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Auszubildende in der dualen Berufsausbildung haben gegenüber ihrem Ausbildungsbetrieb einen rechtlichen Anspruch auf eine angemessene und mit jedem Ausbildungsjahr ansteigende Vergütung (vgl. § 17 BBiG). Die Ausbildungsvergütung hat vom Gesetzgeber drei Funktionen zugeschrieben bekommen (vgl. Herkert/Töltl 2018): Sie soll zum einen die Auszubildenden für ihre während der Ausbildung im Betrieb geleistete produktive Arbeit entlohnen und zum anderen einen spürbaren Teil ihrer Lebenshaltungskosten decken. Darüber hinaus soll die Vergütung die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten. Die Vergütungszahlungen sind für die Auszubildenden von erheblicher finanzieller Bedeutung. Gleichzeitig stellen sie für die Betriebe den größten Kostenfaktor bei der Durchführung der Ausbildung dar (vgl. Kapitel A9.2). Auf die Personalkosten der Auszubildenden (Bruttoausbildungsvergütungen sowie gesetzliche, tarifliche und freiwillige Sozialleistungen) entfielen nach den Daten der sechsten Kosten-Nutzen-Erhebung zur betrieblichen Ausbildung für das Ausbildungsjahr 2017/2018 61% der betrieblichen Ausbildungskosten (vgl. Schönfeld u. a. 2020). Der Anteil der Ausbildungsvergütungen machte dabei 45% aus. 

Tarifliche Vereinbarungen zu den Ausbildungsvergütungen

Tarifvereinbarungen über die Höhe der Ausbildungsvergütungen werden zwischen den Tarifpartnern (Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften) in der Regel für einzelne Branchen in bestimmten Regionen176 vereinbart. Es gibt auch Tarifverträge für einzelne Unternehmen. Der Geltungsbereich einer Tarifvereinbarung wird als Tarifbereich bezeichnet. Normalerweise wird in den Vereinbarungen nicht zwischen Ausbildungsberufen unterschieden.177 Innerhalb einer Branche hängt die Vergütungshöhe also nicht davon ab, welchen Beruf die Auszubildenden lernen. Allerdings gibt es regionale Vergütungsunterschiede, insbesondere zwischen West- und Ostdeutschland. Auch zwischen den Branchen bestehen beträchtliche Unterschiede in der Höhe der tariflichen Ausbildungsvergütungen. Insgesamt kann die Vergütung in ein und demselben Beruf stark variieren, je nachdem, welcher Branche der Ausbildungsbetrieb angehört und in welcher Region er sich befindet. Tarifgebundene Betriebe178 müssen ihren Auszubildenden mindestens die in ihrem Tarifbereich vereinbarten Beträge zahlen; niedrigere Vergütungen sind unzulässig, übertarifliche Zuschläge aber möglich. 

Ausbildungsbetriebe sind nach § 17 BBiG zur Zahlung einer angemessenen Ausbildungsvergütung verpflichtet. Tariflichen Vereinbarungen über die Höhe der Ausbildungsvergütungen kommt bei der Bestimmung der Angemessenheit einer Ausbildungsvergütung eine besondere Bedeutung zu. Sie gelten grundsätzlich als angemessen, weil sie von Tarifvertragsparteien ausgehandelt wurden und daher davon auszugehen ist, dass die Interessen beider Seiten hinreichend berücksichtigt worden sind (vgl. Herkert/Töltl 2018). Mit der Novelle des BBiG, die am 01.01.2020 in Kraft trat, wurde nun für Auszubildende, deren Ausbildung in 2020 beginnt, eine Mindestausbildungsvergütung eingeführt (vgl. § 17 BBiG). Für das erste Ausbildungsjahr wurde zunächst ein Betrag von 515 € festgelegt, der sich in den Folgejahren erhöht. Von der Mindestausbildungsvergütung ausgenommen sind allerdings tarifvertragliche Regelungen. Sieht ein Tarifvertrag eine Ausbildungsvergütung unterhalb der Mindestausbildungsvergütung vor, dürfen tarifgebundene Betriebe sich nach diesem Tarifvertrag richten. Gesetzlich festgelegt wurde auch die bisher schon angewandte 20%-Regel, wonach nicht tarifgebundene Betriebe von den für ihre Branche und Region geltenden tariflichen Sätzen um maximal 20% nach unten abweichen dürfen, allerdings höchstens bis zur Grenze, die die Mindestausbildungsvergütung vorgibt.

