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Berufe und die für sie benötigten Kompetenzen ändern sich stetig. Indes sind Kompetenzen definitorisch schwer greifbare Phänomene, was hohe Anforderungen an ihre Messung stellt. Insgesamt ist die Operationalisierung von Kompetenzen in erheblichem Maß durch den übergeordneten Analysezweck bestimmt.

Für das BMAS führen das IAB und das BIBB in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) seit dem Jahr 2018 das BMAS-Fachkräftemonitoring durch. Dieses baut auf den Qualifikations- und Berufsprojektionen von BIBB und IAB auf (vgl. Kapitel A10.2) und verfolgt das Ziel, zukünftige Fachkraftbedarfe wie -angebote zu projizieren und dementsprechende Ungleichgewichte auf dem Arbeitsmarkt aufzudecken.

Die Bilanzierung von Arbeitsangebot und -nachfrage erfolgt klassischerweise entlang der etablierten Berufsbilder, wie sie in formalen Abschlüssen und Zertifikaten abgebildet sind. Jedoch wird diese Betrachtung der Realität des Arbeitsmarktes und seiner Matchingmechanismen immer weniger gerecht. Tätigkeitsinhalte ändern sich schneller als früher. Berufsbilder werden fluider. Einst disjunkte Tätigkeitsfelder überschneiden sich zunehmend in einer berufsübergreifenden, digitalen Dimension. Dies wirft immer häufiger neue Fragen auf. Wo hört ein etablierter Beruf auf, wo fängt ein anderer an, wo ist ein dritter wohlmöglich geboren? Die neue Arbeitswelt ist, insbesondere geprägt durch neue technologische Entwicklungen wie eben jenen der Digitalisierung, facettenreicher als früher. Daher bedürfen die etablierten Analyseschemata einer Ergänzung. Werden dementsprechend Angebote und Bedarfe an Kompetenzen in Analysen miteinbezogen, so schafft dies einen praktischen Mehrwert für Forschung und Politikberatung.

Um die Projektionsmöglichkeiten des BMAS-Fachkräftemonitorings um das Analysemerkmal beruflicher Kompetenzen zu erweitern, wird eine leistungsfähige Klassifikation benötigt. Diese soll die wichtigsten Kompetenzen auf einer für Projektionszwecke darstellbaren Aggregationsebene kondensieren. Die für diesen Zweck entwickelte, kompakte QuBe-Kompetenzklassifikation genügt diesen Prämissen der projektionsfreundlichen Komplexitätsreduktion und guten Interpretierbarkeit. Sie umfasst insgesamt 16 Einzelkompetenzen. Diese sind nicht genuin berufsspezifisch und dennoch hinreichend detailliert. Die neuentwickelte Klassifikation geht – leicht modifizierend – auf jene von Tätigkeitsarten nach Eurofound (vgl. Fernández-Macías 2016) zurück Tabelle C3.1-1. Die Eurofound-Klassifikation bietet sich insbesondere aufgrund ihrer Kompaktheit als Vorbild an. Sie stellt direkt am Arbeitsplatz anwendbare Tätigkeiten dar, welche sich als konkretisierte Kompetenzen verstehen lassen. Die Kompetenzanforderungen werden für die QuBe-Kompetenzklassifikation mittels Daten der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragungen 2012 und 2018 modelliert.

Modellierung von beruflichen Kompetenzprofilen mittels Daten der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragungen 2012 und 2018

Die Modellierung der Kompetenzprofile basiert auf Selbsteinschätzungen von Beschäftigten in den jeweiligen Berufen. Sie werden aus den Angaben zu ausgeübten Tätigkeiten, beruflichen Anforderungen und Arbeitsbedingungen abgeleitet.

In Abhängigkeit von dieser Datengrundlage werden die verschiedenen Systematikpositionen der QuBe-Kompetenzklassifikation unterschiedlich operationalisiert. Für einen Teil der Kompetenzanforderungen werden einzelne Ausgangsvariablen als alleinige Annäherung genutzt. Für den anderen Teil der Kompetenzanforderungen, die mit mehreren Ausgangsvariablen assoziierbar sind, werden alle diese in den jeweiligen Skalen gebündelt. Dies geschieht mittels des dimensionsreduzierenden Verfahrens der polychorischen Hauptkomponentenanalyse (vgl. Kolenikov 2004). Alle Skalen werden auf die Spannbreite von 0 (keine Kompetenzanforderung im Beruf) bis 1 (sehr hohe Kompetenzanforderung im Beruf) recodiert. Die exakte Operationalisierung aller Kompetenzen mit Daten der Erwerbstätigkeitsbefragungen ist dem vierten Zwischenbericht zur Entwicklung eines Analyseinstruments zur Prognose von Fachkräfteangebot und -nachfrage in Deutschland (Fachkräftemonitoring) (vgl. Zika u. a. 2020) zu entnehmen. In nachfolgenden Analysen werden zumeist Gruppendurchschnitte an Kompetenzanforderungen ausgewiesen. Zusammenfassend sind diese extrapolierten Ausprägungen Maßzahlen dafür, wie groß eine spezifische Kompetenzanforderung in einem gegebenen Beruf ist.

Tabelle C3.1-1: Kompetenzanforderungen nach Anforderungsniveau

Erste Ergebnisse zeigen eine gute, intuitive Interpretierbarkeit dahingehend auf, welche Kompetenzen mit welchen Anforderungsniveaus und Berufsfachlichkeiten korrespondieren. Die in Tabelle C3.1-2 dargestellte Heatmap weist für Anforderungsniveaus mit vergleichsweise hohen Kompetenzanforderungsausprägungen dunklere, mit vergleichsweise niedrigeren Kompetenzanforderungsausprägungen hellere Kacheln auf. Es zeigt sich, dass physische Kompetenzen sowie Routine eher auf niedrigeren Anforderungsniveaus gefragt sind, intellektuelle eher auf höheren. Teamwork ist auf allen Anforderungsniveaus sehr gefragt. Für die Kompetenz Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), welche in dieser Klassifikation mehr Experten/Expertinnen als reine Anwenderkenntnisse voraussetzt, zeigt sich auf allen Anforderungsniveaus vergleichsweise geringere Anforderungsausprägungen. Diese Kompetenzanforderung streut dafür sehr über die Berufsfachlichkeit jenseits der Anforderungsniveaus. So zeigen sich auf Ebene der Berufshauptgruppen und Berufsgruppen für IKT teilweise ebenfalls sehr hohe Anforderungsausprägungen.

(Bennet Krebs)

Tabelle C3.1-2: QuBe-Kompetenzklassifikation