BP:
 

Auszubildende in der dualen Berufsausbildung haben gegenüber ihrem Ausbildungsbetrieb einen rechtlichen Anspruch auf eine angemessene und mit fortschreitender Berufsausbildung, mindestens jährlich, ansteigende Vergütung (§ 17 BBiG). Diese Vergütung muss in Form einer Geldleistung erfolgen und hat drei Funktionen: Sie soll einen spürbaren Teil der Lebenshaltungskosten der Auszubildenden decken und diese für ihre während der Ausbildung im Betrieb geleistete produktive Arbeit entlohnen. Zugleich soll sie die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten (vgl. Lakies/Malottke 2021). Die Ausbildungsvergütungen sind für die Auszubildenden von erheblicher finanzieller Bedeutung. Gleichzeitig stellen sie für die Betriebe den größten Kostenfaktor bei der Durchführung der Ausbildung dar. Auf die Personalkosten der Auszubildenden (Bruttoausbildungsvergütungen und gesetzliche, tarifliche und freiwillige Sozialleistungen) entfielen nach den Daten der sechsten BIBB-Kosten-Nutzen-Erhebung zur betrieblichen Ausbildung für das Ausbildungsjahr 2017/2018 61 % der betrieblichen Ausbildungskosten (vgl. Wenzelmann/Schönfeld 2022; BIBB-Datenreport 2020, 2021, Kapitel A9.2). Der Anteil der Ausbildungsvergütungen machte 45 % aus.

Tarifliche Vereinbarungen zu den Ausbildungsvergütungen

Tarifvereinbarungen über die Höhe der Ausbildungsvergütungen werden zwischen den Tarifpartnern (Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften) i. d. R. für einzelne Branchen in bestimmten Regionen190 vereinbart. Es gibt auch Tarifverträge für einzelne Unternehmen. Der Geltungsbereich einer Tarifvereinbarung wird als Tarifbereich bezeichnet. Normalerweise wird in den Vereinbarungen nicht zwischen Ausbildungsberufen unterschieden.191 Innerhalb einer Branche hängt die Vergütungshöhe also nicht davon ab, welchen Beruf die Auszubildenden lernen. Allerdings gibt es regionale Vergütungsunterschiede, z. B. zwischen West- und Ostdeutschland oder nach Bundesländern. Auch zwischen den Branchen bestehen beträchtliche Unterschiede in der Höhe der tariflichen Ausbildungsvergütungen. Insgesamt kann die Vergütung in ein und demselben Beruf stark variieren, je nachdem, welcher Branche der Ausbildungsbetrieb angehört und in welcher Region er sich befindet. Tarifgebundene Betriebe192 müssen ihren Auszubildenden mindestens die in ihrem Tarifbereich vereinbarten Beträge zahlen; niedrigere Vergütungen sind unzulässig, übertarifliche Zuschläge aber möglich.

Ausbildungsbetriebe sind nach dem BBiG (§ 17) zur Zahlung einer angemessenen Ausbildungsvergütung verpflichtet. Tariflichen Vereinbarungen über die Höhe der Ausbildungsvergütungen kommt bei der Bestimmung der Angemessenheit einer Ausbildungsvergütung eine besondere Bedeutung zu. Sie gelten grundsätzlich als angemessen, weil sie von Tarifvertragsparteien ausgehandelt wurden und daher davon auszugehen ist, dass die Interessen beider Seiten hinreichend berücksichtigt worden sind (vgl. Lakies/Malottke 2021).193 2020 wurde eine Mindestausbildungsvergütung eingeführt (§ 17 BBiG), die die untere Grenze für eine angemessene Vergütung festlegt. Eine jährliche Erhöhung ist vorgesehen. Tarifvertragliche Regelungen sind allerdings von der Mindestausbildungsvergütung ausgenommen. Sieht ein Tarifvertrag eine Ausbildungsvergütung unterhalb der Mindestausbildungsvergütung vor, dürfen tarifgebundene Betriebe sich nach diesem Tarifvertrag richten. Gesetzlich festgelegt wurde auch die schon zuvor angewandte 20 %-Regel, wonach nicht tarifgebundene Betriebe von den für ihre Branche und Region geltenden tariflichen Sätzen194 um maximal 20 % nach unten abweichen dürfen, allerdings höchstens bis zur Grenze, die die Mindestausbildungsvergütung vorgibt. Da sich auch die nicht tarifgebundenen Betriebe häufig freiwillig an den tariflichen Beträgen orientieren, haben tarifliche Regelungen einen starken Einfluss auf die tatsächliche Höhe der Ausbildungsvergütungen.

