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Die Qualifizierungsabsichten vor Erwerb der Studienberechtigung 

Mit dem Abitur und der Fachhochschulreife haben die Studienberechtigten das höchste schulische Zertifikat im deutschen Bildungssystem erlangt. Ihnen eröffnet sich damit ein breites Spektrum beruflicher Qualifizierungsoptionen, zu denen unter anderem ein Universitäts- oder Fachhochschulstudium, eine schulische oder betriebliche Berufsausbildung, eine Ausbildung an einer Berufsakademie oder Verwaltungsfachhochschule sowie die Kombination aus Studium und Berufsausbildung zählen. Bereits vor dieser zentralen Entscheidung im Bildungs- und Berufsverlauf sind die Studienberechtigten eine hinsichtlich ihrer vorangegangenen Bildungsbiografie sehr heterogene Gruppe. Wie die DZHW-Studienberechtigtenbefragungen  zeigen, hat der überwiegende Teil die schulische Hochschulzugangsberechtigung auf dem klassischen Weg über das Gymnasium oder die Gesamtschule erworben. Knapp jede/ -r zehnte Studienberechtigte des Schulabschlussjahrgangs 2012 hat indes ein berufliches Gymnasium besucht und ca. ein Viertel eine andere berufliche Schule. Mit 2 % ist der Anteil des zweiten Bildungsweges (Abendgymnasium und Kolleg) nach wie vor sehr klein. Die Studienberechtigten unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich der besuchten Schularten, sondern auch hinsichtlich ihrer beruflichen Vorerfahrungen. Ein Fünftel bis ein Siebentel aller Studienberechtigten hat bereits vor oder parallel zum Erwerb der Hochschulreife eine Berufsausbildung abgeschlossen. Diese Heterogenität äußert sich unter anderem in der individuellen Bedeutung der Hochschulreife. Sie wird nicht mehr ausschließlich zum Zweck einer Studienaufnahme angestrebt. Für 90 % der Studienberechtigten des Schulabschlussjahrgangs 2012 ist die Hochschulreife ein Abschluss, der alle Möglichkeiten offenlässt, und 77 % sehen in ihr ein Zertifikat, das die Chancen bei der Ausbildungsplatzsuche verbessert (vgl. Schneider/Franke 2014).

Trotz der Vielzahl unterschiedlicher Qualifizierungsoptionen und der Vielfalt der Motive für den Erwerb einer schulischen Hochschulzugangsberechtigung äußerten zwei von drei Studienberechtigten des Schulabschlussjahrgangs 2012 ein halbes Jahr vor Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung den Wunsch zu studieren. Im Vergleich zur Schulabschlusskohorte 2008 hat sich dieser Anteil schrittweise um vier Prozentpunkte erhöht. Eine Berufsausbildung plante ca. jede/ -r fünfte Studienberechtigte und eine Ausbildung an einer Berufsakademie 3 %. Beide Anteile sind im Vergleich zur Kohorte 2008 leicht gesunken Tabelle A3.3.1-1

Tabelle A 3.3.1-1: Qualifizierungspläne von Studienberechtigten ein halbes Jahr vor Schulabschluss insgesamt, nach Geschlecht und Region (in %)

Tabelle A 3.3.1-2: Qualifizierungspläne von Studienberechtigten ein halbes Jahr vor Schulabschluss nach Bildungsherkunft und Migrationshintergrund (in %)

Etwa jede/ -r zehnte Studienberechtigte gab ein halbes Jahr vor Schulabschluss an, beides, also ein Studium und eine Berufsausbildung, sicher oder wahrscheinlich aufnehmen zu wollen. Diese Absicht kann mittels eines dualen Studiums oder einer Berufsausbildung mit anschließendem Studium realisiert werden. Sie kann aber auch Ausdruck einer kurz vor Schulabschluss noch bestehenden Unsicherheit bzw. fehlenden Entscheidung bezüglich des nachschulischen Qualifizierungsweges sein. Weder eine Studien- noch eine Ausbildungsintention hatten ein halbes Jahr vor dem Erwerb der Hochschulreife 2 % der Studienberechtigten, in der Regel, weil sie bereits vor oder parallel zum Erwerb der schulischen Hochschulzugangsberechtigung eine Berufsausbildung abgeschlossen haben und nun eine Erwerbstätigkeit aufnehmen (vgl. Kapitel A3.3.2).

