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Qualifizierungsabsichten der Studienberechtigten ein halbes Jahr vor Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung

Nach dem Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung stehen den Studienberechtigten unterschiedliche Bildungswege offen. Sie können sowohl ein Studium bspw. an einer Fachhochschule oder Universität als auch eine schulische oder duale Berufsausbildung absolvieren. Zudem können beide Wege zeitlich parallel durch ein duales Studium, oder sequenziell, in Form einer Berufsausbildung mit anschließendem Studium, verknüpft werden. Im Folgenden werden zum einen die Qualifizierungsabsichten ein halbes Jahr vor Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung betrachtet; damit wird die Zeitreihe von Spangenberg/Quast/Franke im BIBB-Datenreport 2015 fortgesetzt. Zum anderen sollen die tatsächlich aufgenommenen Bildungswege der Studienberechtigten untersucht werden; wobei an die Arbeit von Mentges/Renneberg im BIBB-Datenreport 2018 angeschlossen wird. Die Analysen basieren auf den Daten des Studienberechtigtenpanels 2018 (1. und 2. Befragung) des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW). Die Grundgesamtheit dieser Untersuchung bilden Personen, die im Jahr 2018 ihre Hochschulzugangsberechtigung an einer allgemeinbildenden oder beruflichen Schule erworben haben. Sie wurden ein halbes Jahr vor Erwerb der Hochschulreife nach ihren Bildungs- und Berufsabsichten sowie ein Jahr später zu ihren Bildungs- und Berufsentscheidungen sowie ihrem nachschulischen Werdegang befragt.

DZHW-Studienberechtigtenbefragungen

Die Grundgesamtheit dieser seit 1976 in zwei- bis dreijährigem Rhythmus vom DZHW durchgeführten Untersuchungsreihe bilden Personen, die in den jeweiligen Untersuchungsjahren eine schulische Hochschulreife erworben haben. Der Befragung liegt eine zufallsbasierte, disproportionale und geschichtete Klumpenstichprobe zugrunde. Gegenstand des DZHW-Studienberechtigtenpanels ist die längsschnittliche Erhebung der nachschulischen Werdegänge von ausgewählten Studienberechtigtenkohorten – unabhängig davon, welcher nachschulische Weg eingeschlagen wird. Wesentliches Ziel der Untersuchungen ist die Abbildung und vergleichende Analyse der individuellen Bildungs- und Berufsverläufe von Studienberechtigten. In der Regel werden drei Erhebungswellen durchgeführt: sechs Monate vor, sechs Monate nach sowie zweieinhalb Jahre nach Schulabgang. Einzelne Kohorten werden anschließend in einer vierten Welle zu einem noch späteren Zeitpunkt erneut befragt. Das DZHW-Studienberechtigtenpanel ermöglicht für Bund und Länder repräsentative Trend-, Kohorten- und Querschnittsanalysen (BIBB-Datenreport 2015, Kapitel A3.3).

Ein halbes Jahr vor dem Erwerb der Hochschulreife äußerten ca. zwei von drei angehenden Studienberechtigten des Abschlussjahrgangs 2018 die Absicht193, ein Studium aufzunehmen Tabelle A8.4-1. Dabei planten 43% der Befragten mit Studienabsicht ein Universitätsstudium und weitere 16% ein Fachhochschulstudium. Die restlichen 9% gaben keine weiteren Angaben zu ihrem Studienwunsch an. Ein halbes Jahr vor Erwerb der Hochschulreife beabsichtigten 17% der Studienberechtigten nach dem Schulabschluss eine Berufsausbildung aufzunehmen. Dieser Wert ist seit dem Abschlussjahr 2008 leicht gesunken und nahm schrittweise um insgesamt vier Prozentpunkte ab (2008: 21% vs. 2018: 17%). Ein Studium und eine Berufsausbildung planten 12% der Studienberechtigten. Das bedeutet, dass sie entweder noch nicht entschieden hatten, welchen nachschulischen Qualifizierungsweg sie einschlagen würden, da sie sich beides vorstellen konnten. Oder sie hatten die Absicht, Studium und Berufsausbildung als duales Studium parallel oder sequenziell hintereinander abzuschließen. Schließlich teilten weitere 2% der Befragten mit, weder ein Studium noch eine Berufsausbildung aufnehmen zu wollen, oder sie machten zu diesen Fragen keine Angaben.

