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Die berufliche Qualifikation und die Integration in den Arbeitsmarkt sind in Deutschland stark miteinander verbunden (vgl. Hausner u. a. 2015). Aus diesem Grund beschäftigt sich der folgende Abschnitt mit der Erwerbsintegration Geflüchteter, insbesondere in Abhängigkeit ihres beruflichen Qualifikationsniveaus. Grundlage hierfür bietet der Mikrozensus 2017 des Statistisches Bundesamtes (vgl. Kapitel A11). Seit 2017 ist es näherungsweise über das Hauptmotiv der Zuwanderung möglich, Geflüchtete von anderen Zugewanderten zu unterscheiden. Hierbei geben die Befragten ohne Mehrfachnennungen an, ob sie hauptsächlich aus Gründen der Familienzusammenführung, Familiengründung, EU-Freizügigkeit, Flucht, des Asyls und internationalen Schutzes oder sonstigen Gründen zugewandert sind. Im Folgenden bezeichnen wir als Geflüchtete diejenigen, die als Hauptmotiv „Flucht, Asyl, internationaler Schutz“ angaben. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass durch die Erhebungsart davon auszugehen ist, dass Geflüchtete im Mikrozensus unterrepräsentiert sein könnten. Insbesondere Personen, die sich in Aufnahmeeinrichtungen befinden, werden in den Auswertungen nicht berücksichtigt. Dennoch eignet sich der Mikrozensus, wenn auch nur näherungsweise, insbesondere für den Vergleich mit anderen Personen mit Migrationshintergrund. Hierunter werden im Mikrozensus Personen gefasst, die selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit der deutschen Staatsbürgerschaft geboren wurden.

Tabelle 12.2.3-1 zeigt Ergebnisse des Mikrozensus 2017 über die Erwerbs-, Erwerbstätigen-, und Erwerbslosenquote nach beruflicher Qualifikation für verschiedene Gruppen nach Migrationsstatus. Die Quoten beziehen sich hierbei auf das Labour-Force-Konzept der International Labour Organisation (ILO).

Labour-Force-Konzept der International Labour Organisation (ILO)

Im Labour-Force-Konzept der ILO misst die Erwerbsquote den Anteil an Personen an der Gesamtbevölkerung, die im Erhebungszeitraum eine Erwerbstätigkeit ausführten (Selbstständige, mithelfende Familienangehörige, abhängig Erwerbstätige) oder eine solche suchten und dem Arbeitsmarkt direkt zur Verfügung stünden. Die Erwerbstätigenquote umfasst den darin enthaltenden Anteil der Personen, die eine Erwerbstätigkeit ausgeführt haben. Die Erwerbslosenquote umfasst den Anteil nichterwerbstätiger Arbeitssuchender. Darunter sind auch arbeitssuchende Nichterwerbspersonen zu fassen, d. h. solche, die dem Arbeitsmarkt nicht direkt (innerhalb der nächsten 2 Wochen) zur Verfügung stünden.

Tabelle A12.2.3-1: 15- bis 64-Jährige nach Erwerbs- und Erwerbstätigenquote sowie beruflicher Qualifikation und Migrationsstatus 2017

Dem Mikrozensus 2017 zufolge bildeten Geflüchtete einen Anteil von 2,6% der Bevölkerung in Privathaushalten im Alter von 15 bis 64 Jahren. Unter den 20- bis 34-Jährigen waren es 3,6%. Etwa 50,8% der 15- bis 64-Jährigen und 56,3% der 20- bis 34-Jährigen wiesen keinen formalen beruflichen Abschluss auf. Damit liegt der Anteil derer ohne beruflichen Abschluss deutlich über dem Durchschnitt von 14,5% bzw. 15,0% und übertrifft auch den Anteil unter den Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft um 13,5 bzw. 22,7 Prozentpunkte. Hierbei ist zu beachten, dass im Gegenteil zum Kapitel A11.3 Personen in Freiwilligendiensten und innerhalb eines Jahres nach einem allgemeinbildenden Schulabschluss in den Zahlen derer ohne beruflichen Abschluss beinhaltet sind, sodass die dargestellten Anteile insgesamt leicht höher sind als im Kapitel A11.3. Unter den 15- bis 64-jährigen Geflüchteten wiesen 35,3% einen Abschluss einer Berufsausbildung, Fortbildungsabschluss oder Hochschulbildung vor und unter den 20- bis 34-Jährigen waren es 26,2%. Weitere 11,0% der 15- bis 64-Jährigen und damit ungefähr dem Durchschnitt entsprechend befanden sich noch in Ausbildung. Bei den 20- bis 34-Jährigen hingegen fällt dieser Anteil mit 13,5% geringer aus als im Durchschnitt, welcher bei 16,9% liegt. 

