macht, auf technologischen Wandel in dieser strukturbildenden Weise überhaupt zu reagieren. Wenn man den Konservativismus der Lebenswelt der praktischen Routine einrechnet, aber auch die Neigung zur Erstarrung von institutionellen Regimen, ein technologisches Regime hat sich bewährt, wird weiterverfolgt, ist vernetzt über verschiedene Sinngrenzen in der Gesellschaft hinweg, nehmen wir den Verbrennungsmotor, das Auto, das riesengroße Regime der Verarbeitung fossiler Brennstoffe; es werden Probleme gelöst, es werden immer neue Lösungen geschaffen, es werden die extratechnischen oder die extraökonomischen Voraussetzung geschaffen, also zum Beispiel ein Konsumentenbedürfnis, also zum Beispiel politisch wird die Bereitschaft ein Auto zu benutzen dadurch zumindest verstärkt oder befördert, dass Straßen gebaut werden, ganz simpel gesprochen. Also wenn man diesen Konservativismus, einen, wenn man so will praktisch, natürlichen Konservativismus von Formen der Lebensführung auf der einen Seite und die Erstarrung von institutionellen Arrangements, die wenn sie mal funktionieren, quasi ein gewisses Maß an Irreversibilität mit sich führen, einrechnet, dann ist der Hauptreiber der Innovation die Krise. Das ist quasi das Erschüttern und das Scheitern von Arrangements und es ist vor allem die Wahrnehmung von Nebenfolgen, die ex ante nicht sichtbar waren.  #00:08:44-3#

 

Who is driving technological change and social division of labour?  