Tabelle A8.4-1: Qualifizierungspläne der Studienberechtigten ein halbes Jahr vor ihrem Schulabschluss insgesamt (in %)

Wird die Planung des nachschulischen Werdegangs getrennt nach Geschlecht betrachtet Tabelle A8.4-2, zeigen sich kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen bezüglich der Absicht, eine Berufsausbildung aufzunehmen (2018: 16% vs. 18%). Für Frauen zeigen sich aber größere Unterschiede in der Zeitreihe als für Männer. Bei ihnen hat die Ausbildungsabsicht seit dem Abschlussjahr 2008 schrittweise um insgesamt acht Prozentpunkte abgenommen (2008: 26% vs. 2018: 18%), wohingegen der Anteil bei den Männern über die Jahre weitgehend gleichblieb. Ein Studium wurde von Frauen im Abschlussjahr 2018 seltener geplant als von Männern (2018: 66% vs. 71%). Differenzen bei der Studienabsicht zeigen sich insbesondere für ein Fachhochschulstudium, da dieses von Frauen weitaus seltener beabsichtigt wurde als von Männern (2018: 13% vs. 21%). Die von weiblichen Studienberechtigten stärker bevorzugten Studiengänge wie Medizin und Lehramt können größtenteils nur an Universitäten aufgenommen werden. Männliche Studienberechtigte interessierten sich hingegen häufiger für ingenieurwissenschaftliche Studienfächer, die traditionell an Fachhochschulen angeboten werden (vgl. Schneider u. a. 2017). Regionalspezifische Unterschiede zeigen sich insbesondere in Bezug auf die Studienabsicht. Studienberechtigte, die ihre Hochschulreife in Ostdeutschland anstrebten, planten häufiger ein Universitätsstudium (2018: 48% vs. 42%) und seltener ein Fachhochschulstudium (2018: 14% vs. 17%) als westdeutsche Studienberechtigte. Zudem setzte sich für Ostdeutschland der Trend fort, dass die Berufsausbildungsabsicht seit 2008 abnimmt (2008: 22% vs. 2018: 15%) und die Studienabsicht deutlich zunimmt (2008: 58% vs. 2018: 72%).

Tabelle A8.4-2: Qualifizierungspläne der Studienberechtigten ein halbes Jahr vor ihrem Schulabschluss nach Geschlecht und Region (in %)

Unterschiede bei den Qualifizierungsabsichten bestehen darüber hinaus für die Bildungsherkunft und den Migrationshintergrund Tabelle A8.4-3. Angehende Studienberechtigte aus einem akademischen Elternhaus planten häufiger ein Studium (2018: 75% vs. 61%) und wollten seltener eine Berufsausbildung aufnehmen (2018: 12% vs. 22%) als angehende Studienberechtigte, deren Eltern keinen akademischen Abschluss erlangt haben. Die größte Differenz von 17 Prozentpunkten findet sich dabei bei dem Wunsch, ein Universitätsstudium aufzunehmen. Dies ist unter anderem auf die mit der Bildungsherkunft divergierenden Bildungspfade zum Erwerb der Hochschulreife zurückzuführen (vgl. Schneider u. a. 2017). Schüler/-innen aus nicht akademischen Familien erlangen häufiger eine Fachhochschulreife an einer beruflichen Schule, womit sie in der Regel ihr Studium nicht an einer Universität beginnen können. Studienberechtigte mit Migrationshintergrund beabsichtigten häufiger ein Studium (2018: 74% vs. 66%) und seltener eine Berufsausbildung (2018: 14% vs. 18%) als Studienberechtigte ohne Migrationshintergrund. Der Anteil der Befragten mit Migrationshintergrund, der eine Berufsausbildung plante, ist dabei seit dem Abschlussjahr 2008 schrittweise um acht Prozentpunkte gesunken (2008: 22% vs. 2018: 14%), wohingegen der Anteil für die Befragten ohne einen Migrationshintergrund nur um zwei Prozentpunkte sank (2008: 20% vs. 2018: 18%).

