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Grenzen überschreiten, Chancen gestalten – Micro Credentials als Schlüssel zu sozialer Inklusion

BIBB-Fachgespräch im Rahmen der European Micro Credential Days beleuchtet internationale Perspektiven

18.11.2025

Bei einem internationalen Fachgespräch im BIBB diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus zehn Ländern, wie Kurzqualifikationen (Micro Credentials) zur sozialen Inklusion beitragen und in unterschiedlichen nationalen Kontexten erfolgreich eingeführt werden können.

Teilnehmende der European Micro Credential Days im BIBB

„What’s Next with BEM Micro Credentials?“ – unter diesem Titel tauschten sich Anfang November Teilnehmende aus Armenien, der Ukraine, dem Westbalkan, Schweden, Kroatien und Deutschland in einem hybriden Fachgespräch über Umsetzungsherausforderungen und strategische Ansätze zur Entwicklung von Micro Credentials aus.
Die Veranstaltung fand im Rahmen der European Micro Credential Days im BIBB statt. Ziel der interdisziplinären Tagung war es, das Potenzial von Micro Credentials in der beruflichen Aus- und Weiterbildung zu beleuchten.

Microcredentials

„,Microcredentials´ sind Nachweise über die Lernergebnisse, die eine Lernende bzw. ein Lernender im Rahmen einer weniger umfangreichen Lerneinheit erzielt hat. Diese Lernergebnisse werden anhand transparenter und eindeutig definierter Standards beurteilt. Kurse, die zum Erhalt von Microcredentials führen, sind so konzipiert, dass sie den Lernenden spezifische Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen vermitteln, die den gesellschaftlichen, persönlichen, kulturellen oder arbeitsmarktbezogenen Bedürfnissen entsprechen. Microcredentials sind Eigentum der Lernenden, können geteilt werden und sind übertragbar. Sie können eigenständig sein oder kombiniert werden, sodass sich daraus umfangreichere Qualifikationen ergeben. Sie werden durch eine Qualitätssicherung gestützt, die sich an den im jeweiligen Sektor oder Tätigkeitsbereich vereinbarten Standards orientiert.“ (vgl. Bundesrat 2022, S. 17 f.)
QUELLE: https://dserver.bundestag.de/brd/2022/0014-22.pdf

Regionale Perspektiven zur Implementierung von Micro Credentials in der beruflichen Bildung

Die Veranstaltung umfasste Präsentationen aus drei zentralen Regionen des „Beyond European with Micro Credentials (BEM)“-Projekts, die jeweils Einblicke in nationale Kontexte und strategische Prioritäten boten. Tatevik Gasparyan, Direktorin des Nationalen Zentrums für die Entwicklung der beruflichen Bildung in Armenien, hob hervor, wie wichtig es ist, bereits erworbene Kompetenzen zu validieren und Zugänge für Lernende in ländlichen Regionen zu schaffen, wo die Berufsbildungsinfrastruktur noch eingeschränkt ist.

Slavica Dimovska, Weiterbildungsspezialistin, Montenegro, brachte Perspektiven aus dem Westbalkan ein und hob hervor, dass grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit sowohl die Anerkennung von Micro Credentials als auch die Einbindung lokaler und regionaler Unternehmen beschleunigen kann. Ihre Präsentation zeigte, dass gesetzliche und regulatorische Herausforderungen, so erheblich sie auch sind, durch koordinierte regionale Strategien wirkungsvoller bewältigt werden können als durch isolierte nationale Ansätze.

Die ukrainische Perspektive, präsentiert von Yurij Balaniuk, Direktor der Nationalen Qualifikationsbehörde (NQA), und Dr. Snizhana Leu-Severynenko, Expertin für Arbeitskräfteentwicklung und Berufsbildung, zeigte, wie Micro Credentials gezielt eingesetzt werden, um Arbeitsmarktresilienz zu stärken und die Integration Binnenvertriebener zu fördern - selbst unter außerordentlichen nationalen Herausforderungen. Dieses Engagement für soziale Inklusion, gerade in Krisenzeiten, zeigt die Flexibilität und Relevanz des Micro Credential-Ansatzes in der Ukraine.

Kritische Erfolgsfaktoren und Implementierungsherausforderungen

Die Expertinnenrunde brachte Karin Luomi-Messerer (3s Wien), Marine Jamkochian, Präsidentin der Business and Education Partnership Foundation in Armenien, Iryna Shumik vom ukrainischen Ministerium für Bildung und Wissenschaft, und Veronika Ivanova vom Erasmus+Office, Ukraine, zusammen. Als zentrales Thema der Diskussion wurde die methodologische Flexibilität bei gleichzeitiger Qualitätssicherung hervorgehoben. Dabei betonten die Teilnehmenden, dass es keine einheitliche Lösung geben kann, wenn es darum geht, europäische Berufsbildungsformate an unterschiedliche nationale Kontexte anzupassen.  

Soziale Inklusion als zentrales Ziel

Ein besonderes Ergebnis der Diskussionen war das gemeinsame Bekenntnis aller Partnerländer, Micro Credentials nicht nur als Instrumente für Systemeffizienz, sondern vor allem für soziale Inklusion zu nutzen. Alle Vortragenden betonten, dass Micro Credentials marginalisierten Bevölkerungsgruppen dienen müssen, einschließlich geografisch benachteiligter Lernender, sozial vulnerabler Gruppen, Binnenvertriebener und Arbeitnehmender im beruflichen Übergang.

Das BIBB übernimmt in diesem Projekt die Rolle eines Wegbereiters für neue Bildungswege. Durch vergleichende Forschung und Analysen sowie Qualitätssicherung sind Micro Credentials im Rahmen des BEM-Projekts nicht nur als Lösung zur Qualifizierung von Fachkräften, sondern auch als sozial wirksame Instrumente ausgearbeitet worden, wie Dr. Christiane Eberhardt (Projektleiterin im BIBB) betonte. Sie machte außerdem deutlich, dass die Entwicklung von Micro Credentials in unterschiedlichen nationalen Kontexten mehr erfordert als methodologische Rahmenwerke und digitale Infrastruktur. Sie erfordert die ehrliche Auseinandersetzung mit Herausforderungen, kreative Anpassung an lokale Gegebenheiten, nachhaltiges Engagement für soziale Inklusion und echte Partnerschaft über Grenzen und institutionelle Kontexte hinweg. 

Über das BEM-Projekt

Beyond Europe with Micro Credentials (BEM) ist ein Erasmus+Capacity Building-Projekt in der Berufsbildung, das von Januar 2023 bis Dezember 2025 läuft. Koordiniert von SBG Dresden in Partnerschaft mit dem BIBB, bringt das Projekt 17 Organisationen aus Deutschland, Norwegen, Armenien, Georgien, der Ukraine, Serbien, Nordmazedonien und Montenegro zusammen, um sektorspezifische Micro Credentials zu entwickeln, die zwei Ziele verfolgen: Arbeitsmarktrelevanz und soziale Inklusion.