Die tatsächliche Höhe der Ausbildungsvergütungen wird insbesondere in Westdeutschland weiterhin stark durch tarifliche Regelungen bestimmt, da sich auch die nicht tarifgebundenen Betriebe häufig freiwillig an den tariflichen Beträgen orientieren. Die Tarifbindung in Westdeutschland hat allerdings seit Mitte der 1990er-Jahre deutlich abgenommen, in Ostdeutschland war sie schon immer schwächer ausgeprägt (vgl. Ellguth/Kohaut 2019). 

BIBB-Auswertung der tariflichen Ausbildungsvergütungen

Das BIBB beobachtet und analysiert seit dem Jahr 1976 die Entwicklung der tariflichen Ausbildungsvergütungen. Für die westdeutschen Bundesländer liegen Daten seit 1976 vor, seit 1992 werden auch die ostdeutschen Bundesländer einbezogen. Grundlage der Auswertungen sind die geltenden Vereinbarungen zu den Ausbildungsvergütungen in rund 500 wichtigen Tarifbereichen Deutschlands. Jährlich zum Stand 1. Oktober werden die aktuellen Angaben zu den Vergütungssätzen vom BMAS aus dem dort geführten Tarifregister zusammengestellt und durch vom BIBB recherchierte Verträge ergänzt, die noch nicht beim Tarifregister gemeldet wurden, aber bereits gültig sind. Auf dieser Datenbasis werden die durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütungen für das gesamte Bundesgebiet und einzelne Ausbildungsberufe berechnet. 

Für das Jahr 2019 wurde die bisherige Berechnungsweise umgestellt. Das neue Verfahren nutzt die Berufsbildungsstatistik (vgl. Kapitel A5.1), die durch die in ihr enthaltenen Informationen zum Wirtschaftszweig des ausbildenden Betriebs, zum Ausbildungsberuf und zur Region eine Verbesserung der Zuordnung der Tarifverträge und damit eine Verbesserung der Schätzung der durchschnittlichen tariflichen Vergütung je Beruf ermöglicht (vgl. ausführlich Wenzelmann/Schönfeld 2020). Ziel ist es, jedem Ausbildungsverhältnis bzw. jeder/jedem Auszubildenden in der Berufsbildungsstatistik genau einen Tarifvertrag zuzuordnen, der theoretisch Gültigkeit besitzen könnte.179 Insgesamt konnten 80% der Auszubildenden ein Tarifvertrag und die darin enthaltenen Ausbildungsvergütungen zugewiesen werden. Für die verbliebenen Fälle liegt entweder tatsächlich kein Tarifvertrag vor180 oder er ist nicht in der BMAS-Liste und den zusätzlich recherchierten Tarifverträgen enthalten.

Die Berufsbildungsstatistik enthält keine Information über die Tarifbindung des ausbildenden Betriebs. Daher wird tendenziell zu vielen Auszubildenden ein Tarifvertrag zugewiesen. Da nicht alle Tarifverträge einbezogen werden können, kann es aber auch Branchen geben, in denen mehr Auszubildende in tarifgebundenen Betrieben ausgebildet werden, als durch das praktizierte Verfahren identifiziert werden konnten. Um diese Unterschiede auszugleichen, werden in die Berechnung der durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütungen Daten zum Anteil der Beschäftigten in tarifgebundenen Betrieben nach dem IAB-Betriebspanel (vgl. Ellguth/Kohaut 2019) einbezogen (vgl. Wenzelmann/Schönfeld 2020).

