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Im Folgenden wird die Bedeutung und Entwicklung der schulischen Berufsausbildung auf Basis der iABE-Daten skizziert (vgl. Statistisches Bundesamt 2019k, 2020c). Die Darstellung erfolgt differenziert nach den Bildungskonten150 Schaubild A6.1.2-1; im Fokus stehen länderspezifische Unterschiede. Darüber hinaus werden die schulischen Ausbildungen im Hinblick auf Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Vorbildung gegenübergestellt.

Rund 223.000 junge Menschen haben im Jahr 2019 eine schulische Berufsausbildung begonnen. Während die Zahl der Anfänger/-innen insgesamt seit 2005 vergleichsweise stabil war, haben sich die einzelnen Bildungskonten hingegen sehr unterschiedlich entwickelt.

Schaubild A6.1.2-1: Anfänger/-innen in den Konten schulischer Berufsausbildung 2005 bis 2019

Die Ausbildungen im Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesen (Konto I 05) stellten mit rund 186.000 Anfängern/Anfängerinnen im Jahr 2019 das mit Abstand bedeutendste Konto. Gegenüber dem Vergleichsjahr 2005 stieg die Zahl um knapp 43.000 Anfänger/-innen; es ist das einzige Bildungskonto innerhalb der schulischen Berufsausbildung mit einer positiven Entwicklung (+30,4%). Die gestiegenen Anfängerzahlen beruhen insbesondere auf der Zunahme im Bereich der Pflegeberufe. Aufgrund des demografischen Wandels gibt es in diesem Sektor einen steigenden Fachkräftebedarf, den es zu decken gilt. Auch die Erzieher/-innen verzeichneten einen deutlichen Zulauf, der in Zusammenhang mit dem 2013 eingeführten Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr gebracht werden kann.

Mit rund 19.000 Anfängerinnen und Anfängern waren die doppelqualifizierenden Bildungsgänge (Konto I 04), in denen neben dem Berufsabschluss auch die Hochschulreife erworben werden kann, am zweitstärksten besetzt. Im Vergleich zum Jahr 2005 sank die Zahl um ca. 10.000 Anfänger/-innen. Bei den Rückgängen der Anfängerzahlen in den doppelqualifizierenden Bildungsgängen fällt der Einbruch ab dem Jahr 2008 ins Auge. Während 2008 noch rund 34.000 Anfänger/-innen gezählt wurden, waren es ein Jahr später nur noch rund 26.000. Dies ist insbesondere auf eine Umwidmung der doppelqualifizierenden Bildungsgänge in Baden-Württemberg zurückzuführen: Im Jahr 2008 wurden sie noch im Sektor „Berufsausbildung“ gezählt (als primäres Bildungsziel wird hier noch der Berufsabschluss angegeben); ab dem Jahr 2009 werden sie im Sektor „Erwerb der HZB (Sek II)“ als „Bildungsgänge an Berufsfachschulen, die eine HZB vermitteln“, ausgewiesen (ab diesem Zeitpunkt wurde die HZB als primäres Ziel benannt). 

Die Zahl der Anfänger/-innen in Berufsausbildungen außerhalb BBiG/HwO nach Landesrecht (Konto I 03) hat sich im Betrachtungszeitraum von rund 33.000 auf rund 13.000 reduziert (-61,0%). Über die Gründe für den Rückgang der sogenannten „Assistentenausbildungen“ kann nur spekuliert werden. So kann vermutet werden, dass dies auf ihren kompensatorischen Charakter zurückzuführen ist. Insbesondere aufgrund des demografischen Wandels gab es einen deutlichen Rückgang der Zahl der Jugendlichen. Hierdurch verbesserten sich zum einen die Chancen der jungen Menschen, einen Ausbildungsplatz im dualen System nach BBiG/HwO zu finden, wodurch weniger kompensatorische Angebote – seien es „Assistentenausbildungen“ oder Maßnahmen des Übergangsbereichs – benötigt wurden. Eine weitere Ursache, die einen Rückgang der Assistentenausbildung verursacht haben könnte, ist vermutlich der Trend hin zu einer stärkeren allgemeinbildenden Höherqualifizierung, sowohl über doppelqualifizierende Bildungsgänge im Sektor „Berufsausbildung“ als auch über die primär allgemeinbildenden Bildungsgänge im Sektor „Erwerb der HZB (Sek II)“. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die angebotenen „Assistentenausbildungen“ an den beruflichen Schulen auch institutionellen Logiken folgen. So kann eine Landesregierung Ausbildungsplätze anbieten oder diese aufgrund veränderter Bedingungen zurückfahren, was dann zu entsprechend sinkenden Anfängerzahlen in diesen Ausbildungen führt.

