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Video-Interview Hartmut Hirsch-Kreinsen

Society – Technology – People

Prof. Dr. Hartmut Hirsch-Kreinsen, Dortmund, konzentriert sich auf einen Überblick zu den aktuelleren Ansätzen der Technikforschung und Technikfolgenabschätzung. Er betont dabei die Verwissenschaftlichung von Technologieentwicklung und meint, dass Technologieentwicklung "gewissermaßen gesellschaftliche Strukturbedingungen im Sinne von Institutionalisierungsprozessen" schaffe. Hirsch-Kreinsen forscht als Arbeits- und Industriesoziologe zur Digitalisierung industrieller Arbeit.

Textfassung des Video Länge 37:12 Min.

06.07.2018 | BIBB

Society – Technology – People: Theory-Interviews on the relationship between societal and technological change

 

Interview with Prof. Dr. Hartmut Hirsch-Kreinsen

This interview was filmed in Berlin, GER, on 06 July 2018. The interviewer was Thomas Leuchtenmüller. It is part of a BIBB-research project on "Polarisierung von Tätigkeiten in der Wirtschaft 4.0 - Fachkräftequalifikationen und Fachkräftebedarf in der digitalisierten Arbeit von morgen", funded by BMBF.

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Theorieinterviews

zur englischsprachigen Übersetzung des Interviews

 

Where do we find sources for technological change and social division of labour?

Es gibt die alte Formel aus den 1980er Jahren "Social Shaping Of Technology", also das gewissermaßen soziale Bedingungen technologische Entwicklungen prägen, das war zum einen so die Perspektive dann in Deutschland, später der sogenannten Technikgeneseforschung und -entwicklung, also soziale Bedingungen im allerweitesteten Sinne, ob das gesellschaftliche sind, ob das organisationsstrukturelle sind oder mikrosoziologische Bedingungen, das ist dann sekundär. Und umgekehrt aber zwischen eben technologischer Entwicklung und der gesellschaftlichen Entwicklung und den Faktoren, die ihrerseits auf technologische Entwicklung wirken gewissermaßen, besteht so etwas wie ein Rückkopplungsprozess. Technologieentwicklung schafft gewissermaßen gesellschaftliche Strukturbedingungen im Sinne von Institutionalisierungsprozessen, also ganz konkret: Wissensbestände werden neu kreiert, die sich etablieren, es werden sozusagen ja ganz konkret, soweit ging das dann, Lehrpläne für Ingenieursausbildung, Technikerausbildung kreiert. Es entsteht ein im allerweitesten Sinne ein neues koordiniertes Handlungsfeld für Akteure, im Zuge der Entwicklung einer neuen Technologie für Akteure, die vorher eigentlich, salopp gesagt, herzlich wenig miteinander zu tun hatten. Also so das, dahinter stand die alte, uralte aus meiner Sicht eigentlich, soziologische Basisfrage, wie eigentlich koordiniertes Handeln heterogener Akteure, heterogener Interessen zustande kommt. Und der Mechanismus, der da möglicherweise ein nicht immer, aber doch in bestimmten Bereichen, unter bestimmten Bedingungen entscheidend ist, kann eben Technologieentwicklung sein. Das sich bestimmte heterogene Akteure aus auf eine bestimmte technologische Zielsetzung verständigen, dahin gewissermaßen sich orientieren und die daraus sich ergebenden Kooperations-, Entwicklungs- und Handlungsbezüge, dann sich verfestigen gewissermaßen, also quasi institutionalisiert werden. Also das wäre im allerweitesten Sinn, eine generelle Perspektive auf Technologieentwicklung im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Bedingungen. Also ein Treiber in dem Sinne, dass gewissermaßen die Wissenschaft und die dort agierenden Akteure natürlich Entwicklungspotentiale oder Nutzungspotentiale, Entwicklungspfade oder neue Technologien vorantreiben. Gutes Beispiel ist wirklich die Geschichte mit der künstlichen Intelligenz. Also die KI hat sich ja entwickelt von einer eher symbolorientierten Methodik hin zu neuronalen Netzen, was, soweit ich das verstehe, eine völlig andere Logik ist. Und was aber einen Sprung in Richtung eher lernende Systeme und so weiter ermöglichte. Das passiert im Labor, ganz ohne Frage. Und da spielen dann sozusagen solche Koordinationsprozesse, die ich vorhin angesprochen habe, Institutionalisierungsprozesse auch, eine ganz zentrale Rolle und es gibt in der Innovations- und Technikforschung, die berühmten Laborstudien, die also ganz detailliert beschreiben, wie sozusagen da Verständigungs- und Abstimmungs- und Entwicklungsprozesse laufen. Das ist das eine. Aber die Frage, ob das, was da im Labor entsteht, gewissermaßen im Experimentierfeld, wirklich in die Realität kommt, da muss man dann weiterdenken und da muss man dann sozusagen eher gesellschaftstheoretische Struktur, aber auch handlungstheoretische Zusammenhänge dann berücksichtigen. Wir haben natürlich massive Strukturveränderungen im Hinblick auf die Innovationsfähigkeit in nahezu allen Ländern, das ist das, was die Innovationsforschung als das Aufkommen von "Big Science" bezeichnet. Das datiert man in der Regel, bezogen auf die USA vor allen Dingen, auf die 40er Jahre, also der zunehmende Prozess der massiven Verwissenschaftlichung von Technologieentwicklung, also nicht nur das Entstehen von Universitäten, sondern das Entstehen häufig auch von staatlich geförderten Forschungseinrichtungen, Forschungsinstituten, deren Ziel es ist systematisch Technologieentwicklung, staatlich gefördert, aber teilweise privat gefördert auch, voranzutreiben. Und ich glaube, der wirkliche Schub der Verwissenschaftlichung, und wie gesagt "Big Science" als Schlagwort für diesen Institutionalisierungsprozess, dass muss man auf die Mitte des letzten Jahrhunderts datieren. Und wir sind gegenwärtig natürlich in der Situation, also unter dem Label "Digitalisierung", wo dieses inzwischen hoch ausdifferenzierte Wissenschafts- und Forschungssystem eine ganz zentrale Rolle spielt, was dann international wieder sehr unterschiedlich ausgeprägt ist mit unterschiedlichen Schwerpunkten. #00:05:12-3#