BIBB-Auswertung der tariflichen Ausbildungsvergütungen

Das BIBB beobachtet und analysiert seit 1976 die Entwicklung der tariflichen Ausbildungsvergütungen. Seit 1992 werden auch die ostdeutschen Bundesländer einbezogen. Grundlage der Auswertungen sind die geltenden Vereinbarungen zu den Ausbildungsvergütungen in rd. 500 Tarifbereichen Deutschlands. Jährlich zum Stand 1. Oktober werden die aktuellen Angaben zu den Vergütungssätzen vom BMAS aus dem dort geführten Tarifregister zusammengestellt und durch vom BIBB recherchierte Verträge ergänzt, die noch nicht beim Tarifregister gemeldet wurden, aber bereits gültig sind. Diese Tarifdaten werden der Berufsbildungsstatistik (Kapitel A5.1) zugespielt. Unter Nutzung der in ihr enthaltenen Informationen zum Wirtschaftszweig des ausbildenden Betriebs, zum Ausbildungsberuf und zur Region wird jedem Ausbildungsverhältnis bzw. jeder/jedem Auszubildenden in der Berufsbildungsstatistik genau ein Tarifvertrag zugeordnet, der theoretisch Gültigkeit besitzen könnte.195 Für die Auswertung für das Jahr 2021 konnten 82 % der Auszubildenden ein Tarifvertrag und die darin enthaltenen Ausbildungsvergütungen zugewiesen werden. Für die verbliebenen Fälle liegt entweder tatsächlich kein Tarifvertrag vor196 oder er ist nicht in der BMAS-Liste und den zusätzlich recherchierten Tarifverträgen enthalten.

Die Berufsbildungsstatistik enthält keine Information über die Tarifbindung des ausbildenden Betriebs. Daher wird tendenziell zu vielen Auszubildenden ein Tarifvertrag zugewiesen. Da nicht alle Tarifverträge einbezogen werden können, kann es aber auch Branchen geben, in denen mehr Auszubildende in tarifgebundenen Betrieben ausgebildet werden, als durch das praktizierte Verfahren identifiziert werden konnten. Um diese Unterschiede auszugleichen, werden in die Berechnung der durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütungen Daten zum Anteil der Beschäftigten in tarifgebundenen Betrieben differenziert nach Branchen und Ost- und Westdeutschland aus dem IAB-Betriebspanel einbezogen. Insgesamt galt 2020197 für 26 % der Betriebe in Deutschland ein Branchen- oder Haustarifvertrag; 51 % der Beschäftigten arbeiteten in diesen Betrieben. In Westdeutschland waren 28 % der Betriebe tarifgebunden, in Ostdeutschland 18 %. Die entsprechenden Anteile der Beschäftigten lagen bei 53 % (Westdeutschland) bzw. 43 % (Ostdeutschland) (vgl. Ellguth/Kohaut 2021).