Bei der Ermittlung der Gesamtdurchschnittswerte werden grundsätzlich alle Ausbildungsberufe einbezogen, die nach BBiG bzw. HwO im dualen System der Berufsausbildung, d. h. in Betrieb und Berufsschule, ausgebildet werden, und denen ein Tarifvertrag zugeordnet werden konnte.181 Durchschnittswerte können nach verschiedenen Merkmalen wie Beruf, Region, Ausbildungsjahr oder Ausbildungsbereich berechnet werden. Alle diese Werte stellen aber immer nur eine Schätzung dar, da keine Informationen vorliegen, wie viele Auszubildende eines Berufs von den einzelnen Tarifverträgen tatsächlich betroffen sind. Die tatsächlich gezahlten Ausbildungsvergütungen können im individuellen Fall erheblich vom tariflichen Durchschnittswert des betreffenden Berufs abweichen.

Tarifliche Ausbildungsvergütungen 2019 

Im Jahr 2019 lagen die tariflichen Ausbildungsvergütungen im Gesamtdurchschnitt bei 939 €182 pro Monat Tabelle A9.1-1. Sie erhöhten sich gegenüber dem Vorjahr um durchschnittlich 3,8%.183 In Westdeutschland betrugen die Vergütungen 2019 durchschnittlich 941 € pro Monat, in Ostdeutschland 905 €. Der Anstieg im Vergleich zum Jahr 2018 fiel mit 5,1% im Osten stärker aus als im Westen mit 3,7%. In Ostdeutschland wurden 2019 96% der westdeutschen Vergütungshöhe erreicht (vgl. zu den Ergebnissen für 2019 auch Schönfeld/Wenzelmann 2020). 

Tabelle A9.1-1: Tarifliche Ausbildungsvergütungen 2019 (durchschnittliche monatliche Bruttobeträge in €) und prozentualer Anstieg im Vergleich zu 2018 nach verschiedenen Merkmalen

Zwischen den einzelnen Ausbildungsberufen gab es 2019 beträchtliche Unterschiede in der Vergütungshöhe (vgl. für einen Gesamtüberblick BIBB-Datenbank Tarifliche Ausbildungsvergütungen184 unter https://www.bibb.de/ausbildungsverguetung). Die höchsten tariflichen Ausbildungsvergütungen wurden im gesamtdeutschen Durchschnitt mit 1.240 € für den Beruf Zimmerer/Zimmerin ermittelt. In Westdeutschland lagen sie mit 1.263 € erheblich höher als im Osten mit 965 €. Über 1.100 € lagen die Vergütungsdurchschnitte in insgesamt zehn Berufen. Unter ihnen befanden sich aus dem Handwerksbereich neben dem Beruf Zimmerer/Zimmerin auch die Berufe Stuckateur/-in, Maurer/-in und Fliesen-, Platten- und Mosaikleger/-in, aus dem Ausbildungsbereich Industrie und Handel die Berufe Technische/-r Systemplaner/-in und Rohrleitungsbauer/-in. Sowohl in Handwerk als auch in Industrie und Handel werden die Berufe Beton- und Stahlbetonbauer/-in und Straßenbauer/-in ausgebildet, in denen die durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütungen ebenfalls mehr als 1.100 € ausmachten. In allen diesen Berufen lagen die tariflichen Ausbildungsvergütungen in Westdeutschland bei mehr als 1.100 €, in Ostdeutschland jedoch lediglich zwischen 944 € bei den Beton- und Stahlbetonbauern/-bauerinnen (Industrie und Handel) und 1.020 € bei den technischen Systemplanern/-planerinnen.185 

Zehn Berufe wiesen niedrige tarifliche Vergütungsdurchschnitte von weniger als 700 € auf. Diese Berufe gehörten mit Ausnahme des Berufs Tiermedizinische/-r Fachangestellte/-r alle zum Handwerksbereich. Die insgesamt niedrigsten Vergütungsdurchschnitte von knapp 610 € gab es bundesweit in den Berufen Schornsteinfeger/-in und Friseur/-in. Beide Berufe verzeichneten allerdings einen überdurchschnittlichen Anstieg der tariflichen Ausbildungsvergütungen im Vergleich zum Vorjahr – im Beruf Schornsteinfeger/-in um 15,6%, im Beruf Friseur/-in um immerhin 7,0%. Mit 413 € wurde in Ostdeutschland für den Beruf Friseur/-in mit Abstand die niedrigste tarifliche Ausbildungsvergütung aller Berufe ermittelt. 

