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Nur schwacher Anstieg der Ausbildungsvergütungen

Ursula Beicht

Bei durchschnittlich 617 € pro Monat lagen die tariflichen Ausbildungsvergütungen im Jahr 2004 in Westdeutschland. Die Erhöhung gegenüber 2003 betrug 0,8 % und war damit deutlich schwächer als im Vorjahr. In Ostdeutschland beliefen sich die tariflichen Vergütungen 2004 auf durchschnittlich 526 € pro Monat. Hier fiel die Steigerung mit 1,7 % fast genauso aus wie im Jahr zuvor. Der Abstand zum westlichen Tarifniveau blieb jedoch weiterhin unverändert: Seit 2001 werden im Osten 85 % der Vergütungshöhe im Westen erreicht. Der Vergütungsdurchschnitt für das gesamte Bundesgebiet lag bei monatlich 601 € und stieg verglichen zum Vorjahr um 1,0 % an.

Veröffentlicht: 24.01.2005 URN: urn:nbn:de:0035-0106-2

Zu diesen Ergebnissen kommt das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in seiner aktuellen Auswertung der tariflichen Ausbildungsvergütungen. Regelmäßig zum Stichtag 1. Oktober werden die Vergütungsdurchschnitte für stärker besetzte Ausbildungsberufe berechnet, gegenwärtig für 193 Berufe in West- und 156 Berufe in Ostdeutschland. In diesen Berufen sind derzeit 91 % aller Auszubildenden im Westen und 83 % im Osten vertreten. Die Datenbasis bilden die vereinbarten Vergütungssätze aus über 600 Tarifbereichen in Deutschland.

Erhebliche Vergütungsunterschiede

Zwischen den Berufen bestehen erhebliche Vergütungsunterschiede. Sehr hohe Vergütungen sind beispielsweise seit vielen Jahren für die Berufe des Bauhauptgewerbes (z.B. Maurer/ Maurerin) tariflich vereinbart: Im Westen waren es 2004 durchschnittlich 833 € und im Osten 679 € pro Monat. Ebenfalls sehr hoch lagen die Vergütungen im Beruf Gerüstbauer/ Gerüstbauerin sowie im Beruf Versicherungskaufmann/ Versicherungskauffrau, in welchem einheitliche Vergütungssätze in West und Ost festgesetzt sind. Eher niedrige Ausbildungsvergütungen gab es zum Beispiel in den Berufen Friseur/ Friseurin, Florist/ Floristin, Bäcker/ Bäckerin sowie Tischler/ Tischlerin. (Ergebnisse für alle erfassten Berufe)

Grundlegende Informationen

In der betrieblichen Berufsausbildung sind die Ausbildungsbetriebe gesetzlich dazu verpflichtet, ihren Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu zahlen (§ 10 Berufsbildungsgesetz). In den meisten Wirtschaftszweigen wird die Höhe der Ausbildungsvergütungen zwischen den Tarifpartnern (Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften) vereinbart. Die tariflichen Vergütungssätze sind für tarifgebundene Betriebe verbindliche Mindestbeträge, d.h. niedrigere Zahlungen sind unzulässig, übertarifliche Zuschläge dagegen möglich. Eine Tarifbindung liegt vor, wenn der Betrieb dem Arbeitgeberverband angehört, der einen entsprechenden Tarifvertrag abgeschlossen hat. Nicht tarifgebundene Ausbildungsbetriebe orientieren sich häufig an den in ihrer Branche und Region geltenden tariflichen Sätzen, die sie jedoch nach derzeitiger Rechtsprechung um bis zu 20 % unterschreiten dürfen. Rund 80 % der Betriebe zahlen die tariflichen Vergütungssätze ihrer Branche und Region, entweder wegen Tarifbindung oder auf freiwilliger Basis. Die Orientierung an den Tarifen ist im Westen deutlich stärker ausgeprägt als im Osten.
Bei den tariflichen Ausbildungsvergütungen handelt es sich um Bruttobeträge. Sofern die Vergütung monatlich über 325 € liegt, sind vom Auszubildenden Sozialversicherungsbeiträge zu leisten. Gegebenenfalls erfolgt auch ein Abzug von Lohnsteuer.

Zu beachten ist bei den berufsspezifischen Durchschnitten, dass sich auch innerhalb eines Berufs die tariflichen Ausbildungsvergütungen je nach Branche und Region zum Teil relativ stark unterscheiden können. So bekommen beispielsweise angehende Industriekaufleute in der chemischen Industrie eine andere Ausbildungsvergütung als in der holzverarbeitenden Industrie, da immer die Branche des Ausbildungsbetriebs und die hierfür vereinbarte Vergütung ausschlaggebend ist. Oft gibt es zudem auch regionale Unterschiede innerhalb einer Branche. Hinzu kommt, dass die tariflichen Vergütungssätze von Ausbildungsjahr zu Ausbildungsjahr ansteigen. Die tariflichen Ausbildungsvergütungen sind damit noch wesentlich differenzierter, als es durch die Durchschnitte pro Beruf erkennbar wird.