Bei der Ermittlung der Gesamtdurchschnittswerte werden grundsätzlich alle Ausbildungsberufe einbezogen, die nach BBiG/HwO im dualen System der Berufsausbildung, d. h. in Betrieb und Berufsschule, ausgebildet werden, und für die Tarifinformationen vorliegen.198 Durchschnittswerte können nach verschiedenen Merkmalen wie Beruf, Region, Ausbildungsjahr oder Ausbildungsbereich berechnet werden. Alle diese Werte stellen aber immer eine Schätzung dar, da keine Informationen vorliegen, wie viele Auszubildende eines Berufs von den einzelnen Tarifverträgen tatsächlich betroffen sind. Die tatsächlich gezahlten Ausbildungsvergütungen können im individuellen Fall erheblich vom tariflichen Durchschnittswert des betreffenden Berufs abweichen (vgl. zusammenfassend zur Methodik der Berechnung der tariflichen Ausbildungsvergütungen Wenzelmann/Schönfeld 2020).

Tarifliche Ausbildungsvergütungen 2021

Im Jahr 2021 lagen die tariflichen Ausbildungsvergütungen im Gesamtdurchschnitt bei 987 €199 pro Monat Tabelle A9.1-1. Sie erhöhten sich gegenüber dem Vorjahr um durchschnittlich 2,5 %. In Westdeutschland betrugen die Vergütungen durchschnittlich 989 €, in Ostdeutschland 965 €. Die Anstiege waren mit 2,8 % im Osten und 2,5 % im Westen fast gleich hoch. Somit wurden in Ostdeutschland 2021 98 % der westdeutschen Vergütungshöhe erreicht (vgl. zu den Ergebnissen für 2021 Schönfeld/Wenzelmann 2022).

Tabelle A9.1-1: Tarifliche Ausbildungsvergütungen 2021 (durchschnittliche monatliche Bruttobeträge in €) und prozentualer Anstieg im Vergleich zu 2020 nach verschiedenen Merkmalen

In den letzten beiden Jahren hat sich der Anstieg der tariflichen Ausbildungsvergütungen im gesamtdeutschen Durchschnitt mit 2,5 % (2021) bzw. 2,6 % (2020) deutlich abgeschwächt. Zuvor lagen die Zuwachsraten seit 2011 mit Ausnahme des Jahres 2017 (2,6 %) meist deutlich über 3,0 %, in den Jahren 2012 bis 2014 sogar über 4,0 % (BIBB-Datenreport 2020, Kapitel A9.1 und Beicht 2019 für einen Überblick über die langfristige Entwicklung der tariflichen Ausbildungsvergütungen differenziert nach Ost- und Westdeutschland). Seit dem Frühjahr 2020 standen die Tarifverhandlungen im Zeichen der Coronapandemie. Dies führte in einer Reihe von Branchen neben Verschiebungen von Tarifabschlüssen zu einer Konzentration auf Beschäftigungsabsicherung bzw. auf die Abmilderung von Folgen der wirtschaftlichen Einschränkungen200 und hatte insgesamt eine dämpfende Wirkung auf die Höhe der Lohnsteigerungen. So ermittelte das WSI für neue Lohnabschlüsse im Jahr 2021 eine durchschnittliche Tariferhöhung von 1,5 %, die geringer ausfiel als für Tarifverträge, die 2020 oder früher mit Gültigkeit für 2021 abgeschlossen wurden (2,0 %; vgl. Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung 2021). Da über die Erhöhungen der Ausbildungsvergütungen in der Regel im Rahmen der allgemeinen Tarifverhandlungen zu den Löhnen und Gehältern der Beschäftigten verhandelt wird, gelten die Befunde in ähnlicher Weise auch für die tariflichen Ausbildungsvergütungen.