Seit 1992 haben sich die tariflichen Ausbildungsvergütungen in Ostdeutschland dem Westniveau angenähert (vgl. Beicht 2019, S. 19), dennoch bestehen auch 2019 weiterhin bei einzelnen Berufen große Unterschiede mit in der Regel niedrigeren Vergütungsdurchschnitten in Ostdeutschland. Besonders groß waren die Unterschiede z. B. im Beruf Friseur/-in, hier lagen die tariflichen Vergütungen 34% unter dem westlichen Wert. Auch in den Berufen Zimmerer/Zimmerin (24%), Metallbauer/-in (23%) und Florist/-in (22%) waren die Abstände deutlich. In anderen Berufen gab es hingegen kaum noch Unterschiede. Hierzu zählten unter anderem die Berufe Bäcker/-in, Bankkaufmann/-frau, Kaufmann/-frau für Versicherungen und Finanzen, Maler/-in und Lackierer/-in, Medizinische/-r Fachangestellte/-r, Schornsteinfeger/-in und Verwaltungsfachangestellte/-r.

Ein erheblicher Teil der Auszubildenden in Deutschland wurde 2019 in Berufen ausgebildet, in denen relativ hohe tarifliche Ausbildungsvergütungen gezahlt wurden. Für rund 40% der Auszubildenden in Deutschland, die in einem tarifgebundenen Betrieb lernten, lagen die tariflichen Ausbildungsvergütungen bei mehr als 1.000 €. Für 37% der Auszubildenden bewegten sie sich zwischen 801 € und 1.000 €. Relativ gering mit bis zu 800 € waren sie für 23% der Auszubildenden. Tarifliche Ausbildungsvergütungen, die unterhalb der für 2020 neu vorgesehenen Grenzen186 für die Mindestausbildungsvergütung (vgl. BBiG § 17) lagen, betrafen 2019 lediglich rund 1% der Auszubildenden. Im BBiG ist festgelegt, dass tarifliche Regelungen von der Mindestausbildungsvergütung ausgenommen sind.

Betrachtet man die verschiedenen Ausbildungsbereiche, zeigten sich 2019 ebenfalls große Unterschiede bei der Höhe der tariflichen Ausbildungsvergütungen Tabelle A9.1-1. Im öffentlichen Dienst wurden mit 1.052 € im Durchschnitt die höchsten Vergütungen gezahlt. Hier gab es auch keine nennenswerten Abweichungen mehr zwischen Ost- und Westdeutschland. Mit 997 € erreichten die durchschnittlichen Vergütungen in Industrie und Handel ebenfalls ein hohes Niveau. In Ostdeutschland wurde in diesem Ausbildungsbereich erst 94% des Westniveaus erreicht. Unterdurchschnittliche tarifliche Ausbildungsvergütungen im Vergleich zum bundesdeutschen Gesamtdurchschnitt wiesen die anderen vier Ausbildungsbereiche auf. In der Landwirtschaft (871 €), den freien Berufen (859 €) und im Handwerk (821 €) lagen die Durchschnitte deutlich unter 900 €, in der Hauswirtschaft wurde ein Wert von 921 € berechnet. Auch hier zeigten sich deutliche Ost-West-Unterschiede, die in der Landwirtschaft und im Handwerk etwas größer als in den freien Berufen waren.187 So wurde in der Landwirtschaft im Osten 90% des westdeutschen Vergütungsniveaus erreicht, im Handwerk 91%, in den freien Berufen 95%. Die durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütungen stiegen im Vergleich zum Jahr 2018 in vier Ausbildungsbereichen um etwa 5% an. Lediglich in Industrie und Handel (3,1%) und in der Hauswirtschaft (1,1%) war ein schwächerer Anstieg zu verzeichnen.