Mit Blick auf die Erwerbsbeteiligung zeigt sich, dass Personen unabhängig von einem Migrationshintergrund mit beruflichem Abschluss eine deutlich höhere Erwerbs- und Erwerbstätigenquote aufweisen. Bei den 15- bis 64-Jährigen sind z. B. nur 60,3% der Personen ohne beruflichen Abschluss erwerbstätig, während es 82,6% jener mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung sind. Unter den Jüngeren ist die Erwerbstätigenquote für Personen ohne beruflichen Abschluss mit 54,8% noch geringer. Allerdings ist davon auszugehen, dass diese Zahl viele Personen mit einschließt, die noch einen beruflichen Abschluss anstreben und aus diesem Grund ihre Arbeitskraft noch nicht anbieten. 

Bei Personen mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit oder mit einem Migrationshintergrund unabhängig vom beruflichen Abschluss, aber im besonderen Maße auch bei jenen ohne beruflichen Abschluss, sind niedrigere Erwerbs- und Erwerbstätigenquoten zu finden als bei Personen mit der deutschen Staatsbürgerschaft und insbesondere auch ohne einen Migrationshintergrund. Geflüchtete weisen hierbei die geringsten Erwerbs- und Erwerbstätigenquoten auf, was nicht zuletzt auch mit fehlenden Arbeitserlaubnissen zusammenhängen wird. Auffallend ist weiterhin, dass ausländische Staatsbürger/-innen wie auch Migranten und Migrantinnen mit eigener Migrationserfahrung und Geflüchtete mit akademischem Abschluss geringere Erwerbstätigenquoten aufweisen als jene mit anderen beruflichen Abschlüssen. Unter den Geflüchteten mit akademischem Abschluss z. B. waren 2017 nur 53,4% erwerbstätig. Jene mit abgeschlossener Berufsausbildung oder Fortbildungsabschluss waren hingegen zu 69,2% bzw. 67,8% erwerbstätig. Unter den 20- bis 34-Jährigen sind die Unterschiede sogar ausgeprägter. So waren nur 36,8% der Geflüchteten mit akademischem Abschluss in dieser Altersgruppe erwerbstätig, wobei jene mit abgeschlossener Berufsausbildung eine Erwerbstätigenquote von 57,5% aufwiesen. Bei deutschen Staatsbürgern und Staatsbürgerinnen ohne Migrationshintergrund hingegen war die Erwerbstätigenquote mit 90,2% bei den Akademikern und Akademikerinnen am höchsten. In der Altersgruppe der 20- bis 34-Jährigen fällt der Unterschied zu solchen mit abgeschlossener Berufsausbildung mit 0,6 Prozentpunkten jedoch relativ gering aus.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass in der Erwerbs- und Erwerbstätigenquote generell strukturelle Unterschiede zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund bestehen. Diese äußern sich zum einen durch einen höheren Anteil an beruflich nicht formal Qualifizierten (vgl. Kapitel A11.3), die unabhängig vom Migrationshintergrund in geringerem Umfang am Erwerbsleben beteiligt sind. Zum anderen zeigt sich jedoch, dass auch Berufsabschlüsse von Migranten und Migrantinnen am Arbeitsmarkt schlechter im Sinne der Erwerbsbeteiligung verwertet werden können. Beide Beobachtungen sind in den Erwerbs- und Erwerbstätigenquoten der Migranten und Migrantinnen mit Hauptzuwanderungsmotiv der Flucht, Verfolgung, Vertreibung und des Asyls besonders eklatant. Die Ergebnisse legen demnach nahe, dass eine verbesserte Arbeitsmarktintegration auf die Reduktion beider Faktoren angewiesen ist: des Anteils von Personen ohne formalen Berufsabschluss und der strukturellen Unterschiede zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund in der Erwerbsbeteiligung.

(Alexander Christ, Caroline Neuber-Pohl, Stephanie Oeynhausen, Moritz Niemann)