Innovation und Transfer in der Berufsbildung
Ergebnisse der InnoVET-Begleitforschung
Welche Impulse kann die InnoVET-Begleitforschung für die Weiterentwicklung von Berufsbildungsprogrammen geben? Auf der Abschlusstagung wurden zentrale Erkenntnisse zu neuen Bildungsformaten, Innovationsprozessen und Transferstrategien präsentiert.
Unter dem Titel ‚Berufsbildung innovieren und stärken – Gestaltungsfelder und Impulse‘ präsentierte die Begleitforschung des InnoVET-Programms auf der Abschlusstagung am 20. und 21. November 2025 im BIBB in Bonn ihre Ergebnisse. Sie besteht aus jeweils einem Forschungsteams am Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) sowie an den Universitäten Magdeburg und Paderborn.
BIBB-Forschungsdirektor Prof. Dr. Hubert Ertl blickte in seiner Eröffnung zurück auf die Entstehung von InnoVET und die Herausforderung des Programms: Es galt die Komplexität der Projekte in den Griff zu bekommen, da in den breit aufgestellten Projektverbünden auch Akteure von außerhalb der Berufsbildung beteiligt waren. Eine Besonderheit von InnoVET waren außerdem die entwickelten Bildungsprodukte für die Aus- und Weiterbildung: Bei ihnen handelt es sich um soziale statt technologische Innovationen – weshalb die Frage, wie ihr Transfer gelingt, besonders spannend war und daher in den Fokus der Begleitforschung rückte.
Die Begleitforschung wurde mit der Aufgabe betraut, das gesamte InnoVET-Programm zu untersuchen. Ziel war es, herauszufinden, wie Innovationsprozesse auf Basis von Forschung gestaltet werden können, wie Förderprogramme besser gestaltet und wie der Transfer von Innovationen langfristig gesichert werden kann. Innovativ war außerdem der Ansatz, die Begleitforschung primär von Post-Doc-Gruppen durchführen zu lassen und so neue Forschende an das Thema heranzuführen.
Christoph Acker, der Referent vom Fördergeber BMBFSFJ, fasste den Zweck der Begleitforschung in seiner Begrüßung prägnant zusammen: „Wir wollen immer bessere Programme entwickeln.“
Im Anschluss präsentierten die Standorte der Begleitforschung ihre wichtigsten Ergebnisse.
Universität Magdeburg
Dr. Marion Pohl und Dr. Kathrin Petzold Rudolph präsentierten die Ergebnisse ihres Forschungsteams an der Universität Magdeburg. Der Schwerpunkt lag auf Bildungsformaten, die berufliche und akademische Bildung miteinander verbinden, von Zusatzqualifikationen bis hin zum Master Professional. Diese wurden in 13 von 17 InnoVET-Projekten entwickelt und stellten damit einen wichtigen inhaltlichen Schwerpunkt dar. Ziel des Forschenden-Teams war es, Gestaltungsstrategien für die Entwicklung solcher Bildungsformate zu analysieren sowie ihre Effekte für die Attraktivität beruflicher Bildung und damit verbundene Professionalisierungsbedarfe des Bildungspersonals.
In einer Befragung von rund 4.000 Berufsschülerinnen und -schülern in mehreren Bundesländern fanden die Forschenden heraus, welche Fortbildungsformate für Auszubildende mit Hochschulzugangsberechtigung am attraktivsten sind: Hier lagen konvergente Bildungsformate vorn, in denen Berufs- und Hochschulbildung verschmelzen und deren Abschluss in der akademischen und der beruflichen Bildung gilt. Tatsächlich umgesetzt wurde so ein Format aber in keinem der untersuchten Projekte. Auf dem zweiten Platz landeten reziproke Bildungsformate, die Inhalte aus beiden Bildungsbereichen enthalten.
Universität Paderborn
Die Begleitforschung der Universität Paderborn beschäftigte sich mit der Gestaltung von Innovations- und Transferprozessen. Friederike Breuing, Dr. Desiree Daniel-Söltenfuß und Dr. Marie-Ann Kückmann stellten ihre Ergebnisse unter dem Titel „Trust the process?! Innovations- und Transferprozesse gestalten“ vor.
Die Forscherinnen hoben hervor, dass Verständigung eine zentrale Herausforderung in der Projekt- und Transferarbeit darstellt. Ihre Befragung zeigte, dass die Verständnisse von Innovation stark variieren. Diese Unterschiede betreffen etwa die Begriffsdefinition, den Prozessverlauf und die Nähe zum Transfer. Auf dem Transfer in Innovationsprogrammen lag ein zweiter inhaltlicher Schwerpunkt. Auch hier stellte sich heraus, dass die Transferverständnisse und -erwartungen sehr unterschiedlich ausfielen, was Konsequenzen für den Projektverlauf hatte.
