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Eine schulische Hochschulzugangsberechtigung kann in Deutschland an einer Vielzahl verschiedener Schularten erlangt werden. Beispielhaft genannt seien neben den Gymnasien und Gesamtschulen die beruflichen Gymnasien, Abendgymnasien, Fachoberschulen und je nach Bundesland auch die Fachschulen und Berufsfachschulen. Diese schulische Vielfalt trägt u. a. der unterschiedlichen beruflichen Vorbildung der Studienberechtigten Rechnung (z. B. die Schulen des zweiten Bildungsweges für Personen mit Berufsausbildung). Sie trägt aber gleichzeitig selbst zu einer diesbezüglichen Heterogenisierung der Studienberechtigten bei (z. B. mit dem Angebot einer parallelen Berufsausbildung). Grundsätzlich kann hinsichtlich der beruflichen Vorbildung zwischen Personen mit einer bereits vor Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung abgeschlossenen Berufsausbildung, jenen mit einer parallel zum Erwerb der Studienberechtigung absolvierten Berufsausbildung und Personen ohne berufliche Vorbildung differenziert werden.

Die Mehrzahl der studienberechtigten Schulabgänger/ -innen hat keine berufliche Vorbildung (2012: 85 %) Schaubild A3.3.2-1. Gut jede/ -r zehnte Studienberechtigte hat hingegen bereits vor dem Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung eine Berufsausbildung abgeschlossen, und 4 % haben zeitgleich mit dem Abitur bzw. der Fachhochschulreife eine Berufsausbildung absolviert. Im Kohortenvergleich ist zwischen 1999 und 2006 zunächst eine deutliche Zunahme der parallelen Kombination aus Studienberechtigung und Berufsausbildung von 2 % auf 8 % zu verzeichnen. Seitdem ist der Anteil wieder rückläufig, und es erlangen – ebenso wie Ende der 1990er-Jahre – anteilig erneut mehr Personen ohne berufliche Vorbildung eine Studienberechtigung. Diese Entwicklung ist auch vor dem Hintergrund der doppelten Abiturientenjahrgänge, insbesondere bei der Kohorte 2012, zu interpretieren. Der entsprechend höhere Anteil von Studienberechtigten aus Gymnasien, die in der Regel keine berufliche Vorbildung haben, trägt zu einer Anteilsverschiebung zwischen Studienberechtigten mit und ohne abgeschlossene Berufsausbildung bei.

Die beschriebene Gesamtentwicklung findet sich bei Männern und Frauen gleichermaßen Schaubild A3.3.2-1. Erhebliche geschlechtsspezifische Unterschiede bestehen jedoch im Hinblick auf den jeweiligen Umfang der beruflichen Vorbildung. Während je nach Kohorte 15 % bis 21 % der Männer über eine bereits vor dem Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung abgeschlossene Berufsausbildung verfügen, sind es bei den Frauen nur 7 % bis 9 %.

Studienberechtigte mit und ohne Migrationshintergrund59 unterscheiden sich hinsichtlich ihrer beruflichen Vorbildung einzig bei der Kohorte 2006 voneinander Tabelle A3.3.2-1. Die Studienberechtigten mit Migrationshintergrund hatten mit 14 % zu doppelt so hohen Anteilen wie diejenigen ohne Migrationshintergrund parallel zum Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung eine Berufsausbildung abgeschlossen. Dieser Anteil sank bei der Kohorte 2010 deutlich auf 5 %. 

Schaubild A 3.3.2-1: Berufliche Vorbildung der Studienberechtigten im Kohortenvergleich und nach Geschlecht (in %)

Die familiäre Bildungsherkunft Tabelle A3.3.2-1 steht in engem Zusammenhang mit der beruflichen Vorbildung der Studienberechtigten. Akademikerkinder gelangen in der Regel auf direktem Weg, ohne eine Berufsausbildung, zur Hochschulzugangsberechtigung. Je nach Kohorte variiert bei ihnen der Anteil der Personen, die vor oder parallel zur Studienberechtigung eine Berufsausbildung abschließen, zwischen 7 % und 14 %. Bei den Personen ohne akademischen Familienhintergrund sind es 20 % bis 28 %. Vor allem eine vorschulische Berufsausbildung wird von ihnen häufiger absolviert. Schulen des zweiten Bildungsweges sowie Fachoberschulen und Fachschulen sind somit für den schulischen Zugang von Kindern aus nicht-akademischen Elternhäusern zur Studienberechtigung resp. zum Studium von zentraler Bedeutung.

Die berufliche Vorbildung der ostdeutschen Studienberechtigten hat sich seit Ende der 1990er-Jahre erheblich verändert Tabelle A3.3.2-2 Internet. Zunehmend häufiger erwerben Personen mit einer bereits abgeschlossenen Berufsausbildung eine Hochschulzugangsberechtigung. Dieser Anteil ist von 8 % auf zuletzt 15 % gestiegen und damit etwa so hoch wie in Westdeutschland bzw. bei der Kohorte 2012 sogar höher. Regionale Unterschiede bestehen nach wie vor – wenn auch nur gering ausgeprägt – bei einer parallel zur Studienberechtigung absolvierten Berufsausbildung. In Westdeutschland ist dieser Anteil nicht zuletzt aufgrund des dort größeren Angebots dieser Qualifizierungsmöglichkeit höher. 