Für den Rückgang der Zahl der Anfänger/-innen in den Ausbildungen an Berufsfachschulen nach BBiG/HwO (Konto I 02) können ähnliche Gründe vermutet werden. Diese haben sich im gleichen Zeitraum ebenfalls deutlich reduziert (-57,2%). Mit rund 5.000 Anfängerinnen und Anfängern spielen sie eine vergleichsweise kleine Rolle. Auffallend ist, dass die Zahl der Anfänger/-innen in den schulischen Ausbildungen nach BBiG/HwO nach einem weitgehend kontinuierlichen Rückgang seit 2005 im Vergleich zum Vorjahr deutlich angestiegen ist (+1.051 bzw. +27,2%). Dies ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes jedoch hauptsächlich auf eine veränderte Zuordnung von Bildungsgängen in Rheinland-Pfalz aufgrund einer Reform der Höheren Berufsfachschule151 zurückzuführen. Bleibt Rheinland-Pfalz unberücksichtigt stieg die Zahl der Anfänger/-innen in den schulischen Ausbildungen nach BBiG/HwO im Vorjahresvergleich nur um 196 bzw. 5,3%.

In Kapitel A6.1.3 werden die Konten I 03 „Schulische Berufsausbildung an Berufsfachschulen außerhalb BBiG/HwO nach Landesrecht“ und I 04 „Schulische Berufsausbildung mit Erwerb einer HZB (doppelqualifizierend)“152 für die berufsstrukturellen Analysen unter der Überschrift „Ausbildungen nach Landesrecht (außerhalb BBiG/HwO)“153 gemeinsam betrachtet, da sie in der Fachserie nicht getrennt ausgewiesen werden.

In Tabelle A6.1.2-1 werden die Konten der schulischen Berufsausbildung anhand der Merkmale Geschlecht, Staatsangehörigkeit und schulische Vorbildung betrachtet. Auf den Vergleich der schulischen Berufsausbildung zum dualen System sowie zu den anderen Bildungssektoren wird in Kapitel A4.1 näher eingegangen.

Tabelle A6.1.2-1: Anfänger/-innen in schulischer Berufsausbildung nach Geschlecht, Staatsangehörigkeit und schulischer Vorbildung

Die GES-Ausbildungen sind im Vergleich zu den anderen Konten der schulischen Berufsausbildung traditionell stark weiblich geprägt; nach vorläufigen Daten der iABE-Schnellmeldung lag der Anteil der Anfängerinnen im Jahr 2019 bei 76,2%. Der Anteil der Ausländer/-innen lag bei 13,5%. Gut die Hälfte aller Anfänger/-innen (53,3%) verfügte (hier ist das Bezugsjahr 2018154) zu Beginn der Ausbildung über einen mittleren Abschluss (Realschule), rund ein Viertel (26,1%) sogar über die (Fach-)Hochschulreife. Nur knapp ein Fünftel aller Anfänger/-innen besaß einen Hauptschulabschluss (18,9%).