Tabelle A8.4-3: Qualifizierungspläne der Studienberechtigten ein halbes Jahr vor ihrem Schulabschluss nach Bildungsherkunft und Migrationshintergrund (in %)

Ein halbes Jahr nach dem Schulabschluss zeigt sich, dass der tatsächlich realisierte nachschulische Werdegang der Studienberechtigten nicht immer den genannten Plänen vor dem Schulabschluss entspricht (tabellarisch nicht ausgewiesen, BIBB-Datenreport 2015, Kapitel A3.3). Dennoch haben 77% der Studienberechtigten, die vor dem Schulabschluss eine Ausbildungsintention hatten, ihren Plan ein halbes Jahr nach Schulabgang bereits umgesetzt oder hielten weiterhin an ihm fest. Hierzu zählen auch 15% der Studienberechtigten, die eine Doppelqualifizierung in Form einer Berufsausbildung und anschließendem Studium absolvieren möchten. Jeweils weniger als ein Zehntel der Berufsausbildungsinteressierten verwarfen ihre Pläne und entschieden sich stattdessen für ein Studium an einer Universität (9%) oder einer Fachhochschule (6%). Ob die Berufsausbildungspläne tatsächlich realisiert werden, hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen. So haben Analysen von Spangenberg/Quast/Franke (BIBB-Datenreport 2015, Kapitel A3.3) gezeigt, dass Studienberechtigte aus akademischen Familien häufiger als Studienberechtigte aus nicht akademischen Familien, Männer häufiger als Frauen und Studienberechtigte von allgemeinbildenden Schulen häufiger als solche von beruflichen Schulzweigen eine Berufsausbildungsabsicht verwerfen und stattdessen ein Studium aufnehmen. Von den Studienberechtigten, die ein halbes Jahr vor dem Erwerb der Hochschulreife die Absicht hatten, ein Studium an einer Universität bzw. an einer Fachhochschule aufzunehmen, haben 77% bzw. 59% ein Jahr später den Wunsch bereits realisiert oder behielten ihn bei. 23% der Studienberechtigten, die ein Fachhochschulstudium geplant hatten, absolvierten nun stattdessen ein universitäres Studium. Studienberechtigte, die vor ihrem Schulabschluss noch unentschlossen waren, gaben ein Jahr später hauptsächlich an, dass sie ein Universitätsstudium aufgenommen hätten oder dies fest planten. Von den Befragten, die weder ein Studium noch eine Berufsausbildung aufnehmen wollten oder dazu keine Angabe gemacht hatten, waren 58% ein halbes Jahr nach dem Schulabschluss bereits erwerbstätig oder hatten die Absicht eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Jeweils 12% hatten sich für ein Universitätsstudium entschieden oder wussten auch ein halbes Jahr nach dem Schulabschluss noch nicht, welche nachschulische Qualifizierung sie wählen sollten.

Im weiteren Verlauf dieses Abschnitts werden die aufgenommenen Bildungswege der Studienberechtigten ein halbes Jahr nach Erwerb der Hochschulreife näher in den Blick genommen, unabhängig davon, welche Pläne sie vor ihrem Schulabschluss genannt haben. Dabei wird der Frage nachgegangen, welche Faktoren mit der Entscheidung zusammenhängen, eine berufliche Ausbildung anstelle eines Studiums zu absolvieren.

Determinanten der Wahl einer dualen Berufsausbildung als nachschulischer Werdegang