Einfluss auf die Höhe des Anstiegs der tariflichen Ausbildungsvergütungen hat auch die durch die Coronapandemie veränderte Lage am Ausbildungsmarkt. Hier kam es im Ausbildungsjahr 2020/2021 zu einem überdurchschnittlichen Rückgang der Neuabschlüsse von Ausbildungsverträgen (vgl. Oeynhausen u. a. 2021). Dies führte zu Verschiebungen in der Zahl der Auszubildenden in den einzelnen Ausbildungsjahren sowie zwischen weniger und stärker von der Pandemie betroffenen Branchen. So hat bei der Gesamtdurchschnittsberechnung über alle Ausbildungsjahre hinweg die Zahl der Auszubildenden im zweiten bis vierten Ausbildungsjahr ein höheres Gewicht als in den Vorjahren. Besonders große Rückgänge bei der Zahl der Auszubildenden gab es in einigen Branchen mit eher niedrigen tariflichen Ausbildungsvergütungen (z. B. Tourismus und Gastronomie). Rund 0,5 % des berechneten Anstiegs der tariflichen Ausbildungsvergütungen 2021 lässt sich auf die veränderte Verteilung der Auszubildenden nach Branchen und Ausbildungsjahren im Vergleich zu 2020 zurückführen (vgl. Schönfeld/Wenzelmann 2022).

Die tariflichen Ausbildungsvergütungen zum Stand 1. Oktober 2021 unterschieden sich zwischen den einzelnen Ausbildungsberufen deutlich (vgl. für einen Gesamtüberblick die Berufetabellen unter https://www.bibb.de/ausbildungsverguetung).201 Für 17 Berufe wurden Gesamtdurchschnittswerte von mehr als 1.100 € ermittelt. An der Spitze lag wie im Vorjahr der Beruf Zimmerer/Zimmerin mit 1.251 €. Außerdem gehörten zu dieser Gruppe aus dem Handwerksbereich die Berufe Gerüstbauer/-in (1.121 €), Beton- und Stahlbetonbauer/-in (1.142 €), Straßenbauer/-in (1.177 €), Stuckateur/-in (1.190 €), Maurer/-in (1.196 €) und Fliesen-, Platten- und Mosaikleger/-in (1.198 €), aus dem Bereich Industrie und Handel die Berufe Beton- und Stahlbetonbauer/-in (1.104 €), Anlagenmechaniker/-in (1.105 €), Pharmakant/-in (1.106 €), Chemikant/-in (1.115 €), Kaufmann/-frau für Versicherungen und Finanzen (1.135 €), Lacklaborant/-in (1.137 €), Bankkaufmann/-frau (1.138 €), Straßenbauer/-in (1.158 €) und Rohrleitungsbauer/-in (1.172 €) sowie aus dem Ausbildungsbereich Öffentlicher Dienst der Beruf Sozialversicherungsfachangestellte/-r (1.115 €). Die Ergebnisse zeigen, dass hohe Vergütungen nicht auf bestimmte Ausbildungsbereiche begrenzt sind.

Unter den 22 Berufen mit tariflichen Vergütungsdurchschnitten von weniger als 800 € befanden sich 17 Handwerksberufe. Zu ihnen gehörten bspw. die Berufe Tischler/-in (786 €), Land- und Baumaschinenmechatroniker/-in (778 €), Fachverkäufer/-in im Lebensmittelhandwerk (776 €), Bäcker/-in (744 €) und Schornsteinfeger/-in (719 €). In den vier Handwerksberufen Parkettleger/-in (688 €), Bodenleger/-in (686 €), Friseur/-in (650 €) und Orthopädieschuhmacher/-in (637 €) wurden im Durchschnitt über alle Ausbildungsjahre sogar weniger als 700 € gezahlt. Im Handwerk zeigte sich also eine große Bandbreite bei der Höhe der tariflichen Ausbildungsvergütungen mit hohen Vergütungen insbes. im Bauhauptgewerbe und niedrigen Vergütungen bspw. im Lebensmittelbereich oder bei persönlichen Dienstleistungen.