Deshalb ist es entscheidend, dass sich alle Projektbeteiligten auf gemeinsame Erwartungen und Definitionen verständigen und regelmäßig austauschen. Die Forscherinnen empfehlen außerdem: Transfer auch auf nicht-gegenständliche Innovationen wie Kompetenzen, Prozesse, Erfahrungen zu richten, Transferprozesse frühzeitig zu gestalten und zu unterstützen und Transfernehmende und weitere Stakeholder einzubinden. Für die Programmbegleitung empfehlen sie kontinuierliche, an den Bedarfen der Projekte ausgerichtete Austauschformate, die sich viele befragte InnoVET-Projekte wünschten.
Bundesinstitut für Berufsbildung
Das Thema Austausch stand auch im Zentrum der Präsentation „Lost in translation – Erkenntnisse zum Zusammenwirken von Forschung und Praxis“ von Dr. Nina-Madeleine Peitz vom Bundesinstitut für Berufsbildung. Schließlich ist die gelingende Kommunikation der unterschiedlichen Stakeholder eine zentrale Bedingung für das Gelingen von Innovation und Transfer. Hierfür ist „Translation“ notwendig, definiert als „wechselseitiger, adressatengerechter, dialogischer Austausch von Wissen und Ergebnissen zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis auf Augenhöhe“. Sie hat zum Ziel, unterschiedliche Sprach-, Denk- und Handlungslogiken zu überwinden.
Damit dieser Austausch gelingt, dafür nannten Praxis und Wissenschaft unterschiedliche Gelingensbedingungen und Herausforderungen. Um ihnen zu begegnen, schlägt Peitz Translationsbeauftragte als Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik vor. Notwendig seien stärkere Partizipation und Co-Kreation aller Beteiligten, adaptive Kommunikations- und Aushandlungsprozesse und die institutionelle Verankerung von Begleitung/Begleitforschung. Translation erfordere einen frühzeitigen, kontinuierlichen Dialog, einen Austausch auf Augenhöhe und entsprechende zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen.
Podium
Am Ende des ersten Tages diskutierten auf dem Podium Christoph Acker (BMBFSFJ), Prof. Dr. H.-Hugo Kremer (Universität Paderborn), Prof. Dr. Dina Kuhlee (Universität Magdeburg), Jan Kuper (DIHK) und Mario Patuzzi (DGB) die Fragen: „Wie können wir Berufsbildungsprogramme weiterdenken? Was haben wir aus der ersten Phase von InnoVET gelernt?“
Jan Kuper sprach sich dafür aus, die erfolgreichen in InnoVET entwickelten Fortbildungsabschlüsse bundesweit durch die DIHK zu vermarkten. Zudem sei es wichtig, Weiterbildungsanbieter als Abnehmer von Innovationen für den Transfer noch stärker einzubeziehen. Mario Patuzzi plädierte ebenfalls dafür, die vielen guten InnoVET-Ergebnisse weiterzutragen und darüber zu informieren. Dies erfordere allerdings viel Kommunikation und Zeit.
Christoph Acker wies daraufhin, dass viele der in den Präsentationen genannten Empfehlungen für die Programmbegleitung bereits umgesetzt würden. Am Beispiel des Themas Teilqualifizierungen zeigte er anschaulich auf, dass der Transfer von Innovationen in die Praxis Ausdauer und Zeit benötige. H.-Hugo Kremer knüpfte daran an und betonte, dass neuartige Programme wie InnoVET auch eine neuartige Begleitung brauchten. Er plädierte dafür, Programmbegleitung und wissenschaftliche Begleitforschung systematisch zusammenzuführen.
Workshop-Session
Der zweite Tag war den intensiven Workshops gewidmet. An fünf Thementischen sammelten die Forschungsteams neue Perspektiven und Ideen, die in die endgültigen Ergebnisse einfließen sollen:
- Attraktivität beruflicher Bildung für junge Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung
- Professionalisierungsanforderungen von InnoVET-Bildungsformaten aus Sicht des Bildungspersonals
- Füreinander, gegeneinander, miteinander? Verständigung und Zusammenarbeit gestalten
- Innovationsmotor oder leidige Zusatzaufgabe? Transfer und Verstetigung gestalten
- „Ich sehe was, das du nicht siehst…“ – Gestaltungsmöglichkeiten einer Next-Level-Programmbegleitung
Zum Abschluss stellten die Moderatorinnen und Moderatoren die Ergebnisse im Plenum vor.
Die Publikation mit den abschließenden, vollständigen Ergebnissen der InnoVET-Begleitforschung soll Mitte 2026 erscheinen.