 

Who is driving technological change and social division of labour?

Also das betrifft die Phasen gewissermaßen, der Diffusion in die Breite, also ob eine Technologieentwicklung, also eine innovative Technologie, angenommen wird oder auch eingesetzt wird zum einen und zum anderen betrifft das dann die konkrete Phase der Implementation der Einführung dann bei Anwendern, also bleiben wir jetzt bei Betrieben, die neue Produktionstechnologien beispielsweise nutzen. Also das sind sicherlich dann auf einer, sage ich mal, eher Handlungsebene, zum einen sind das Bedingungen, die Entscheidungsprozesse berühren. Also die Entscheidungsprozesse der Anwender, die darüber unter sozusagen natürlich auch restriktiven Bedingungen, unter ökonomisch rationalen Bedingungen beispielsweise, in Unternehmen entscheiden, ob bestimmte Technologien für sie nutzbar sind oder eben nicht und zu welchen Kosten, Technologien nutzbar sind. Das ist denke ich auch, ein ganz großes Manko der ganz aktuellen Digitalisierungsdebatte. Also hier gibt es so etwas wie Komplementaritäten zwischen einerseits dem Potential einer Technologie und andererseits den Anwendungsbedingungen. Also aus einem ganz anderen Bereich ist das Beispiel, aus meiner Sicht, der Entwicklung und des Angebotes des Smartphones, also das IPhone vor acht oder zehn Jahren, das traf perfekt auf gesellschaftliche Gewohnheiten der Kommunikation. Man war gewohnt schon in Internetkategorien zu denken. Das ist denke ich, auf der Diffusionsebene eine ganz zentrale Bedingung. Also, was mir in der letzten Zeit in verschiedenen Falluntersuchungen wirklich immer wieder über den Weg gelaufen ist, ist das, was wir mal als "follow up costs" bezeichnen, also sozusagen: "Welche Folgekosten treten eigentlich auf, wenn die Betriebe sich drei neue Roboter an eine Montagelinie stellen?" Auf der betrieblichen, auf der Anwendungsebene, auf der Implementationsebene, spielen natürlich Arbeitnehmervertretung, Management-Vertreter, als ganz entscheidende Akteure eine massive Rolle. Auf der gesellschaftlichen Ebene, eher auf einer Mesoebene sagen wir mal, also Beispiel: "Plattform Industrie 4.0" - und wir sitzen hier bei der IG Metall - spielt natürlich der Einfluss der IG Metall eine ganz, ganz große Rolle. In anderen Ländern ist es anders, da spielen die Gewerkschaften eine extrem nachgeordnete Rolle in dieser Hinsicht. Da spielen dann Arbeitgeberverbände, größere Firmen, eine Rolle. Es ist, wie gesagt, alles irgendwann ein Aushandlungsprozess, wenn man sich die Situation ganz genau anguckt. Und im Hinblick auf die eigentlichen Innovationsprozesse haben wir jetzt, bezogen auf die aktuelle Situation, durchaus in Deutschland, aber auch international, eine Verschiebung im Innovationssystem. Wenn ich das jetzt auf produktionstechnologische Entwicklung beziehe, so hatten wir in Deutschland traditionell sozusagen, oder besser gesagt war das Innovationssystem von der Akteurskonstellation, die maßgeblich bestimmend war, her die Situation, dass vor allen Dingen die klassischen Ingenieurwissenschaften anwendungsorientiert, zusammen mit Maschinenbau, Elektrotechnik, aber nicht sonderlich sozusagen technologieintensiv, also kein Hightech, sondern immer so anwendungsorientiert, die Entwicklung bestimmt haben. Jetzt haben wir eine völlig andere Situation. Jetzt kommt plötzlich die anwendungsorientierte Computerwissenschaft, die Informatik und fängt an damit, unter diesem Label "Industrie 4.0" vor allen Dingen, aber auch mit dem Schub der neuen Möglichkeiten, die jetzt technologisch gegeben sind, dieses System in ihrem Interesse auch irgendwo ein Stück weit zu verändern. #00:08:57-3#

 

Which consequences will arise from technological change?