Tabelle A 3.3.2-1: Berufliche Vorbildung von Studienberechtigten nach Migrationshintergrund und familiärer Bildungsherkunft (in %)

Art der beruflichen Vorbildung

Die Art der beruflichen Vorbildung von Studienberechtigten hängt eng mit dem Zeitpunkt zusammen, zu dem die Berufsausbildung absolviert wird. Eine bereits vor Erlangung der Hochschulzugangsberechtigung abgeschlossene Ausbildung ist in etwa vier von fünf Fällen eine betriebliche Ausbildung Tabelle A3.3.2-3. Bei der Kohorte 2002 lag der Anteil sogar bei 87 %. Berufsausbildungen, die parallel zur Studienberechtigung erworben werden, sind hingegen in ca. 9 von 10 Fällen schulischer Art. Im Kohortenvergleich besonders gering war dieser Anteil mit 81 % bei der Kohorte 1999, stieg bis zur Kohorte 2006 auf 96 % und verringert sich aktuell wieder zugunsten einer betrieblichen Ausbildung.

Unabhängig vom Zeitpunkt, zu dem die Berufsausbildung absolviert wird, wählen Frauen häufiger als Männer eine schulische Ausbildung Tabelle A3.3.2-4 Internet. Besonders groß ist diese geschlechtsspezifische Differenz bei einer vor Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung abgeschlossenen Ausbildung.

Bei den beiden zuletzt vom DZHW befragten Studienberechtigtenkohorten 2010 und 2012 zeigt sich bezüglich der von Personen mit und ohne Migrationshintergrund absolvierten Ausbildungsarten, dass eine schon vor Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung abgeschlossene Berufsausbildung bei Migrantinnen und Migranten überdurchschnittlich oft schulisch ist Tabelle A3.3.2-5 Internet. Studienberechtigte ohne Migrationshintergrund verbinden die Erlangung von Abitur bzw. Fachhochschulreife seit 2006 zudem zunehmend häufiger mit einer parallelen betrieblichen statt einer parallelen schulischen Berufsausbildung (2012: 14 %).

In Ostdeutschland steigt nicht nur der Anteil der Personen kontinuierlich, die schon vor Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, und war zuletzt höher als in Westdeutschland. Mit Ausnahme der Kohorte 2006 sind diese Ausbildungen außerdem deutlich häufiger als in Westdeutschland schulischer Art Tabelle A3.3.2-6 Internet

Tabelle A 3.3.2-3: Art der beruflichen Vorbildung von Studienberechtigten (in %)

Qualifizierungswege

Die nachschulischen Qualifizierungswege sind unter anderem von der bisherigen Bildungs- und Berufsbiografie der Studienberechtigten beeinflusst. Studienberechtigte ohne berufliche Vorbildung nehmen nach dem Abitur bzw. der Fachhochschulreife mehrheitlich ausschließlich ein Studium auf. Dieser Anteil ist zwischen 1999 und 2012 zudem von 59 % auf 71 % gestiegen Schaubild A3.3.2-1 (links). Parallel dazu hat der Weg einer nachschulischen Berufsausbildung mit anschließendem Studium an Bedeutung verloren (von 7 % auf 3 %), und auch eine ausschließliche Berufsausbildung ohne Studium wird seltener gewählt (von 29 % auf 23 %).

Haben die Studienberechtigten schon vor Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung eine Berufsausbildung abgeschlossen, nehmen sie im Anschluss an die Schulzeit erwartungsgemäß deutlich seltener eine weitere Berufsausbildung auf Schaubild A3.3.2-2 (Mitte). Nur ca. jede/ -r Zehnte wählt diesen Weg. Etwa 7 von 10 Studienberechtigten nehmen indes nach dem Abitur bzw. der Fachhochschulreife ausschließlich ein Studium auf – zu überdurchschnittlich hohen Anteilen diejenigen, die einen Organisations-, Verwaltungs- oder Büroberuf erlernt haben Tabelle A3.3.2-7 Internet. Der Anteil der beruflich vorgebildeten Studienberechtigten, die ein Studium beginnen, ist allerdings seit 2002 rückläufig (von 72 % auf 67 %). Stattdessen belassen es diese Studienberechtigten immer häufiger bei ihrer vorschulischen Berufsausbildung und der Hochschulreife und gehen direkt in die Erwerbstätigkeit über (von 20 % auf 24 %).