Differenziert man nach dem Geschlecht der Auszubildenden, lagen die tariflich vereinbarten Ausbildungsvergütungen der männlichen Auszubildenden 2019 mit 945 € pro Monat rund 2% über den Vergütungen der weiblichen Auszubildenden (928 €) Tabelle A9.1-1. In Westdeutschland ergab sich ein ähnlicher Abstand wie im Gesamtdurchschnitt, in Ostdeutschland konnte mit jeweils 905 € für männliche und weibliche Auszubildende kein Unterschied festgestellt werden. Die tariflichen Ausbildungsvergütungen stiegen bei den weiblichen Auszubildenden mit 4,6% im bundesdeutschen Gesamtdurchschnitt etwas stärker an als bei den männlichen Auszubildenden (3,3%). 

Nach Ausbildungsbereichen zeigten sich vor allem im Handwerk große geschlechtsspezifische Unterschiede. Hier kamen die männlichen Auszubildenden auf eine durchschnittliche tarifliche Ausbildungsvergütung von 840 €, die weiblichen Auszubildenden lediglich auf 731 €, was einem Unterschied von 13% entspricht. Deutlich geringer waren die Differenzen in den Ausbildungsbereichen Landwirtschaft (4%) und Industrie und Handel (2%). So kamen die Männer in der Landwirtschaft auf 878 €, die Frauen auf 847 €. Die entsprechenden Werte in Industrie und Handel betrugen 1.005 € (Männer) bzw. 981 € (Frauen). Im öffentlichen Dienst gab es mit 1.049 € (Männer) und 1.053 € (Frauen) nur minimale Unterschiede. In den freien Berufen wiesen die weiblichen Auszubildenden mit 861 € höhere Durchschnittswerte auf als die männlichen Auszubildenden mit 816 €.188 Zu beachten ist, dass die abweichenden Vergütungsdurchschnitte nicht aufgrund von ungleichen Vergütungen in den Tarifverträgen zustande kommen, sie erklären sich aufgrund der gewählten Berufe. So lernen z. B. im Handwerksbereich viele Frauen den Beruf Friseur/-in, in dem die Vergütung besonders niedrig ist. In Handwerksberufen mit besonders hohen Vergütungen wie beispielsweise Maurer/-in werden dagegen fast ausschließlich Männer ausgebildet.

Bei allen bisher genannten Beträgen handelte es sich jeweils um die durchschnittlichen tariflichen Vergütungen während der gesamten in der Ausbildungsordnung festgelegten Ausbildungsdauer der Berufe. Gesetzlich festgelegt ist eine mit jedem Ausbildungsjahr ansteigende Erhöhung der Ausbildungsvergütungen (vgl. § 17 BBiG). Vom ersten zum zweiten Ausbildungsjahr sowie vom zweiten auf das dritte Ausbildungsjahr erhöhten sich die tariflichen Vergütungen in Deutschland jeweils im Durchschnitt um 10% (vgl. für die Durchschnittswerte Tabelle A9.1-1). Der Vergütungsdurchschnitt für das vierte Ausbildungsjahr basiert ausschließlich auf den relativ wenigen Berufen mit einer dreieinhalbjährigen Ausbildungsdauer und ist somit nicht unmittelbar mit den Werten der anderen Ausbildungsjahre vergleichbar.

Langfristige Entwicklung der tariflichen Ausbildungsvergütungen von 1992 bis 2019

Wirft man einen Blick auf die langfristige Entwicklung der tariflichen Ausbildungsvergütungen seit 1992 in Ost- und Westdeutschland, zeigen sich Phasen mit vergleichsweise hohen Vergütungssteigerungen und Phasen mit eher geringen Erhöhungen Schaubild A9.1-1 (vgl. hierzu auch Beicht 2011, 2019). In Westdeutschland gab es den stärksten prozentualen Anstieg mit einem Plus von 5,3% bereits zu Beginn der Zeitreihe im Jahr 1993. Ab 1996 waren für viele Jahre meist nur noch geringe Anhebungen der tariflichen Ausbildungsvergütungen zu verzeichnen. Die jährlichen Steigerungsraten lagen mit einer Ausnahme im Jahr 2009 stets unter 3,0%, in einer Reihe von Jahren sogar bei 1,0% oder weniger. Erst ab 2012 waren wieder stärkere Erhöhungen festzustellen. In den Jahren 2012 bis 2014 betrugen die Steigerungsraten mehr als 4,0%. Danach gingen sie wieder zurück und erreichten 2017 nur noch 2,6%. In den letzten beiden Jahren nahmen die Vergütungen mit 3,6% (2018) bzw. 3,7% (2019) wieder etwas stärker zu.189

