Betriebe reagieren bei Besetzungsproblemen flexibel
BIBB-Studie zeigt: Betriebe, die nicht alle Ausbildungsplätze besetzen können, stellen eher Jugendliche mit maximal Erstem Schulabschluss ein
21/2025 | Bonn, 16.07.2025
Betriebe stellen häufig Mindestanforderungen an den Schulabschluss neuer Auszubildender. Das trägt dazu bei, dass Jugendliche mit Erstem Schulabschluss (früher: Hauptschulabschluss) Schwierigkeiten haben, Ausbildungsplätze zu finden. In einer kürzlich im renommierten „International Journal of Manpower“ erschienenen Studie beleuchtet Anett Friedrich, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), den Zusammenhang zwischen dem Schulabschluss neuer Auszubildender und den betrieblichen Merkmalen der Ausbildungsbetriebe.
Ihre Ergebnisse zeigen, dass Betriebe ihre Anforderungen an den Schulabschluss von Ausbildungsplatzsuchenden insbesondere dann lockern, wenn sie Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Auszubildenden haben. So ist der Anteil der neu eingestellten Auszubildenden mit maximal Erstem Schulabschluss in Betrieben signifikant höher, wenn diese Ausbildungsplätze nicht besetzen können.
„Dieser Befund ist erfreulich, weil er zeigt, dass Betriebe flexibel reagieren, wenn sie nicht genügend gut qualifizierte Schulabgängerinnen und Schulabgänger finden“, sagt Prof. Dr. Hubert Ertl, Forschungsdirektor und stellvertretender BIBB-Präsident. „Dass Betriebe Zugeständnisse beim Schulabschluss machen, ist nicht zuletzt aufgrund des anhaltenden Fachkräftemangels in Deutschland zentral. Denn die Integration von Jugendlichen mit maximal Erstem Schulabschluss ist eine wichtige Daueraufgabe für das Berufsbildungssystem.“
Betriebe mit höher qualifizierter Belegschaft bevorzugen Auszubildende mit Abitur
Die Studie zeigt zudem, dass die Qualifikationsstruktur von Betrieben ein zentraler Faktor bei den Einstellungsentscheidungen ist: So stellen Betriebe mehr Auszubildende mit Abitur ein, wenn ihre Belegschaft insgesamt höher qualifiziert ist. Die Untersuchung zeigt aber auch, dass dabei die Anzahl der Bewerber/-innen mit Abitur eine Rolle spielt. Überraschenderweise stellen Betriebe mit einem höheren Anteil an Bewerber/-innen mit Abitur zudem mehr Auszubildende mit maximal Erstem Schulabschluss ein. „Ausbildungsplatzsuchende mit Abitur und solche mit maximal Hauptschulabschluss stehen also nicht zwingend in Konkurrenz zueinander“, so Studienautorin Friedrich. Für zukünftige Untersuchungen ist nun von Interesse, ob sich die Rekrutierungsentscheidungen hinsichtlich des Schulabschlusses zwischen den verschiedenen Branchen unterscheiden und ob sich regionale Unterschiede erkennen lassen.
Für die Studie „School-leaving certificates and vocational education and training – the role of firms as gatekeepers in Germany“ berechnete Anett Friedrich auf Grundlage des repräsentativen BIBB-Betriebspanels zu Qualifizierung und Kompetenzentwicklung (BIBB-Qualifizierungspanel) sogenannte Fixed-Effect Regressionen mit insgesamt 2.004 Ausbildungsbetrieben in Deutschland. Diese Vorgehensweise erlaubt kausale Schlüsse zum Einfluss von betrieblichen Merkmalen auf die Einstellung von Auszubildenden mit maximal Erstem Schulabschluss sowie solchen mit Abitur. Für die Studie wurden Paneldaten aus den Jahren 2013 bis 2018, also vor der Coronapandemie, ausgewertet, um die starken Effekte der Pandemie auf den Ausbildungsmarkt auszusparen.
Zur Studie:
Das BIBB-Qualifizierungspanel:
BIBB-Betriebspanel zu Qualifizierung und Kompetenzentwicklung
Kontakt:
Anett Friedrich; Anett.Friedrich@bibb.de
Bei Abdruck Belegexemplar erbeten.