Der Frauenanteil in den doppelqualifizierenden Ausbildungen war mit 41,3% im Vergleich zu den anderen Konten der schulischen Berufsausbildung eher gering. Sie wiesen 2019 mit 11,7% den niedrigsten Ausländeranteil aus. Entsprechend dem Bildungsziel verfügten 92,7% der Anfänger/-innen bereits über einen mittleren Schulabschluss. 4,1% brachten sogar die (Fach-)Hochschulreife mit. Sie nutzten diese Bildungsgänge demnach in erster Linie zum Erwerb von beruflichen Qualifikationen.

Die schulischen Berufsausbildungen außerhalb BBiG/HwO nach Landesrecht waren mit 54,3% Frauen eher weiblich geprägt. Der Ausländeranteil in diesen Bildungsgängen lag bei 13,4%. Im Hinblick auf die schulische Vorbildung wiesen sie einen vergleichsweise niedrigen Anteil mit Hauptschulabschluss auf (14,7%). 61,8% der Anfänger/-innen verfügten über einen Realschulabschluss, rund ein Fünftel (20,4%) brachte die (Fach-)Hochschulreife mit.

Mit einem Frauenanteil von 54,8% lag die Ausbildung nach BBiG/HwO im Mittelfeld der schulischen Berufsausbildung. Der Ausländeranteil betrug in diesen Bildungsgängen 13,0%. Die Jugendlichen brachten eine vergleichsweise niedrige schulische Vorbildung mit. 38,1% verfügten über einen Hauptschulabschluss, 46,1% über einen mittleren Abschluss. Nur 12,0% der Anfänger/-innen hatten eine (Fach-)Hochschulreife.

Schaubild A6.1.2-2 stellt den Anteil der Anfänger/-innen 2019 in schulischer Ausbildung an allen Anfängern und Anfängerinnen am Sektor „Berufsausbildung“155 dar. Der Anteil spiegelt das Verhältnis von schulischer Berufsausbildung zu dualer Ausbildung nach BBiG/HwO wider. Das Verhältnis ist seit 2005 weitgehend stabil (rund 30% zu 70% im Bundesdurchschnitt), jedoch variiert es zwischen den Bundesländern erheblich. Die Farbgebung macht drei Gruppen von Bundesländern deutlich:

  • Dunkelblau markiert sind Bundesländer, deren schulischer Ausbildungsanteil über 34,7% – und damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 31,1% – liegt. Hierzu gehören die östlichen Bundesländer Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
  • In Bayern, Bremen, Hamburg und Hessen (hellblau) liegt der Anteil der schulischen Berufsausbildung hingegen unter 27,6% und somit deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. 
  • In den übrigen Bundesländern (mittelblau) streut der schulische Ausbildungsanteil maximal rund 4 Prozentpunkte um den Bundesdurchschnitt.

Schaubild A6.1.2-2: Schulische Berufsausbildung in den Ländern 2019 (100% = Anfänger/-innen im Sektor „Berufsausbildung“)1

Insgesamt variierten die Anteile der Anfänger/-innen in schulischer Berufsausbildung 2019 zwischen 21,9% in Bremen und 43,8% in Berlin. Die vergleichsweise hohen Anteile in den östlichen Bundesländern lassen sich vermutlich auf die stärker schulisch ausgerichtete Ausbildungstradition im Osten zurückführen. Fehlende betriebliche Ausbildungsplätze wurden dort mithilfe des Ausbildungsplatzprogramms Ost (APO) häufiger auch durch schulische Ausbildungsplätze kompensiert als im Westen (vgl. Berger/Braun/Schöngen 2007).

In Tabelle A6.1.2-2 wird die relative Bedeutung der Bildungskonten sowie deren Veränderung im Zeitverlauf für die einzelnen Bundesländer dargestellt. Die Bedeutung wird gemessen anhand der Anteile der Anfänger/-innen in den Konten an allen Anfängern/Anfängerinnen in schulischer Ausbildung.