Man kann jetzt aus der langfristigen, historischen Perspektive unter Umständen Regime unterscheiden. Während, zum Beispiel, vor der industriellen Revolution, aber auch in ihrem Zeitrahmen, also im 18. Jahrhundert ausgehend von den wissenschaftlichen Innovationen des 16. und 17. Jahrhunderts, eigentlich die Politik, das politische System der Treiber war, wenn man so will, die Implementation von neuen Problemlösungen technologischer Art in Regie genommen hat, man möchte beinahe sagen aufgezwungen und durchgesetzt hat, durchhaben konnte (wobei hier vor allem der Krieg und die Kriegstechnologie eigentlich das treibende, ereignishafte Moment ist hinter dem technologischen Wandel), während dies also vielleicht für die frühe Phase oder die Anlaufphase der Moderne typisch oder markant oder charakteristisch genannt werden kann, ist in einer späteren Phase, spätestens mit der Nachkriegsordnung beim Durchbrechen eines weltweiten kapitalistischen Wirtschaftssystems, natürlich die Wirtschaft federführend, federführender Treiber für die Verbreitung und für die Implementation aus verschiedenen Gründen und mit verschiedenen Nebenfolgen. Der dominante Faktor für die Institutionalisierung des Interesses an technologischem Wandel, also auch der Steigerung der Wahrscheinlichkeit, dass technologischer Wandel stattfindet und dass er auch etabliert wird, ist natürlich die Wirtschaft, die ein gegenüber den Problemen, die die Technologie eigentlich lösen soll, erstmal externes Interesse hat, ein verselbstständigtes Interesse an der Innovation, die aus der Perspektive der Kommunikationsform der Wirtschaft, der Marktvergesellschaftung, eher ein Interesse an der Expansion von Märkten, an der Steigerung der Dividende, also eine spezifisch ökonomische Innovation im Vordergrund eigentlich hat. Das heißt, selbst der wahrscheinlich mit gutem Gewissen, nach besten Wissen und Gewissen geäußerte Anspruch, dass die Wirtschaft dazu beiträgt, dass Allokationsproblem zu lösen und deswegen eigentlich im Sinne der Wohlfahrtsmaximierung einen Dienst leistet am Rest der Gesellschaft, in dem sie technologischen Wandel marktförmig macht und somit quasi an den Mann und an die Frau zu bringen hilft, dieser Anspruch eigentlich Bedürfnisse, die von woanders kommen, wenn man so will aus dem Alltag, aus der Lebenswelt zu erfüllen, der ja für die Legitimation von Marktstrategien eine große Rolle spielt, dieser Anspruch muss natürlich gegengerechnet werden gegen das Faktum, dass die Kriterien der Effizienzbewertung, die monetarisierten, rückaufgedrückt werden, also quasi mittransportiert werden mit den Technologien. Wir kennen das aus der alten Kulturindustrie-These, etwa der kritischen Theorie, dass die Kulturindustrie und andere Formen der kapitalisierten Bedürfnisbefriedigung sich darauf herausreden, Bedürfnisse zu befriedigen, Wünsche zu erfüllen, Problemlösungen bereitzustellen, die von unten, vom Konsumenten kommen, die aber, bei Lichte besehen, im Grunde genommen über das Medium der monetarisierten Kommunikation eigentlich erst geschaffen werden. Man schafft dieses Bedürfnis. Und damit ist bei dem technologischen Wandel vielleicht auch noch ein Treiber anonymer Art identifiziert, der da lauten könnte: Verselbstständigung. Die Verselbstständigung des Wertes der Innovation, die Verselbstständigung des Wertes der Effizienzsteigerung hinter denen natürlich spezifisch ökonomische Innovationsformatierungen stecken. Also zum Beispiel Markterschließung, Dividendensteigerung. Ja, die Durchsetzung fällt natürlich jetzt wieder in die Hand der größeren Systeme, die in der Lage sind, die finanziellen, die zeitlichen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, wenn man so will, Programme aufzulegen, die genug Spielraum lassen für innovatives Handeln in abgegrenzten dafür vorgesehenen Slots möchte man sagen, der Interakt von Interaktionsrahmen. Die Akteure sind natürlich ressourcenstarke Großorganisationen, Beispiel dafür ist, empirisch betrachtet, der soziale Wandel von Forschungs- und Entwicklungsabteilungen. Man sieht auch, dass das Arrangement zwischen Universitäten, also auch öffentlich geförderten, das ist im angelsächsischen Bereich schon lange eher eine Privatsache, aber öffentlich geförderten, auch im angelsächsischen Bereich eher aus der unmittelbaren Marktanbindung entlassenen Bildungs und Forschungsinstitutionen, also Universitäten, das Verhältnis zwischen den  Universitäten und zum Beispiel Marktförmigkeit ökonomisch tragenden Organisationen ein gewandeltes ist, also viele Forschungs- und Entwicklungsabteilungen wandern direkt in die Unternehmen. Viele Auftragsforschung, die noch in den Universitäten stattfindet lässt sich deuten als ein Teil von unternehmerischer Innovationspolitik möchte man sagen. Also hat sich das Arrangement zwischen sehr entkoppelter wissenschaftlicher und auch technikwissenschaftlicher Forschung auf der einen Seite, dann gibt es ja klassischerweise gab es quasi den Praktiker, die Praktikerin, die Handwerkerin, die mit Maschinerien umgeht und vielleicht auf eine tolle Idee kommt. Und dann gab es eben drittens quasi den Unternehmer, die Organisation, die etwas zur Serienfertigung bereitstellt oder die Bedingungen für die Serienfertigung bereitstellt - schon immer mit Kalkulation der Marktgängigkeit dessen, was dabei rauskommt und dann noch den politischen Akteur, also quasi Regierungen bzw. bestimmte administrative Unterabteilungen, die Wissenschaftstechnik und sonstige Förderungen natürlich implementiert haben, also immer mit so einer ambivalenten Orientierung, einerseits nutzenorientiert, andererseits im Bewusstsein, dass man nicht vorher schon wissen kann, welche technologischen Verfahren oder welche Grundprinzipien technologischer Gerätschaften welche Effekte haben werden, ja also der Freiheit der Forschung durchaus einen Raum lassen mussten. Dieses Arrangement scheint sich einerseits verdichtet zu haben, die Grenzen scheinen überschritten zu sein, aber es ist nicht unbedingt so, dass die Grenzen tatsächlich überschritten sind, weil es bleibt in der Perspektive der Wissenschaften eine Wahrheitsfrage, ob ein Verfahren funktioniert oder nicht, ob es den Naturgesetzen entspricht, es bleibt auch eine, wenn man so will, einem anderen Rationalitätskriterium unterworfene Frage, ob man eine Technologie wirklich generalisieren, serienmäßig in die Welt setzen kann. Es bleibt wiederum eine andere Rationalität, ob das politisch gewünscht ist, ob die damit verbundenen Nebenfolgen, nehmen wir zum Beispiel Gentechnologie und Biotechnologie, also will man eigentlich, dass was die Stammzellenforschung machen kann auch wirklich haben? Also wir können die Differenzen schon noch erkennen, wir sehen aber, dass unter Umständen, nicht eine Verschmelzung dieser Akteure oder dieser Teilbereiche zu konstatieren ist, aber vielleicht eine andere Gewichtung, eine andere Ungleichverteilung von Autonomiechancen und Selbstregulationschancen.  #00:16:14-7#