Schaubild A9.1-1: Entwicklung der tariflichen Ausbildungsvergütungen in Ost- und Westdeutschland von 1992 bis 20191

In Ostdeutschland waren die tariflichen Ausbildungsvergütungen 1992 mit durchschnittlich 321 € pro Monat erheblich niedriger als in Westdeutschland mit 472 € und erreichten lediglich 68% der westdeutschen Vergütungshöhe. Wie im Westen gab es auch im Osten 1993 mit 26,1% den mit Abstand stärksten prozentualen Anstieg der tariflichen Ausbildungsvergütungen. Auch in den beiden folgenden Jahren gab es mit 7,7% bzw. 8,3% kräftige Erhöhungen. Danach schwächten sich die Steigerungsraten jedoch deutlich ab und lagen bis 2008 stets bei 3,0% oder weniger, 1997 und 1999 sank der Vergütungsdurchschnitt sogar. Häufig fiel der prozentuale Anstieg geringer als im Westen aus. Damit stoppte die Annäherung an das Westniveau, das 1996 bei 90% lag, ab und war sogar rückläufig. Erst 2011 wurde der 90%-Wert wieder überschritten (vgl. Beicht 2019, S. 19). Ab 2009 nahmen die Steigerungsraten in Ostdeutschland wieder deutlich zu, der jährliche Anstieg bewegte sich bis 2016 – mit Ausnahme von 2010 – zwischen 4,1% und 5,0%. Außer 2014 waren die ostdeutschen Werte höher als in Westdeutschland. 2017 und 2018 unterschied sich der prozentuale Anstieg in Ost- und Westdeutschland nur wenig, 2019 war im Osten mit 5,1% ein deutlich höherer Wert zu verzeichnen. Insgesamt führte diese Entwicklung dazu, dass 2019 die durchschnittlichen tariflichen Vergütungen im Osten 96% des westdeutschen Wertes erreichten. 

(Gudrun Schönfeld, Felix Wenzelmann)

  • 176

    Es gibt insbesondere im Handwerk sowie im Dienstleistungssektor Bereiche, in denen die Ausbildungsvergütungen nicht in allen, sondern nur in einzelnen Regionen tariflich geregelt sind oder in denen überhaupt keine tariflichen Vereinbarungen zu den Ausbildungsvergütungen geschlossen werden.

  • 177

    In einigen wenigen Tarifbereichen erfolgt eine Differenzierung nach Berufsgruppen, wobei der Tarifvertrag meist zwischen gewerblichen und kaufmännischen Berufen unterscheidet, z. B. im Bauhauptgewerbe.

  • 178

    Eine Tarifbindung liegt in der Regel dann vor, wenn der Betrieb dem tarifschließenden Arbeitgeberverband einer Branche angehört oder wenn für den Betrieb ein gesonderter Firmentarifvertrag abgeschlossen wurde. In eher seltenen Fällen werden Tarifvereinbarungen in einer Branche durch das BMAS für allgemeinverbindlich erklärt, dann gelten die tariflichen Regelungen ohne Ausnahme für alle Betriebe des betreffenden Bereichs.

  • 179

    Beispiel: Eine Auszubildende/ein Auszubildender ist in einem Betrieb in Hessen im Wirtschaftszweig „Herstellung von chemischen Erzeugnissen“ beschäftigt. Daher bekommt sie/er den Tarifvertrag der chemischen Industrie Hessen zugeordnet, unabhängig davon, welchen Beruf sie/er erlernt. Die Information, ob in dem Ausbildungsbetrieb tatsächlich ein Tarifvertrag gültig ist, liegt in der Berufsbildungsstatistik nicht vor.

  • 180

    So gibt es in einigen stark besetzten Ausbildungsberufen (z. B. Rechtsanwaltsfachangestellte/-r, Steuerfachangestellte/-r, Zahntechniker/-innen) oder Dienstleistungsbereichen (z. B. Werbebranche) bisher keine tariflichen Vereinbarungen zu den Ausbildungsvergütungen.