Tarifliche Vergütungen von weniger als 800 € wurden auch für zwei der vier Berufe, für die Daten aus dem Ausbildungsbereich der Freien Berufe202 vorliegen, berechnet. Sie lagen im Beruf Tiermedizinische/-r Fachangestellte/-r bei 744 € und im Beruf Pharmazeutisch-kaufmännische/-r Angestellte/-r bei 787 €. Die Werte für die Berufe Zahnmedizinische/-r Fachangestellte/-r (932 €) und Medizinische/-r Fachangestellte/-r (943 €) waren deutlich höher. Im Ausbildungsbereich Landwirtschaft wurden tarifliche Vergütungen von weniger als 800 € für die Berufe Winzer/-in (770 €) und Tierwirt/-in (787 €) ermittelt. Im Beruf Gärtner/-in, dem besetzungsstärksten Ausbildungsberuf in diesem Bereich, lag die durchschnittliche Vergütung mit 993 € nahe beim gesamtdeutschen Durchschnittswert von 987 €. Im Ausbildungsbereich Industrie und Handel gab es mit dem Floristen/der Floristin (789 €) lediglich einen Beruf, in dem weniger als 800 € gezahlt wurde. In diesem Ausbildungsbereich lagen die tariflichen Vergütungsdurchschnitte in den meisten Berufen über 1.000 €, nur bei weniger als einem Drittel darunter. Dies betraf vor allem Berufe aus dem Hotel- und Gaststättenbereich sowie aus dem Wirtschaftszweig Verkehr und Lagerei.

Die durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütungen in Ost- und Westdeutschland nähern sich immer weiter an. In einigen Branchen gibt es bereits seit längerer Zeit für Deutschland einheitliche Tarifvereinbarungen, z. B. in der privaten Versicherungswirtschaft, im privaten Bankgewerbe oder im Bäcker-, Dachdecker- und Gerüstbauerhandwerk. In anderen Branchen bzw. Berufen bestehen jedoch auch 2021 weiterhin größere Unterschiede mit i. d. R. niedrigeren Vergütungsdurchschnitten in Ostdeutschland. Im Beruf Friseur/-in lag der ostdeutsche Wert z. B. 37 % unter dem westdeutschen Wert.203 Auch in Berufen aus dem Baubereich bestanden größere Vergütungsunterschiede. So waren in den Berufen Zimmerer/Zimmerin, Maurer/-in und Fliesen-, Platten- und Mosaikleger/-in die ostdeutschen Ausbildungsvergütungen rd. 20 % niedriger als im Westen. Kaum Unterschiede gab es hingegen – neben den bereits erwähnten Branchen mit bundeseinheitlichen Tarifvereinbarungen – in Berufen wie Gärtner/-in, Immobilienkaufmann/-frau, Medizinische/-r Fachangestellte/-r oder Pharmakant/-in.

Differenziert man nach den verschiedenen Ausbildungsbereichen, wurden im Öffentlichen Dienst mit 1.095 € im gesamtdeutschen Durchschnitt die höchsten tariflichen Ausbildungsvergütungen gezahlt Tabelle A9.1-1. Überdurchschnittliche Vergütungen gab es ebenfalls im Ausbildungsbereich Industrie und Handel (1.039 €). Unterhalb des gesamtdeutschen Durchschnittswerts von 987 € lagen die anderen vier Ausbildungsbereiche. Das Handwerk verzeichnete mit 882 € im Durchschnitt die niedrigsten Vergütungen, die rd. ein Fünftel unter dem Wert des Öffentlichen Dienstes lagen. In den drei Ausbildungsbereichen Industrie und Handel, Handwerk und Landwirtschaft waren die tariflichen Ausbildungsvergütungen im Westen rd. 6 % höher als im Osten. In den Freien Berufen war die Differenz mit etwa 3 % halb so hoch. Im Öffentlichen Dienst gibt es bereits seit vielen Jahren keine Unterschiede.204 Die tariflichen Ausbildungsvergütungen stiegen im Vergleich zum Jahr 2020 in der Landwirtschaft (+4,2 %) und im Handwerk (+3,8 %) stärker als im Gesamtdurchschnitt (+2,5 %). In Industrie und Handel (+2,2 %), in den Freien Berufen (+2,1 %), im Öffentlichen Dienst (+1,8 %) und in der Hauswirtschaft (+1,4 %) waren hingegen unterdurchschnittliche Anstiege zu verzeichnen.