Das ist jetzt ein spannendes Thema, was wir unter dem Label Mensch-Maschine-Interaktion diskutieren. Ich denke, das Thema wird sich wie ein roter Faden in den nächsten Jahren, auch gerade mit der Entwicklung autonomer Systeme und von Systemen, die auf Methoden der künstlichen Intelligenz basieren, durchziehen. Ist andererseits ein altes arbeitssoziologisches Thema vor allen Dingen, also fortschreitende Automatisierung und welche Rolle spielt bei automatischen Anlagen der Mensch, wie ist, gewissermaßen, menschliches Arbeitshandeln und das technische System, wie findet die Kopplung statt. Also ich würde sagen, wenn sie nach der Entwicklung fragen, findet erstens eine zunehmende Abkopplung menschlichen Arbeitshandeln von dem autonomisierten, sag ich jetzt mal, technologisch  vorangetriebenen Prozess statt. Das Abkoppeln impliziert zweitens, dass viele Arbeitsaufgaben substituiert und übernommen werden, das impliziert ja nicht nur diese Automatisierungsperspektive, was nichts Neues ist, sondern auch diese Autonomisierungsperspektive, dass jetzt nicht nur mehr routinehafte, strukturierte Tätigkeiten übernommen werden. Das heißt, der Mensch tritt immer weiter zurück, Arbeit scheinbar zunächst erstmal, wird offensichtlich weniger, wird substituiert, aber gleichzeitig haben wir ja dann das Phänomen, das war dann der dritte Punkt, dass sich die Spielräume, der "Scope", für Arbeitshandeln dramatisch verschieben und da technologisch getrieben auf die Seite des Arbeitsprozesses sowas wie eine Dynamik einwirkt, dass wir völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten und Gestaltungsnotwendigkeiten für Arbeit auch haben, die wir jetzt möglicherweise noch gar nicht kennen. Wir haben neue Koordinations- und Planungsfunktionen, die es vorher so eigentlich gar nicht gab und die können im Prinzip ein Feld abstecken, was man dann nutzen kann für neue Formen der Arbeit. Also Arbeit verschwindet nicht, das ist so die Generalthese und die zweite These wäre eben, dass Arbeit neu gestaltet werden kann und sich da völlig neue Perspektiven eröffnen für Arbeit. Es hängen natürlich und da bin ich jetzt nicht darauf eingegangen, wäre ein neues Thema wahrscheinlich, diese ganze Frage der Entscheidung von autonomen Systemen einerseits und sozusagen der menschlichen Arbeitsvollzüge andererseits damit zusammen, also die ethischen Fragen und so weiter, die dann diskutiert werden. Da wollte ich jetzt nicht darauf eingehen erstmal. Wir können hier kaum von einem kausalen, deterministischen - das ist der entscheidende Punkt: deterministischen - Zusammenhang sprechen. Sondern, um nochmal die alten, die vorhin schon erwähnten Kategorien aufzugreifen, wir haben Innovation, wir haben Diffusionsprozesse, wir haben Implementationsprozesse. Und in der Implementation, also in der Entscheidung darüber, wie ich neue Technologien nutze und anwende, entscheiden sich letztlich die sozialen Folgen im allerweitesten Sinn. Man kann auf einer aggregierten Ebene fragen, also die Diskussion, die jetzt unheimlich, ständig präsent ist, wie viel Jobverluste habe ich, wenn ich Roboter einführe oder welche Konsequenzen auf dem Arbeitsmarkt hat die Digitalisierung. Das sind genau genommen Potenzialabschätzungen, jedenfalls jene Studienergebnisse, die hoch prominent sind und um den Globus gehen und über die man sich ständig und immer wieder ärgern muss, weil die methodisch zu kurz greifen meines Erachtens, und weil die empirisch nicht valide genug sind. Komplizierter wird es dann schon, wenn man versucht auf der Basis aller Szenarien, Methode unterschiedliche Entwicklungstendenzen und unterschiedliche Entwicklungsperspektiven zu analysieren und zu postulieren, wo dann sozusagen eine ganze Masse von Strukturbedingungen, die wir vorhin schon hatten, ins Spiel kommen und umso vager und mit umso größerer Unsicherheit behaftet, werden natürlich dann die Aussagen: "Wo wird es hingehen?". Da sehen wir genau, also das ist die schlichte Antwort: Versus Technikdeterminismus, diesen Fehler dürfen wir nicht machen. Wir sprechen zum Ersten von einem Szenario, das nennen wir einfach Substitution oder Automatisierung. Das ist, das reflektiert ein gängiges Argument in der Mainstreamdebatte derzeit, dass eben doch eine ganze Reihe von Jobs, zumindest kurzfristig durch die Einführung neuer Technologien wegfallen werden. Das betrifft, wenn man der Debatte folgt, und auch unseren empirischen Befunden teilweise folgt, das betrifft vor allen Dingen einfache, routinisierte Tätigkeiten, aber keineswegs alle. Aber keineswegs alle, das ist mir ganz wichtig. Also wir haben da gewissermaßen eine Situation, in dem Szenario, dass irgendwo Jobs wegfallen kurzfristig und damit Jobs übrig bleiben, aber ich würde da bei diesem Szenario anschließen und da ist, wenn man so will, der "common wisdom" der Arbeitsmarktforschung, historisch orientierten Arbeitsmarktforschung, dass Technologieschübe immer so etwas wie Kompensationsmechanismen im Hinblick auf Jobverluste auslösen. Das heißt langfristig oder mittelfristig werden neue Jobs entstehen bei erfolgreicher Einführung neuer Technologien, bei einer ganzen Reihe von Randbedingungen, die dann auf der Makroebene, auf der aggregierten Ebene, die Jobverluste kompensieren. Das wäre das Eine. Das Andere Szenario nennen wir "Aufwertung" oder "Upgrading". Das reflektiert so ein bisschen teilweise, wegen mir auch in der normativen Perspektive, so die optimistische Perspektive, vor allen Dingen der deutschen "Industrie 4.0"-Debatte, die davon ausgeht, also Kagermann, um den mal zu zitieren hier, der sagt: Wir haben nicht nur mehr Bediener, sondern wir haben Regulierer, wir haben Steuerer, wir haben Gewährleistung, wir haben Experten