Frauen planen im letzten Schuljahr häufiger eine Berufsausbildung (2012: 22 % vs. 15 %) und seltener ein Studium (2012: 63 % vs. 69 %) als Männer. Gleiches gilt für die Studienberechtigten, deren Eltern keinen Hochschulabschluss erlangt haben, im Vergleich zu jenen, die aus einem akademischen Elternhaus kommen56 Tabelle A3.3.1-2. Differenzen bei der Planung des nachschulischen Werdegangs zeigen sich darüber hinaus in Abhängigkeit vom Migrationshintergrund57. Ein halbes Jahr vor Schulabschluss äußern die studienberechtigten Migranten und Migrantinnen der Kohorte 2012 häufiger einen Studienwunsch als die Studienberechtigten ohne Migrationshintergrund (70 % vs. 65 %) und planen seltener eine Berufsausbildung. Vor allem ein Fachhochschulstudium visieren die Migranten und Migrantinnen häufiger an. Dieser Befund zeigt sich auch bei der zuvor befragten Kohorte 2010.

Die regionalspezifischen Differenzen zwischen Ost- und Westdeutschland sind bezüglich der nachschulischen Bildungsabsichten von Studienberechtigten vergleichsweise gering Tabelle A3.3.1-1. Charakteristisch ist für ostdeutsche Studienberechtigte der seltenere Wunsch nach einem Fachhochschulstudium. Zudem planen diese Schüler/ -innen seit 2008 immer seltener eine Berufsausbildung sowie eine Ausbildung an einer Berufsakademie und zunehmend häufiger ein Studium. In Westdeutschland ist dieser Trend ebenfalls erkennbar, beschränkt sich aber auf die Kohorten 2008 und 2010. 

DZHW-Studienberechtigtenbefragungen

Die Grundgesamtheit dieser seit 1976 in zwei- bis dreijährigem Rhythmus vom DZHW durchgeführten Untersuchungsreihe bilden Personen, die in den jeweiligen Untersuchungsjahren eine schulische Hochschulzugangsberechtigung erworben haben. Gegenstand des DZHW-Studienberechtigtenpanels ist die längsschnittliche Erhebung der nachschulischen Werdegänge von ausgewählten Studienberechtigtenkohorten – unabhängig davon, welcher nachschulische Weg eingeschlagen wird. Wesentliches Ziel der Untersuchungen ist die Abbildung und vergleichende Analyse der individuellen Bildungs- und Berufsverläufe von Studienberechtigten. In der Regel werden drei Erhebungswellen durchgeführt: 6 Monate vor, 6 Monate nach sowie 3 ½ Jahre nach Schulabgang. Einzelne Kohorten werden anschließend in einer vierten Welle zu einem noch späteren Zeitpunkt erneut befragt. Das DZHW-Studienberechtigtenpanel ermöglicht für Bund und Länder repräsentative Trend-, Kohorten- und Querschnittsanalysen.

Realisierung der vor Schulabschluss geäußerten Qualifizierungsabsichten 

Die Studienberechtigten der Kohorte 2012, die in der Abschlussklasse angaben, nach dem Abitur bzw. der Fachhochschulreife eine Berufsausbildung absolvieren zu wollen, haben diesen Plan ein Jahr später größtenteils realisiert bzw. halten auch nach Schulabschluss an ihm fest (82 %). Darunter sind allerdings 23 %, die die Ausbildung nun durch ein anschließendes Studium ergänzen möchten. Weitere 16 % haben ihre Berufsausbildungspläne zwischenzeitlich aufgegeben und nehmen stattdessen ausschließlich ein Studium auf. Im Vergleich zu den vorherigen Kohorten von 2010 und 2008 hat sich diese Gruppe von vormals 20 % zugunsten einer Kombination aus Berufsausbildung und anschließendem Studium anteilig verringert Tabelle A3.3.1-3.