 

Which consequences will arise from technological change?

Das ist, unter dem Stichwort der Subjektivierung der Arbeit, die Möglichkeit - die Möglichkeit -, also den klassischen Verpflichtungscharakter oder Zwangscharakter der beschäftigten Lohnarbeit zu verwandeln in, wenn man so will, eine wertschöpfungskettenkompatible Form der Selbstverwirklichung. Wenn man denn die entsprechende Ausstattung und Persönlichkeitsstruktur mitbringt. Nun wissen wir natürlich auch, dass das Nebenfolgen, also zum Beispiel die unwidersprochene Durchsetzbarkeit der Maxime der permanenten Erreichbarkeit durchaus Nebenfolgen für die intimen und persönlichen Selbstverhältnisse haben kann, also zu einer Umstellung des Verhältnisses zwischen Arbeitsengagement, Arbeitstätigkeit, Arbeitsroutine auf der einen Seite und Privatleben, Reproduktionstätigkeiten oder Intimität auf der anderen Seite haben kann. Ich bin immer erreichbar, ich bin immer an meinem Personal Computer oder mittlerweile am Tablet und ich bearbeite ständig, die E-Mails, die erforderlich sind. Manche können das mögen, andere nicht. Was hier also hineinkommt mit dem Bezug auf die Arbeitswelt, deswegen sag ich das kann man nicht in einem Zuge beantworten, ist erstens eine verschärfte und zweitens eine andere Form von sozialer Ungleichheit. Selbstverständlich ist die Gleichung, dass kommunikationstechnologisch ermöglichte neue Versöhnung zwischen subjektiven Anforderungen an die Arbeit als einer selbstwirksamen Tätigkeit auf der einen Seite und wertschöpfungskettenrelevante Funktionalität auf der anderen Seite sind nur was für ein besonderes Segment der Arbeitswelt, ist nur für ganz bestimmte Tätigkeiten, dass sehen wir allein schon, wenn wir ja Hochschultätigkeit, was das Zeitmanagement betrifft vergleichen mit, sagen wir, immer noch von acht bis vier Arbeit im eher körperbasierten Bereich schlechtbezahlter Lohntätigkeit. Ungleichheit, ungleiche Verteilung von Chancen, private und sagen wir wirtschaftliche zum Beispiel oder organisationale, nicht nur wirtschaftliche, das betrifft auch die Verwaltung und die Politik, die Administration und organisationale funktionale Erfordernisse oder aber Bedürfnisse auf einen Nenner zu bringen. Es kann aber sein, dass die etwa im Zusammenhang mit der Subjektivierung der Arbeit diskutierten Entwicklungen oder auch im Zusammenhang mit der auf den Konsumenten individueller zugeschnittenen Formen des Produktmanagements, dass diese Formen in einer gewissen Richtung zu Umbauten führen, zu Rearrangements führen, die man vielleicht unter dem Stichwort der zunehmenden Dezentrierung einsetzen kann. Also die allgemeinen Mechanismen der Standardisierung, der Generalisierung, ja der massenhaften Verbreitung, tragen so ein bisschen ja auch noch den Charakter der ehemals fordistischen Welt, ihrer Wirtschaftsweise, der Massenproduktion. Und die neuen Produkte, neuer technologischer Wandel haben unter Umständen das Potential in sich, dass das Verhältnis zwischen Erfindern, Unternehmern, politischen Akteuren, die Schranken und die Hindernisse einreißen, oder sogar die Einsetzung von Instrumentierungen durch gesetzgeberische Tätigkeiten befördern, dann Konsumenten haben dieses Arrangement, die neuen Technologien haben dieses Arrangement unter Umständen in Bewegung gebracht oder haben das Potential dazu - auch wieder nicht geplant, sondern als Nebenfolge - ein dann doch anderes Arrangement zwischen technischer Innovation, technischer Produktion und technischer Rezeption oder Applikation auf dem Plan zu rufen.  #00:20:11-3#

 

How are drivers and consequences of technological change connected?