und so weiter und weiter. Das heißt, dieses Szenario impliziert, dass einerseits repetitive, einfache Tätigkeiten auch wegfallen und andererseits die neuen Systeme, die Informationsmöglichkeiten, die damit einhergehenden Qualifizierungsmöglichkeiten, den besseren Überblick, den man durch solche Systeme gewinnt und so weiter, die ermöglichen, eine generelle Aufwertung aller Jobs. Ein drittes Szenario, das nennen wir Polarisierung. Diese Polarisierungsthematik ist ja auf einer aggregierten Ebene, auf einer Makroebene, vor allen Dingen im Hinblick auf Einkommen und Qualifikationsstrukturen auf dem Arbeitsmarkt, ein relativ prominentes Szenario. Wir beziehen das eher auf die betriebliche Ebene und glauben zumindest, wir haben sie auch, einige Evidenzen dafür in verschiedenen Tätigkeitsbereichen bei verschiedenen Beschäftigungssegmenten zu finden. Klassiker sind etwa Instandhaltungstätigkeiten, eine vielfach anspruchsvolle Tätigkeit, die aber sozusagen im Zuge der neuen Planungs- und Formalisierungsmethoden, um das mal so zu formulieren, gewissermaßen auseinandergenommen wird. Also Polarisierung meint dann, dass einerseits bestimmte Aufgaben aufgewertet werden, anspruchsvoller werden, manche Aufgaben automatisiert werden und andere Aufgaben von einer mittleren Ebene ausgehend, also abgewertet werden, also eine Schere. Eine Schere öffnet sich. Da ist die Frage, ob das eine langfristige Tendenz ist, Kollegen aus England haben das mal "lousy and lovely jobs" genannt, was dann am Ende übrigbleibt, das wäre das Dritte. Und das vierte Szenario ist dann, also das liegt dann quer zu den drei eben genannten, betrifft mehr oder weniger vielleicht alle. Das soll man mal ganz pauschal als Flexibilisierung und Entgrenzung bezeichnet. Oder noch anders formuliert "Arbeiten in der Cloud" , dass also Entgrenzung oder Flexibilisierung meint dann eben eine Erosion von Organisationsstrukturen, eine Erosion von zeitlicher Regulation oder eine Erosion von Lokalitäten, wo Arbeit eben ausgeführt wird. Das hat innerbetrieblich finden wir das empirisch: Projektgruppen, temporäre Jobs, Auflösung von festgefügten Organisationsstrukturen. Und vor allen Dingen dann die Debatte, die Sie auch kennen: Die überbetrieblichen Entwicklungstendenzen, Plattformen, gesteuerte Arbeitsketten überbetrieblicher Art. Das kann dann landen in ganz prekären Jobs, also die berühmten "Crowd-Worker" oder "Solo-Selbstständigen" oder anders eben den anspruchsvollen Tätigkeiten und so weiter. Ich denke schon, dass wir in einer in einer Gesellschaftsformation in einem System leben, welches ohne technologische Entwicklung überhaupt nicht mehr denkbar ist. Und dann komme ich auch auf die Gestaltungsperspektive. Das ist ja ein Argument in der "Industrie 4.0"-Debatte, dass die neuen intelligenten Systeme in der Lage sind, Ressourcen zu minimieren und ihren Einsatz zu effektivieren und so weiter. Da ist sicherlich viel dran, aber ich behaupte das wird viel zu wenig genutzt. Das wäre dann eine Frage nach der Steuerung. Da ist Politik gefragt. Wer redet neuerdings von "maschineller Verantwortung", die wir definieren müssten, aber er geht davon aus, dass diese autonomen Systeme so etwas wie eine eigene Verantwortung haben. Ich bin jetzt handlungsphilosophisch nicht sonderlich firm, aber ich bin überzeugt davon, dass der Begriff der "Verantwortung" ein Stück weit mit Normen verknüpft werden muss, mit Handlungszuschreibung und Verantwortungszuschreibung, die man so diesen neuen technologischen Systemen nicht zubilligen kann. Aber es stellt sich das Problem. Wenn Entscheidungen abgeschottet von den Systemen vorgenommen werden und die Konsequenzen überhaupt nicht absehbar sind und auch die Prozesse der Entscheidung offensichtlich völlig intransparent sind, wie Systeme zu bestimmten Entscheidung kommen und wie sie dann daraus lernen und möglicherweise beim nächsten, eine andere Entscheidung fällen. Wie bewältige ich in Zukunft Mobilität? Die Gesellschaft wird immer mobiler, hat die Ansprüche immer mobiler zu werden, aber die Konsequenzen sind; das sind alles Nebenfolgen, die schwer kalkulierbar sind oder die irgendwann gewissermaßen der Gesellschaft auf die Füße fallen, die einen ganz massiven Regulationsbedarf mit sich bringen. Ja das ist eine ganz zentrale Frage. Also ob beispielsweise die neuen Technologien, die bisherigen, auch international, Arbeitsteilungsstrukturen irgendwie wieder verschieben, zu einer Reintegration führen, Globalisierungsprozesse, die es in der Vergangenheit mal gab vielleicht umkehren. Auch Branchenstrukturen werden sich verschieben, Funktionen und Berufsbilder werden sich möglicherweise verschieben oder werden erweitert werden. Das ist ein Punkt, der ist aber…wir hatten es gestern auch wieder: Wie verändern sich Berufsbilder? Da stehen sich momentan zwei Positionen gegenüber. Die eine, der gehöre ich auch an, eine eher konservative, moderatere Position – kommt auch glaub ich von BIBB -, das Argument des Upgradings von bestimmten Tätigkeiten und Berufen, Novellierung von Berufsbildern und so weiter als jetzt stattfindende Aktivität. Und andere sagen: Das bringt überhaupt nichts mehr in Berufen zu denken, wir müssen in Kompetenzen denken. Wenn dann die Leute wissen was sie darunter verstehen, wir brauchen nicht mehr tätigkeitsspezifische Wissensbestände, sondern nur noch Fähigkeiten mit unterschiedlichen Handlungserfordernissen umgehen zu können und diese bewältigen zu können. Das ist eine völlig andere Perspektive. Mit allen sozialpolitischen und arbeitsmarktpolitischen Konsequenzen. Da sind Verschiebungstendenzen und Erosionstendenzen sicherlich mitgedacht. Und es spielt sicherlich in die Richtung eine Rolle. #00:20:51-9#