Von den Studienberechtigten, die vor dem Schulabschluss die Absicht hatten, ein Fachhochschulstudium aufzunehmen, haben nach Erwerb der Hochschulreife gut zwei Drittel diese Studienplanung realisiert. Knapp jede/ -r Fünfte dieser Studienberechtigten immatrikuliert sich stattdessen an einer Universität, und 6 % belassen es bei ihrer Qualifizierung und gehen direkt in die Erwerbstätigkeit über. Studienberechtigte, die in der Abschlussklasse ein Universitätsstudium planten, nehmen ganz überwiegend auch ein solches Studium auf bzw. behalten diesen Plan bei (2012: 81 %). 12 % der Studienberechtigten, die ursprünglich ein Universitätsstudium aufnehmen wollten, entscheiden sich im nachschulischen Verlauf zugunsten eines Fachhochschulstudiums um. Seit 2008 ist dieser Anteil leicht gestiegen. Dennoch ist die Realisierungsquote bei Studienberechtigten mit ursprünglichem Wunsch nach einem Universitätsstudium höher als bei jenen mit Fachhochschulabsicht. War die Hochschulart in der Schulabschlussklasse noch unklar, immatrikulieren sich die Studienberechtigten ebenfalls mehrheitlich an einer Universität.

Studienberechtigte, die vor Schulabschluss sowohl eine Berufsausbildung als auch ein Studium planten, unterscheiden sich entsprechend den verschiedenen Realisierungsmöglichkeiten dieser Intention deutlich voneinander. Dies kann, wie oben erwähnt, Ausdruck von Unentschiedenheit sein. Ein Fünftel dieser Studienberechtigten kombiniert Berufsausbildung und Studium zeitlich versetzt miteinander. Ein Drittel nimmt ein Studium an einer Fachhochschule auf (inklusive dualen Studiums) und ein Viertel ausschließlich ein Studium an einer Universität. Weitere 17 % haben sich für eine Berufsausbildung ohne Studium entschieden.

Der Wunsch nach einer beruflichen Qualifizierung an einer Berufsakademie mündet nach Schulabschluss überwiegend in ein Fachhochschulstudium. Hierzu zählt auch das Studium an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) sowie ein duales Studium an einer Fachhochschule bzw. Universität. Eine Ausbildung an einer Berufsakademie nimmt nur ca. jede/ -r zehnte Studienberechtigte auf, die/der diesen Wunsch im letzten Schuljahr geäußert hatte. Diese Diskrepanz kann auf mehrere Gründe zurückgeführt werden. Zum einen ist die Nachfrage nach den Berufsakademieausbildungen groß, und die Zugangsvoraussetzungen, die einen Ausbildungsvertrag mit einem der teilnehmenden Betriebe vorsehen, sind dementsprechend vergleichsweise hoch. Zum anderen könnten sich Studienberechtigte, die an der DHBW studieren wollten, bei der ein halbes Jahr vor Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung durchgeführten Befragung den Berufsakademien und nicht den Fachhochschulen, denen die DHBW gleichgestellt ist, zugeordnet haben.