In ganz allgemein oder abstrakt formuliert würde ich noch einmal Techniken als Gattung von allgemeinen Verfahren versuchen zu beschreiben, woraus dann folgt, dass für Techniken auf spezifische Weise gilt, was für Verfahrensweisen allgemein gilt, nämlich, dass sie Explikationen des Impliziten sind. Implizit heißt aus der Vergangenheit im Sinne der Routinisierung, im Sinne des Trial-and-Error, haben sich habitualisierte, für selbstverständlich genommene Handlungsroutinen, Handlungsweisen, Arbeitsweisen sedimentiert, etabliert. Wenn diese dann auf Regelformulierungen gebracht werden – also Explikation ist wichtig für Technologien - das ist ein Punkt, der auch wirklich noch nicht behandelt wurde, weil die Technologie nicht nur darin besteht, etwas in Geräte zu packen, eine Tätigkeit zu optimieren, zu standardisieren, Maschinen zu bauen, sondern eben den Umweg über die explizite Notation der zugrunde liegenden Regeln des Geschehens, der natürlichen Ereignisabfolge von kausalen Zusammenhängen, chemischen Reaktionen, elektronischen Regelkreisläufen etc., also das Explizieren dieser Zusammenhänge und zweitens das Explizieren der Bauweise von technischen Gerätschaften impliziert. Also erst bringe ich zum Ausdruck, was ich mache, dann verwende ich den Ausdruck als Gebot oder als Imperativ, was ich machen soll bei der Übertragung in einen anderen Kontext, nimmt das eine völlig andere Gestalt an, es wird übersetzt, wenn man so will, zur Forderung der Maschine oder der Gerätschaften an das ausführende Personal. Hier gehört Marx Analyse der abstrakten Arbeit dazu, der Arbeiter wird ein Teil der Maschine und nicht umgekehrt, die Maschine wird ein Instrument des Arbeiters. Dieser Übergang steckt noch mal in einem Zusammenhang mit dem zweiten Mechanismus, wenn man so will, das ist der Mechanismus der Generalisierung und der Formatierung, also dass es durch die Form der Notation und dann noch die Form der Gerätschaften, also das betrifft auch moderne technologische Regime, also das Auto, das Flugzeug, die Kommunikationstechnologien, durch diese Form, die jetzt wiederum aus Gründen der Produzierbarkeit und aus Gründen der Kalkulierbarkeit des technologischen Regimes, im Sinne, bin ich wieder bei der Ökonomie, ohne die geht es aber auch nicht, eine standardisierte Form hat, wird daraus jetzt quasi eine Vorschrift an fremde Kontexte, an ganz andere Praktiken, so und nicht anders zu arbeiten und zu leben. Also die generalisierte Form nötigt dazu in Anwendungskontexten zu verdinglichen, zu subsumieren. #00:23:09-6#

 

What measures can be taken to steer technological change?  