  • 181

    Nicht berücksichtigt werden Ausbildungsverhältnisse, die durch staatliche Programme oder auf gesetzlicher Grundlage mit öffentlichen Mitteln finanziert werden (z. B. außerbetriebliche Ausbildung), da bei ihnen die tariflichen Ausbildungsvergütungen nicht gelten. Für diese Ausbildungsverhältnisse werden die gezahlten Ausbildungsvergütungen in den Programmrichtlinien bzw. im Gesetz festgelegt. Sie liegen in der Regel niedriger als die tariflichen Sätze.

  • 182

    Bei den tariflichen Ausbildungsvergütungen handelt es sich um Bruttobeträge. Sofern die Vergütung monatlich über 325 € liegt, sind von den Auszubildenden Sozialversicherungsbeiträge zu leisten. Gegebenenfalls erfolgt auch ein Lohnsteuerabzug, und zwar wenn der Grundfreibetrag mit dem Gesamteinkommen (Ausbildungsvergütung und gegebenenfalls sonstige Einkünfte) überschritten ist.

  • 183

    Um die Ergebnisse von 2019 mit dem Jahr 2018 vergleichen zu können, wurde auch für 2018 eine Berechnung der Vergütungsdurchschnitte nach dem neuen Verfahren vorgenommen. Zugleich erlaubt dies auch einen Vergleich der Vergütungsdurchschnitte nach bisherigem und neuem Verfahren. Im Gesamtdurchschnitt für Deutschland ergaben sich nur geringe Unterschiede von 4 € (904 € nach neuem Verfahren zu 908 € nach bisherigem Verfahren, vgl. Wenzelmann/Schönfeld 2020). Für Zeitvergleiche zwischen 2018 und 2019 werden jeweils die Werte nach dem neuen Verfahren verwendet. Hierdurch ergeben sich Abweichungen zu den bisher veröffentlichten Ergebnissen für das Jahr 2018.

  • 184

    In der BIBB-Datenbank Tarifliche Ausbildungsvergütungen werden Ergebnisse für stärker besetzte Berufe ausgewiesen. Aufgeführt sind Informationen zu allen Berufen, die bereits in den Vorjahren in der Datenbank enthalten waren und zum 31.12.2018 nach der Berufsbildungsstatistik eine Besetzungsstärke von mindestens 300 Auszubildenden im Bundesgebiet hatten. Schwächer besetzte Berufe werden nicht mehr berücksichtigt. Für Ost- und Westdeutschland werden durchschnittliche tarifliche Ausbildungsvergütungen ausgewiesen, wenn es im jeweiligen Landesteil mindestens 150 Auszubildende im betreffenden Beruf gibt. In die Datenbank neu aufgenommen werden Berufe ab einer Besetzungsstärke von 500 Auszubildenden. Insgesamt werden 2019 in der Datenbank Durchschnittswerte für 168 Berufe in Westdeutschland und 110 Berufe in Ostdeutschland ausgewiesen.

  • 185

    Wegen zu geringer Besetzungsstärke keine Auswertung für die Berufe Beton- und Stahlbetonbauer/-in (Handwerk), Rohrleitungsbauer/-in und Stuckateur/-in in Ostdeutschland.

  • 186

    1. Ausbildungsjahr 515 €, 2. Ausbildungsjahr 608 €, 3. Ausbildungsjahr 695 €, 4. Ausbildungsjahr 721 €.

  • 187

    Wegen zu geringer Besetzungsstärke keine Auswertung für den Ausbildungsbereich Hauswirtschaft in Ostdeutschland.

  • 188

    Keine Auswertung für den Ausbildungsbereich Hauswirtschaft aufgrund der geringen Anzahl von männlichen Auszubildenden.

  • 189

    Zu beachten ist der Zeitreihenbruch durch die Umstellung der Berechnungsweise der tariflichen Ausbildungsvergütungen. Für die Berechnung der jährlichen Steigerungsrate von 2018 auf 2019 wurden die Daten nach neuer Berechnungsweise genutzt (vgl. Fußnote 183 und Wenzelmann/Schönfeld 2020).