Die im letzten Schuljahr genannten Qualifizierungspläne werden von Männern und Frauen in unterschiedlichem Maß realisiert Tabelle A3.3.1-3. Frauen äußern nicht nur zu höheren Anteilen vor Schulabschluss den Wunsch nach einer ausschließlichen Berufsausbildung (siehe oben), sie setzen ihn anschließend auch häufiger in die Tat um (2012: 62 % vs. 51 %), während die Männer alternativ oder – mit wachsenden Anteilen  – ergänzend ein Studium aufnehmen (2012: 33 % vs. 46 %). An dem Wunsch nach einem Fachhochschulstudium halten indes die Männer häufiger fest, während die Frauen sich eher zugunsten eines Universitätsstudiums umentscheiden. Auch bei zunächst noch fehlender Aussage zur gewünschten Hochschulart wählen Männer nach Schulabschluss häufiger ein Fachhochschul- und seltener ein Universitätsstudium als Frauen. Hierbei dürfte das Fächerspektrum der Fachhochschulen ausschlaggebend sein. 

Tabelle A 3.3.1-3: Realisierung der vor Schulabschluss geäußerten Qualifizierungsabsichten insgesamt und nach Geschlecht (in %)

Studienberechtigte aus akademischen Elternhäusern realisieren die im letzten Schuljahr – ohnehin seltener  – geäußerten Pläne einer ausschließlichen Berufsausbildung nach dem Schulabschluss zu geringeren Anteilen als Studienberechtigte, deren Eltern keinen Hochschulabschluss erlangt haben (2012: 52 % vs. 61 %) Tabelle A3.3.1-4. Sie entscheiden sich stattdessen häufiger zugunsten eines Studiums um oder schließen an die Berufsausbildung ein Studium an (2012: 43 % vs. 35 %). Zudem ist bei den Akademikerkindern eine generell hohe Präferenz für ein Universitätsstudium zu beobachten. Sie halten häufiger an einem solchen vor Schulabschluss geäußerten Wunsch fest, und sie entscheiden sich bei einem ursprünglichen Wunsch nach einem Fachhochschulstudium eher um.

Unterschiede hinsichtlich der Realisierung von Bildungsabsichten zeigen sich auch zwischen Studienberechtigten mit und ohne Migrationshintergrund Tabelle A3.3.1-5 Internet. Studienberechtigte mit Migrationshintergrund nehmen im Kohortenvergleich zunehmend häufiger ein vor Schulabschluss geplantes Fachhochschulstudium nach der Schule tatsächlich auf (2008: 64 % vs. 2012: 75 %), und sie entscheiden sich zudem bei einer ursprünglich beabsichtigten Berufsausbildung häufiger zugunsten eines Fachhochschulstudiums um als diejenigen ohne Migrationshintergrund (2012: 11 % vs. 8 %).

Eine im Kohortenvergleich leicht zunehmende Umorientierung in Richtung Fachhochschulstudium bei denjenigen Studienberechtigten, die im letzten Schuljahr eigentlich ein Universitätsstudium beabsichtigt hatten, findet sich in Ost- und Westdeutschland Tabelle A3.3.1-6. Die westdeutschen Studienberechtigten nehmen im Kohortenvergleich auch dann häufiger ein Fachhochschulstudium auf, wenn sie sich vor Schulabschluss noch nicht für eine Hochschulart entschieden hatten (2008: 26 %, 2012: 32 %) oder sowohl ein Studium als auch eine Berufsausbildung geplant hatten (2008: 26 %, 2012: 34 %). Die ostdeutschen Studienberechtigten halten indes immer seltener an einem ursprünglich geplanten Fachhochschulstudium fest und gehen direkt in die Erwerbstätigkeit über (vgl. Kapitel A3.3.2) bzw. nahmen bei der Kohorte 2012 ein Universitätsstudium auf. Charakteristische regionale Unterschiede gibt es zudem bei der Realisierung einer geplanten Ausbildung an einer Berufsakademie. In Westdeutschland münden diese Pläne sehr viel häufiger in ein Fachhochschulstudium. Ein wesentlicher Grund hierfür dürfte die den Fachhochschulen gleichgestellte Duale Hochschule Baden-Württemberg sein, die, wie oben erwähnt, von den Befragten vor Schulabschluss vermutlich häufig den Berufsakademien zugeordnet wurde.

