BP:
 

Veränderungsbereitschaft ist Grundvoraussetzung

23.07.2025

Im BIBB-Gespräch berichten Fachleute der RWE Power AG, welche Rolle Qualifizierung im vom Strukturwandel betroffenen Rheinischen Revier einnimmt. RWE verfolgt eine konsequente Strategie in der Personalentwicklung und will Veränderungsbereitschaft als Basis für gelingende Transformation in der DNA der Belegschaft verankern.

Teilnehmende des Gesprächs: BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser, Melanie Lober, Christiane Schmitten, Marten Schlöbe , Johanna Elsässer und Luca Jelic
v.l.n.r.: BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser mit Mitarbeitenden der RWE Power AG: Melanie Lober, Christiane Schmitten, Marten Schlöbe sowie mit Johanna Elsässer und Luca Jelic (beide BIBB)

Raus aus der Kohle – das ist in Deutschland beschlossene Sache. Auch andere Länder haben Ziele für die Energiewende und wollen schauen, ob sie aus Erfahrungen aus Deutschland lernen können. In diesem Zusammenhang berät das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) zum Beispiel die indonesische Regierung, die bis 2060 klimaneutral werden möchte. Von besonderem Interesse sind hier Fragen der Umschulung und Weiterbildung von Mitarbeitenden, die in nachhaltigen Wirtschaftszweigen arbeiten möchten. Im Rahmen dieses Beratungsprojektes führte das BIBB Mitte Juli ein Fachgespräch mit Personal- und Transformationsfachleuten der RWE Power AG aus Essen. Mit dabei war auch BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser, der als Berufsbildungsexperte und Bewohner einer vom Braunkohleabbau geprägten Region in besonderer Weise an dem Gespräch interessiert war.

Perspektiven für die Mitarbeitenden bieten

Aktuell beschäftigt die RWE Power AG noch ca. 6.500 Mitarbeitende in der konventionellen Stromerzeugung aus Braunkohle. Mit dem vorgezogenen Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 im Rheinischen Revier stellt sich die Frage, wie es mit den Beschäftigten dann weitergeht. 

„Qualifizierung ist ein Schlüssel dafür, über 2030 hinaus eine adäquate Beschäftigung zu behalten. Deswegen werden wir systematisch Kompetenzen erfassen und diese mit internen sowie externen Bedarfen abgleichen, um den Mitarbeitenden Perspektiven zu bieten“, erklärt Melanie Lober, Leiterin Stab, Qualifizierung & Vermittlung bei der RWE Power AG. Wichtig sei hierbei neben einer hohen Transparenz zum Prozess allerdings der Zeitpunkt der Einbindung, um zielgerichtet und konkret die anstehenden Schritte für eine neue Aufgabe anzugehen.

“Wir werden systematisch die Kompetenzen unserer Mitarbeitenden erfassen und diese mit internen sowie externen Bedarfen abgleichen”

Melanie Lober, RWE Power AG

Wenn es jedoch so weit sei, gebe es für die Mitarbeitenden drei Möglichkeiten: „Zum einen kann es eine Zukunft bei RWE im Rheinischen Revier geben, im Bereich des Betriebs und der Instandhaltung der Onshore- oder Offshore-Windanlagen zum Beispiel. Unsere Zukunftsgeschäftsfelder werden aber keine Arbeitsplätze für alle unsere 6.500 Mitarbeitende in der Region bieten. Eine andere Möglichkeit für die Mitarbeitenden kann es daher sein, innerhalb des RWE-Konzerns eine neue Beschäftigung zu finden. Und dann wird es sicher einen Teil an Leuten geben, die wir nach außen auf den externen Arbeitsmarkt vermitteln müssen“, so Lober weiter.