In den Tarifvereinbarungen werden grundsätzlich keine Unterschiede nach Geschlecht gemacht. Dennoch treten bei einer Durchschnittsbetrachtung Unterschiede in der Höhe der tariflichen Ausbildungsvergütungen zutage. Diese erklären sich durch die gewählten Berufe. So lernen z. B. im Handwerksbereich viele Frauen den Beruf Friseur/-in, in dem die tarifliche Vergütung besonders niedrig ist. In Handwerksberufen mit besonders hohen Vergütungen wie bspw. Maurer/-in werden dagegen fast ausschließlich Männer ausgebildet. Andererseits gibt es auch Berufe mit hohen Vergütungen, in denen überwiegend Frauen ausgebildet werden, bspw. der Beruf Sozialversicherungsfachangestellte/-r, und Berufe mit eher geringen Vergütungen mit hohen Männeranteilen. Ein Beispiel hierfür ist der Beruf Bäcker/-in.

In der Durchschnittsbetrachtung ergaben sich 2021 für männliche Auszubildende mit 992 € leicht höhere tarifliche Ausbildungsvergütungen als für weibliche Auszubildende mit 978 € Tabelle A9.1-1. Die Differenz machte 1,4 % aus und verringerte sich gegenüber 2020 um 0,2 Prozentpunkte. In Westdeutschland war die Differenz zugunsten der männlichen Auszubildenden mit 1,7 % ähnlich hoch wie im gesamtdeutschen Durchschnitt. In Ostdeutschland erzielten die weiblichen Auszubildenden mit 975 € im Durchschnitt etwas höhere tarifliche Ausbildungsvergütungen als die männlichen Auszubildenden mit 960 €.

Nach Ausbildungsbereichen zeigten sich vor allem im Handwerk größere Unterschiede nach Geschlecht. Hier kamen die männlichen Auszubildenden auf eine durchschnittliche tarifliche Ausbildungsvergütung von 901 €, die weiblichen Auszubildenden auf 781 €. Die Vergütungen der männlichen Auszubildenden waren somit etwa 15 % höher als die der Frauen. In den anderen Ausbildungsbereichen waren die Abstände deutlich geringer. In der Landwirtschaft betrug die Differenz zugunsten der Männer rd. 5 %, in Industrie und Handel rd. 2 %. So verdienten die männlichen Auszubildenden in der Landwirtschaft im Durchschnitt 947 €, die weiblichen Auszubildenden 899 €. Die entsprechenden Werte in Industrie und Handel waren 1.044 € (Männer) bzw. 1.028 € (Frauen). In den Freien Berufen wiesen die weiblichen Auszubildenden mit 912 € höhere Durchschnittswerte als die männlichen Auszubildenden mit 888 € auf.205

Bei allen bisher genannten Beträgen handelt es sich jeweils um die durchschnittlichen tariflichen Vergütungen während der gesamten in der Ausbildungsordnung festgelegten Ausbildungsdauer der Berufe. Gesetzlich festgelegt ist eine mit jedem Ausbildungsjahr ansteigende Erhöhung der Ausbildungsvergütungen (§ 17 BBiG). Vom ersten zum zweiten Ausbildungsjahr sowie vom zweiten auf das dritte Ausbildungsjahr erhöhten sich die tariflichen Vergütungen in Deutschland jeweils im Durchschnitt um 10 % (vgl. für die Durchschnittswerte nach Ausbildungsjahren Tabelle A9.1-1). Der Vergütungsdurchschnitt für das vierte Ausbildungsjahr basiert ausschließlich auf den relativ wenigen Berufen mit einer dreieinhalbjährigen Ausbildungsdauer und ist somit nicht unmittelbar mit den Werten der anderen Ausbildungsjahre vergleichbar.