Die dargestellten deskriptiven Befunde machen deutlich, dass nur ein Teil der Studienberechtigten, die vor dem Schulabschluss eine sichere Ausbildungsintention hatten, diese nach Erwerb der Hochschulreife aufrechterhalten und realisieren. In Ergänzung dieser Ausführungen wird im Folgenden dargestellt, welche Faktoren die Beibehaltung einer vor Schulabschluss geäußerten Berufsausbildungsabsicht beeinflussen. Hierzu werden neben den soziodemografischen Merkmalen weitere wichtige Einflussgrößen, wie z. B. die schulische Performanz, betrachtet. Um die Mechanismen aufzuzeigen, die den gruppenspezifischen Unterschieden in der Realisierung der Ausbildungsabsicht zugrunde liegen, ist es sinnvoll, ein multivariates Analyseverfahren heranzuziehen. Ein geeignetes Verfahren ist die logistische Regression. Diese Methode bietet die Möglichkeit, die Einflussstärken mehrerer Variablen simultan zu schätzen und um den Einfluss der jeweils anderen in dem Modell berücksichtigten Variablen zu „bereinigen“.

In Tabelle A3.3.1-7 werden die Ergebnisse der logistischen Regressionsanalyse präsentiert. Sie geben Auskunft, inwieweit die verschiedenen Einflussfaktoren dazu führen, dass die Studienberechtigten des Abschlussjahrgangs 2012 eine vor Schulabschluss vorhandene „ausschließliche“ Ausbildungsintention nach dem Schulabschluss tatsächlich realisieren, anstatt diese nach dem Erwerb der Hochschulreife zugunsten eines Hochschulstudiums ohne Ausbildung zu verwerfen.58 Die verschiedenen Komponenten zur Erklärung der Beibehaltung einer Ausbildungsintention werden dabei sukzessive in die Regressionsanalyse eingeführt (Modell 1 bis 5). Durch diese stufenweise Einführung der Einflussfaktoren lässt sich abschätzen, inwieweit sich bspw. die Bildungsherkunft vermittelt über die schulischen Leistungen auf die Realisierung einer vor Schulabschluss vorhandenen Ausbildungsneigung auswirkt. Die Effektstärken der unabhängigen Variablen werden als average marginal effects (AME) ausgewiesen (vgl. Mood 2010). Diese geben an, inwieweit sich die Wahrscheinlichkeit ändert, eine geplante Ausbildung zu realisieren, wenn die jeweils betrachtete unabhängige Variable um eine Einheit erhöht wird.

Das erste Modell enthält lediglich die soziodemografischen Merkmale Geschlecht, Bildungsherkunft und Migrationshintergrund sowie ferner die Region des Erwerbs der Hochschulreife Tabelle A3.3.1-7. Analog zu den deskriptiven Ergebnissen zeigt sich im ersten Modell, dass Männer eine um 13 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit als Frauen aufweisen, die ursprüngliche Ausbildungsintention nach dem Schulabschluss zugunsten einer Umorientierung in Richtung eines Studiums aufzugeben (AME = -0,13). Dieser Effekt ist auf dem 0,1 %-Niveau signifikant. Ähnlich deutlich fällt der hochsignifikante Effekt der Bildungsherkunft aus: Studienberechtigte aus akademischen Elternhäusern haben im Vergleich zu denjenigen aus nicht-akademischen Elternhäusern eine um 9 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit, die ursprünglichen Berufsausbildungspläne nicht zu realisieren und stattdessen ein Studium aufzunehmen (AME = -0,09). Der Migrationshintergrund und die Region des Erwerbs der Hochschulreife (West- und Ostdeutschland) hängen im ersten Modell hingegen nicht signifikant mit der Realisierung der Ausbildungsintention zusammen.