 

How are drivers and consequences of technological change connected?

Ich denke, was die Diffusion, also die Verbreitung von bestimmten Technologien bei unterschiedlichsten Anwendergruppen und in unterschiedlichsten Anwendungsbereichen anlangt, ich denke, wichtig sind hier - und das ist ein funktionalistisches Argument, wegen mir historisch verkürzt und so weiter mit aller Kritik - aber hier müssen so etwas, wie Komplementaritäten oder Wahlverwandtschaften zwischen Präferenzen, Bedarfen, Engpässen, die durchaus vorhanden sind, bei den Anwendern einerseits und den Möglichkeiten der neuen Technologie andererseits bestehen. Das halte ich für ein ganz zentrales Argument. Das sind viele Argumente, die da eine Rolle spielen. Da spielt der Preis eine Rolle, da spielt die Funktionsfähigkeit eine Rolle, da spielt das Verständnis eine Rolle, da spielt das Wissen eine Rolle, was sozusagen kollektiv vorhanden sein muss. Das ist das eine und das entscheidende zum zweiten sind dann aber sozusagen die Mechanismen auf der unmittelbaren Anwenderebene, also Mikroebene, Handlungsebene, Entscheidungsprozesse und hier sprechen wir seit langem davon, das ist jetzt bezogen auf neue Technologien ganz aktuell, das, was wir als Einführungsprozesse bezeichnen. Das spielt eine Rolle, also Einführungsprozesse. Das sind einmal die Entscheidungsprozesse der entscheidenden Akteure in einer Organisation in einem Unternehmen, zum zweiten sind das sozusagen auch politische Aushandlungsprozesse auf dieser Organisationsebene, also das sind ja unterschiedliche Akteure, also etwa innerhalb des Managements, unterschiedliche Fraktionen im Management, die unterschiedlich überzeugt sind von bestimmten Technologien. Zum dritten dann natürlich die arbeitspolitischen Konstellationen hier speziell in Deutschland. Welche Rolle spielt der Betriebsrat? Welche Rolle spielen Gewerkschaften? Sucht ein Management Konflikte? Oder sucht ein Management Konflikte zu vermeiden und lässt dann die Finger davon? Wie viel Ressourcen, über wie viele Ressourcen verfügen die Entscheider? Welchen langen oder kurzen Atem haben sie? Sitzt denen der Controller im Nacken und fragt nach zwei Monaten, was hat es gebracht oder nicht? Welches Wissen haben sie? Und welche Spielräume sozusagen jetzt gemessen am Alltagsgeschäft im Unternehmen haben die Entscheider? Jetzt kommt irgendwann das Gegenargument, wenn sie Teil einer größeren Wertschöpfungskette sind, stehen sie dann irgendwann unter Druck und müssen neue Systeme einführen, müssen Datentransfer betreiben können und so weiter, was sie dann möglicherweise in eine schwierige Situation bringen kann. Ich würde mal vermuten, dass im Prinzip, jetzt auf einer Organisations- oder Betriebsebene, diese eher mikropolitisch analytisch zu fassenden Prozesse von den Elementen und von den Mechanismen, die da wirksam sind her, im Prinzip die Gleichen geblieben sind. Wobei aber und das ist jetzt ein Zusatzargument, es wäre eine ergänzende These, dass diese neuen Vernetzungstechnologien, also wenn man jetzt mal "Digitalisierung" oder "Industrie 4.0" mit diesen Merkmalen "Big Data", "Vernetzung" und "Intelligente Systeme" fasst. So sind die entscheidenden Akteure jetzt vor neue Herausforderungen gestellt. Die brauchen neues Wissen, die brauchen sozusagen neue Handlungsmöglichkeiten und müssen in die Lage kommen, solche dann doch unterm Strich weitreichende Entscheidungen über den Einsatz neuer Technologien gerade im Hinblick auf Vernetzung und im Hinblick auf Nutzung von Daten und so weiter, einschätzen zu können. Also da ändert sich schon; die Frage ist, ob das mit dem gewissermaßen mit den Alltagsprozessen noch zu bewältigen ist, und dann also auch eine Akademisierung dann in diesem Fall von entscheidenden, von Entscheidungsakteuren. Das gibt es, hatten wir verschiedene Beispiele in bestimmten, historischen Situationen, gab es immer wieder sozusagen einen Entwicklungsschub, wobei man aber immer sehen muss, der Normalfall von Technologieentwicklung, ökonomisch und auch technologisch, sind inkrementelle Innovationen. Also schrittweise Weiterentwicklung. Die erste These habe vorhin schon formuliert. Das ist die, das wird nicht von einem Technikdeterminismus ausgehen dürfen, sondern das es in Hinblick auf die sozialen Konsequenzen neuer Technologien im allerweitesten Sinn, unterschiedliche Entwicklungspfade, unterschiedliche Konsequenzen gibt. Wir haben keinen  "One Best Way" der Techniknutzung. Also wenn jemand heute hergeht und sagt, die neuen autonomen Systeme, die erfordern insbesondere, eine Form von Arbeitsorganisationen, die eben darauf hinausläuft, dass es ein Upgrading ist. Das führt mich zu der zweiten These, dass eben die Nutzung, nein besser, die Einführung, die ganz konkrete Ausgestaltung und die Nutzungsform, organisatorische Nutzungsform der neuen Technologien ein Gestaltungsobjekt ist, ein Entscheidungsobjekt. Wie wir das vorhin hatten: Ein mikropolitischer Entscheidungsprozess, der macht zum Gegenstand die Einführung neuer Technologien. Aber das Gleiche kann man natürlich auch beziehen auf die ganz am Anfang erwähnten Laborstudien, die über eher Erfindungsprozesse und Innovationsprozesse handeln, wo ja letztlich auch soziale Aushandlungsprozesse und Entscheidungen eine ganz, ganz zentrale Rolle spielen. Das wäre gewissermaßen der zweite Punkt, der relativ wichtig ist und der dritte Punkt, die dritte These, Hypothese, die ich dann formulieren würde und das kommt mir dann in der gegenwärtigen Debatte auch viel, viel zu kurz, - es gibt natürlich Barrieren, Grenzen und Hemmnisse der Wirksamkeit und der Einführbarkeit und der Nutzbarkeiten neuer Technologien. Die man sozusagen sich genau angucken muss, um dann eben auf der anderen Seite gesellschaftspolitisch die sozialen Konsequenzen wirklich einschätzen zu können. #00:26:41-7#

