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In einer komplexen Gesellschaft mit sehr heterogenen Voraussetzungen der jungen Menschen und gleichzeitig hohen Anforderungen an qualifizierte Fachkräfte braucht es vielfältige berufliche Entwicklungsmöglichkeiten und Karrierepfade in allen Branchen und auf den unterschiedlichen Qualifikationsebenen.

Das duale System der Berufsausbildung leistet einen wesentlichen Beitrag zur Fachkräftesicherung und zur sozialen Integration junger Menschen in Deutschland. Gleichzeitig steht es seit Jahren unter Druck und in einem weiter zunehmenden Spannungsverhältnis zum Hochschulbereich. Damit eine duale Berufsausbildung für eine große Anzahl von jungen Menschen eine attraktive Option bleibt – oder auch wieder wird – braucht es für Absolventen/Absolventinnen klar definierte, gesellschaftlich anerkannte und vor allem auch weithin bekannte Perspektiven für eine berufliche Weiterentwicklung, die ihnen auch ohne Hochschulabschluss attraktive und gleichwertige Karrierewege ermöglichen. Die verschiedenen Formen der beruflichen Aufstiegsfortbildung in Deutschland bieten die Möglichkeit, in Fach- und Führungspositionen aufzusteigen oder sich – insbesondere im Fall der Meister/Meisterinnen im Handwerk – beruflich selbstständig zu machen.

Mit der Zuordnung von Abschlüssen der Aufstiegsfortbildung zum Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR)301 wurde die berufliche Aufstiegsfortbildung erstmals in eine direkte Beziehung zu Hochschulabschlüssen gesetzt. Meister-, Techniker- und Fachwirtabschlüsse stehen zusammen mit den Bachelorabschlüssen der Hochschulen gleichwertig auf der DQR-Ebene 6. Berufliche Abschlüsse auf DQR-Ebene 7 wie z. B. Geprüfte Betriebswirte/Betriebswirtinnen nach dem Berufsbildungsgesetz-Master Professional in Business Management, Strategische Professionals im IT-Weiterbildungssystem oder Geprüfte Berufspädagogen/Berufspädagoginnen entsprechen in ihrer Einordnung Hochschulabschlüssen auf Masterniveau. Außerdem gibt es in Deutschland nur im Bereich der Aufstiegsfortbildung nach BBiG und HwO Angebote auf Ebene 5 des DQR Schaubild C1-1.

Schaubild C1-1: Formale Abschlüsse auf den Ebenen 5 bis 7 des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR)

Berufliche Aufstiegsmöglichkeiten

Die beiden Hauptwege des geregelten beruflichen Aufstiegs in Deutschland sind die bundesrechtlich nach BBiG und HwO geregelte höherqualifizierende Berufsbildung (Kapitel C2.1) und die Bildungsgänge der Fachschulen und -akademien nach Landesrecht mit Abschlüssen wie beispielsweise zum Techniker/zur Technikerin (Kapitel C2.2). Diese Bildungswege stehen Personen offen, die einen beruflichen Aufstieg anstreben und die Zugangsvoraussetzungen erfüllen – in der Regel eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung mit anschließender Berufserfahrung. Außerdem gibt es weitere landesrechtliche Regelungen, z. B. im Gesundheitsbereich (Kapitel C2.2.2) sowie Aufstiegsmöglichkeiten über tarifrechtliche Angestelltenlehrgänge und beamtenlaufbahnbezogene Qualifizierungswege im öffentlichen Dienst.

BBiG-Novelle: Höherqualifizierende Berufsbildung mit neuen Abschlussbezeichnungen

Mit der im Jahr 2020 in Kraft getretenen Novelle des BBiG hat der Gesetzgeber die Bezeichnung „Aufstiegsfortbildung“ durch „höherqualifizierende Berufsbildung“ ersetzt. Dies ist ein klares Signal zur Förderung der sozialen Anerkennung im nationalen Kontext und auch mit Blick auf die internationale Vergleichbarkeit konsequent, da im internationalen Bereich die Bezeichnung „Higher VET“ für höherqualifizierende berufliche Angebote genutzt wird. Gleichzeitig wurden in der Novelle die in der Praxis gängigen drei Fortbildungsstufen in Anlehnung an die DQR-Ebenen 5 bis 7 gesetzlich festgeschrieben und für jede dieser Stufen neue, einheitliche Abschlussbezeichnungen eingeführt:

  • Geprüfter Berufsspezialist und Geprüfte Berufsspezialistin (erste berufliche Fortbildungsstufe),
  • Bachelor Professional (zweite berufliche Fortbildungsstufe),
  • Master Professional (dritte berufliche Fortbildungsstufe).

Die Bundesländer haben rechtlich die Möglichkeit, die neuen Bezeichnungen auch für die Abschlüsse der Fachschulen zu nutzen.