Charakteristisch für die Studienberechtigten, die parallel zur Hochschulzugangsberechtigung eine Berufsausbildung absolviert haben, sind eine vergleichsweise seltene Studienaufnahme (43 % bis 48 %) und ein häufiger direkter Erwerbseinstieg nach Schulabschluss (34 % bis 39 %) Schaubild A3.3.2-2 (rechts). Insbesondere die Studienberechtigten, die einen Sozial- oder Erziehungsberuf erlernt haben, verzichten auf eine weitere berufliche Qualifizierung, während Personen mit dem Abschluss eines Organisations-, Verwaltungs- und Büroberufes, aber auch diejenigen mit dem Abschluss eines Fertigungsberufes oder eines Berufes im Kommunikationsbereich überdurchschnittlich oft ein Studium aufnehmen Tabelle A3.3.2-7 Internet. Insgesamt absolvieren zudem je nach Kohorte 7 % bis 20 % der Studienberechtigten mit einer parallelen Berufsausbildung nach Schulabschluss ausschließlich eine weitere Berufsausbildung, gehen also mit zwei oder mehr Berufsausbildungen ins Erwerbsleben. 

Schaubild A 3.3.2-2: Nachschulische Qualifizierungswege der Studienberechtigten im Kohortenvergleich nach beruflicher Vorbildung (in %)

Die geschlechtsspezifischen Unterschiede in den nachschulischen Qualifizierungswegen lassen sich weitgehend unabhängig von der beruflichen Vorbildung durch zwei Charakteristika beschreiben. Männer entscheiden sich häufiger für ein Studium, und Frauen absolvieren häufiger eine Berufsausbildung bzw. gehen mit einer vor oder parallel zum Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung abgeschlossenen Berufsausbildung direkt in die Erwerbstätigkeit über Tabelle A3.3.2-8 Internet. Darüber hinaus sind im Kohortenvergleich in der Richtung und/oder der Intensität der Entwicklung geschlechtsspezifische Differenzen vorhanden. So verläuft die insgesamt vermehrte Entscheidung der Studienberechtigten ohne berufliche Vorbildung für ein Studium bei den Frauen dynamischer. Die Frauen, die bereits vor Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, entscheiden sich indes seit der Kohorte 2010 – anders als die Männer – wieder seltener für ein Studium und häufiger für eine weitere Berufsausbildung sowie den direkten Übergang in die Erwerbstätigkeit.

Unabhängig von der beruflichen Vorbildung nehmen Akademikerkinder häufiger ein Studium auf und absolvieren seltener nach dem Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung eine Berufsausbildung oder treten unmittelbar in den Arbeitsmarkt ein als Studienberechtigte ohne akademischen Familienhintergrund Tabelle A3.3.2-9 Internet. Der Studierendenanteil hat sich allerdings bei den Studienberechtigten aus einem nicht-akademischen Elternhaus überdurchschnittlich vergrößert, insbesondere zwischen 1999 und 2002. Studienberechtigte, die vor oder auch parallel zum Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, gehen zwar, wenn sie aus einem nicht-akademischen Elternhaus kommen, häufiger direkt in eine Erwerbstätigkeit über. Dieser Anteil ist jedoch bei den Akademikerkindern gestiegen, sodass sich im Ergebnis die diesbezüglichen herkunftsspezifischen Unterschiede verringert haben.

Studienberechtigte mit einem Migrationshintergrund, die über keine berufliche Vorbildung verfügen, entscheiden sich häufiger als Studienberechtigte ohne Migrationshintergrund für ein Studium und seltener für eine Berufsausbildung Tabelle A3.3.2-10 Internet. Wurde hingegen vor Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen, zeigen sich bei den betrachteten Kohorten 2010 und 2012 keine eindeutigen Befunde. Während sich 2010 die Studienberechtigten ohne Migrationshintergrund häufiger für ein Studium entschieden, gilt dies 2012 für die Studienberechtigten mit Migrationshintergrund.

Ostdeutsche Studienberechtigte ohne berufliche Vorbildung nehmen seltener ein Studium auf als westdeutsche Studienberechtigte und entscheiden sich häufiger für eine Berufsausbildung. Seit 2010 ist letzterer Anteil jedoch von zuvor 32 % auf 25 % gesunken Tabelle A3.3.2-11 Internet. Die ostdeutschen Studienberechtigten, die bereits vor Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, entschieden sich bei den Kohorten 2002 und 2006 hingegen zunächst häufiger als die westdeutschen Studienberechtigten mit entsprechender beruflicher Vorbildung für ein Studium (79 % bzw. 77 % vs. 71 % bzw. 70 %). Bei den Kohorten 2010 und 2012 hat sich das Verhältnis umgekehrt. Auch die ostdeutschen Studienberechtigten mit beruflicher Vorbildung verzichten nun zugunsten einer weiteren Berufsausbildung sowie eines direkten Erwerbseinstiegs ohne weitere Qualifizierung häufiger als die westdeutschen Studienberechtigten auf ein Studium.

(Heike Spangenberg, Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung GmbH) 

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    Der Migrationshintergrund wird bestimmt über die Staatsbürgerschaft und das Geburtsland der Studienberechtigten, das Geburtsland ihrer Eltern und die im Elternhaus gesprochene Sprache.