Tabelle A6.1.2-2: Anteil der Konten an schulischer Berufsausbildung nach Bundesländern 2005 und 2019 (in %) (100% = Summe der Anfänger/-innen in Konten der schulischen Berufsausbildung)

Die Ausbildungen in GES-Berufen bilden in allen Ländern den Schwerpunkt der schulischen Berufsausbildung. Allerdings schwankten die Anteile 2019 von 69,5% in Bremen bis zu 98,3% in Sachsen.

Die doppelqualifizierenden Bildungsgänge wurden nur in neun der 16 Bundesländer angeboten. Schwerpunkte mit Anteilen über 15% finden sich 2018 in Schleswig-Holstein (26,3%), Rheinland-Pfalz (20,6%) und Nordrhein-Westfalen (18,1%). 

Die Ausbildungen außerhalb BBiG/HwO nach Landesrecht, die lediglich einen Berufsabschluss ohne HZB vermitteln, werden nach der iABE in fast allen Bundesländern angeboten – außer in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. In diesen Ländern kann eine „Assistentenausbildung“ nur in Verbindung mit dem Erwerb einer Fachhochschulreife absolviert werden. Den mit Abstand größten Anteil verzeichnete 2019 Bremen (23,5%). Generell haben Ausbildungen nach Landesrecht im Westen eine höhere Bedeutung als im Osten. Allerdings gibt es im Westen eine Zweiteilung: So bewegte sich 2019 der Anteil in Bayern, Bremen, Hamburg und Hessen im Bereich jeweils zwischen 10% und 25%. In den anderen westlichen Bundesländern war er hingegen sehr niedrig. Diese Länder zeichneten sich jedoch durch einen höheren Anteil an doppelqualifizierenden Bildungsgängen aus. Somit haben die Ausbildungen nach Landesrecht im Westen insgesamt eine höhere Bedeutung als im Osten.

Die Ausbildungen an Berufsfachschulen nach BBiG/HwO wurden 2019 in nennenswertem Umfang nur in Rheinland-Pfalz (8,1%), Berlin (6,9%) und Bremen (5,2%) angeboten. Während in vier Bundesländern (Brandenburg, Hamburg, Saarland und Sachsen-Anhalt) keine schulische Ausbildung nach BBiG/HwO angeboten wurde, ist der Anteil in den restlichen Ländern sehr gering und variierte zwischen 0,1% in Nordrhein-Westfalen und 4,4% in Bayern.

Seit 2005 haben sich die Anteile der Bildungskonten – insbesondere im Osten – stark verändert: So haben sich hier die Anteile der schulischen Berufsausbildungen nach BBiG/HwO (-11,5 Prozentpunkte) und außerhalb BBiG/HwO (-19,5 Prozentpunkte) verhältnismäßig stark reduziert. Dies hing insbesondere mit dem Auslaufen des bereits genannten Ausbildungsplatzprogramms Ost (APO) zusammen. Außerdem wurden „Assistentenausbildungen“ zugunsten dualer Ausbildungsplätze reduziert oder ganz eingestellt (vgl. Zöller 2015, S. 19-20). 

Für die Ausbildungen in GES-Berufen stieg die relative Bedeutung im selben Zeitraum sowohl in Ost- (+31,4 Prozentpunkte) als auch in Westdeutschland (+12,9 Prozentpunkte). Dies ist auf das insgesamt wachsende Beschäftigungsfeld zurückzuführen.

Eine weiterführende Erklärung des unterschiedlichen Engagements der Bundesländer kann nur unter Berücksichtigung von zusätzlichen länderspezifischen Informationen – sogenannten Metadaten – erfolgen. Hierzu gehören beispielsweise Daten zu den institutionellen Besonderheiten der Bundesländer, zum regionalen Ausbildungsstellenmarkt oder zur demografischen Entwicklung (vgl. Erläuterung zu Metadaten in Kapitel A4.2).