Im zweiten Modell wird zusätzlich die zum Erwerb der Hochschulreife besuchte Schulart in die Spezifikation aufgenommen. Es zeigt sich, dass die Wahrscheinlichkeit, eine vor Schulabschluss vorhandene feste Ausbildungsabsicht im nachschulischen Verlauf umzusetzen, bei Studienberechtigten von Fachoberschulen (AME  =  0,14) sowie insbesondere bei denjenigen von Berufsfachschulen und Fachschulen (AME = 0,22) im Vergleich zur Referenzgruppe der Studienberechtigten von allgemeinbildenden Schulen deutlich größer ausfällt. Umgekehrt heißt dies, dass Studienberechtigte allgemeinbildender Schulen, die ohnehin deutlich häufiger ein Studium planen (vgl. Schneider/Franke 2014), sich zudem häufiger für ein Studium entscheiden als solche von Fachoberschulen, Berufsfachschulen und Fachschulen, wenn sie ursprünglich eine berufliche Ausbildung absolvieren wollten. Studienberechtigte von Fachgymnasien orientieren sich hingegen häufiger in Richtung eines Studiums um als diejenigen von allgemeinbildenden Schulen (AME = -0,04). Unter Berücksichtigung der Schulart zeigt sich für die Region des Erwerbs der Hochschulreife im zweiten Modell nun ein signifikanter Einfluss für den Erwerb der Hochschulreife in Westdeutschland, und dieser Effekt steigt hinsichtlich des quantitativen Ausmaßes zudem von AME = -0,06 in Modell 1 auf AME = -0,08 in Modell 2 an („Suppressoreffekt“). Entsprechend fällt die Wahrscheinlichkeit, die Ausbildungsintention zugunsten eines Studiums aufzugeben, bei Studienberechtigten aus Westdeutschland größer aus als bei denjenigen aus Ostdeutschland, obwohl sie die Hochschulreife häufiger an einer beruflichen Schulform erlangt haben, was insgesamt eigentlich eher zu einer Realisierung der ursprünglichen Ausbildungspläne führt.

Sowohl zwischen der Schulabschlussnote als auch der subjektiven Einschätzung der Erfolgsaussichten für ein Studium und der Entscheidung, anstatt der ursprünglich beabsichtigten Ausbildung ein Studium zu absolvieren, besteht ein deutlicher und signifikanter Zusammenhang. So erhöht eine Verschlechterung der Schulabschlussnote um eine Notenstufe die Wahrscheinlichkeit, eine vorhandene Ausbildungsabsicht auch umzusetzen, approximativ um beachtliche 18 Prozentpunkte. Demgegenüber verwirklichen Studienberechtigte, die sich die erfolgreiche Durchführung eines Hochschulstudiums eher zutrauen, auch unter Kontrolle der objektiven Leistungen ihre ursprünglich geplante Berufsausbildung signifikant seltener und immatrikulieren sich stattdessen an einer Hochschule. 

Tabelle A 3.3.1-4: Realisierung der vor Schulabschluss geäußerten Qualifizierungsabsichten nach Bildungsherkunft (in %)

Tabelle A 3.3.1-6: Realisierung der vor Schulabschluss geäußerten Qualifizierungsabsichten nach regionaler Herkunft (in %)

Tabelle A 3.3.1-7: Determinanten der Realisierung einer vor Schulabschluss vorhandenen Berufsausbildungsintention (binäre logistische Regression)1