Für die Studienberechtigten des Abschlussjahrgangs 2018 war eine duale Berufsausbildung erneut die am häufigsten gewählte Art der beruflichen Ausbildung. So haben sich 15% aller Studienberechtigten ein halbes Jahr nach dem Erwerb der Hochschulreife dafür entschieden, eine duale Ausbildung aufzunehmen, oder planten dies sicher für ihre Zukunft. Eine schulische Ausbildung nannten weitere 5% und eine Beamtenausbildung 4% der Studienberechtigten. Im Folgenden werden die unterschiedlichen Faktoren untersucht, die mit der Wahl einer beruflichen Ausbildung nach dem Erwerb der Hochschulreife im Zusammenhang stehen. Aus der Literatur zu Bildungsübergängen ist bekannt, dass Bildungsentscheidungen das Resultat eines individuellen Entscheidungsprozesses sind, in dem die Akteure Kosten und Erträge einer Bildungsoption gegeneinander abwägen (vgl. Breen/Goldthorpe 1997; Erikson/Jonsson 1996; Esser 1999). Übertragen auf die Entscheidung für eine berufliche Ausbildung nach Erhalt der Hochschulreife sollten sich Studienberechtigte nach Abwägung von Kosten und Erträgen für den nachschulischen Bildungsweg entscheiden, der für sie persönlich mit dem größten Nutzen assoziiert ist. Neben den genannten Aspekten ist im Entscheidungsprozess der Studienberechtigten auch die wahrgenommene Wahrscheinlichkeit von Bedeutung, den Bildungsweg erfolgreich abschließen zu können, um den Ertrag einer Handlungsoption überhaupt realisieren zu können (vgl. Esser 1999). Die Abwägung der Kosten, Erträge und Erfolgswahrscheinlichkeit kann wiederum von soziodemografischen (z. B. Bildungsherkunft, Geschlecht), bildungsbiografischen Merkmalen (z. B. Schulart) und leistungsbezogenen Merkmalen (z. B. Schulabschlussnote) der Studienberechtigten abhängen. Im Folgenden wird die Entscheidung für eine Berufsausbildung unter Berücksichtigung der genannten theoretischen Einflussfaktoren betrachtet.

Die abhängige Variable bildet ab, ob die Studienberechtigten ein halbes Jahr nach dem Schulabschluss eine berufliche Ausbildung (=1) statt eines Hochschulstudiums (=0) aufgenommen haben oder dies sicher planten. In der Arbeit von Mentges/Renneberg im BIBB-Datenreport 2018 wurden ausschließlich die Determinanten der Wahl einer dualen Berufsausbildung untersucht. Die abhängige Variable wird in diesem Beitrag erweitert und bezieht sich auf alle Arten der beruflichen Ausbildung (inkl. duale Berufsausbildung, schulische Ausbildung und Beamtenausbildung). Studienberechtigte, die bereits vor oder mit Erhalt der Hochschulreife eine berufliche Ausbildung abgeschlossen haben, werden aus den Analysen ausgeschlossen. Ebenso finden Studienberechtigte, die in einer Erwerbstätigkeit waren oder diese als nächsten Schritt planten bzw. noch gar keine Vorstellungen zum weiteren Werdegang hatten, in den Analysen keine Berücksichtigung.194

Als unabhängige Variablen werden neben soziodemografischen Merkmalen (Geschlecht, Bildungsherkunft und Migrationshintergrund) die Region des Erwerbs der Hochschulreife (West/Ost) und als bildungsbiografische Merkmale Schul- und Hochschulreifeart sowie die Schulabschlussnote berücksichtigt. Für die Abbildung der Erfolgswahrscheinlichkeit wird die subjektive Einschätzung der Studienberechtigten, eine Berufsausbildung erfolgreich bewältigen zu können, einbezogen. Die Einschätzung der Erfolgschance für eine berufliche Ausbildung wird dabei in Relation zur Einschätzung der Erfolgschance für ein Studium betrachtet.

Zur Abbildung der Kostenüberlegungen im Entscheidungsprozess werden zum einen monetäre Kosten über die Frage berücksichtigt, wie schwer es den Befragten und deren Familie fallen würde, Kosten für verschiedene Dinge während einer beruflichen Ausbildung und eines Studiums zu übernehmen. Zum anderen werden Opportunitätskosten über die Einschätzung des Einkommensverlusts während einer beruflichen Ausbildung und eines Studiums abgebildet. Hierzu wird jeweils eine Differenz zur Einschätzung der Kosten während einer Ausbildung und eines Studiums gebildet, bei der positive Werte für höher eingeschätzte Kosten während einer Ausbildung und negative Werte für höher eingeschätzte Kosten während eines Studiums stehen.