 

What measures can be taken to steer technological change?

Man kann, wenn man in den unterschiedlichsten wissenschaftlichen und öffentlichen Kränzchen und Kreisen die Diskussion verfolgt und auch viele Publikationen liest, den Eindruck gewinnen, das ist eine autonome Technologieentwicklung, ein Technology-Push gewissermaßen, der gesellschaftliche Entwicklung vorantreibt. Und, also etwas sehr kritisch und spitz formuliert, polemisch formuliert, kann man sagen, für viele der Beteiligten fällt irgendwie die Technologie vom Himmel. Wenn man jetzt auch gerade im Zusammenhang mit der neueren und aktuellen Diskussion über die neuen Potentiale der künstlichen Intelligenz, die Diskussion verfolgt, so hat man den Eindruck, da wird gewissermaßen der Schub, der jetzt erwartet wird im Hinblick auf die Anwendungsmöglichkeiten von Systemen künstlicher Intelligenz im allerweitesten Sinn, wird zurückgeführt auf neue technologische wachsende Potentiale, wachsende Leistungsfähigkeit der Computersysteme, massive Verbilligung der Computersysteme, Vernetzungsprozesse und so ähnliche, Big Data, Nutzungsmöglichkeiten von Big Data-Methoden und solche Geschichten. Es wird aber kaum gefragt, wo sitzen denn eigentlich nun die Interessen und die Akteure und die bestimmenden Faktoren, die ja diesen Technologieschub, den ich gar nicht bestreiten möchte, überhaupt in Gang gesetzt haben und bewirkt haben. Da kann man, glaube ich, gerade empirisch jetzt, historisch, am Beispiel der Entwicklung der künstlichen Intelligenz doch einige systematische und hochinteressante - könnte man einige interessante Analysen betreiben, weil ja das Thema künstliche Intelligenz bis in die 40er Jahre eigentlich zurückgeht und immer wieder, gerade aus dieser Domäne heraus, große Versprechungen formuliert wurden und dann der Hype, wenn es dann einer war, wieder abstürzt. Es gibt auch, gerade in der Innovationsforschung, ein Konzept, mit dem haben wir auch teilweise schon gearbeitet im Kontext der vorhin erwähnten Mikrosystemtechnikanalyse, das nennt sich "Promising Technology", also sozusagen ein Technologieversprechen, welches von bestimmten maßgeblichen Akteuren ja definiert, sage ich jetzt mal, oder als, wie es dann in diesem Konzept heißt, "Expectation Statement" in die Diskussion, in die Fachdiskussion oder wo auch immer hineingebracht wird und was dann als Mechanismus, als Katalysator geradezu wirkt, woraufhin sich dann die unterschiedlichsten Akteure da hinbewegen, daraufhin orientieren, ihre Aktionen und ihre Zielsetzungen, also "Expectations" also Erwartungen, Marktprozesse sind auch sehr stark von Erwartungen geprägt, von Zukunftsvisionen und das spielt in Technologie, bei Technologieentwicklung auf dieser Ebene, die ich jetzt im Blick habe, eine ganz massive Rolle, der Klassiker ist "Industrie 4.0". Diese Vision, die ja sozusagen einerseits schwer zu greifen ist, aber andererseits sozusagen ein Modernisierungsversprechen mit sich bringt, dem sich ein, jetzt sagen wir wieder salopp, ein vernünftiger Betriebsleiter eigentlich schwer nur entziehen kann. Also aus meiner Sicht, auf dieser Strukturebene, würde ich aus unterschiedlichen Richtungen zwei Entwicklungen zusammenpacken. Das eine ist einerseits eben diese eben erwähnte ganz grob nur angedeutete ökonomische Strukturebene, also im Wirtschaftsbereich, im industriellen Bereich, etwa das Verhältnis von Rationalisierungsmöglichkeiten einerseits und Flexibilitätsanforderungen vom Markt her, also Markt und Produktionsökonomie waren damals die Kategorien einerseits und auf der anderen Seite dann unter diesem ökonomischen Bedingungen, die Möglichkeit bestimmte technologische Potentiale irgendwie aufzugreifen und zu nutzen - und dann eine Technologieentwicklung voranzutreiben und umzusetzen. Wenn wir über Technologieentwicklung reden, müssen wir - und da insbesondere dem alten Joseph Schumpeter folgend, der auch häufig vergessen wird - unterscheiden zwischen verschiedenen Phasen der Technologieentwicklung. Also die Erfindung und die Innovation sind das eine. Erfinder und Innovatoren gibt es immer irgendwo, also ob das jetzt irgendwie ein Einzelner, der im Kämmerchen sitzt und was erfindet ist oder ob das eine systematische Entwicklung eines Robotersystems irgendwo ist, ist das eine. Damit ist aber noch lange keine Aussage darüber verknüpft, wie dieses System oder ob es überhaupt diffundiert und zweitens dann, wie dieses System dann in konkreten Anwendungskontexten implementiert und genutzt wird. Also Schumpeter hat, das ist banal eigentlich, aber hat sozusagen grundsätzlich darauf hingewiesen: Wir haben Innovationen, die etwa marktorientiert entwickelt werden, aber das ist noch keine Aussage darüber, wie die sich durchsetzen. Diffusion ist in dem Zusammenhang die zentrale Kategorie, Diffusionsmechanismen. Und da kann man genau auch eher ökonomisch-theoretisch orientierte Überlegungen zusammen bringen mit Überlegungen aus der Technikforschung und aus der