Unter Einbezug der objektiven (Schulabschlussnote) und subjektiven (Erfolgsaussichten) Leistungsmerkmale verändern sich insbesondere die direkten Effekte der Bildungsherkunft, des Migrationshintergrunds und der Schulart zwischen dem zweiten und dritten Modellschritt: So reduziert sich der direkte Effekt der Bildungsherkunft von AME = -0,08 auf AME = -0,04 im dritten Modell und ist nicht mehr signifikant Tabelle A3.3.1-7. Das heißt, Kinder aus akademischen Elternhäusern erzielen im Mittel bessere Schulnoten und orientieren sich deshalb häufiger noch in Richtung eines Studiums um. Zudem bewerten sie ihre Erfolgsaussichten für ein Studium – u. a. aufgrund ihrer geringeren sozialen Distanz zum Hochschulsystem (Informationsasymmetrien) – vorteilhafter und entscheiden sich auch deshalb häufiger dafür, anstelle einer Berufsausbildung doch ein Studium auszunehmen (vgl. Erikson/Jonsson 1996). Bereinigt um den Einfluss der Leistungsmerkmale nimmt der negative Effekt des Migrationshintergrundes im Unterschied zur Bildungsherkunft zwischen dem ersten und zweiten Modell hingegen zu und ist zudem signifikant. Dahinter verbirgt sich ein „Suppressoreffekt“: Studienberechtigte mit Migrationshintergrund haben im Mittel schlechtere Schulabschlussnoten erzielt als diejenigen ohne Migrationshintergrund. Dies wirkt sich grundsätzlich zugunsten einer Realisierung der Ausbildungsintention aus. Im nachschulischen Verlauf nehmen sie anstatt der ursprünglich geplanten Ausbildung aber dennoch etwas häufiger ein Studium auf. Schließlich wirkt auch der Einfluss des Besuchs einer Fachoberschule bzw. Berufsfachschule oder Fachschule indirekt über leistungsbezogene Aspekte. Studienberechtigte allgemeinbildender Schulen haben im Mittel bessere Schulabschlussleistungen und schätzen die Wahrscheinlichkeit, ein Studium erfolgreich abzuschließen, höher ein als Studienberechtigte aus beruflichen Schulen. Sie entscheiden sich nach dem Schulabschluss daher häufiger, eine zuvor beabsichtigte Ausbildung nicht aufzunehmen, und immatrikulieren sich indes an einer Hochschule.

Untersuchungen zu Bildungsentscheidungen haben mehrfach gezeigt, dass diese auch von den Kosten und Erträgen abhängen, die die Studienberechtigten mit den verschiedenen Bildungsalternativen verbinden. Um zu prüfen, inwieweit monetäre und nicht monetäre Kosten- und Ertragserwartungen mit der Realisierung einer vor Schulabschluss vorhandenen Berufsausbildungsabsicht zusammenhängen, werden diese in das vierte und fünfte Modell integriert Tabelle A3.3.1-7. Mit Blick auf die antizipierten Bildungskosten zeigt sich zunächst, dass die Wahrscheinlichkeit, eine beabsichtigte Berufsausbildung zu realisieren, umso größer ausfällt, je bedeutender Studienberechtigten das Motiv der „baldigen finanziellen Unabhängigkeit“ für die Wahl des nachschulischen Weges ist (AME = 0,03). Studienberechtigte, die die mit einem Studium einhergehenden finanziellen Belastungen in Relation zu den Berufsausbildungskosten eher gering einschätzen, entscheiden sich im nachschulischen Verlauf zudem häufiger gegen die ursprünglich geplante Ausbildung und zugunsten eines Studiums um (AME = -0,03). Anders ausgedrückt: Schulabsolventen und -absolventinnen, die die Studienkosten bereits vor Erwerb der Hochschulreife als hoch bewerten, bilden nicht nur häufiger eine Berufsausbildungsabsicht heraus (vgl. Lörz/Quast/Woisch 2011), sondern realisieren diese Ausbildungsabsicht im nachschulischen Verlauf auch häufiger. Der Einfluss des Motivs der „örtlichen Bindungen“ als Indikator für soziale Kosten, die durch einen für die Studienaufnahme – häufiger als für eine Berufsausbildung – notwendigen Ortswechsel entstehen können, ist ebenfalls signifikant. Studienberechtigte, für die „örtliche Bindungen“ bei der Wahl des nachschulischen Werdeganges von größerer Bedeutung sind, realisieren die Ausbildungsintention entsprechend häufiger als solche, denen eine regionale Bindung weniger wichtig ist (AME = 0,02).