Die Untersuchung der Motive von Studierenden und Auszubildenden für die Wahl ihres nachschulischen Werdegangs von Mentges/Renneberg im BIBB-Datenreport 2018 hat gezeigt, dass nicht alle Motive für Studierende und Auszubildende von gleicher Relevanz sind. Bei Studierenden überwog vor allem das Interesse an wissenschaftlicher Arbeit und bei Auszubildenden stellten sich vor allem die Neigung zu praktischen Tätigkeiten sowie der Wunsch nach baldiger finanzieller Unabhängigkeit heraus. Diese Ergebnisse sollen in der Abbildung der Ertragsüberlegungen berücksichtigt werden. Zunächst wird betrachtet, inwieweit Interesse an einer Tätigkeit in der Forschung oder praktischen Tätigkeiten besteht (intrinsische Erträge). Als extrinsische Erträge werden das Motiv nach baldiger finanzieller Unabhängigkeit und die relative Einschätzung der Aussicht auf einen gut bezahlten Job einbezogen. Die vorgenommene Einschätzung der persönlichen Aussichten auf einen gut bezahlten Job nach Abschluss einer beruflichen Ausbildung wird in Relation zur eingeschätzten Aussicht mit einem Studienabschluss betrachtet. In einer neueren Studie haben Breen/van de Werfhorst/Jæger (2014) das theoretische Modell zur Kosten-Nutzen-Überlegung erweitert und neben den Erträgen die Zeitpräferenz für die antizipierten Erträge berücksichtigt. Diese bildet ab, welches Gewicht Studienberechtigte zum Beispiel baldigen Erträgen gegenüber weiter in der Zukunft liegenden höheren Erträgen längerer Bildungswege beimessen. Eine entsprechende Abfrage fand auch in der Befragung der Studienberechtigten 2018 statt und wird in der folgenden Analyse ebenfalls berücksichtigt.

Die metrischen Determinanten wurden im Vorfeld der Analyse z-standardisiert. In den Modellen werden durchschnittliche marginale Effekte berichtet Tabelle A8.4-4. Für kategoriale Determinanten geben diese an, um wie viele Prozentpunkte sich die Wahrscheinlichkeit, eine berufliche Ausbildung aufzunehmen bzw. sicher zu planen, durchschnittlich im Vergleich zur jeweiligen Referenzkategorie verändert. Bezogen auf die metrischen Determinanten geben sie die durchschnittliche Veränderung der Wahrscheinlichkeit an, dass eine Entscheidung zugunsten einer beruflichen Ausbildung getroffen wird, wenn sich die unabhängige Variable um eine Standardabweichung erhöht.

Tabelle A8.4-4: Determinanten der Wahl einer beruflichen Ausbildung als nachschulischer Werdegang (binäre logistische Regression)1

Im ersten Modellschritt sind zunächst nur die soziodemografischen Merkmale enthalten. Es zeigt sich, dass Studienberechtigte aus einem akademischen Haushalt eine um 15 Prozentpunkte geringe Wahrscheinlichkeit haben, eine berufliche Ausbildung aufzunehmen als Studienberechtigte, deren Eltern keinen akademischen Abschluss erlangt haben. Gleiches gilt für Studienberechtigte mit Migrationshintergrund, die im Vergleich zu Studienberechtigten ohne Migrationshintergrund eine niedrigere Wahrscheinlichkeit haben, sich für eine berufliche Ausbildung zu entscheiden (AME = -0,10). Ferner zeigen im ersten Modell auch das Geschlecht und die Region des Erwerbs der Hochschulreife einen signifikanten Zusammenhang mit der Entscheidung, nach dem Schulabschluss eine Berufsausbildung aufzunehmen. So weisen Frauen im Vergleich zu Männern (AME = 0,03) und Studienberechtigte aus Westdeutschland im Vergleich zu Studienberechtigten aus Ostdeutschland (AME = 0,06) eine höhere Wahrscheinlichkeit auf, eine berufliche Ausbildung dem Studium vorzuziehen.

Die bildungsbiografischen Merkmale der Schul- und Hochschulreifeart, die hier als kombinierte Variable dargestellt werden, werden in einem zweiten Modellschritt einbezogen. Im Vergleich zur Referenzgruppe der Studienberechtigten, die ihre Hochschulreife an einer allgemeinbildenden Schule erworben haben, ist für Studienberechtigte von beruflichen Schulen sowohl mit Abschluss einer allgemeinen Hochschulreife (AME = 0,07) als auch mit Fachhochschulabschluss (AME = 0,26) die Wahrscheinlichkeit höher, nach Schulabschluss eine duale Berufsausbildung zu wählen. Dies lässt sich u. a. damit begründen, dass die beruflichen Schulen bereits während der Schulzeit eine höhere Praxisorientierung haben und der Einstieg in die berufliche Ausbildung erleichtert wird.