Die internen Umschulungen, beispielsweise im Elektrobereich für Instandhaltung und Wartung für Photovoltaik, führt die RWE Power AG weitgehend selbst durch. „Das war früher in der Bergschule schon so, dass die Kollegen sich gegenseitig schulen“, erläutert Christiane Schmitten, Leiterin Transformation der RWE Power AG. „Hierbei legen wir Wert auf anerkannte Zertifikate, damit für die Beschäftigten auch die Anschlussfähigkeit außerhalb des Konzerns gewährleistet ist. Bei einigen Qualifikationen sind diese ohnehin vorgeschrieben, zum Beispiel nach den Standards der Global Wind Organisation.“

"Viele Mitarbeitende sind es nicht mehr gewohnt, wieder die Schulbank zu drücken“

Auf die Frage, welche Kompetenzen denn für die Transformation besonders wichtig seien, hat die Change-Expertin Schmitten eine klare Antwort: „Eine zentrale Kompetenz ist die der Flexibilität. Man sollte so früh wie möglich vermitteln, wie wichtig die Offenheit für neue Entwicklungen und Tätigkeiten ist“. Aktuell sei das beispielsweise der Umgang mit KI. Für diese Transformationsoffenheit und den Gedanken des Lebensbegleitenden Lernens brauche es eigene Konzepte: „Viele Mitarbeitende sind es nicht mehr gewohnt, wieder die Schulbank zu drücken, da die Ausbildung vielleicht schon etwas länger zurückliegt. Das stellt alle vor Herausforderungen.“

„Man sollte so früh wie möglich vermitteln, wie wichtig die Offenheit für neue Entwicklungen und Tätigkeiten ist.“

Christiane Schmitten, RWE Power AG

Ausbildung im Konzern genießt guten Ruf

RWE bildet auch weiterhin Nachwuchs in 17 dualen Ausbildungsberufen aus. Alle Ausbildungsplätze sind besetzt, und das trotz des drohenden Personalabbaus. Nach der abgeschlossenen Ausbildung wird den Jugendlichen ein Einjahresvertrag angeboten. Aber selbst der sei den jungen Leuten heute gar nicht mehr so wichtig, beobachtet Personalleiter Marten Schlöbe: „Die sagen: ‚Ich habe mit der Ausbildung eine solide Basis, mit der kann ich weiterziehen‘.“ Sorgen bereitet dem Konzern aktuell die Zukunft seiner Ausbildungszentren. Deren Standorte sollen eigentlich durch neue Kooperationspartner auch zukünftig hohe Ausbildungsqualität für die Region bieten. Hier sei aktuell noch keine Lösung in Sicht, bedauert Schlöbe.

Bei all ihren Transformationsvorhaben ist die RWE darauf angewiesen, dass alle an einem Strang ziehen: Betrieb, Betriebsrat und Beschäftigte. Und das klappe grundsätzlich sehr gut: „Uns ist klar, dass wir die Transformation nur gemeinsam schaffen können“, sagt Personalleiter Schlöbe. Zu der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Gremien gehört für RWE auch das Engagement in regionalen Netzwerken. So ist der Konzern beispielsweise gemeinsam mit dem Land NRW an der "Perspektive.Struktur.Wandel GmbH" beteiligt und engagiert sich in der Zukunftsagentur Rheinisches Revier sowie der "Jobdrehschreibe NRW". Hierbei zeige sich, dass nur ein gemeinsames Engagement von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft aus der ehemaligen Kohleregion eine attraktive Alternative schaffen kann.

Hintergründe des Gesprächs

Das Gespräch mit der RWE Power AG gliedert sich in eine Gesprächsreihe zum Thema Strukturwandel ein. In deren Rahmen kamen BIBB-Fachleute mit unterschiedlichen Akteuren zusammen, um deren Perspektive auf Transformation und Qualifikation zu beleuchten. Hierzu gehörten unter anderem auch die Bundesagentur für Arbeit in Cottbus, das Wuppertal Institut für Klima und Energie sowie der Lausitzbeauftragte des Landes Brandenburgs. Über allen Gesprächen stand die Erkenntnis: Transformation ist eine Gesellschaftsaufgabe.

Die gesammelten Erkenntnisse lässt das BIBB in seine Beratungsarbeit mit der indonesischen Regierung einfließen. Hier besteht der Plan, bis 2060 CO2-neutral zu wirtschaften, was einen Ausstieg aus fossilen Energieträgern erfordert. Das BIBB unterstützt diese Bemühungen schon jetzt mit Erkenntnissen aus den deutschen Strukturwandelregionen, die diesen Ausstieg bis 2030 (NRW) bzw. 2038 (Brandenburg) schaffen müssen.