Innovationsforschung, wo dann die Faktoren, die ich eben so ein bisschen angedeutet habe, münden in bestimmten pfadabhängigen Prozessen, der Nutzung und Weiterentwicklung von Technologie, die dann ihrerseits wieder zurückwirken auf Strukturbedingungen. So kann man natürlich sagen auf der Erfindungs-, Laborebene gibt es sicherlich ganz generell gesprochen andere fördernde Faktoren als auf der Anwendungsebene. Auf der Entwicklungsebene ist das, auf der Innovationsebene, ist das natürlich abhängig von den Strukturbedingungen des Wissenschaftssystems, vom Wissen, was vorhanden ist, von den Fördermöglichkeiten, die gegeben sind und den damit zusammenhängenden Einflüssen der Fördermittelgeber vom gegebenen institutionellem Wissenschaftssystem. Da kommen aber auch schon wieder, wenn ich das richtig überlege, Strukturbedingungen durchaus ins Spiel, also es gibt ja auch in der Innovationsforschung und auch darüber hinaus große internationale vergleichende Studien über Innovationsprozesse, wo eben deutlich und überzeugend herausgearbeitet wurde, dass im Ländervergleich, im internationalen Vergleich, die Innovationssysteme oder heute würde man sagen, das Ökosystem, das Innovationsökosystem, aufgrund unterschiedlicher struktureller Zusammensetzungen, Konstellationen, unterschiedliche Innovationsperspektiven eröffnet und fördert oder andere hemmt. Aber das Argument jetzt auf Ihre Frage war eben, dass man also im Hinblick auf fördernde Faktoren von Innovationsprozessen erstmal sich genau auch das strukturelle Umfeld anschauen muss. Also die Struktur des jeweiligen Innovationssystems und in der Innovationsforschung wird ja nicht umsonst seit langer langer Zeit von unterschiedlichen nationalen Innovationssystemen gesprochen, also im internationalen Vergleich vor allen Dingen. Ich würde sagen, dass diese die Bedingungen und Strukturen eines solchen Innovationssystems, die Akteurskonstellationen, die Fördermöglichkeiten, wie sind die Labore gestrickt, welche Traditionen gibt es dabei, und so weiter, die Innovationskultur, um da mal so einen schwer greifbaren Begriff zu nennen, die drängen Entwicklung in bestimmte Richtungen. Also ich würde nicht von Hemmnissen und Barrieren reden, sondern ich würde da eher von Pfadabhängigkeiten reden. Das ist denke ich, ein ganz wichtiger Punkt, dass gewissermaßen, das haben wir jetzt aktuell. Ist es nun Disruption oder ist es keine Disruption? Schiebt die Technologie so schnell Veränderung an, dass massive Strukturveränderungen stattfinden? Aber diese Strukturveränderungen können Sie historisch in der Technologieentwicklung wirklich suchen. Schumpeter würde dann sagen: "Den kreativen Unternehmer geben“, der dann aus den eingefahrenen Bahnen herausspringt und dann wirklich die destruktive Veränderung irgendwie hervorruft, aber das ist selten. Einerseits gibt es die Potenziale, künstliche Intelligenz, autonome Entscheidungssysteme, auf der anderen Seite müssen wir von Barrieren reden und man kann die Barrieren so ein Stück weit vielleicht auch sogar klassifizieren: Das sind einmal zum Beispiel ganz schlicht, ja wie soll ich das nennen, funktionale Barrieren. Das ist der berühmte Aspekt, der auch in der Literatur immer wieder betont wird, den wir aber empirisch immer wieder finden "Polanyi's Paradox“. Das heißt, wir wissen mehr, als wir sagen können, also das klassische Beispiel über dieses Paradox ist: "Können Sie erklären, wie Sie Fahrradfahren gelernt haben?“. Das können Sie nicht, das kann ich auch nicht. Oder anders formuliert: Es gibt bis heute - und wenn die Roboter noch so intelligent sind - der Griff in eine unsortierte Kiste ist ganz offensichtlich nur oder ganz schwierig nur möglich. Aber sozusagen der Griff in eine unsortierte Kiste ist für Sie und für uns überhaupt kein Problem, also es gibt sozusagen funktionale Grenzen für intelligente Systeme, die sind nicht überall nutzbar. Oder ein mir gut bekannter Roboterexperte hat das mal so formuliert: "Wir haben also Systeme, die können auf glattem Boden laufen und in dem Moment, wo es Kopfsteinpflaster gibt, dann fallen sie um.“ Die These ist, dass diese funktionalen Grenzen natürlich durch die technologische Entwicklung, Innovationen, hinausgeschoben werden, aber sich möglicherweise komplexitätsbedingt neue ergeben. Das ist das erste Set von Barrieren. Das zweite Set von Barrieren würde ich dann einfach, hatten wir vorhin auch schon, ökonomische entscheidungsprozess-orientierte Barrieren nennen, für die Verbreitung. Also die schlichte Frage eines jeden Betriebsleiters: "Was nutzt es mir? Was kostet es? Was habe ich für Konsequenzen, mit was für Konsequenzen habe ich mich auseinander zu setzen?“ Das heißt nicht, dass die Systeme sich gewissermaßen gradlinig durchsetzen. Und zum dritten und das sind dann so allgemein politische Perspektiven, die natürlich eine Rolle spielen: Wie werden normativ in der gesellschaftlichen Debatte, solche Systeme überhaupt, ja legitimiert, bewertet?