Den drei Fortbildungsstufen ist im Gesetz ein zeitlicher Mindestlernumfang zugeordnet, welcher als Voraussetzung für den Erwerb der Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten des entsprechenden DQR-Kompetenzniveaus definiert wird. Eine konkrete Differenzierung des vorgegebenen Zeitumfangs auf spezifische Lernphasen (z. B. Unterricht, Selbstlernen, Praxis) erfolgt dabei nicht (siehe auch Bundesinstitut für Berufsbildung 2020f). Der Mindestlernumfang verweist auf eine Besonderheit der Aufstiegsfortbildung nach BBiG und HwO im Bildungssystem: Hier werden nur die Prüfungen und die Zulassung gesetzlich geregelt. Die Kurse zur Vorbereitung werden auf dem freien Markt angeboten, sind nicht verpflichtend und statistische Daten werden nicht umfassend erhoben. Im internationalen Kontext hatte das bisher zur Folge, dass der überwiegende Teil der Abschlüsse in diesem Bereich nicht in den internationalen Bildungsstatistiken erfasst wurde, da diese auf formalen Inputkriterien beruhen (Kapitel D2).

Mit dem ebenfalls 2020 in Kraft getretenen novellierten Aufstiegs-BAföG können inzwischen Fortbildungen auf allen drei Stufen konsekutiv gefördert werden (Kapitel B3.2). Dies entspricht der Vereinbarung in der Nationalen Weiterbildungsstrategie (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales/Bundesministerium für Bildung und Forschung 2019).

Verhältnis zum Hochschulbereich

Mit den Abschlüssen einer Aufstiegsfortbildung nach BBiG und HwO, einer Fachschule bzw. -akademie sowie vergleichbarer landesrechtlicher Fortbildungsregelungen wird gleichzeitig die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung erworben (vgl. Kultusministerkonferenz 2009).302 Durch den Bund-Länder-Wettbewerb „Aufstieg durch Bildung: Offene Hochschulen“ wurden von 2011 bis 2020 in zwei Wettbewerbsrunden Angebote für eine engere Verzahnung von beruflicher und akademischer Bildung erarbeitet. In einigen Bundesländern gibt es außerdem rechtlich die Möglichkeit, mit einem Fortbildungsabschluss auf DQR-Ebene 6 direkt in ein Masterstudium einzusteigen.303

Als Alternative zu einer Berufsausbildung oder einem reinen Hochschulstudium haben sich duale Studiengänge als eine Mischform aus beiden Wegen etabliert (Kapitel A6.3 und C2.3.1). Mit der Beruflichen Hochschule Hamburg wird gerade ein neues hybrides Modell geschaffen, bei dem die Teilnehmenden nach den ersten zwei Jahren entscheiden können, ob sie im weiteren Verlauf nur den Berufsabschluss oder den Bachelor oder beide Abschlüsse erwerben wollen (Kapitel C2.3.3).

In den nachfolgenden Kapiteln werden unterschiedliche Aspekte des beruflichen Aufstiegs beleuchtet.

Kapitel C2 stellt berufliche Aufstiegswege vor. Kapitel C2.1 gibt einen Überblick über die verschiedenen Regelungen der Aufstiegsfortbildungen nach BBiG und HwO sowie über die Entwicklung der Absolventenzahlen. Außerdem werden in einzelnen UnterKapiteln exemplarisch Laufbahnkonzepte und Ansätze in verschiedenen Bereichen vorgestellt. Kapitel C2.2 widmet sich den Länderregelungen. Der Fokus liegt auf der beruflichen Fortbildung an Fachschulen, deren Entwicklung auf Basis der Daten des Statistischen Bundesamtes nachvollzogen wird. Außerdem wird ein Beispiel für eine Fachweiterbildung im Gesundheitsbereich aufgezeigt. Die Schnittstelle zum Hochschulbereich wird in Kapitel C2.3 dargestellt, in dem es um duale Studiengänge, berufliche Weiterbildung an Hochschulen und die neu gegründete Berufliche Hochschule Hamburg geht.

In Kapitel C3 werden anhand vorhandener Datenquellen berufliche Aufstiegsmöglichkeiten sowie deren Rahmenbedingungen und Entwicklungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln analysiert. So geht es beispielsweise um den Nutzen und die betriebliche Förderung von Aufstiegsfortbildung sowie Lohnprämien und Tätigkeiten im Vergleich zu akademischer Bildung. Auch die betriebliche Beteiligung an dualen Studiengängen wird beleuchtet.

Ergebnisse ausgewählter Forschungsprojekte zum Thema beruflicher Aufstieg werden in Kapitel C4 vorgestellt. Zwei der vorgestellten Projekte beleuchten das Verhältnis zum Hochschulbereich, das dritte beschäftigt sich mit den Einflussfaktoren, unter denen sich Frauen für eine Aufstiegsfortbildung im MINT-Bereich entscheiden.

Der Wettbewerb „InnoVET für exzellente berufliche Bildung“ des BMBF wird in Kapitel C5 vorgestellt. Über einen Zeitraum von vier Jahren werden hier neue Angebote zur Aus- und Weiterbildung erarbeitet und erprobt.

(Verena Schneider, Florian Winkler)

  • 301

    Der DQR ist ein Transparenzinstrument, dem die formalen Qualifikationen des deutschen Bildungssystems auf acht Niveaustufen zugeordnet werden, www.dqr.de.

  • 302

    Voraussetzung ist hier, dass der Lehrgang mindestens 400 Unterrichtsstunden umfasst.

  • 303

    Zum Beispiel in Rheinland-Pfalz.