In dritten Modellschritt werden leistungsbezogene Merkmale in die Analyse aufgenommen. Hierbei wird ersichtlich, dass die Wahrscheinlichkeit, eine berufliche Ausbildung aufzunehmen oder sicher zu planen, umso geringer ausfällt, je besser die Schulabschlussnote ist (AME = -0,08). Zudem erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, eine berufliche Ausbildung aufzunehmen, je positiver die Studienberechtigten ihre eigenen Erfolgschancen in einer beruflichen Ausbildung im Vergleich zu einem Studium einschätzen (AME = 0,11). Unter Berücksichtigung der leistungsbezogenen Merkmale werden sowohl die Koeffizienten der Bildungsherkunft, als auch der Schul- und Hochschulreifeart (insbesondere für Studienberechtigte, die eine Fachhochschulreife an einer beruflichen Schule absolviert haben) deutlich kleiner. Die höhere Wahrscheinlichkeit der Studienberechtigten mit nicht akademischer Herkunft sowie der Studienberechtigten an beruflichen Schulen, eine berufliche Ausbildung zu wählen, lässt sich demnach zum Teil auch darauf zurückführen, dass sie im Schnitt schlechtere Schulleistungen haben. Auch scheinen sie ihre Chance, ein Studium erfolgreich bewältigen zu können, vergleichsweise geringer einzuschätzen als die Chance, eine Berufsausbildung erfolgreich zu beenden.

Die Ertrags- und Kostenüberlegungen stehen ebenfalls in einem signifikanten Zusammenhang mit der Entscheidung für eine berufliche Ausbildung. Werden die direkten Kosten während einer beruflichen Ausbildung höher eingeschätzt als bei einem Studium, fällt die Wahrscheinlichkeit, eine berufliche Ausbildung zu wählen, geringer aus (AME = -0,02). Gleiches zeigt sich für die Einschätzung der Einkommensverluste während einer beruflichen Ausbildung im Vergleich zum Studium. Auch hier wird die Wahrscheinlichkeit, eine Berufsausbildung aufzunehmen, umso geringer, je höher die Opportunitätskosten eingeschätzt werden (AME = -0,03). Mit Blick auf die intrinsischen Ertragsüberlegungen zeigt sich erwartungsgemäß, dass das Wahlmotiv „eine Tätigkeit in der Forschung ausüben“ die Wahrscheinlichkeit, nach dem Schulabschluss eine Berufsausbildung statt eines Studiums zu wählen, umso geringer ausfällt, je bedeutender Studienberechtigten dieses Motiv für die Wahl des nachschulischen Weges ist (AME = -0,05). Im Gegensatz dazu steht die Bedeutung des Motivs „Neigung zu praktischer Tätigkeit“ in einem positiven Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit, dass eine Bildungsentscheidung zugunsten einer Berufsausbildung getroffen wird (AME = 0,06). Darüber hinaus haben auch die extrinsischen Ertragsüberlegungen eine signifikante Bedeutung für die Wahl des nachschulischen Bildungsweges. So entscheiden sich Studienberechtigte, für die das Wahlmotiv der „baldigen finanziellen Unabhängigkeit“ im Entscheidungsprozess eine größere Bedeutung hat, häufiger für eine Berufsausbildung (AME = 0,07). Wird die Aussicht auf einen gut bezahlten Job durch einen Berufsausbildungsabschluss höher eingeschätzt als mit einem Studienabschluss, so begünstigt dies ebenfalls die Entscheidung für eine berufliche Ausbildung (AME = 0,04). Der Koeffizient des Geschlechts ist unter Kontrolle der Ertrags- und Kostenüberlegungen nicht mehr signifikant. Dies deutet darauf hin, dass Frauen die Kosten eines Studiums höher und die Studienerträge geringer einschätzen als Männer und sich deshalb häufiger für eine Berufsausbildung entscheiden (vgl. Lörz/Schindler 2011).