Informationen zum Video

Interview aufgenommen am 06.07.2018 in Berlin

Interviewer: Thomas Leuchtenmüller

Kamera, Ton: Olaf Kuzniar

Team vor Ort: Olaf Kuzniar, Thomas Leuchtenmüller, Michael Tiemann

Produktion: überRot GmbH

Der Inhalt steht unter der Creative Commons-Lizenz 4.0 International CC BY-NC-ND 4.0 (mehr dazu bei www.bibb.de/cc-lizenz).

Why Are There Still So Many Jobs? The History and Future of Workplace Automation

Autor, David H. | In: Journal of Economic Perspectives 29, S. 3–30 | 2015

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The Second Machine Age: Work, Progress, and Prosperity in a Time of Brilliant Technologies

Brynjolfsson, Eric; McAfee, Andrew | New York, London | 2014

Innovation Studies. Evolution & Future Challenges

Fagerberg, Jan; Martin, Ben R.; Andersen, Esben Sloth (Hrsg.) | Oxford | 2013

Innovationssysteme. Technologie, Institutionen und die Dynamik der Wettbewerbsfähigkeit

Blättel-Mink, Birgit; Ebner, Alexander | Wiesbaden | 2009

Innovation

Braun-Thürmann, Holger | Bielefeld | 2005

Innovation: A Guide to the Literature

Fagerberg, Jan | In: Fagerberg, Jan; Mowery, David; Nelson, Richard R. (Hrsg.): The Oxford Handbook of Innovation. Oxford, S. 1–27 | 2005

Diffusion of Innovations

Rogers, Everett M. | (5. Aufl.). New York | 2003

In the age of the smart machine. The future of work and power

Shoshana, Zuboff | New York | 1988

Digitalisierung industrieller Arbeit : die Vision Industrie 4.0 und ihre sozialen Herausforderungen

Hirsch-Kreinsen, Hartmut; Ittermann, Peter; Niehaus, Jonathan (Hrsg.) | Baden-Baden | 2018

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Lexikon der Arbeits- und Industriesoziologie

Hirsch-Kreinsen, Hartmut; Minssen, Heiner (Hrsg.) | Baden-Baden | 2017

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Zum Verhältnis von Arbeit und Technik bei Industrie 4.0

Hirsch-Kreinsen, Hartmut | In: APuZ Aus Politik und Zeitgeschichte 66, S. 10-17 | 2016

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Digitization of industrial work: Development paths and prospects

Hirsch-Kreinsen, Hartmut | In: Journal for Labour Market Research 49, S. 1-14 | 2016

"Low-Tech" Innovations

Hirsch-Kreinsen, Hartmut | In: Industry & Innovation 15, S. 19-43 | 2008