Das Vergütungsniveau unterscheidet sich deutlich nach den Ausbildungsbereichen: Im Westen wie im Osten wurden 2004 in Industrie und Handel sowie im Öffentlichen Dienst überdurchschnittlich hohe Ausbildungsvergütungen erreicht. Unter dem jeweiligen Gesamtdurchschnitt lagen dagegen die Vergütungen im Handwerk, bei den Freien Berufen und in der Landwirtschaft. Insbesondere innerhalb der Bereiche Industrie und Handel sowie Handwerk weichen die Vergütungen der einzelnen Berufe allerdings zum Teil sehr stark voneinander ab.

Es wurden auch Vergütungsdurchschnitte für die weiblichen und männlichen Auszubildenden errechnet. In Westdeutschland kamen die männlichen Auszubildenden auf eine durchschnittliche Ausbildungsvergütung von 630 € und die weiblichen Auszubildenden auf 598 € pro Monat. In Ostdeutschland betrug der Durchschnitt für die männlichen Auszubildenden 536 € und für die weiblichen 507 €. Die festzustellenden Vergütungsabweichungen sind auf die unterschiedliche Verteilung der männlichen und weiblichen Auszubildenden in den einzelnen Berufen zurückzuführen, d.h. weibliche Auszubildende sind häufiger in Berufen mit einer niedrigeren Ausbildungsvergütung anzutreffen als männliche Auszubildende.

Insgesamt verteilten sich die Ausbildungsvergütungen wie folgt: In Westdeutschland bewegten sich die Vergütungen für 55 % der Auszubildenden zwischen 500 € und 700 €. Weniger als 500 € erhielten 15 % der Auszubildenden, wobei Vergütungen unter 400 € eher die Ausnahmen bildeten. Mehr als 700 € gingen an 30 % der Auszubildenden. In Ostdeutschland kamen 46 % der Auszubildenden auf Beträge zwischen 500 € und 700 €. Unter 500 € lagen die Vergütungen für 48 % der Auszubildenden, für 19 % sogar unter 400 €. Über 700 € erreichten 6 % der Auszubildenden.

Für die einzelnen Ausbildungsjahre wurden im Durchschnitt über die Berufe folgende monatliche Vergütungsbeträge ermittelt: In Westdeutschland betrugen sie im 1. Ausbildungsjahr durchschnittlich 549 €, im 2. Jahr 610 € und im 3. Jahr 687 €. In Ostdeutschland lagen die Vergütungen im 1. Ausbildungsjahr bei durchschnittlich 462 €, im 2. Jahr bei 529 € und im 3. Jahr bei 591 € pro Monat.

Niedrigere Vergütungen in der außerbetrieblichen Ausbildung

Die tariflichen Ausbildungsvergütungen gelten ausschließlich für die betriebliche Ausbildung, also für die Auszubildenden, die mit einem "normalen" Betrieb ihren Ausbildungsvertrag abgeschlossen haben. Ein Teil der Auszubildenden wird jedoch in außerbetrieblichen Maßnahmen ausgebildet, die durch staatliche Programme oder auf gesetzlicher Grundlage mit öffentlichen Mitteln finanziert werden. Ende des Jahres 2003 betraf dies insgesamt über 10 % der Auszubildenden. In Ostdeutschland hat die außerbetriebliche Ausbildung mit 30 % der Auszubildenden eine erheblich größere Bedeutung als in Westdeutschland mit 5 %. Die in der außerbetrieblichen Ausbildung gezahlten Ausbildungsvergütungen orientieren sich nicht an den Tarifen, sondern sind staatlich festgesetzte Beträge, die in der Regel niedriger als die tariflichen Sätze liegen.