Es gibt zwei Möglichkeiten und dann natürlich noch verschiedene Mischungen zwischen diesen Möglichkeiten. Es werden die üblichen privilegierten, ressourcenstarken Entrepreneure und Akteure sein, also finanzstarke, teilweise ja auch artifiziell über den Finanzkapitalismus der von Produkten und Arbeitsmärkten abgekoppelt Vermögen hin und herschiebt, artifiziell ressourcenstarke Entrepreneure sein. Es werden, wenn man jetzt in der politischen Szenerie sich umschaut, vor allem in den Teilen der Weltgesellschaft, in den Regionen der Weltgesellschaft, wo die Entkopplung von Politik und Wirtschaft eine andere Form hat oder weniger stark ausgeprägt ist. Es werden die wachsenden Schwellenländer, also die Regierung Chinas als Beispiel oder die Administration Chinas wird ein wichtiger Akteur auf dieser Seite sein. Andere Möglichkeit, das wäre das Stichwort der dezentrierenden Folgen von neuen Technologien, die vielleicht wirklich eine andere Generation gegenüber fordistischen Produktionsweisen, Massenproduktionsweisen der frühen und der zweiten Industrialisierung darstellen. Andere Form ist das durch die Dezentralisierung von Technologien die Möglichkeiten, auch der Kontraapplikation, also der gegensinnigen Anwendung von Technologien, Kommunikationstechnologien, Technologien im Sinne Judith Butlers, die die Stütze für nur noch schwer organisierbare politische Aktivität bilden können. Flashmobs, die vielleicht durch Erweiterungen dieser Technologien ihren ephemeren Charakter mehr und mehr abstreifen können. Man muss jetzt nicht über die berühmte Maltitude fantasieren, aber das auch im Bereich des normalen Konsumenten und des Endverbauchers , vielleicht auch durch, unbeabsichtigt beinahe ja, durch technologische Instrumentierungen des Alltagslebens, nicht nur weitere Spielräume der Selbstwirksamkeit, sondern auch reflexiv Erfahrungen mit dieser Wirksamkeit kumulieren zu einer verstärkten Neigung das Interesse an Selbstbestimmung zu artikulieren, auch im Umgang mit Technologie, auch was die Entscheidung über verschiedene technologische Optionen betrifft, also wieder Stichwort dezentrale Energiebewirtschaftung oder so etwas. Das ist beides möglich und verschiedene Mischungsverhältnisse sind auch möglich. Und meine Vermutung wäre, dass ein Prädiktor über die Schlussfolgerung oder vielleicht sogar Hypothesen in der Richtung zulässt, welche dieser Ausprägungen jetzt die größeren Wahrscheinlichkeiten hat, ein Prädiktor sind die Spezifika der politischen Ordnung von Regionen der Weltgesellschaft. Es sind die Regionen, haben ein Prä, was die Wahrscheinlichkeit auf jene Dezentrierung oder unter dem Stichwort der Dezentrialisierung genannten Entwicklungen angeht, ein Prä, was diese Entwicklungen angeht, eine höhere Wahrscheinlichkeit, es sind solche Ordnungen, in denen ja in einem guten alten Sinne zivilgesellschaftliche Strukturen im Verhältnis zwischen Ökonomie, Politik, politischer Administration und Wissenschaft, zivilgesellschaftliche Strukturen, die dazwischen stehen, eine relativ starke Ausprägung noch haben, behalten oder bekommen können. Also den meisten Akteuren sind ihre Einflussmöglichkeiten bekannt und sie sind sozusagen ausanalysiert, das hat was mit Implementationsforschung zu tun, vielleicht auch ein politikwissenschaftliches Thema, welche Policies müssen wir machen, um das und das zu erreichen. Ich würde vielleicht nur eines nennen an dieser Stelle, weil es vielleicht ein Spezifikum der Perspektive, für die ich werbe, darstellen könnte. Ironischer- oder paradoxerweise oder scheinbar paradoxer Weise, wäre wahrscheinlich ein unterschätzter, aber meines Erachtens gehaltvoller Zugang oder eine Voraussetzung dafür, Gestaltungsmacht zu erreichen, die scheinbar erstmal defensive Strategie sich zurückzunehmen aus Interdependenzen und Orte, Tätigkeiten und Personen des autonomen, des zweckbefreiten Variierens zu schaffen.

Informationen zum Video

Interview aufgenommen am 11.06.2018 in Münster

Interviewer: Thomas Leuchtenmüller

Kamera, Ton: Olaf Kuzniar

Team vor Ort: Olaf Kuzniar, Thomas Leuchtenmüller, Alexandra Mergener, Michael Tiemann

Produktion: überRot GmbH

Der Inhalt steht unter der Creative Commons-Lizenz 4.0 International CC BY-NC-ND 4.0 (mehr dazu bei www.bibb.de/cc-lizenz).

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Hayagreeva, Rao; Singh, Jitendra V. | In: Garud, Raghu; Karnøe, Peter (Hrsg.): Path Dependence and Creation. Mahwah, S. 119-131 | 2001

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