Rund die Hälfte der Auszubildenden, die in einem tarifgebundenen Betrieb lernten, erhielt 2021 eine Ausbildungsvergütung von mehr als 1.000 €, 7 % erhielten sogar mehr als 1.200 € Schaubild A9.1-1. Bei 35 % der Auszubildenden lagen die Vergütungen zwischen 801 € und 1.000 €. Für 16 % der Auszubildenden wurden Vergütungen unterhalb von 800 € ermittelt. Betrachtet man die Verteilung in den verschiedenen Ausbildungsbereichen, wird deutlich, dass im Öffentlichen Dienst 2021 alle Auszubildenden mehr als 1.000 € verdienten. In Industrie und Handel gehörten etwa zwei Drittel der Auszubildenden zu dieser Gruppe. In den anderen Ausbildungsbereichen waren die entsprechenden Anteile deutlich niedriger, am geringsten in den Freien Berufen, wo für lediglich 6 % der Auszubildenden eine tarifliche Vergütung von mehr als 1.000 € ermittelt wurde. Schaut man auf die andere Seite der Vergütungsklassen, war im Handwerk der Anteil der Auszubildenden mit Vergütungen unterhalb von 800 € mit 39 % besonders hoch. In der Landwirtschaft betraf dies 23 % der Auszubildenden, in den Freien Berufen 15 %, in der Hauswirtschaft 12 % und in Industrie und Handel lediglich 6 %.

(Gudrun Schönfeld, Felix Wenzelmann)

Schaubild A9.1-1: Tarifliche Ausbildungsvergütungen – Verteilung der Auszubildenden nach Vergütungsklassen und Ausbildungsbereichen 2021 (Anteil in %)

  • 190

    Es gibt insbesondere im Handwerk sowie im Dienstleistungssektor Bereiche, in denen die Ausbildungsvergütungen nicht in allen, sondern nur in einzelnen Regionen tariflich geregelt sind oder in denen überhaupt keine tariflichen Vereinbarungen zu den Ausbildungsvergütungen geschlossen werden.

  • 191

    In einigen wenigen Tarifbereichen erfolgt eine Differenzierung nach Berufsgruppen, wobei der Tarifvertrag meist zwischen gewerblichen und kaufmännischen Berufen unterscheidet, z. B. im Bauhauptgewerbe.

  • 192

    Eine Tarifbindung liegt i.d.R. dann vor, wenn der Betrieb dem tarifschließenden Arbeitgeberverband einer Branche angehört oder wenn für den Betrieb ein gesonderter Firmentarifvertrag abgeschlossen wurde. In eher seltenen Fällen werden Tarifvereinbarungen in einer Branche durch das BMAS für allgemeinverbindlich erklärt, dann gelten die tariflichen Regelungen ohne Ausnahme für alle Betriebe des betreffenden Bereichs.

  • 193

    Lediglich in Einzelfällen kann eine tarifvertragliche Regelung unangemessen sein, insbesondere bei einem geringen Organisationsgrad der Gewerkschaft, wie er z. B. bei christlichen Gewerkschaften gegeben ist. Sie werden bei den BIBB-Auswertungen der tariflichen Ausbildungsvergütungen nicht berücksichtigt, da ihnen von Gerichten in mehreren Fällen die Tariffähigkeit aberkannt wurde.

  • 194

    Gibt es in der Region keine tarifvertragliche Regelung, sind branchenübliche Sätze des Wirtschaftszweigs zugrunde zu legen bzw. Empfehlungen der zuständigen Kammern (vgl. Lakies/Malottke 2021).

  • 195

    Beispiel: Eine Auszubildende/ein Auszubildender ist in einem Betrieb in Hessen im Wirtschaftszweig „Herstellung von chemischen Erzeugnissen“ beschäftigt. Daher bekommt sie/er den Tarifvertrag der chemischen Industrie Hessen zugeordnet, unabhängig davon, welchen Beruf sie/er erlernt. Die Information, ob in dem Ausbildungsbetrieb tatsächlich ein Tarifvertrag gültig ist, liegt in der Berufsbildungsstatistik nicht vor.