Im letzten Modellschritt wird schließlich die Zeitpräferenz für Bildungserträge als weitere Komponente in der Spezifikation berücksichtigt. Dahinter steht die Annahme, dass sich Studienberechtigte eher für einen längeren Bildungsweg (bspw. in Form eines Studiums) entscheiden, wenn sie weiter in der Zukunft liegenden höheren Erträgen ein größeres Gewicht beimessen als baldigen Erträgen, die dafür jedoch geringer ausfallen. Mit Blick auf das fünfte Modell zeigt sich, dass Studienberechtigte, die bereit sind, zunächst vier Jahre lang ein geringes Gehalt und dann dafür ein sehr hohes Gehalt zu erhalten, eher ein Studium aufnehmen als Studienberechtigte, die ein durchschnittliches Gehalt von Beginn an präferieren (AME = -0,04). Der genannte Zusammenhang ist zwar nur auf einem 10%-Niveau signifikant, deutet jedoch daraufhin, dass Personen mit Präferenz für ein baldiges und dafür geringeres Erwerbseinkommen zur Aufnahme einer Berufsausbildung tendieren.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Studienberechtigte aus einem nicht akademischen Elternhaus häufiger als Studienberechtigte aus einem akademischen Elternhaus, Studienberechtigte ohne Migrationshintergrund häufiger als Studienberechtigte mit Migrationshintergrund sowie Absolventinnen und Absolventen von beruflichen Schulen häufiger als solche von allgemeinbildenden Schulen eine berufliche Ausbildung anstatt eines Studiums als nachschulische Qualifizierung wählen. Bessere schulische Leistungen und eine höhere Einschätzung der Studienerfolgsaussichten führen hingegen dazu, dass sich die Studienberechtigen eher gegen eine berufliche Ausbildung und für ein Studium entscheiden. Zudem mindern erwartete Einkommensverluste sowie direkte Kosten einer beruflichen Ausbildung im Vergleich zum Studium die Wahrscheinlichkeit, eine berufliche Ausbildung aufzunehmen. Haben die Studienberechtigten jedoch eine Neigung zu praktischen Tätigkeiten, finden eine baldige finanzielle Unabhängigkeit wichtig oder schätzen die Aussicht auf einen gut bezahlten Job mit beruflichem Ausbildungsabschluss höher ein als mit einem Studienabschluss, dann steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich für eine berufliche Ausbildung und gegen ein Studium entscheiden.

(Hanna Mentges, Heiko Quast – Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung)

  • 193

    Absicht oder Intention bedeutet, dass die Studienberechtigten auf jeden Fall oder wahrscheinlich ein Studium bzw. eine Berufsausbildung aufnehmen möchten (jeweils gemessen auf einer 5-stufigen Skala von 1 = ja, auf jeden Fall bis 5 = nein, auf keinen Fall). Der mittlere Skalenpunkt „eventuell“ wird ebenfalls berücksichtigt, wenn Befragte gleichzeitig angegeben haben, dass sie den jeweils anderen nachschulischen Werdegang auf keinen Fall oder wahrscheinlich nicht aufnehmen möchte. Haben Befragte angekreuzt, dass sie eventuell ein Studium bzw. eine Berufsausbildung aufnehmen möchten und hatten sie auch schon eine Vorstellung über die Art des Studiums bzw. haben sie angegeben, ein Studium an einer Verwaltungsfachhochschule (= Berufsausbildung) aufnehmen zu wollen, wurde dies ebenfalls als Absicht definiert (BIBB-Datenreport 2015, Kapitel A3.3).

  • 194

    Studienberechtigte, die sich für ein duales Studium entscheiden, in dem die Möglichkeit besteht, eine berufliche Ausbildung parallel zum Studium abzuschließen, erhalten auf der abhängigen Variable den Wert fürs Studium (=0), da dies der höhere Qualifizierungsabschluss ist. Personen, die zunächst nur eine berufliche Ausbildung abschließen und sich erst in Zukunft ein Studium als nächsten Bildungsweg vorstellen können, erhalten hingegen den Wert für berufliche Ausbildung (=1), da dies der nächste Qualifizierungsschritt ist.