Den Kosten einer Bildungsalternative stehen die erwarteten Vorteile bzw. Erträge eines Bildungsweges gegenüber, und so wird die Beibehaltung einer Ausbildungsintention auch von ertragsbezogenen Faktoren beeinflusst. Studienberechtigte, die vor dem Schulabschluss ein ausgeprägtes wissenschaftlich-forschendes Interesse (vgl. Holland 1997) entwickelt haben, aber dennoch zunächst eine Ausbildung absolvieren wollten, orientieren sich zwecks Befriedigung des wissenschaftlichen Interesses nach Schulabgang oftmals in Richtung eines Studiums um (AME = -0,07). Studienberechtigte, die die Einkommens- (AME = 0,03) und Karrieremöglichkeiten (AME = 0,05) mit einer Berufsausbildung im Vergleich zu einer akademischen Qualifizierung ein halbes Jahr vor Schulabschluss vorteilhafter bewerten, realisieren die ursprünglich geplante Ausbildung nach dem Erwerb der Hochschulreife hingegen häufiger als diejenigen, die diese Berufsausbildungserträge geringer bewerten. Unter Kontrolle der ertragsbezogenen Merkmale reduziert sich insbesondere der direkte Effekt des Geschlechts merklich um 4 Prozentpunkte (von AME = -0,11 in Modell 4 auf AME = -0.07 in Modell 5). Entsprechend entscheiden sich Männer häufiger als Frauen zugunsten eines Studiums um, weil sie die Erträge einer Berufsausbildung im Vergleich zu Frauen verhaltener und die eines Studiums hingegen vorteilhafter bewerten.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das Gesamtmodell eine gute Erklärungskraft bezüglich der Realisierung einer Ausbildungsabsicht bietet. Während die Erklärungskraft des ersten Modells mit einem Pseudo-R2 von 0,03 noch vergleichsweise gering ausfällt, erhöht sie sich unter Hinzunahme der weiteren Komponenten sukzessive auf 0,21, was insgesamt für eine gute Modellanpassung spricht bzw. einen starken Zusammenhang zwischen abhängiger Variable und unabhängigen Variablen anzeigt (vgl. Andreß/Haagenaars/Kühnel 1997). Die Regressionsanalysen haben gezeigt, dass Männer häufiger als Frauen, Kinder aus akademischen Familien häufiger als Kinder aus nicht-akademischen Familien sowie Studienberechtigte von allgemeinbildenden Schulen häufiger als solche von bestimmten beruflichen Schulzweigen eine ursprüngliche Berufsausbildungsabsicht nach dem Schulabschluss verwerfen und ein Studium aufnehmen. Ferner führen bessere Schulleistungen und hohe erwartete Studienerfolgsaussichten dazu, dass anstatt einer vor dem Schulabschluss geplanten Ausbildung ein Studium absolviert wird. Schließlich realisieren Studienberechtigte, die die finanziellen Studienkosten als hoch einschätzen oder von einer beruflichen Ausbildung gute Einkommens- und Karrierechancen erwarten, ihre während der Schulzeit herausgebildeten Ausbildungsabsichten im nachschulischen Verlauf häufiger als andere Studienberechtigte.

(Heike Spangenberg, Heiko Quast, Barbara Franke, Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung GmbH)

  • 56

    Mindestens ein Elternteil hat einen Universitäts- oder Fachhochschulabschluss erlangt. 

  • 57

    Der Migrationshintergrund wird bestimmt über die Staatsbürgerschaft und das Geburtsland der Studienberechtigten, das Geburtsland ihrer Eltern und die im Elternhaus gesprochene Sprache.  

  • 58

    In die Analyse werden nur die Studienberechtigten 2012 einbezogen, die vor dem Schulabschluss ausschließlich eine berufliche Ausbildung als nachschulische Qualifizierung sicher geplant hatten.