  • 196

    So gibt es für einige stark besetzte Ausbildungsberufe (z. B. Rechtsanwaltsfachangestellte/-r, Steuerfachangestellte/-r, Zahntechniker/-innen) oder Dienstleistungsbereiche (z. B. Werbebranche) bisher keine tariflichen Vereinbarungen zu den Ausbildungsvergütungen.

  • 197

    Daten für 2021 lagen zum Berechnungszeitpunkt noch nicht vor.

  • 198

    Nicht berücksichtigt werden Ausbildungsverhältnisse, die durch staatliche Programme oder auf gesetzlicher Grundlage mit öffentlichen Mitteln finanziert werden (z. B. außerbetriebliche Ausbildung), da bei ihnen die tariflichen Ausbildungsvergütungen nicht gelten. Für diese Ausbildungsverhältnisse werden die gezahlten Ausbildungsvergütungen in den Programmrichtlinien bzw. im Gesetz festgelegt. Sie liegen i. d. R. niedriger als die tariflichen Sätze.

  • 199

    Bei den tariflichen Ausbildungsvergütungen handelt es sich um Bruttobeträge, für die Sozialversicherungsbeiträge anfallen. Gegebenenfalls erfolgt auch ein Lohnsteuerabzug, wenn der Grundfreibetrag mit dem Gesamteinkommen (Ausbildungsvergütung und gegebenenfalls sonstige Einkünfte) überschritten ist.

  • 200

    Die in vielen Branchen auch für Auszubildende vereinbarten steuerfreien Corona-Sonderzahlungen können bei der Berechnung der tariflichen Ausbildungsvergütungen nicht berücksichtigt werden, da diese sich alleine auf die vereinbarten monatlichen Vergütungen beziehen.

  • 201

    Hier werden die durchschnittlichen monatlichen tariflichen Ausbildungsvergütungen in den einzelnen Ausbildungsjahren und im Durchschnitt über die gesamte Ausbildungsdauer für stärker besetzte Berufe ausgewiesen. Informationen liegen für die Berufe vor, die bereits in den Vorjahren in den Tabellen enthalten waren. Neu aufgenommen wurden Berufe, die erstmals eine Besetzungsstärke von 500 Auszubildenden erreichten, sowie Berufe, für die erstmals passende Tarifverträge vorlagen. Für Ost- und Westdeutschland werden durchschnittliche tarifliche Ausbildungsvergütungen ausgewiesen, wenn es im jeweiligen Landesteil mindestens 150 Auszubildende im betreffenden Beruf gibt und einer ausreichenden Zahl von Auszubildenden Tarifverträge zugeordnet werden konnte, die auch Auswertungen nach Ausbildungsjahren zulassen. 2021 werden in den Berufetabellen Durchschnittswerte für 173 Berufe in Westdeutschland und 115 Berufe in Ostdeutschland ausgewiesen.

  • 202

    In den Berufen Rechtsanwaltsfachangestellte/r und Steuerfachangestellte/-r werden keine tariflichen Vereinbarungen geschlossen.

  • 203

    Die in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen zum 01.10.2021 vorliegenden Tarifverträge, die 2019 abgeschlossen wurden, weisen z. B. für das erste Ausbildungsjahr Werte unterhalb von 400 € aus. Sie liegen damit unter der Mindestausbildungsvergütung von 550 € im ersten Ausbildungsjahr. Von dieser sind allerdings tarifvertragliche Regelungen ausgenommen (§ 17 BBiG).

  • 204

    Wegen zu geringer Besetzungsstärke keine Auswertung für den Ausbildungsbereich Hauswirtschaft in Ostdeutschland.

  • 205

    Keine Auswertung für den Ausbildungsbereich Hauswirtschaft aufgrund der geringen Anzahl von männlichen Auszubildenden.