Die Auszubildenden, die 2004 im Rahmen des Bund-Länder-Programms Ost ausgebildet wurden, erhielten bei einer dreijährigen Ausbildung im Durchschnitt folgende monatliche Beträge in den einzelnen Ländern: 263 € in Berlin, 217 € in Thüringen, 215 € in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, 178 € in Sachsen und 172 € in Sachsen-Anhalt. Diese Beträge gelten bis auf wenige Ausnahmen einheitlich für alle Ausbildungsberufe. In der nach § 242 Sozialgesetzbuch III (SGB III) finanziell geförderten Ausbildung lernbeeinträchtigter und sozial benachteiligter Jugendlicher wird im ersten Ausbildungsjahr eine Vergütung von 282 € pro Monat gezahlt, die sich in den nachfolgenden Ausbildungsjahren um jeweils 5 % erhöht. Bei einer dreijährigen Ausbildungsdauer bedeutet dies einen durchschnittlichen monatlichen Betrag von 296 €. Bei der nach § 102 SGB III finanzierten Berufsausbildung behinderter Jugendlicher wird ein sogenanntes Ausbildungsgeld gewährt, das z.B. bei einem Auszubildenden, der zwischen 18 und unter 21 Jahre alt ist und im Haushalt der Eltern lebt, monatlich 282 € beträgt. Die genannten Beträge verdeutlichen, dass die in der außerbetrieblichen Ausbildung gezahlten Vergütungen erheblich unter dem durchschnittlichen tariflichen Vergütungsniveau liegen.

Die tariflichen Ausbildungsvergütungen sind eng an das Lohn- und Gehaltsniveau der jeweiligen Branchen gekoppelt. Größere Lohn- und Gehaltsanhebungen sind in den kommenden Tarifverhandlungen angesichts der allgemein schwierigen wirtschaftlichen Lage in Deutschland eher unwahrscheinlich. Für die kommenden Jahre ist daher auch kaum mit einer nennenswerten Steigerung der tariflichen Ausbildungsvergütungen zu rechnen. Die Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt wird in Westdeutschland voraussichtlich noch auf Jahre hin schwierig bleiben. Eine ungünstige Angebots-Nachfrage-Relation war in der Vergangenheit immer auch verbunden mit einem geringen Vergütungsanstieg. In Ostdeutschland zeichnet sich allerdings schon bald wegen des starken Rückgangs an Schulabgängern ein Mangel an Nachwuchskräften für die Betriebe ab. Inwieweit hier zur Nachwuchsgewinnung künftig eine stärkere Erhöhung der Ausbildungsvergütungen und Angleichung an das Westniveau für erforderlich gehalten wird, kann momentan noch nicht abgeschätzt werden.

Derzeit gehen die Bestrebungen eher in die Richtung, bei den Ausbildungsvergütungen die Spielräume nach unten zu erweitern. Im Zusammenhang mit der Reform des Berufsbildungsgesetzes wird beispielsweise diskutiert, den nicht tarifgebundenen Betrieben eine stärkere Abweichung von den tariflichen Sätzen als die bisher zulässige Unterschreitung um 20 % zu ermöglichen. Hiermit wird die Erwartung verbunden, die Ausbildungsbereitschaft dieser Betriebe zu erhöhen. Im Hinblick auf die Tarifbindung der Betriebe wird häufig gefordert, Abweichungen von den tariflichen Regelungen auf der betrieblicher Ebene bei Zustimmung des Betriebsrats generell zuzulassen. Für Betriebe, die mit der Ausbildung ihren längerfristigen Fachkräftenachwuchs sichern wollen, stellt die Höhe der Ausbildungsvergütungen jedoch in der Regel kein tatsächliches Ausbildungshemmnis dar. Bereits jetzt sind die Ausbildungsvergütungen durch die tariflichen Regelungen, welche die jeweiligen spezifischen Verhältnisse in den einzelnen Branchen und Regionen berücksichtigen, äußerst differenziert. Vor einer weitergehenden Deregulierung der Ausbildungsvergütungen sollte daher bedacht werden, dass eine noch stärkere Differenzierung der Ausbildungsvergütungen von den Auszubildenden wahrscheinlich nur schwer nachvollzogen und akzeptiert werden könnte.

Literaturhinweise

  • Beicht, Ursula; Walden, Günter
    Sind die Ausbildungsvergütungen zu hoch? - Eine pauschale Antwort ist nicht möglich, in: Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, Heft 3/2004, S.20-23
  • Beicht, Ursula; Herget, Hermann; Walden, Günter
    Kosten und Nutzen der betrieblichen Berufsausbildung in Deutschland, Berichte zur beruflichen Bildung, Heft 264, Bielefeld 2004 [Bestellsystem]
  • Beicht, Ursula; Herget, Hermann; Walden, Günter
    Costs and Benefits of In-Company Vocational Education and Training in Germany
  • Beicht, Ursula; Berger, Klaus; Bispinck, Reinhard; Kirsch, Johannes
    Tarifliche Ausbildungsförderung. Entwicklung der Regelungen von 1996 bis 2001 und Einschätzung ihrer Wirksamkeit. Berichte zur beruflichen Bildung, Heft 263, Bielefeld 2004 [Bestellsystem]
  • Datenbank Ausbildungsvergütungen

Erscheinungsdatum, Hinweis Deutsche Nationalbibliothek

Veröffentlichung im Internet: 24.01.2005

URN: urn:nbn:de:0035-0106-2

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